Yingpei - Chronik 4

Erinnerung an Omicron

--- Mannschaftsmesse

Mit Genugtuung bemerkte Kwhiro dass sein "Stammtisch" weit von der Küche weg frei war. Die Experimente das Kochs waren schon schlimm genug, da brauchte er nicht auch noch den Geruch aus der Küche. Dass er selbst mit für Ersatz gesorgt hatte, war für den Moment vergessen, nahmen doch immer noch andere Gedanken seine Aufmerksamkeit gefangen.

Trotzdem runzelte er kurz seine Augenbrauen als er feststellte, dass ungewöhnlich viele Personen in der Messe anwesend waren. Den Söldner erkannte er, quittierte das Erkennen mit einem angedeuteten Verdrehen der Augen, sowie den Mann der bei diesem stand, konnte diesen aber nicht einordnen. Die restlichen Anwesenden, die ihm unbekannt waren grüßte er mit einem kurzen Nicken.

Immer noch grübelnd ließ sich der El-Aurianer auf "seinen" Sitz am Tisch fallen und streckte die Beine aus. "Bestelle mir was Scharfes, das übertönt hoffentlich den restlichen Geschmack.", wies er Juna wie selbstverständlich an, und überlegte immer noch warum ihm die Szene im Quartier eigentlich seltsam vorkam. Diese setzte sich wie gewöhnlich neben ihn, musterte aber die Anwesenden wesentlich aufmerksamer.

Die Orionerin sah sich aufmerksam im Raum um. An einem Tisch sah sie den auf den ersten Blick recht beeindruckenden Söldner. Sie hatte schnell heraus gefunden, dass sich hinter seinen vielversprechendem Aussehen überhaupt nichts Interessantes verbarg. Seine körperliche Kraft  war kein ausreichender Vorteil gegen einen geschickten Kämpfer wie sie, ließ sich von ihr sogar in einen Nachteil verwandeln.

Tom schien Schwierigkeiten haben sich diesen seltsamen blassen Neuling, der neben seinem Tisch stand, mitzuteilen. Nun ja, eigentlich verwunderte das nicht weiter, sein Wortschatz war nicht ganz so umfangreich wie seine Muskelmasse.

An einem anderen Tisch saßen zwei weitere Fremde, ein männlicher und ein weiblicher Terraner. Beide waren am essen, wobei die Frau ihren Teller besonders interessant zu finden schien. Sie hielt ihren Blick fest darauf fixiert, schien sich kaum zu trauen woanders hin zu sehen. Nur kurz flackerte ihr Blick zu Juna.

Der Mann schien dagegen keine solcher Hemmungen zu haben. Im Gegenteil, er musterte die Orionerin mindestens so eingehend wie diese die beiden. Seine interessierten Blicke schmeichelten ihr.

Als er Juna und Kwhiro mit Gesten zu sich einlud, schien die kurzhaarige Frau an seinem Tisch sich am liebsten auf ihren Teller verstecken zu wollen. Ob sie wohl die Sklavin des Menschen war? Die Orionerin war sich nicht sicher, wie das in der terranischen Gesellschaft war. Freundlich lächelnd schüttelte sie den Kopf und zeigte auf ihren Herrn der zur Zeit lieber seine Ruhe zu haben schien.

--- Mannschaftsmesse, Tisch 6

Während sie sich anscheinend vollkommen ihrem Frühstück, das wirklich hervorragend schmeckte, widmete, hatte Gianna unter den Wimpern hervor das Geschehen in der Messe beobachtet. Zunächst diesen langen und muskulösen blonden Kerl, den sie schon einmal gesehen hatte, als sie die Yingpei betreten hatte.

Er schien so eine Art Sicherheitsmitglied zu sein. Viele Worte hatte sie ihn noch nicht sprechen hören und wenn man das dumme Gesicht ansah, das er während der Unterhaltung mit Jacques machte, würde das wohl auch kaum der Fall sein. Er wirkte nicht gerade wie ein schlauer Fuchs.

Als nun auch noch dieses seltsam wirkende Paar an einen Tisch trat, hätte die Italienerin sich am liebsten unsichtbar gemacht. Sie hasste Menschenaufläufe. Sie hasste es, neugierig angestarrt zu werden, und irgendwie hatte sie das Gefühl, dass sie angestarrt wurde. Obwohl das, objektiv betrachtet, gar nicht der Fall war...

Statt dessen bemühte sie sich verzweifelt, nicht diese grünhäutige Frau anzustarren, die mit dem Neuankömmling die Messe betreten hatte. Ihre Kleidung war ... frivol. Sie ließ ihr die Röte ins Gesicht steigen. Was dachte diese Frau sich, so herumzulaufen?

Angestrengt hielt sie ihren Blick auf ihren Teller gerichtet und konzentrierte sich auf ihr Frühstück. Hoffentlich kam niemand auf die Idee, irgendetwas von ihr zu wollen...

Unauffällig blickte Hawkeye in die Richtung der beiden Neuankömmlinge. Zugegebenermaßen war nicht der Mann im Fokus seines Interesses, als vielmehr die Orionerin. Während ihm die Aussichten gefielen schien Gianna weniger angetan davon zu sein. Zumindest war sie noch verlegener als sonst und Ben bezweifelte, dass die Kampfmaschine mit tierischer Intelligenz dafür verantwortlich war, die dumpf in die Gegend starrte.

Nun gut er kannte sie auch keine halbe Stunde, da gab es noch viel Platz für Unbekanntes.

Tatsächlich schien die grünhäutige Frau am anderen Tisch die beneidenswerten Fähigkeiten ihres Volkes zu besitzen, denn sie schien die Blicke des Amerikaners zu bemerken und zu Lächeln. Ermuntert durch die Aufmerksamkeit ließ Hawkeye seinen Blick einmal ungeniert über den sichtbaren Teil ihres Körpers gleiten, bevor er sich wieder seinem Essen zuwandte.

Zwei Sekunden später entschied er sich um, blickte grinsend die Italienerin an, und sprach ein schnelles, "Du hast doch nichts dagegen?", zu ihr, bevor er seinen Blick in die Richtung des Tisches der Neuangekommenen hob und freundlich winkte. Mit einer Geste lud er sie ein sich zu ihnen zu setzen, mit einem Wink auf das opulente und gut schmeckende Frühstück.

--- Mannschaftsmesse, Tisch 3

"Monsieur, beliebt Ihnön dieser Wein?", fragt Jacques an Tom gewandt.

"Ich will...Trinken. Und Fleisch!", war die Antwort, die unendlich traurig klang. Offensichtlich wurden die Erwartungen dieses speziellen Gastes nicht erfüllt. Viel und schnell, Geschmack egal. Das schien dessen Motto zu sein. Dass er das nicht bekam, ließ ihn offenbar hilflos zurück.

"Sofort, der 'err!" Mit diesen Worten füllte der Androide das Weinglas.

In dem Bewusstsein, dass es sicherlich viel Zeit in Anspruch annehmen würde, bis der Hüne herausgefunden hatte, wie herum er das Glas halten musste, um es an den Mund zu führen, begab er sich Tisch 9, an dem sich zwei neue Gäste eingefunden hatten.

--- Manschaftsmasse, Tisch 9

"Ahhh, Monsieur Kwhiro!", begrüßte er den Ingenieur. "Es freut misch ungemein, sie in meinem kleinön Reisch begrüßen ßu dürfön!

Und wer ist Ihre entßückendö Begleiterin, wenn isch fragön darf?", schickte er sich an, die grünhäutige Frau mit einem Handkuss zu begrüßen.

Juna spürte wie sich ihre Nackenhaare aufstellten. 'Diese Stimme...' Ruckartig zog sie ihre Hand zurück, die sich automatisch in eine Faust verwandelte und sprang auf, ihr Stuhl fiel nach hinten. Diese seltsame Aussprache von Föderation Standard kannte sie, sie würde sie nie vergessen. Marc Étoile, der von ihr brennend gehasste Mörder, sprach auf genau die gleiche Weise.

Kampfbereit starrte sie das Wesen an. Es schien doch kein Mensch zu sein, wie sie zunächst dachte, sondern vielmehr ein Roboter, der wie ein Mensch aussehen sollte.

Jacques schaute erschrocken auf die zu allem entschlossene Orionerin. Er konnte sich nicht vorstellen, was ihre Reaktion ausgelöst haben mochte.

Nebenbei nahm er den umgeworfenen Stuhl war. Auf einem Bird of Prey sollten eigentlich alle Tische und Stühle fest verankert sein, um Massenschlägereien nicht auch noch zu unterstützen. Kwhiro hatte wirklich Recht, wenn er sagte, er wolle morgen um 19.00 Uhr mal die Küche warten. Jacques nahm sich vor, ihm zu sagen, dass er die Mannschaftsmesse gleich mit überprüfen solle.

Dann hörte er hinter sich den dröhnenden Bass von Tom: "Ich bin Sicherheit, wer ist der Böse?" Mit diesen Worten schob er sich zwischen Jacques und Juna. Offensichtlich war er bereit, denjenigen niederzuschlagen, der als erstes als "Böser" betitelt wurde.

"Wir ge'ören beidö ßu den Liebön, Monsieur Tom", versuchte Jacques, den fleischgewordenen Oger zu besänftigen. "Setzen Sie sisch wiedör auf Ihrön Platz, s' il vous plaît. Ihr Menü wird in Kürßö serviert werdön."

Tom schaute Jacques wieder mit offenem Mund verständnislos an.

--- Quartier des Captains

Für einen Moment war der Terraner sprachlos. Was wollte Zesiro? Er nahm einen großen Schluck aus dem Glas, was er aber sofort bereute. Das Zeug verbrannte ihm fast den Mund und in seinem Magen herrschte plötzlich Aufbruchsstimmung.

"Du machst Witze!", brachte er heiser hervor. Doch der Ausdruck in Zesiros Gesicht ließ keinen Zweifel daran, wie ernst sie es meinte. Collins nahm trotz allen noch einen Schluck. Inzwischen waren Mund und Magen taub und tolerierten dieses Zeug.

"Das ist ein seltsamer Job für einen Psychologen", begann Jack nach einer kleinen Pause. "Verstehe mich nicht falsch, es passiert nur nicht so oft, das mich jemand engagiert um sich töten zu lassen. Außerdem, warum gerade ich? Du kennst mich nicht, du weißt nichts von mir, außer vielleicht die Sachen, die Silva von mir weiß." Und die wusste einiges, überlegte Collins.

Es war eine ziemlich verzwickte Sache. Der Psychologe wusste nicht, wie viel Silvana Zesiro über ihn schon erzählt hatte. Die Unsicherheiten waren sehr groß bei so einen Auftrag. Wenn der Terraner in die Situation käme, Zesiro töten zu müssen, wäre Silvana die erste, die ihm nach dem Leben trachten würde. Mal ganz zu schweigen von dem Rest der Besatzung, die er noch nicht mal kannte.

