Ivory Chronik 8

Kabumm?

--- Gang vor dem Konferenzraum

Mit eine leisen Zischen schloss sich die Tür hinter dem Einsatzteam. Irritiert schüttelte die Pilotin den Kopf.

Diese Monserat war wirklich eine Marke für sich und wie es schien, hielt sie sehr viel von dem Begriff 'Improvisation'. Ein leichtes Lächeln legte sich auf das Gesicht der Terranerin.

"Mr. Aures, können sie mir bei diesem Dämpfungsgenerator helfen?" Cheyenne war sich nicht sicher, ob der Captain ihren Vorschlag wirklich für gut befunden hatte - allerdings hatte sie auch nichts Gegenteiliges gesagt und die junge Pilotin war im Moment auch nicht in der Stimmung, noch einmal groß nachzufragen. Dafür schien ihr die Luft in Monserats Umgebung momentan eindeutig zu dick.

Gespannt wartete auf Lestats Antwort.

"Ich kann Ihnen auch helfen, wenn es etwas zu tun gibt, für das ich keine technischen Kenntnisse brauche", mischte sich Rekelen ein, die die Frage der Pilotin gehört hatte und nun zu den beiden aufschloss. "Ich habe nicht die leiseste Ahnung, aus welchen Gründen der Captain mich auf dieser Mission dabei haben will, immerhin bin ich Sprachwissenschaftlerin" fuhr sie enthusiastisch fort. "Aber vielleicht kann ich mich wenigstens bei Kleinigkeiten nützlich machen."

Sie wollte sich schon in Richtung Megan wenden und auch ihr ihre Hilfe anbieten, doch die kleine Trill war bereits vorausgegangen und winkte nur noch kurz, bevor sie um eine andere Gangbiegung verschwand, die in Richtung Krankenstation führte. Hätte sie Hilfe beim Packen ihres Medikits gebraucht, hätte sie sicher etwas gesagt.

Daher wandte sie sich wieder Cheyenne und Lestat zu. Die Vorstellung, dass der Betazoid wahrscheinlich alle ihre Gedanken inklusive ihrer ärgerlich ungeordneten Beziehung zu gewissen Crewmitgliedern kannte, hatte sie zunächst etwas abgeschreckt; nachdem sie festgestellt hatte, dass er sich entweder nicht dafür interessierte oder zumindest nichts darüber sagte, hatte sie sich allerdings im Laufe der Zeit entspannt.

Fragend sah sie vom einen zum andern. Minuten zuvor noch zur Hälfte desinteressiert und zur anderen Hälfte verschreckt, glühte die Cardassianerin mit einem Mal vor Tatendrang.

Die Pilotin grinste und blickte zu der Cardassianerin. Das eigenartige Gefühl, dass Cheyenne bei ihrer ersten Begegnung mit Rekelen verspürt hatte, hatte sich mittlerweile gelegt - die Terranerin hatte in der Zeit in der sie nun auf der Ivory war nie einen Grund gehabt ihr zu misstrauen. Innerlich schmunzelte Cheyenne.

"Hm, ich denke da gibt es sicherlich was zu tun für Sie. Kommen Sie einfach mit!"

--- Konferenzraum

Ashok blickte für einen Moment starr auf das PADD, fing sich wieder und setzte eine unbeteiligte Miene auf. Seine Gedanken waren in Aufruhr.

Er scrollte Monserats Mitteilung vom Bildschirm des kleinen Geräts und sah sich misstrauisch nach Lestat um. Ob die Alte dem Techniker wohl den gleichen Auftrag gegeben hatte? Falls nicht, würde es schwer sein, das vor ihm geheim zu halten -- der Betazoid hatte in den vergangenen zwei Wochen mehrfach unbekümmert durchblicken lassen, dass er nach Belieben in den Gedanken anderer Leute herumstöberte.

Nein, Monserat war nicht so naiv, Lestat nicht einzuweihen, entschied Ashok resolut und stellte missmutig fest, dass der Betazoid bereits zusammen mit der Pilotin aus dem Konferenzraum verschwunden war. Also grübelte er einen Moment lang für sich selbst über dem Sonderauftrag des Captains nach und sah für einen kurzen Moment vor seinem geistigen Auge durch das Fenster eines Shuttles die Ivory in einen Feuerball aufgehen. Er blinzelte irritiert und vertrieb den verlockenden Gedanken schnell wieder aus seinem Bewusstsein.

Dann seufzte er tief und entschloss sich, seine Aufmerksamkeit vorerst seinem eigenen Überleben -- und dem derjenigen anderen Crewmitglieder, die er mittlerweile zu schätzen gelernt hatte, nämlich Cheyenne, Rekelen, Bill, Daniel und sogar Tarson -- zu widmen. Tarson saß noch am Konferenztisch und diskutierte mit Classics Avatar auf dem Bildschirm.