Aber es gab ja auch die Möglichkeit herauszufinden, warum Zesiro so ausrastete. Das bedeutete aber Schnüffeleien, Recherchen und Informationen einholen. Und da war mit Sicherheit schwer ranzukommen. "Du verlangst eine ganze Menge", sagte er leise und drehte das Glas in seiner Hand. "Ich meine, wenn ich ja sage, bin ich der erste, den du dir aufs Korn nimmst. Da brauch ich dich nicht mal schief angucken."

"Keine Sorge, so funktioniert es nicht." Zesiro sah einen Moment lang in ihr Glas, um sich zu sammeln, denn dieses Gespräch zählte immerhin nicht gerade zu den liebsten Momenten in ihrem Leben. "Solange du nicht gerade derjenige bist, der mich ursprünglich zur Weißglut gebracht hat, hast du genauso gute oder schlechte Chancen wie jeder andere." Sie grinste freudlos und prostete ihm zu. "Also versuch, mich nicht an die Sternenflotte zu verkaufen. Aber den Rat gebe ich hier sowieso jedem."

Einen Augenblick lang nahm sie sich Zeit für einen weiteren Schluck und würdigte mit einem Winkel ihres Verstandes die wirklich gute Qualität des Zeugs, während sie den Psychologen musterte. Er schien ein bodenständiger Kerl zu sein. Nicht so ein Wahnsinniger wie die meisten anderen auf ihrer Yingpei. Das war ein Anfang.

"Und warum du", fuhr sie fort, nachdem sie geschluckt hatte, verzog das Gesicht über ihre brennende Kehle und gestikulierte mit dem Glas. "Glaub mir, ich würde gerne eine Transmission zur Sternenflottenakademie schicken und mir einen Professor ausleihen, aber komischerweise schicken die immer ein Patrouillenschiff vorbei, wenn ich das mache. Silva vertraut dir." Sie zuckte mit den Schultern. "Reicht mir."

Abwartend verstummte sie. Aus ihrer Perspektive war alles Klärende gesagt, was zu dem Thema gesagt werden musste.

Wortlos nickte der Terraner, obwohl ihm die Sache überhaupt nicht schmeckte. Aber was blieb ihn anderes übrig. "Ok, du bist der Captain!", sagte er dann. "Ich werde dich also ab jetzt ein wenig im Auge behalten." Er stand auf und brachte das Glas zum Schreibtisch.

"Bis es soweit ist, kann ich ja versuchen noch ein paar andere Seelen auf diesem Schiff bei ihren Problemen helfen." Collins dachte an das immer leere Büro auf der Privateer und lachte leise. "Nebenbei könnte ich in der Technik aushelfen, obwohl bei diesem Kahn müsste ich erst mal ein wenig üben."

Jack hatte einen faden Geschmack im Mund. Das bedeutete, seine Geschmacksnerven waren noch nicht ganz abgestorben. Er hatte seit langen nichts vernünftiges gegessen. Und den widerlichen Geschmack könnte man gerne mit einem Kaffee runterspülen.

"Ich denke, ich werde mal deinen neuen Koch testen, diesen Androiden." Collins musterte Zesiro, die jetzt von ihrem Stuhl aufgestanden war und sich ihm zuwandte. "Könnte ja dem Blechhaufen mal erklären, was passiert, wenn er dich mit sinnlosen Anfragen reizt", er grinste.

Von seinen Abneigung gegenüber Robotern und Androiden, sagte er nichts. Jeder hatte seine Phobie. Und scheinbar tat es Not dem Androiden mal ein wenig Aufmerksamkeit zu schenken. Rein prophylaktisch versteht sich. Jack schnappte sich seinen Rucksack. "Ok, Captain! Wo darf ich denn einziehen?"

--- Mannschaftsmesse, Tisch 9

Tom schaute sich um, sein Blick wanderte von Jacques zurück zu Juna, dann zu Kwhiro, dessen Grinsen inzwischen sehr breit geworden war. Brachte diese Situation doch Stimmung in die sonst sehr trostlose Mannschaftsmesse. Trotzdem wollte der Techniker nicht, dass wirklich noch etwas passierte, außerdem hatte er immer noch Hunger und nachdem er nicht zuletzt wegen dem unverständlichen Geplapper Jacques erkannte, war ihm Essen lieber als ein Kampf.

Der Söldner hinter dessen Stirn die Temperatur zu stiegen schien legte den Kopf schief und ballte eine Hand zur Faust, obwohl sein Blick kein direktes Ziel erkennen ließ, vielleicht hatte er auch noch keins. Kwhiro trat ihm stattdessen leicht ans Schienbein. Tom fuhr herum, seinen Arm mit daran hängender, geballter Faust weit ausgestreckt wie einen Kran auf Kwhiro zu bewegend.

Diese für ihn aufkommende Gefahr ließ die Orionerin ohne Verzögerung handeln und sofort umschalten, um die Bedrohung von ihrem Herrn abzuwenden. Das Geräusch von Toms hartem Aufprall auf dem Boden war noch nicht verklungen als sie auf seiner Brust kniete und selbst zu einem Schlag ausholte. Diesen allerdings unterbrach der El-Aurianer, vor dem sich das alles in ca. 30 Zentimetern Abstand abspielte, indem er ihren Arm ergriff und einen Kuss auf ihre Faust hauchte.

Drei Augenpaare starrten ihn in jeweils eigener Verwirrung an. "Ich denke hier muss heute Abend KEINER Schmerzen erleiden.", sagte Kwhiro mit betont ruhiger Stimme. "Setz dich..:" meinte er zu seiner Sklavin gewandt. Diese aber spannte ihre Muskeln wieder an um erneut einen Schlag anzusetzen. Das brachte Kwhiros kurzfristig gefassten Plan ins Wanken, die Situation zu beruhigen.

Da ihm nichts Besseres einfiel, versuchte er es kurz entschlossen gänzlich anders: "SETZ DICH HIN!", fauchte er Juna an. Die Sklavin schaute ihn kurz mit großen Augen an, setzte sich aber trotzdem sofort auf den Stuhl den sie wieder hinstellte. Ihre Anspannung war noch nicht verschwunden und Kwhiro betrachtete kurz mit Interesse ihren Oberkörper, der sich unter ihrem schweren Atem sehr ansehnlich bewegte.

So legte er eine Hand auf ihren Arm und wandte sich an den immer noch verdutzt am Boden liegenden Tom: "Danke Tom, kein Bedarf für mehr Sicherheit.", woraufhin dieser aufstand und mit einer Erwiderung die wie "hmpfgrl" klang zu seinem Tisch zurückkehrte.

Nicht weniger unverständlich waren die Laute des Kochs, die die Ohren des El-Aurianers erreichten. Ausdrücke wie "Montiö oder Märte" waren für diesen unverständlich. Er schaute in Junas Augen die immer noch leicht zusammengekniffen waren. Kwhiro wusste nicht woher ihre plötzliche Rage kam: "DAS ist der Koch, ICH habe Hunger….". Abwartend ließ er diese Worte 'in der Luft hängen'.

Langsam gelang es der Orionerin wieder ihren Gefühlsaufruhr unter Kontrolle zu bringen. Wenn sich dieser Trottel von Söldner nicht eingemischt hätte und auch noch versucht hätte, ihren Herrn anzugreifen... Obwohl, eigentlich wäre es Juna gerade recht gewesen sich an Tom abreagieren zu können. Aber sie musste ihrem Gebieter natürlich gehorchen. Zumal dieser ein Besonderer war, der sich zudem ihren Respekt verdient hatte.

Die Sklavin wurde sich den wartenden Blick ihres Herrn bewusst. "Der Koch-Roboter... er spricht genauso wie Étoile.", sagte sie ihm leise. "Deswegen kann ich ihn verstehen.", gab sie missmutig zu.

Schließlich wandte sie sich an den Koch, der Tom wieder zu seinem Platz geleitet hatte, dann aber zurück gekehrt war um nachzufragen ob der Ingenieur und die ungestüme Frau an seiner Seite nicht doch etwas bestellen wollten.

Mühsam drängte Juna ihren Hass auf Étoile beiseite. Die Maschine konnte nichts dafür, dass ihr Erbauer es für unterhaltsam gehalten hatte, sie mit diesem terranischen Dialekt zu programmieren. Dennoch behielt die Stimme der Sklavin einen unfreundlichen Ton.

"Für meinen Herrn ein scharf gewürztes Gericht!", wies sie dem Roboter an. "Und für mich etwas proteinreiches und fruchtiges."

--- Mannschaftsmesse, Eingang

Silvana überflog die gesamte Messe nur kurz mit wachem Blick und stellte fest wohl eben etwas durchaus Interessantes versäumt zu haben. Hawkeye, der keine Zeit verstreichen hatte lassen sich weibliche Begleitung zu suchen, musterte neugierig die wie immer spärlich bekleidete Juna, deren Mimik der eines Kampfhundes an kurzer Leine glich, während Staub einen Großteil von Toms breiter Rückenfront bedeckte.

Dennoch galt Junas zornig funkelnder Blick nicht etwa Tom, sondern einem blassen Typen, den Silvana sofort als Androiden einstufte und der somit das Prädikat "uninteressant" von ihr erhielt. Maschinen waren nicht so ihr Ding. Sie hatte es einmal mit einer probiert, doch es hatte sie nicht befriedigt.

Katzenhaft schlenderte sie zu Hawkeyes Tisch ohne Kwhiro eines Blickes zu würdigen. Sie begriff ohnehin nicht, wie man sich so einem Versager unterordnen konnte wie ein Hund. Denn das war er in ihren Augen, weil er sein bisher langes Leben fast nur sinnlos vergeudet hatte. Selbst sie hatte mehr Spuren im Universum hinterlassen als er und sich einen Ruf geschaffen, der ihr weit vorauseilte.

--- Tisch 6

"Mit den besten Wünschen vom Captain", meinte Silvana und stellte die Flasche vor dem Arzt auf den Tisch. Sie blickte kurz von ihm zu der Kleinen an seiner Seite. Auch ohne zu wissen, dass neben Arzt, Koch und Psychologen nur mehr der Posten des Wissenschaftlers frei gewesen war, hätte sie die Kleine niemals für eine neue Söldnerin gehalten. Eher für das Wild das sie jagten.

"Zesiro meinte, du könntest eventuell Gesellschaft beim Trinken brauchen, aber ich denke, du bist bereits bedient." Ihre gelben Augen funkelten belustigt, als ihr der süß saure Geruch von Angst in die Nase stieg.

Manche Dinge änderten sich nie.

--- Quartier des Captains

Zesiro hielt einen Moment inne, um sich die Quartierbelegung durch den Kopf gehen zu lassen. "Nimm das Quartier des letzten Kochs", sagte sie schließlich. "Quartier 18. Seine alten Sachen sind noch drin, falls sie sich noch niemand unter den Nagel gerissen hat. Schmeiß sie weg oder behalt sie", wiederholte sie dasselbe, was sie zuvor bereits Hawkeye gesagt hatte.

Sie trank einen Schluck und stand auf. "Offiziell befindest du dich als Schiffscounselor an Bord. Das wird ein paar Leute hier wundern, aber das ist mir ehrlich egal. Also 'counsel' ruhig den Androiden." Sie grinste kurz und freudlos. "Und damit es überzeugender aussieht, bekommst du sogar ein Büro. Quartier 22 ist frei.

Unser Ingenieur hat bestimmt nichts gegen etwas Hilfe", fügte sie hinzu. Dann dachte sie an Kwhiro. Okay, vielleicht hatte er doch etwas dagegen, wenn jemand sich im Maschinenraum herumtrieb. Immerhin arbeitete er auffällig gerne, während sonst niemand in der Nähe war. Hatte vermutlich mit der Sklavin zu tun. Aber das war ja nun nicht ihr Problem. "Wende dich an ihn. Sein Name ist Kwhiro."

Da es sonst nichts mehr zu sagen gab und der Mann sich auch nicht besonders für die Heuer zu interessieren schien, hob sie zum Abschied ihr Glas -"Frohes Schaffen" - und trank den letzten Schluck. Ihr Tag hatte sich entschieden verbessert. Es wurde Zeit loszufliegen.

"Danke, in der Hoffnung, das ich meine eigentliche Arbeit hier nicht vollenden muss!", sagte Collins und ging durch die geöffnete Tür auf den Gang.

Einen Moment lang sah Zesiro dem Mann nachdenklich nach. Dann griff sie nach der Flasche, trank einen kräftigen Schluck für die Nerven und schraubte sie zu, ohne sie anzusehen.

Ja, das war gut gelaufen. Das hatte ihr Problem vielleicht gelöst.

--- Mannschaftsmesse, Tisch 9

Jacques nahm sich vor, sich zukünftig noch mehr in Acht zu nehmen. Auf diesem Schiff schien nicht nur die Captain den Phaser locker im Halfter sitzen zu haben, sondern auch die Mannschaft selbst schien extrem raue Sitten zu pflegen.

Der Android verbeugte sich leicht: "Sehr wohl, die Damö!", und ging Richtung Küche. Auf dem Weg dorthin vernahm er einen gewaltigen Rülpser, und Toms Bass dröhnte: "He! Koch!"

Jacques kam nicht umhin, sich darüber zu wundern, dass Tom sich seinen Beruf so lange hatte merken können. Wirklich erstaunlich, wozu so ein Vakuum alles fähig war.

"Qui, Monsieur?"

Wieder schaute Tom ratlos. Abermals schien er kein einziges Wort zu verstehen. Aber schon nach erstaunlich kurzer Zeit kam er wieder darauf, was sein ursprüngliches Anliegen gewesen war. 'Nach erstaunlich kurzer Zeit' bedeutete bei ihm, dass er überhaupt darauf kam.

"Die Flasche ist leer!"

Jacques musste sich zusammenreißen, um nicht einen Anfall zu bekommen. Dieser Hornochse hatte die gesamte Falsche 2345er Chateau du Baqueroteur auf Ex getrunken! Zesiros Bemerkung bezüglich der Genussfähigkeit der Crew erhielt auf einmal einen tieferen Sinn. Diesem Kerl könnte man wohl alles vorsetzen, solange Ethanol ein Hauptbestandteil war.

Aber Jacques wollte sich nicht aufregen. Er nahm sich vor, diesen Klotz in einen Gourmet umzuerziehen. Wie die gesamte Crew. Wenn erst mal Kultur und Distinguität hier Einzug halten würden, dann wäre das Problem der rauen Bordsitten von selbst gelöst.

"Das Menü beginnt sofort, der 'err!", versuchte der Android, den Hünen zu besänftigen.

--- Küche

Er ging in die Küche. Dort saß noch immer Classic und schien, den Koch aufs Genaueste zu beobachten.

Für Kwhiro entschied sich der Koch für ein indisches Reisgericht. Ein *sehr* indisches Reisgericht. Aber es sollte wirklich munden.

Für dessen noch immer namenlose Begleiterin wählte der Android Putenbrustgeschnetzeltes mit einer leichten Avocadocreme an süßsaurer Ananassoße.

Er bereitete beide Gerichte vor und checkte den Braten für Tom. Dieser sollte bald fertig sein.

--- Deck 4, vor dem Quartier des Captains

Ein paar Meter vom Quartier des Captains blieb Jack kurz stehen und schüttelte den Kopf. Quartier 18 hatte Zesiro gesagt. Gut! Und wo war nun Quartier 18? Er war zwar schon ein mal auf einem Schiff dieses Typs aber, das war eine Weile her und die Quartierbelegungen waren hier bestimmt anders.

Der Terraner sah sich um. Niemand zu sehen, den er fragen könnte, außer dem Captain. Aber vielleicht... "Computer? Wo finde ich Quartier 18?", fragte er zaghaft in den leeren Gang. Wie durch ein Wunder antwortete prompt eine angenehme Stimme: "Quartier 18 befindet sich auf Deck 2!"

'Na sieh mal einer an', dachte Jack. Turbolift, Computer KI auf Förderationsniveau, das Schiff hielt eine Menge Überraschungen bereit. Er folgte den Gang zurück zum Turbolift und ließ sich auf Deck 2 befördern.

--- Mannschaftsmesse, Tisch 9

Für die Vorspeise nahm Jacques eine riesige Platte, auf der er 3 Erdbeerkrönchen mit einem leichten Spritzer Vanillesoße kunstvoll anrichtete. Damit ging er zu Tom und servierte ihm den Appetitanreger.

Mit seinem Lieblingsgesichtsausdruck betrachtete Tom die Platte. "Der Teller ist ganz leer!", mäkelte er nölend. Und dann donnerte er: "Das ist kein Fleisch!"

Dieser Oger regte Jacques, langsam aber sicher auf.

"1. Ich darf intelligentes Leben nicht verletzen oder durch Passivität zulassen, dass intelligentes Leben zu Schaden kommt.", ermahnte ihn seine innere Stimme immer wieder. Ein Glück für Tom.

Aber Jacques stellte sich langsam die Frage, ob der Begriff "intelligentes Leben" Tom mit einschloss.

"Oh, wirklisch, kein Fleisch!", entgegnete Jacques, "Und das 'ast Du ganz ohne fremde 'ilfe 'erausgefunden?" Gütig lächelnd tätschelte er Tom den Kopf, der freudestrahlend zurück grinste.

An Tisch 3 hatte sich inzwischen eine junge Frau hinzu gesellt, die sich sehr geschmeidig bewegte.

Jacques eilte zu eben diesem Tisch, und fragte, was denn das Begehr der Neuen sei.

--- Mannschaftsmesse, Tisch 6

Irritiert betrachtete Silvana den blonden, blauäugigen Androiden, dessen Kauderwelsch wohl eben an ihre Adresse gerichtet war und fragte sich, ob da jemand noch eine Rechnung mit Zesiro offen hatte. Dass sie und Classic immer kleinere Differenzen hatten, war ja nichts Neues. Dieser Koch konnte kaum ernst gemeint sein.

Oder hatte die Föderation eine neue Möglichkeit gefunden sie zu bespitzeln oder die Mannschaft lahm zu legen? Was war dazu besser geeignet als der Herr über das leibliche Wohl der Mannschaft? Sie beschloss spontan ihn näher im Auge zu behalten. Vor allem, da er sicher übermenschliche Kraft besaß. Man durfte Androiden nicht unterschätzen wie sie bei ihren zahlreichen Kämpfen bemerkt hatte, auch wenn sie durchaus ihre Schwachstellen besaßen.

Ihre gelben Augen funkelten ihn nachdenklich an und sie wog ab, ob es nicht sinnvoller war das Essen in nächster Zeit lieber von einem Replikator zu beziehen, egal was Zesiro zum Thema Energieverschwendung sagte. Sie musste ja auch kein Auge auf die Sicherheit an Bord haben, die ohne konkrete Anweisung eher eine Gefahr fürs Schiff darstellten.

Gerade wollte sie antworten, als ihre Instinkte abgelenkt wurden.

--- Küche

Mit sehr gemischten Gefühlen blickte Classic dem Androiden hinterher. Die letzten Minuten hatte er versucht, die Persönlichkeitssimulation von Jacques zu analysieren. Offensichtlich aber steckte hinter der einfachen Maske eines Kochs ein wesentlich komplexeres Netz, als er erwartet hatte.

Es war definitiv eine selbst lernende Matrix, soviel war sicher, denn sie hatte mit einer beeindruckenden Geschwindigkeit die neuen Datenbanken in ihre Entscheidungssequenzen aufgenommen. Genau da war aber vermutlich auch das Problem. Das neuronale Netz schien keinerlei Schwellenwerte für den Aufbau neuer Knoten zu haben, wodurch es vermutlich in seine jetzige Form eskaliert war.

Definitiv noch Hardware aus der ersten Versuchsgeneration, so viel war er sich sicher. Selbst mit den freien Kapazitäten des Yingpei-Bordcomputers war es ihm nicht gelungen, auch nur annähernd ein Detaillevel in seinen Analysen zu erreichen, wie ihm lieb gewesen wäre.

Selbst die einfache Frage, was er dem hirnlosen Söldner servieren sollte, hatte mehrere tausend Iterationen benötigt, die daraus entstehende Entscheidungssequenz überforderte die Hardware, die er derzeit zur Verfügung hatte bei weitem. Kaum verwunderlich, bedachte man, welch spezialisierte Systeme für die Analyse von künstlichen Intelligenzen nötig waren.

So beschränkte er sich jetzt auf die Analyse der grundlegenden Entscheidungsprozesse aus dem Kernsystem und ihrem unmittelbaren Umfeld. Er war sich soweit halbwegs sicher, dass die Robotergesetze ihren gewünschten Zweck erfüllten. Er hatte definitiv einige Fetzen erkannt, die durch diese neuen Befehle sofort abgefangen wurden.

Einzig diverse Gedankenfetzen im Zusammenhang mit Zesiro und dem alten Koch machten ihm Sorgen... Aber dies würde er nicht auf technischer Ebene ergründen können. Vielleicht half ein Gespräch mit dem Androiden hier weiter.

Warum konnte er es nicht mit einer Persönlichkeitssimulation der zweiten Generation, wie er sie auf Omicron kennenlernte, zu tun haben. Erinnerungen an eine leuchtende Gestalt überfluteten urplötzlich sein Bewusstsein, während die Datenverbindung zu Jacques in einer Lastspitze seiner Gedanken in die Notabschaltung ging.