Ashok gesellte sich zu den beiden, lauschte ihrem Gespräch einen Moment lang und unterbrach es dann so höflich, wie er konnte.

"Mr. Tarson: Ich habe vor einigen Tagen bei einem wissenschaftlichen Versuch eine Entdeckung auf dem Schiff gemacht, die uns vielleicht nützlich sein könnte, wenn wir uns für unseren ... Landgang ... anständig ausrüsten wollen, statt nur die paar mickrigen Phaser mitzunehmen, die im Waffenschrank in Ihrem Büro stehen."

Der junge Mann ignorierte die sich ärgerlich zusammenziehenden Augenbrauen des Sicherheitlers und fuhr fort: "Auf Deck 4 können die internen Scanner des Schiffs eine Ansammlung hochkapazitativer Energiezellen ausmachen, wie sie normalerweise nur in richtig ordentlichen Energiewaffen eingesetzt werden. Ich wollte dem Phänomen selbst auf die Spur kommen, stellte aber fest, dass das Signal aus einer verborgenen und gut verschlossenen Kammer kommt, auf die ich keinen Zugriff habe. Ich habe den Eindruck, Ihr Vorgänger hat dort insgeheim Waffen gebunkert."

Ashok zog die Augenbrauen hoch und sah fragend in die kleine Runde. "Ich finde, wir sollten der Sache auf den Grund gehen, bevor wir den Planeten mit wenig mehr als unseren bloßen Händen zu unserer Verteidigung betreten. Vielleicht kann Mr. Classic uns ja dabei behilflich sein, die Kammer zu öffnen ...?"

Tarsons Miene hellte sich auf, als er dem Bericht von Ashok zuhörte. Hochkapazitative Energiezellen? Hier auf dem Schiff? Dann war der Tag vielleicht ja doch noch zu retten. Aber nur, wenn sie auch wirklich etwas fanden. Inzwischen hatte Tarson aufgehört, sich hier auf dem Schiff irgendwelche Hoffnungen zu machen, denn ständig schaffte es jemand, diese zu zerstören.

"Mister Ashok, sind Sie sicher, dass es sich bei Ihrem Fund nicht um einen defekten Energieknoten handelt? So etwas kann manchmal vorkommen."

Der Blick von Ashok beantwortete sofort Peters Frage.

"Ok, ich verstehe. Classic, was können Sie uns dazu sagen? Können Sie irgend etwas genaueres dazu sagen? Sie haben schließlich hier die besten Voraussetzungen dazu", sagte er und lehnte sich dann in seinem Stuhl zurück.

Die scheinbar belanglose Übergabe der PADDs an Raji und Aures nicht entgangen. Die beiden Geräte waren ihm schon vor einiger Zeit aufgefallen, denn beide Exemplare hatten keine Verbindung zum Bord-Computer der Ivory. Zog man den allgemeinen Zustand mancher Ausrüstungsgegenstände an Bord dieses Schiffes in Betracht, war das zunächst nicht weiter ungewöhnlich. Vermutlich wären ihm die besagten PADDs gar nicht mehr weiter aufgefallen, würden nicht zwei weitere Faktoren hinzugekommen sein.

Zum einen war da die etwas fadenscheinige Erklärung Monserats. Die besagten Spezifikationen waren sowohl vom Bordcomputer der Ivory, als auch von den Systemen der betreffende Shuttles jederzeit zugänglich - und zumindest Raji als Wissenschaftler sollte sich bereits grundlegend darüber informiert haben.

Zum anderen war da die Reaktion des Inders, der eindeutig vom Inhalt des PADDs überrascht war. Zu seinem Pech war das Display des PADDs für die ihm zu Verfügung stehenden Kameras nicht einsehbar.

Brach man die ganze Situation auf Wahrscheinlichkeiten herunter, bestand eine Chance von 59,4 Prozent dafür, dass das PADD irgendwelche Anweisungen gegen ihn enthielt. Classic wunderte sich darüber nicht wirklich, hatte Monserat ihm doch schon mehrfach offen gedroht. Damit war er wieder am Anfang -- es würde ihm nach wie vor nichts anderes übrig bleiben, als wachsam zu sein.