Ein Name hallte durch seinen Verstand... Mira...

Aus der Küche war ein dumpfer Aufprall und lautes Scheppern zu hören.

--- Mannschaftsmesse, Tisch 6

Silvana, deren Ohren die Ursache dieses Aufpralls erkannt zu haben meinten - war sie doch meist selbst der Verursacher solcher Geräusche - verlor keine Zeit zur Theke zu sprinten, darüber zu hechten und in der Küche zu verschwinden.

--- Küche

Eigentlich hatte sie gehofft sich zu irren und den anderen nur eine gute Show zu liefern, aber die reglose Gestalt am Boden belehrte sie eines Besseren.

Classic. Noch bevor sie seinen schwarzen Trenchcoat sah, hatte sie seinen ureigenen Geruch wahrgenommen. Einen sehr angenehmen, männlichen Geruch. Schade, dass jetzt wohl aus dem Drink nichts wurde, zu dem sie ihn gerne eingeladen hätte. Mit der Hoffnung war sie eigentlich hierher gekommen. Irgendwie ging heute alles seinen eigenen Gang.

Noch während sie in die Hocke ging und sich über den Bewusstlosen beugte, rief sie Richtung Mannschaftsmesse: "Hawkeye! Verschieb den Blutwein auf später, dein Typ wird hier gebraucht!" Bis auf ein paar zu Boden gegangene Töpfe gab es nichts verdächtiges zu sehen. Es hatte sicher keinen Kampf gegeben.

Dann wandte sie sich wieder Classic zu, der nicht weiter verletzt zu sein schien. Es lag nicht der Geruch von frischem Blut in der Luft, nur der nach Kräutern und frischem Essen. Ihre Sinne genossen die luftige Darbietung mit der Produktion von mehr Speichel.

"So leicht drückst du dich nicht vor meinem Drink, Süßer", meinte sie milde lächelnd und strich liebevoll eine Strähne aus seiner Stirn. Egal was ihn auch umgeworfen haben mochte, er würde danke Hawkeye schon wieder auf den Damm kommen.

--- Deck 4, Gänge

Als Zesiro in den Gang trat, war von Collins bereits nichts mehr zu sehen. Einen Moment lang blieb sie stehen und lauschte; kein Laut war zu hören außer dem entfernten Summen im Innenleben der Yingpei, das man nur wahrnahm, wenn man das Schiff so lange kannte wie sie.

Ein merkwürdiges Gefühl der Ruhe überkam sie. Sie hatte die Suche nach einem Psychologen so lange aufgeschoben, dass es sie jetzt, wo das Problem gelöst war, mit leiser Überraschung erfüllte. Mit einem Mal war es, als ob nicht nur der Tod des Kochs, sondern auch die ganze lange Zeit vor der Yingpei ewig lange her wären...

Einen Moment war ihr fast, als könnte sie eine Hand spüren, die zärtlich über ihre Wange strich - Hong. Gott, sie hätte es nicht über sich gebracht, Collins von Hong zu erzählen. Manchmal wachte sie morgens immer noch auf und erwartete, dass er da sei, bevor ihr einfiel, dass er gestorben war, weil er der verdammten Sternenflotte die Schmutzarbeit abgenommen hatte.

Unwillkürlich streckte die Captain die Hand aus und ließ sie über eine der hässlichen grauen Wandverkleidungen streichen. Sie liebte ihr Schiff - es war alles, was sie hatte. Aber sie hatte gehofft, es würde ihr helfen ihr früheres Leben zu vergessen. Leider vergebens.

Mit einem Seufzen ließ sie die Schultern rollen, hörte Halswirbel knacken und machte sich auf dem Weg zur Brücke. Es war Zeit loszufliegen.

--- Mannschaftsmesse, Tisch 6

Jacques schaute der Frau mit den geschmeidigen Bewegungen verdutzt hinterher. Da fielen in der Küche krachend ein paar Töpfe hin. Und?

Ihn, Jacques, sollte so etwas beunruhigen, zumal außer dem bisher im wesentlichen reglosen Classic niemand in der Küche sein sollte, aber was um alles in der Welt mochte diese Frau dazu veranlasst haben, mit akrobatischen Einlagen quer durch das halbe Raumschiff zu hechten?

Auf dem Tisch fiel ihm eine Flasche Blutwein auf, bester Jahrgang, allererste Topqualität. Diese Frau musste ihn mitgebracht haben. Jacques nahm sich vor, mit der Frau zu reden, wo und wie sie an diesen erlesenen Tropfen gekommen war. Mit dem Zeug, was er noch in Bar vorgefunden hatte, konnte man allenfalls Löcher in Raumschiffhüllen ätzen.

Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als die Unbekannte aus der Küche heraus aufgeregt nach einem gewissen Hawkeye rief, und daraufhin Ben aufstand und sich eilig in Richtung Kücheneingang bewegte.

--- Mannschaftsmesse, Tisch 9

Kwhiro verdrehte die Augen. Erst lief der Androide in der Gegend rum, anstatt sich ums Essen zu kümmern, nun schien auch noch in der Küche selbst etwas passiert zu sein. Er vermutete, dass es noch etwas mit der Mahlzeit dauern konnte, nachdem Silvana aus der Küche nach jemandem rief und der Mann, der an einem der Tische saß aufsprang und selbst zur Küche lief.

'Meine Güte, das ist eine Mannschaftsmesse und keine Sporthalle..' dachte er bei sich, dann kurz daran wie groß die Chancen waren, dass er in nächster Zukunft wirklich etwas zu Essen bekommen sollte und seufzte indem er sich Juna zu wandte.

"Ich bin gespannt was DAS nun wieder ist... und was dieser Kerl wohl in der Küche zu suchen hat...", raunte der Techniker seiner Begleiterin zu, "...so abgerissen wie er aussieht ist er entweder ein Bettler oder ein neues Trainingsgerät für Silvana und kommt gleich in irgendeinen großen Topf." Mit einen angedeuteten Lächeln schaute er in die Augen der Orionerin: "Was ist das Problem?"

"Étoile ist das Problem.", meinte die Sklavin und erwiderte den Blick ihres Herrn. "Ich werde ihn umbringen, wenn ich ihn das nächste mal sehe. Scheinbar hatte ich mich zu sehr darauf gefreut und durch die Sprechweise des Kochs die Kontrolle verloren."

Ein kurzes Grübeln des El-Aurianers folgte. Schließlich erwiderte er: "Nun, wenn ich nicht bald was zu essen kriege, kannst du ja mal an dem Koch üben wie es ist jemand mit einem solchen Akzent auseinander zu nehmen.", und zwar lauter als es notwendig war, so dass der Android es auf jeden Fall hören konnte.

Und etwas leiser dann: "Ich hoffe, dass es nicht soweit kommt und das mit dem Essen noch klappen wird... bald. Und du solltest vielleicht dein Temperament etwas zügeln, zumindest bis wir wieder in unserem Quartier sind."

--- Küche

Schon im Laufen in die Küche hatte Hawkeye seinen Tricorder gezückt. Auf dem ersten Blick schien der große Mann am Boden nur zu schlafen. Das war mit das Beunruhigendste an der Situation, was der Arzt aus seiner langjährigen Erfahrung wusste.

Die, die schrieen konnte man erstmal liegen lassen. Die, die keinen Laut von sich gaben, waren die ernsten Fälle. So lief das in der Feldchirurgie. Im Gegensatz zu dem verweichlichten Starfleetpack, die bei jeder Prellung angelaufen kamen und einmal Kopfstreicheln haben wollten.

Die meisten, oder genau genommen alle, Beschwerden, die es über seine ärztliche Leistung gab, handelten über den unfreundlichen Umgang mit dem "Patienten". Die ersten schmerzhaften Einrenkungen und Spritzen später, bei solchen Fällen lehnte er Hyposprays aus Prinzip ab, waren die meisten Hypochonder des Schiffes langfristig von ihren, eher mentalen, Leiden erlöst.

Der Tricorder piepste laut und machte Ben überflüssiger Weise auf die Anzeige der neuronalen Aktivität aufmerksam. Das war allerdings nicht das einzig merkwürdige an diesem Menschen.

Wenn dieser wieder wach war, würde der Anblick seiner Augen sicherlich interessant werden. Auch die neuronale Verbindung an dessen Hals blieb ihm nicht unbemerkt. Der Kerl im schwarzen Trench war mehr Computer, als ein humanoides Lebewesen.

"Mein Gott sein Gehirn explodiert ja...", entfuhr es ihm kurz, während die Tricorderanzeigen studierte, und sich nicht um die Reaktionen der Umstehenden kümmerte.

Die einzigen Behandlungsmöglichkeiten, die ihm einfielen, benötigten Instrumente einer gut ausgestatteten Krankenstation. Hawkeye fluchte leise, allein aus dem Grund, dass er nicht wusste, ob ein Neuralstimulator mit an Bord war.

Auf der anderen Seite hatte er die Dinger auf Elarge auch nicht gehabt. Nach dem Verrat der Sternenflotte an dem Planeten, hatte Ben einiges an Material mitgehen lassen, aber so ein spezielles Gerät hatte er nicht für nötig befunden.

Inzwischen hatte Silvana den Tricorder aus ihrem Gürtel gezogen um etwas auszuschließen, das ihr plötzlich in den Sinn gekommen war. Ein neuer Koch an Bord, ein Bewusstloser in der Küche. Der Verdacht einer Vergiftung lag nahe.

Zum Glück für Zesiros Geldbeutel konnte der Tricorder keinerlei giftige oder schädliche Substanzen in Classics Körper feststellen und der seltsame Androide hatte noch eine Schonfrist bis er endlich ordnungsgemäß in seine Einzelteile zerlegt wurde. Denn die katzenhafte Frau zweifelte nicht daran, dass das früher oder später passieren würde. Durch Juna, Zesiro oder gar sie selbst. Sie nahm sich vor bei nächster Gelegenheit mit dem Captain eine Wette abzuschließen. Die beiden Frauen taten das sehr gerne und hassten es beide zu verlieren.

"Sein Gehirn explodiert, sagst du? Vielleicht hat die Datenbank des Androiden einen Virus oder Classics Speicher läuft über", mutmaßte sie, "denn normalerweise wirft ihn nichts so rasch um. Ich hoffe, er hat eine Sicherheitskopie." Selbst jetzt konnte sie es nicht unterlassen einen blöden Witz zu machen, obwohl sie sich ernsthaft Sorgen machte. Aber es war ihre Art mit Problemen solcher Art fertig zu werden.

Sollte es je jemand schaffen sie frühzeitig ins Jenseits zu befördern, würde es sicher die blödeste Bemerkung ihres Lebens werden. Und zugleich ihre letzte.

"Versuch dein Bestes ihn schnellstmöglich wieder zu stabilisieren. Er kann allein mittels seiner Gedanken das Schiff steuern. Ich würde nur ungern einen Satz mitten ins Weltall machen, weil er schlecht träumt..."

Wie ärgerlich, dass der einzige Mensch an Bord, dessen Fähigkeiten Classic jetzt helfen konnten, er selbst war...

--- Mannschaftsmesse, Tisch 6

Jacques Gehör war schon immer ausgezeichnet gewesen und so verstand er natürlich die Kritik von Kwhiro.

--- Mannschaftsmesse, Tisch 9

Eilfertig wechselte er dann zu dessen Tisch, um - nicht ohne *zarten* Hauch von Arroganz zu erklären: "Monsieur, ich komme nischt um'in, bemerkön ßu müssen, dass gute Küsche nun mal etwas längör als drei Minutön benötigt.

Isch kann die Gesetzö der Physik nischt ändörn."

Er lachte und begann demonstrativ einen Selbstdialog mit zwei verschiedenen Stimmlagen: "Maître, wie lange brauchen Sie?" - "Isch brauche 15 fünfßehn Minutön!" - "Isch gebe ihnen 8!" - "Für Sie machö isch es in 3!"

Mit seiner normalen Stimme fuhr er fort: "So geht das in der cuisine leidör nischt, Monsieur l'ingenieur. Aber isch werde misch umge'önd um Ihr Menü kümmörn!"

--- Küche

Der Android wollte die Küche betreten - und blieb wie vom Donner gerührt im Eingang stehen. Classic lag dort auf dem Boden, offensichtlich bewusstlos. Neben ihm hockten die unbekannte Akrobatin und Ben (Oder doch eher 'Hawkeye'?), der den Bewusstlosen mit einem Tricorder untersuchte. Jacques hatte von derlei Dingen keine Ahnung, und er wusste, dass er hier allenfalls im Wege herumstehen konnte.

--- Mannschaftsmesse, Tisch 9

Er begab sich daher zurück zu Kwhiro und dessen Begleiterin: "Isch fürschtö, sie müssön noch ein wenig wartön. Ein medißinischer Notfall in der Küsche."

Jacques beschloss, diese Zeit produktiv zu nutzen: "Wissen Sie eigöntlisch, warum der frühere maître du cuisine gegangön ist?"

Vielleicht würde er ja jetzt ein wenig mehr erfahren.

Langsam bewegte sich Kwhiros Unterkiefer wieder nach oben. Die Sprachausgabe des Androiden hatte ihn kurz vorher noch mit einem fast unverständlichen Kauderwelsch eingedeckt und eben diesen Unterkiefer runterklappen lassen. 'RESET', war der bestimmende Gedanke gewesen, war jedoch gleich darauf von 'Hunger' abgelöst worden, als Jacques sich auf den Weg zur Küche gemacht hatte.

'Reset' bestimmte wieder die Gedanken des El-Aurianers, als der Androide unverrichteter Dinge wieder zurückkehrte. Böse blickte er den Koch an, mit erhobenem Zeigefinger und setzte dazu an, diesen zu beschimpfen, bevor er sich besann, dass er immer noch nicht genau wusste was dieser eigentlich gesagt hatte, also wandte er sich Juna zu und brachte ein entgeisterte "WAS?" heraus.

Die Sklavin fasste das gerade Gesagte zusammen, legte dabei großen Wert auf die wörtliche "Übersetzung" des kurzen, mehrstimmigen Monologs. Kwhiro knirschte mit den Zähnen, er kam sich verarscht vor und sah blaue Lichtflecken vor Augen, führte das aber auf den sprungartig gestiegenen Blutdruck zurück. Es keimte eine Idee in seinem Kopf, wie die Zeit bis zum Essen vielleicht etwas interessanter gestaltet werden konnte. Der Android schien auf eine Art Eigenleben programmiert zu sein, aber ein Reset würde das sicher beheben. Also winkte er den Koch verschwörerisch zu sich und raunte ihm zu:

"Keiner weiß es genau was es mit dem -von uns Gehen- des vorherigen Kochs auf sich hatte... aber... das was er Kochen nannte war absolut ungenießbar... und man musste auch noch sehr lange warten bis man überhaupt etwas zu Essen bekam... aber die Schreie in der Nacht vor dem Verschwinden des Kochs und anderen Teilen der Crew... sie könnten natürlich auch vom Schiffsgeist gekommen sein..."

Bevor der Androide reagieren konnte (also sehr schnell) fügte der Ingenieur hinzu: "Juna, meine Sklavin kann bestätigen, dass es an Bord der Yingpei sehr wichtig ist, Freunde zu haben und dass gutes Essen sehr geeignet dazu ist, sich welche zu machen."

"Ja", antwortete diese, "die Stimmung kann hier manchmal sehr schnell umschlagen." und ihr Gesichtsausdruck bestätigte das, genauso wie ihre geballte Faust.

--- Küche

"Mmpf...", war Hawkeyes einzige Antwort. Silvana verstand zwar was von ihrem Fach, aber Anweisungen wie er einen Patienten zu behandeln hatte ließ er sich von Niemandem erteilen. Auch wenn sie recht hatte. "Keine Sorge ich weiß was ich tue... wo habt ihr den Typen eigentlich her? Von der Resterampe der Borg?"

Ein neues Piepsen seines Tricorders, wie auch das Zucken von Classic selber, lenkten seine Aufmerksamkeit wieder auf den Patienten. 'Mist...', durchfuhr es ihn, als ihm klar wurde, dass seine Implantate zwar kein Feedback auf das Raumschiff zu haben schien, wohl aber auf seinen Körper. Dieser verkrampfte sich abrupt, so dass er Silvanas Hilfe brauchte um ihn festzuhalten.

"Scherzbold!", knurrte Silvana mit mühsamer Zurückhaltung und hätte der Arzt sie jetzt angesehen, dann hätte er bemerkt, dass sich ihre Pupillen ärgerlich verengt hatten, doch Hawkeye hatte nur Augen für seinen Patienten. Wenn es um Classic ging, dann verstand sie keinen Spaß, schon gar nicht, wenn es um sein anders sein ging. Denn in der Hinsicht waren sie beide gleich. Ebenso einzigartig wie ausgestoßen.

Eine Welle des Hasses loderte heiß in ihr hoch und sie wusste nicht zu sagen, ob sie Dr. Farnside ihrem Schöpfer galt, dem Arzt an ihrer Seite oder jenen Wesen, die andere aufgrund ihrer Zusammensetzung verurteilten und jagten.

Kurz entschlossen kramte Ben aus seiner Jackentasche eine Spritze und ein kleines Fläschchen hervor. Dieses morphiumähnliche Medikament von Elarge hatte er eigentlich für... andere Zwecke vorgesehen, aber der Mann vor ihm schien es nötiger zu haben.

Mit sicheren Händen zog er die Spritze auf und krempelte Classics Ärmel hoch, der dank Silvana keine unbewusste Gegenwehr leisten konnte. Mit einem Blick durch die Küche erspähte er eine Flasche mit scheinbar alkoholischen Inhalt und nahm sie sich.

Er entkorkte sie mit den Zähnen, nahm einen Schluck und verzog leicht das Gesicht. Es schien dasselbe Zeug zu sein, was er eben von Jacques serviert bekommen hatte.

"Wird schon gehen...", kommentierte er lapidar, als er einen Teil des Inhaltes über die Vene schüttete und danach, bei dem sich immer mehr verkrampfenden Terraner, den Morphiumersatz injizierte.

Sofort entspannte sich der dunkelbraunhaarige Mann sichtlich und auch seine neuronale

Aktivität nahm ab. Beruhigt, dass dieser bald wieder aufwachte, verpasste er ihm ein Pflaster, was er nach einigem suchen in seiner Innentasche gefunden hatte.

Er verzog grinsend das Gesicht, als er sah, dass es eines der Kinderpflaster war, die er immer gerne benutzte. Ein knuddeliges Bärchen würde ihm bestimmt gut stehen.

"Danke...", sprach er leicht außer Atem zu Silvana und genehmigte sich einen Schluck aus der 'Desinfektionsflasche'. Wieder das Gesicht verziehend, stand er unter den fragenden Blicken der Anwesenden auf. "Der wird wieder, in spätestens 5 Minuten ist er wieder wach. Bleibende Schäden wird er nicht davon tragen, höchstens ein paar Kopfschmerzen." Dass Ben vermutete, dass dies nicht der erste Anfall dieser Art war, verschwieg er erstmal. Die Zeit zum Nachfragen würde sich ergeben.

"Silvana, du wolltest mich gerade zum Blutwein einladen, oder irre ich mich?", für den Arzt gab es hier erstmal nichts zu tun, also konnte er erstmal zur Tagesordnung übergehen.

"Er steht auf deinem Tisch", bestätigte Silvana abweisend ohne den Blick von Classic zu nehmen und dem Arzt in die Augen zu sehen. Noch immer hatte sie ihre Wut nicht unter Kontrolle und ihr Herz trommelte hart gegen die Rippen. In ihren Augen hätte er reine Mordlust gelesen. "Ein Gastgeschenk von Zesiro für deinen Einstand an Bord." Damit beendete sie das Gespräch, indem sie ihm den Rücken zukehrte, ein sauberes Tischtuch aus einer Lade zog und Classics Kopf weich bettete.

Jeder Dummkopf würde nun die Aura aus Eis um sie erkennen, doch es war ihr egal, was Hawkeye von ihr halten mochte. Wenn er erst ihre medizinische Akte gelesen hatte, würde er sie wohl als Versuchskaninchen auf der Flucht einstufen oder als recycelten Genabfall.

"Du kannst jetzt gehen, ich bleibe bei ihm." Für einen Moment stand Schweigen fast schneidend im Raum. "Und... danke", presste sie zwischen den Zähnen hervor.

Verwundert blickte Ben von Classic auf. Die Frau war ihm ein Rätsel. Auf der einen Seite kalt wie Eis und heiß wie Feuer, eigentlich ein Widerspruch in sich, auf der anderen Seite schien sie ernsthaft um den Mann am Boden besorgt zu sein. "Nichts zu danken. Es ist mein Job, selbst wenn mir am Leben Anderer nichts liegen würde... allerdings wäre es dann vermutlich der Falsche..."

Unauffällig schwenkte er den Tricorder, mit dem er immer noch Classics Vitalfunktionen überwachte auf Silvana um. Diese bemerkte es natürlich, was Hawkeye mit einem gemurmelten, "Einstandsuntersuchung, Zesiro sagt das ist in Ordnung...", abtat. Verblüfft, auch wenn er es fast geahnt hatte, stellte er fest, dass die Perfektion ihres Körpers auch in ihren Genen zu finden war.

Ganz im Gegensatz zu ihrem Körper, der schon Einiges mitgemacht zu haben schien, aber bis auf ein paar innere und äußere Narben alles heil überstanden hatte. Der Lebenswandel von Silvana war sicher eine Erzählung wert. Allerdings wusste er nicht, ob er Alles wirklich wissen wollte... bei ihrem Temperament konnte es durchaus sein, dass man sich zum Mitwisser machte...

Nachdem er ihre Daten aufgenommen hatte nahm er wieder den Piloten ins Visier, der sich langsam zu rühren schien. Die Daten der braunhaarigen Frau konnte er immer noch später analysieren. Erleichtert stellte er fest, dass auch die letzten Parameter in geordneten Bahnen verliefen. Mit gerunzelter Stirn verglich er die nun, zumindest angenommenen, normalen Werte mit denen zuvor.

--- Deck 2, Gänge

Hier schien der Maschinenraum zu sein. Die kryptischen Klingonenschriftzüge waren teilweise durch Standardschriftzüge ersetzt worden, zumindest an den wichtigsten Schiffseinrichtungen. Collins ging weiter, bis er vor dem Quartier mit der Nummer 18 stand.

--- Deck 2, Collins Quartier

Es schien, als wenn der Raum gerade verlassen worden wäre. Überall lagen ein paar Sachen herum. Der Psychologe sah sich weiter um. Das Bett sah ziemlich ordentlich aus. Es schien dort länger keiner mehr geschlafen zu haben.

'Hat bestimmt bei seiner Ärztin übernachtet', Collins grinste und öffnete einen kleinen Wandschrank. Ein paar Klamotten hingen da noch. 'Von der Statur recht kräftig', dachte der Terraner und hielt ein Shirt in die Luft, um es gleich darauf auf den Boden zu werfen.

Dann ging er zur Nasszelle und sah sich im Spiegel. "Oh Collins, das wird langsam Zeit", sagte er zu seinem Spiegelbild und kraulte seinen Bart. Vor ihm auf der Ablage lag ein kleiner Beutel in dem ein sehr altmodisches Rasiermesser lag.

Jack klappte das Messer auf und fuhr mit dem Daumen rüber. Es war sauber und unglaublich scharf. Der Griff war aus Bernstein gefertigt und schimmerte goldgelb im künstlichen Licht. "Wenn das kein Zeichen ist!", sagte sich Collins.

Eine Rasur, ein gutes Essen und danach ein kleiner Whiskey. Ja, das hörte sich gut an. Der Terraner zog seine Jacke und sein T-Shirt aus und warf sie auf das Bett. Rasiercreme hatte er selber, also legte er los.

Die ersten Züge mit dem Messer waren noch wackelig, dann aber klappte es ganz gut. Nach wenigen Minuten schaute ein ganz anderer Mensch aus dem Spiegel. Collins bewunderte immer noch das herrliche Funkeln des Messergriffes. Bernstein war ein Vermögen wert. Er fragte sich, wie ein Koch an so etwas kam.

Das Funkeln brachte ihn auf eine Idee und er sah sich den Griff genau an. Da waren Einschlüsse drin, viele kleine und ein etwas größerer. Irgendwas war in dem großen Einschluss drinnen. Ein altes Insekt? Er hielt den Griff gegen das Licht. Das war kein Insekt.

Das Teil hatte eine gleichmäßige, rechteckige Form und war durch das Bernstein kaum zu erkennen. In jedem anderen Leben wäre es Collins egal, was es war. Aber die besonderen Umstände machten ihn neugierig.

Aus einer Seitentasche seines Rucksackes zog er einen Tricorder, der auf Collins Bedürfnisse modifiziert war. Vorsichtig führte er einen Passivscan des Messers durch. Das Bernstein war echt und das Teil im Einschluss ein isolinearer Chip. Er war sehr klein, scheinbar eine Spezialanfertigung.

Was immer darauf gespeichert war, war mit Sicherheit sehr gut geschützt. Es würde eine Zeitlang dauern, bis Jack an die Daten rankäme. Also war es besser jemanden um Hilfe zu bitten. Da könnte man ja gleich mal Kontakt zur Technik knüpfen. "Computer? Wo hält sich Kwhiro auf?"

"Kwhiro Zorg befindet sich in der Mannschaftsmesse auf Deck 4!", antwortete der Computer prompt. 'Das passt', dachte Collins und zog sich ein neues Shirt über, schnappte das Messer und seine Jacke und verließ das Quartier.

--- Mannschaftsmesse, Tisch 9

Jacques setzte die bedauernste Mine auf, die er zu Stande brachte.

"Isch bedaurö sehr, abör isch kann die medißinischen Abläufö in dör Cuisine nischt beschleunigen. Isch bin Koch - und kein Arzt!"

Er sortierte die Sorgenfalten in seinem Gesich neu, bevor er fortfuhr: "Aber isch freuö misch, dass isch 'ier 'errschaften findö, die die Wischtischkeit einer gutön Verpflegung ßu schätzön wissön. In der Küschö liegt bewusstlos der Pilot - vermutlisch 'at er von dem so genanntön Whisky getrunkön, der die Mannschaftsration darstellt.

Es sind dringendö Einkäufö nötig, abör die capitan 'at mir gesagt, dass isch Ihnön, Juna, eine Listö gebön soll.

Da wir beidö wegön der Küschö und Mannschaftsmoral die gleische Einstellung 'aben, werdön wir sischer einig werdön." Gewinnend lächelte er die grünhäutige Frau an.

Dass hier also war Juna!

Er musste sich selbst übertreffen. Wann nur war endlich Ben oder Hawkeye oder Werauchimmer mit der Behandlung fertig?

--- Mannschaftsmesse, Tisch 6

Mit zunehmender Verwirrung war die Italienerin dem Geschehen in der Messe gefolgt. Nicht zum ersten - und wahrscheinlich auch nicht zum letzten Mal - fragte sie sich, in welches Irrenhaus sie hier geraten war.

Diese schlanke Frau, die so kurz an ihrem Tisch gestanden war und dann mit wenigen Sätzen, die sie eher an einen Panther erinnerten als an einen Menschen, in der Küche verschwunden war, war ihr ziemlich unheimlich. Sie strahlte eine Stärke aus, die Gianna bisher noch an niemandem aufgefallen war. Eine Selbstsicherheit, um die die Florentinerin sie beneidete.

Als dann Ben dem aufgeregten Rufen der Frau gefolgt war und bereits im Davoneilen seinen Tricorder gezückt hatte, fühlte sich die Frau irgendwie allein. Immerhin war er der Einzige an Bord, mit dem sie sich länger als fünf Worte unterhalten hatte und der sie ein wenig aus ihrer Unsicherheit heraus geholt hatte.

Verstohlen beobachtete sie die Geschehnisse am anderen Tisch, an dem Tisch, an dem auch diese leichbekleidete, grünhäutige Frau saß. Gianna nahm sich vor, ihr möglichst aus dem Weg zu gehen. Sie schien recht stark zu sein, und sie verspürte nicht die geringste Lust dazu mit dieser Stärke Bekanntschaft zu schließen. Wie der Söldner wenige Minuten zuvor.

Gianna musste sich nicht einmal anstrengen, um die Unterhaltung am Tisch mit verfolgen zu können. Diese Leute gaben sich nicht einmal Mühe, leise zu sprechen. Wahrscheinlich kamen sie nicht auf den Gedanken, dass sich nicht jeder für ihr Gespräch interessierte...

Ein kleiner Teil in der Italienerin fühlte sich versucht, die Beine lang unter dem Tisch auszustrecken und neugierig den Blick durch die Messe streifen zu lassen. Aber, und so war es eigentlich immer schon gewesen, irgend etwas tief in ihr drin hinderte sie daran. Sorgte dafür, dass sie sich nur mit vorsichtigen Blicken umsah und ihre Hand nervös mit der inzwischen geleerten Tasse spielte...

--- Deck 2, Gänge

Im Gehen zog sich Jack seine Jacke über und bewegte sich in Richtung Turbolift. Jemand hatte sich mit dem Chip große Mühe gegeben. Standardmäßig waren die Dinger nicht in Bernstein eingelassen. Der Scan mit dem Tricorder hatte ergeben, dass der Chip vollständig vom Bernstein umschlossen war.

'Das Bernstein ist echt', grübelte der Terraner. Entweder war das ein seltenes Sammlerstück, oder jemand hatte ein paar sensible Daten zu schützen. Wie dem auch sei, das sollte man sich auf jeden Fall mal ansehen.

--- Turbolift

"Deck 4!", sagte Collins und der Lift setzte sich in Bewegung. Der Psychologe überlegte. "Computer? Wie sieht Kwhiro Zorg aus?" "Kwhiro Zorg ist El-Aurianer, männlich, weiße Haare, weiße Hautfarbe. . ." "Danke!", unterbrach Jack den Computer, als der Turbolift nach kurzer Fahrt hielt. "Das reicht mir, den sollte ich finden."

--- Deck 4, Gänge

Collins sah sich kurz um und nahm den Weg in Richtung der Mannschaftsmesse. Im Gegensatz zu anderen Schiffen war auf den Gängen wenig los, eigentlich im Moment gar nichts.

--- Irgendwo, Irgendwann...

Wieder einmal schwebte er in Mitten der leistungsfähigen Systeme der Senora Corporation auf Omicron. Vor zwei Tagen hatte sich George wieder an ihn gewandt. Wie er es immer tat, wenn er mit seinen AI-Projekten Probleme hatte.

Mira hieß sein aktuelles Projekt. Sie sollte eine Arkologie, beispielsweise eine Terraforming-Station, vollständig automatisch leiten können. Zumindest in der Theorie. Wechselnde Persönlichkeitsmuster hatten das Projekt aber anscheinend immer wieder verzögert, und nun war es wieder einmal an ihm, die Kohlen aus dem Feuer zu holen.

Schon seit Stunden spielte er dreidimensionales Schach gegen die Lichtgestalt, die ihm gegenüber an dem virtuellen Tisch saß. Vorgeblich um ein Gefühl für ihre Entscheidungsprozesse zu bekommen, die er parallel beobachtete.

Mittlerweile war er in eine anregende Diskussion über verschiedene galaktopolitische Ereignisse der Vergangenheit verwickelt, das Spiel selbst war in den Hintergrund gerückt.

Classic war vom Verlauf des Gesprächs hin und hergerissen, zum einen war die Persönlichkeitssimulation von Mira selbst für ihn kaum von einem echten Menschen zu unterscheiden. Computertechnik in Perfektion, das war für ihn das Nonplusultra.

Dann aber waren da die Entscheidungsmuster, die er hinter diversen Argumenten sah. Mira schien einiges vor ihm zu verheimlichen, denn die KI versuchte offensichtlich mittels übermäßig komplexer Entscheidungsbäume die wahren Beweggründe zu verschleiern, dessen war er sich fast sicher.

Warum sie das tat, war ihm allerdings schleierhaft. Betrachtete man die Robotergesetzte, die auch ihr eingepflanzt waren, war dieses Verhalten definitiv grenzwertig. Nein, es war bedenklich...

--- Yingpei, Küche

Stöhnend öffnete Classic die Augen und blickte in das bezaubernde Gesicht Silvas. Und in das eher heruntergekommene Gesicht eines Unbekannten. Er brauchte einige Sekunden, bis seine Wahrnehmung ihren Weg durch eine Kombination von Kopfschmerzen und einem Nebel in seinem Hirn gefunden hatten.

Seltsam, dachte er mit bedrückender Langsamkeit. Die Kopfschmerzen vergingen normalerweise schnell wieder, aber woher kam der Nebel in seinem Hirn. Nur ganz allmählich dämmerte es ihm, dass dies etwas mit einem Schmerzmittel zu tun haben musste...

"Willkommen unter den Lebenden", Silvana lächelte Classic zur Begrüßung an, während sie neben ihm kniete. "Bleib lieber noch etwas liegen, bis sich dein Kreislauf stabilisiert hat." Obwohl sie ihn schon ein ganzes Jahr lang kannte, war er ihr noch immer fremd und doch so vertraut. Schon als sie ihn das erste Mal getroffen hatte, war etwas anders gewesen. Sie hatte ihm vertraut.

Etwas das gänzlich ungewöhnlich für ihr Wesen war und doch war es passiert. Sein Geruch, seine Aura, sein ganzes Wesen. Es schien mit dem ihrem perfekt zur harmonieren. Als sie dann herausgefunden hatte, dass sie ein ähnliches Schicksal teilten und beide außerhalb der Gesellschaft standen, hatte sie es als eine Art Bestimmung angesehen.

Classic schien ihre Meinung nicht zu teilen oder sich zumindest nichts Derartiges anmerken zu lassen und hatte sich immer eine gewisse Distanz gewahrt. Obwohl sie öfter mal einen trinken gingen, war er ziemlich wortkarg und geistig oft abwesend. Ob es nun daran lag, dass er das Schiff steuerte oder sein Privatleben nicht gern mit anderen teilte, wusste sie nicht.

Außerdem fand sie verwirrend, dass er als attraktiver Mann nicht an ihr interessiert war. Sie war gewohnt in das Jagdschema der Männer zu fallen, die für sie von Interesse waren. Doch bei Classic war alles anders. Das verwirrte und faszinierte sie gleichermaßen.

Sie erhaschte seinen Blick auf Hawkeye und hielt es für angebracht ihn nicht im Unklaren darüber zu lassen, wem er seinen Einstich zu verdanken hatte. "Das ist Hawkeye. Er ist unser neuer Schiffsarzt. Wie es aussieht, hält er nicht allzuviel von Hyposprays."

--- Mannschaftsmesse, Tisch 9

Die Orionerin krallte gequält ihre Finger um die Sitzfläche ihres Stuhls. Dauernd diesen schrecklichen Akzent von dem Koch zu hören, war unerträglich, vor allem da er sich anscheinend sehr gern reden hörte. Sie lehnte sich mit flehendem Blick zu ihrem Herrn hinüber. "Kannst du die Sprechweise von dem Roboter bitte korrigieren? Warum kann er nicht einfach normal Standard sprechen?"

"Ich werde bei der Wartung sehen, dass ich das wegbekomme, ich will ja auch was verstehen...", erwiderte der Techniker, "... aber erst mal habe ich Hunger." Den Seitenblick auf den Koch konnte Kwhiro sich nicht verkneifen.

Auch wenn sie wusste, dass es nicht sehr realistisch war, hatte sich die Sklavin insgeheim gewünscht, dass ihr Herr nur mal eben mit dem Spulenspanner zu winken musste um die Aussprache des Kochs zu reparieren.

'Er kann nichts für seine Programmierung und es wird bald vorbei sein.', wiederholte Juna innerlich mehrere Male, um den Drang zu widerstehen, den Roboter zum schweigen zu bringen.

Schließlich riss sie sich zusammen und ging auf sein Anliegen ein. "Wenn Sie noch auf der Station einkaufen wollen, sollten Sie sich aber beeilen. Ich vermute die Captain will demnächst los.", spekulierte die Orionerin mit einem Tonfall, der kaum subtil rüber brachte, dass sie den Blechmann so schnell wie möglich los werden wollte.

"Allerdings hatte Ihr Vorgänger eine Einkaufsliste hinterlassen, um die sich meine Mitarbeiter gekümmert haben. Ich muss nachher eh noch ins Lager um die Wareneingänge zu kontrollieren.", meinte die grünhäutige Frau. "Dabei kann ich ja mal schauen, ob sich dabei was findet, was auch auf Ihrer Liste steht.

Jacques verstand nicht ganz, was die beiden da vor sich hinbrabbelten. Kwhiro sollte ihm Sprachunterricht erteilen? Der war doch Ingenieur! Nein, ganz sicher hatte er sich verhört. Das ergab doch keinen Sinn. Vermutlich fand Juna einfach seinen Akzent so charmant. 'Wir Franzosen sind ja auch weitgerühmte Liebhaber!', stellte er gedanklich fest.

"Ach das wärö superb, Mademoiselle!", sagte der Androide erfreut, "Sollte es die Pflischt 'ier erlauben, werdö isch gernö mitkommön, schließlisch möschte isch das Schiff auch kennenlernön! Und die Lagörmannschaft."

Mit einem strahlendem Lächeln richtete er sich zur vor vollen Größe auf und hielt beide Arme in einer angedeuteten "Willkommen"-Geste mit offenen Handflächen leicht von sich.

"Das wichtigstö Kapital des Koches ist die Kenntnis seiner Kundön, sagö isch immör!

Plötzlich zuckte er zusammen. "Merde, der Braten von Tom!", er hastete in Richtung Kücheneingang. Die Schwaden aus dem Ofen waren noch nicht allzu schlimm, aber hätte er etwas länger gewartet, dann wäre der Saft aus den Poren gekocht, und das Angus-Rind hätte glatt die Konsistenz von einem normalen Hausrind gehabt. Wenn so etwas ein Michelin-Kritiker mitbekäme, wäre er erledigt. Ein für alle Male.

--- Küche

Am Rande seiner Wahrnehmung bemerkte er, dass Ben aka 'Hawkeye' reglos die Anzeigen eines Tricorders checkte, während Classic offensichtlich wieder bei Bewusstsein war. Die Unbekannte hatte Hawkeye soeben als den neuen Schiffsarzt bezeichnet.

Diese abgerissene Gestalt war der Schiffsarzt? Na, das konnte ja heiter werden. Typen wie der konnten doch nur überleben, weil sie unter der Hand ihre verstorbenen Patienten (davon gab es bei solchen Ärzten mehr als genug) an irgendwelche anatomischen Institute zu Studienzwecken verschacherten.

Doch zunächst gab es wichtigeres. Der Braten musste raus, die Vanilleschoten atmeten schon zu lange Sauerstoff, der Reis musste endlich ins Wasser, die Ananas zerlegt werden, und seine Küche sah aus wie ein Feldlazarett!

"Jetzt aber raus, 'ier, es gibt Menschön, die wollön arbeitön!", aufgeregt, nahm er sich demonstrativ einen Schneebesen in die linke und eine Suppenkelle in die rechte Hand.

"Los, los, die 'errschaften, aber etwas schnellör!"

Hier war *sein* Reich!

"Beeilung!", er hielt verzweifelt die Arme gen Himmel.

"So kann isch nischt arbeitön! So kann isch nischt arbeitön!"

Mittlerweile wünschte sich Classic, dass er für derartige Anschaffungen ein einziges Mal genügend Geld hätte. Vermutlich würde ihn dieser Klapperkasten den nächsten Monat über auf Trab halten. Zumindest schien sein Gehirn ganz langsam wieder ein wenig Fahrt aufzunehmen.

Für einen Moment betrachtete er Hawkeye, bevor er sich bei ihm knapp bedankte. "Ich will allerdings nicht wissen, was Du mir da gespritzt hast." Er wandte sich wieder mit einem etwas mühseligen, schiefen Grinsen an Silvana: "Keine Sorge, Silva. Das geht gleich wieder vorbei." Er schloss wieder die Augen und konzentrierte sich darauf, seine Gedanken unter Kontrolle zu bekommen.

--- Brücke

"Hi Sam", grüßte Zesiro den alten Terraner, der als einziger auf der engen Brücke im Captainsessel saß und etwas las, das nach einem Groschenroman aussah.

Sam Pierson war von Anfang an auf der Yingpei dabei gewesen und passte schon vom Aussehen her perfekt auf das Schiff: Narben kreuz und quer im Gesicht, ein schlecht sitzendes künstliches Auge und ein fieses Grinsen, das über seine übermenschliche Geduld wegtäuschte. Immerhin hielt er es mit Leuten wie ihr und Silva aus, ohne dass er den Verstand verloren hatte.

"Wir fliegen los?", fragte er nur, klappte den Groschenroman zu und nahm die Beine von der Konsole. "Ich hab die Lebendnahrung im Auge behalten. Ist alles verriegelt. Und die Fracht ist verstaut."

Ach ja, die Lebendnahrung. Zesiro verdrehte die Augen, als sie daran dachte, und aktivierte ohne ein weiteres Wort die Kommverbindung. "Brücke an Kogh. Jagt das Gesindel von der Andockrampe und schließt die Andockschleuse. Brücke an Classic. Wir legen ab."

Pierson war aufgestanden und an seine Konsole gegangen, also ließ Zesiro sich in den frei gewordenen Sessel fallen und wartete auf den Rest ihrer Brückencrew - also auf Classic.

--- Küche

Classic seufzte. Das war ja wieder klar. "Verstanden", antwortete er, "ich bin gleich da."

"Classic", wandte Hawkeye sich an den Piloten, während er ihm aufhalf, "ich würde dich gerne Morgen sprechen... wegen deinem Problem...", vor allen Leuten wollte er es nicht aussprechen, aber scheinbar stand die Anzahl der Anfälle die der Mann vor ihm hatte und die Anzahl, die von der Crew wahrgenommen wurde in großer Diskrepanz.

--- Deck 4, Mannschaftsmesse, Eingang

Im Eingang zur Mannschaftsmesse blieb der Psychologe stehen und sah sich kurz um. Die Tische waren gut besetzt und ein angenehmer Bratengeruch zog durch den Raum, was gleich ein leichtes Hungergefühl in seinem Magen auslöste.

An einem Tisch saß eine kurzhaarige, zierliche Frau, die sich bedächtig an einer Tasse festhielt und Collins spontan an eine ziemlich schüchterne Jugendfreundin erinnerte. Dann erblickte er den El-Aurianer, der in neben einer Orionerin saß.

Jack hatte schon so einige Geschichten von Frauen dieser Rasse gehört. Meist natürlich schlüpfrige Sachen, aber wenn auch nur ein Teil wahr war, dann führte Zorg ein 'ereignisreiches' Leben. Collins lachte leise.

An einem weiteren Tisch hatte es sich ein großer Blonder breit gemacht. Auf dem Tisch stand eine leere Flasche Wein. Der Blick des Mannes war auf einen Durchgang in der Wand gerichtet, wo auch der herrliche Duft herkam. In Übrigen schienen sich scheinbar alle hier auf diesen Durchgang zu konzentrieren.

Einen Androiden konnte Collins nicht ausmachen. Wahrscheinlich befand sich das Ding in diesem Nebenraum, was wohl die Küche war. Der Psychologe zuckte mit den Schultern und ging dann zu dem Tisch an dem der El-Aurianer saß.

--- Mannschaftsmesse, Tisch 9

"Hi", begrüßte Collins die beiden. El-Aurianer wurden sehr alt, das war so ziemlich das meiste, was er von dieser Rasse wusste und Zorg war der erste Lebende, dem er begegnete. "Ich bin Jack Collins, ziemlich neu hier und hoffe du bist Kwhiro und kannst mir bei einem kleinen Problem helfen."

Mit einer Mischung von Unglauben und aufkommender Qual schaute der El-Aurianer die neuerliche, potentielle Gefahr für sein baldiges Essen an. Der Mann sah 'normal' aus, was zum einen für dieses Schiff unpassend war, zum anderen, als Folge davon, zu ein wenig Vorsicht mahnte... erstmal.

Mit einem kleinen seufzenden Unterton antwortete er deshalb: "Ich grüße dich, Jack Collins. Ja, ich bin Kwhiro. Was dein kleines Problem allerdings angeht... da wir, wie gerade zu hören war, ablegen, sollte inzwischen ein Psychologe an Bord sein... oder jemand vergleichbares. Vielleicht willst du mit deinem Problem lieber ihn oder sie fragen?"

Der Techniker lächelte einigermaßen freundlich zurück als der Neuankömmling ein Grinsen aufsetzte, deutete es aber falsch als er annahm, dass dieser seinen Rat beherzigen würde. Das recht laute Knurren seines Magens ließ das Lächeln aber schnell wieder völlig verschwinden.

--- Brücke

Sam tippte bereits auf seiner Konsole herum, also schnappte Zesiro sich seinen Roman und warf einen Blick darauf. 'Das Herz des Trill-Kriegers'. Ach herrje. Aber es handelte sich um ein echtes Buch mit zerlesenen Seiten und allem. Auf der Yingpei wurde allgemein viel gelesen. Sie hatte sich nie entscheiden können, ob sie das verblüffte oder amüsierte.

"Was wollen wir eigentlich auf Pinea IV?", fragte Sam nach einem Moment des Schweigens (und Piepsens von Buttons).

"Sachen kaufen, Sachen verkaufen, Mocks Ladung ausliefern, reich werden", erwiderte Zesiro, ohne aufzusehen.

Pierson schnaubte. "Was transportieren wir denn diesmal?"

"Technische Ersatzteile. Angeblich. Hab noch nicht nachgesehen." Immerhin war sie mit ihrem neuen Personal beschäftigt gewesen, aber wo sie so darüber nachdachte, könnte sie das eigentlich bald nachholen.

Die Captain schlug die erste Seite auf, um sich die Zeit zu vertreiben, bis Classic erschien. Es bestand kein besonderer Grund dafür, beim Abflug hier zu sein, aber sicher war sicher.

'Das Herz des Trill-Kriegers', ja? Kritisch überflog Zesiro die ersten paar Seiten und blätterte dann weiter zum Sex.

--- Mannschaftsmesse, Tisch 9

"Ja, stimmt!", antwortete Collins immer noch lächelnd. Der Techniker schien einen trockenen Humor zu haben. "Den Kollegen kenne ich zur genüge", fuhr er fort. "Der bin nämlich ich. Tschuldigung, hätte ich auch gleich sagen können. Aber das Problem ist eher technischer Natur."

Jack holte das Rasiermesser aus der Tasche und legte es auf den Tisch. Aus dem Nebenraum meinte er Silvanas Stimme gehört zu haben, konzentrierte sich aber zunächst wieder auf Kwhiro. "Ein Isolinearer Chip ist im Griff eingearbeitet. Die Daten darauf sind mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen aktive Scans geschützt. Du hast vielleicht die Möglichkeit diese Daten auszulesen, ohne sie zu beschädigen.

Das Messer gehörte dem ehemaligen Koch und ich könnte wetten, das da ein paar interessante Sachen drauf sind. Apropos Koch, wo ist eigentlich der Neue? Dem Geruch nach scheint er gar nicht so übel zu sein." Collins schnupperte in den Raum. "Übrigens, es muss nicht sofort sein. Wenn du für den Start gebraucht wirst, oder kann das erst mal warten."

Der Psychologe sah sich um. Immer noch schienen alle sich auf diesen Nebenraum zu konzentrieren. Bis auf kurzhaarige Brünette an dem Nebentisch, die versuchte sich unsichtbar zu machen. "Was ist hier eigentlich los?", fragte Collins.

"Das ist was anderes!", Kwhiros Lächeln kehrte zurück. Dass der Mann der Psychiater war, von dem er sich immer noch fragte was er an Bord dieses Schiffes tun sollte, war ihm inzwischen völlig egal, genau wie alles was er nach dem Messer erwähnt hatte. Er blickte kurz zu Juna und sagte leise: "Besorg bitte... Jack... einen Stuhl oder etwas worauf er sich hersetzen kann."

Ohne danach weiter auf ihn zu achten, griff der Techniker nach dem Messer. Er hielt es gegen das Deckenlicht, wollte gerade nachfragen wo sich darin der erwähnte Chip verstecken sollte, als er ihn sah. Fast zärtlich strich er mit den Fingerspitzen über den Griff. Es war so nicht erkennbar, wie das Bauteil eingearbeitet wurde.

Er drehte und wendete das Messer immer wieder, wägte Möglichkeiten ab. "Ja, Daten auslesen ist kein Problem. Aber ich will wissen wie das Ding da rein kam."

--- Küche

Zuerst hatten nur Classics Worte Silvana versöhnlich genug gestimmt um die Störung und den Tonfall des Androiden nicht zum Anlass zu nehmen Kwhiro ein paar Überstunden mit einem Puzzle in Extralarge zu bescheren, doch nach Zesiros Ansage gab es wohl anderes zu tun. Auch wenn sie das untrügliche Gefühl hatte, wohl noch öfter mit dem Arzt an einander zu geraten, wenn er nicht wusste, wann ein Job beendet und seine Anwesenheit nicht mehr erforderlich war.

Oder vertraute er vielleicht seiner eigenen Diagnose oder Behandlungsweise nicht? Vielleicht war ja auch die Haltbarkeit seiner Ampullen überschritten...

"Jeder hier an Bord hat... 'Probleme'. Sonst wären wir wohl kaum hier", meinte sie schlicht, auch wenn Zesiro ihr da vehement widersprechen würde. Aus irgendeinem Grund liebte sie dieses Schiff heiß und innig.

Es war witzig, gerade Hawkeye diskret von "einem Problem" sprechen zu hören. Es klang in ihren Ohren, als wäre Classic derjenige gewesen, der sich mit der Aussicht auf "guten Stoff" hatte an Bord locken lassen.

--- Mannschaftsmesse, Tisch 6

Unter schüchtern gesenkten Wimpern beobachtete die Italienerin dennoch das Geschehen im Raum. So konnte ihr auch kaum der Neuankömmling entgehen. Ein Großer, Blonder, der ungefähr das Alter des Arztes zu haben schien. Dessen Gesicht - ebenso wie das des Arztes - von einem ereignisreichen Leben sprach.

Der Mann wandte sich an den Tisch, an dem der Ingenieur und seine grünhäutige, schlagkräftige Begleitung saß und begann eine Unterhaltung. Seine Stimme klang angenehm, fand Gianna.

Aus der Küche hörte man den Beginn eines Gespräches. Leider konnte Gianna von ihrem Platz aus nicht sehen, was sich dort ereignet hatte. An und für sich hätte es sie ja brennend interessiert.

Sie könnte einfach aufstehen und nachsehen. Was spräche dagegen? Ihr Frühstück war beendet, sie hatte gerade nichts zu tun. Und sie war tatsächlich neugierig, warum ein Arzt ausgerechnet in einer Küche gebraucht wurde. Einer Küche, die offensichtlich das Reich eines Androiden war. Für Androiden gab es Techniker, die brauchten keinen Mediziner.

Aber nein. Niemand konnte sie dort gebrauchen. Sicherlich würde sie nur im Weg herumstehen. Außerdem wollte sie nicht, dass man sie als neugierig einstufte. Obwohl sie das, zugegebenermaßen, war.

Außerdem war diese Frau auch in der Küche. An diese wollte sie sich langsam herantasten, wenn sie schon die nächste Zeit mit ihr auf einem Schiff arbeiten und leben sollte. Ihr wollte sie nicht gleich unangenehm auffallen. Eigentlich wollte sie ihr am liebsten aus dem Weg gehen.

Sie würde schon noch schnell genug merken, was für eine traurige Erscheinung die neue Wissenschaftlerin abgab... Das musste sie ihr nicht unbedingt noch auf die Nase binden.

Giannas Gedanken wandten sich von dem Geschehen in der Küche ab, als die Durchsage des Captain erklang. Sie legten also ab. Nun galt es also tatsächlich. Sie war tatsächlich Mitglied der Mannschaft dieses seltsamen Vogels namens "Yingpei". Die Florentinerin hatte plötzlich einen dicken Kloß im Hals. Sie schluckte mühsam, versuchte das Gefühl der Einsamkeit zu vertreiben, das sich unaufhaltsam ihrer bemächtigte.

Eigentlich sollte sie aufstehen, in ihr Labor zurückkehren und nachsehen, ob der Analysator inzwischen fertig war. Ja, das sollte sie wirklich. Fort von hier, von all diesen merkwürdigen Gestalten. Von der grünhäutigen, aufreizenden Frau und ihrem brummigen Begleiter. Von Ben, der zwar sympathisch schien, aber für ihren Geschmack schon zu viel über sie wusste. Von der katzenhaften Frau. Vor allem von der katzenhaften Frau.

Als wäre sie eingefroren blieb Gianna dennoch sitzen.

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