Schließlich wollte er überleben. Erneut war er sehr froh, nicht in Fleisch und Blut diese Situation durchstehen zu müssen. Das von ihm elektronisch kontrollierte Abbild auf dem Schirm ließ nur diejenigen Gefühle nach außen durchdringen, die er ihm auftrug. Ohne diese Möglichkeit wäre sein Bluff vermutlich schon längst aufgefallen. Überleben hin oder her, aber die Zerstörung der Ivory brachte ihn genauso wenig weiter, wie er den Insassen dienlich war. Mal von der Tatsache abgesehen, dass er bei weitem mehr Skrupel besaß, als die Vernichtung des cardassianischen Frachters suggerieren möchte.

Tarsons Frage riss ihn ein wenig unangenehm aus seinen Gedanken. Ein schneller Blick in das Protokoll dieser Konferenz ersparte ihm jedoch eine etwas peinliche Frage bezüglich seiner Unaufmerksamkeit.

"Bitte gedulden Sie sich einen Moment, ich analysiere die Situation", antwortete er auf Tarsons Frage.

Ja, die internen Sensoren konnten definitiv eine unnatürliche Energie-Emmision auf Deck 4 ausmachen, irgendwo in einer Jeffries-Röhre. Der elektronisch verschlossene Zugang ging definitiv auf Martenghs Konto, er erkannte seine Handschrift in der entsprechenden Software eindeutig. Der Grund für die Emissionen schien auch eindeutig:

"Ich kann Ihre Vermutung bestätigen, es scheint sich tatsächlich um Energiezellen zu handeln. Das Emissionsprofil deutet darauf hin, dass die Zellen mit dem Öffnungsmechanismus verbunden sind, eine unsachgemäße Öffnung oder ein Transportvorgang zündet vermutlich die Zellen, was zu einer Verwüstung des halben Decks führen dürfte.

Ich denke, daß ich die Sicherheitsprogramme Martenghs umgehen kann. Sobald das betreffende Programm deaktiviert ist, wird sich die Klappe öffnen. Ich schätze, daß von diesem Zeitpunkt aus ca. zwei Minuten bleiben, die Energiezellen in der Kammer zu entschärfen, sie sind nämlich in einem instabilen Zustand, den ich von meiner Seite aus auch nicht weiter kontrollieren kann.

Bitte geben Sie mir Bescheid, sobald Sie soweit sind, ich kann Martenghs Software innerhalb von ungefähr einer Minute entschärfen."

"Dann will ich hoffen, dass ein paar der Energiezellen sich auch in den dort hoffentlich versteckten Waffen befinden und nicht nur die Tür sichern", meinte Ashok mit skeptischem Blick. "Martengh wird die Tür ja wohl nicht um ihrer selbst willen geschützt haben. Na ja -- wir werden's rausfinden, wenn wir dort sind."

Unterdessen grübelte er über die Sache mit dem Entschärfen. Der junge Wissenschaftler hatte keine Ahnung von Bomben. Vielleicht konnte man sie ja einfach aus dem Schiff beamen. Ashok behagte der Gedanke nicht, unter Zeitdruck an den Sicherungseinrichtungen eines paranoiden Sicherheitschefs herum friemeln zu müssen, damit sie ihm nicht um die Ohren flogen -- er hatte nur zu genau noch Martenghs Falle vor der Schleusenkonsole der Ivory in Erinnerung. Der Mann war unberechenbar und gemeingefährlich, und unglücklicherweise dazu auch noch recht kompetent.

Ashok bemerkte Classics abwartenden Blick. "Schon unterwegs, Sir!", rief er mit fast unhörbar spöttischem Unterton, schlug schneidig die Hacken zusammen und machte auf der Ferse kehrt. Er wartete einen Moment, blickte dann über die Schulter zurück und fragte: "Tarson, kommen Sie mit? Oh, und, Classic: Gibt's in dem Bereich des Schiffs irgendwas, was Beamen behindern würde? Mir wär's recht, wenn Sie mich erfasst hielten, damit gegebenenfalls nur das Deck und nicht ich dazu zerstört werden."

--- Turbolift

Als Antwort nickte die Cardassianerin und trottete den beiden hinterher in den Turbolift. Sie hatte beschlossen, alles genau im Auge zu behalten, um später besonders authentisch schreiben zu können. Während sie zu Beginn noch vage überlegt hatte, ob Monserat für die Mission mit ihren Fähigkeiten im Entschlüsseln von Codesprachen spekulierte, war sie mittlerweile fast sicher, dass sie nicht dahinter kommen würde, warum der Captain sie mitschickte. Also konnte sie sich genauso gut auf ihre eigene 'Arbeit' konzentrieren.

Nun schwieg sie und wartete darauf, dass Lestat Cheyennes Frage beantwortete.

Stumm stand die Terranerin mit ihren beiden Begleitern im Turbolift. Mittlerweile hatte sich die junge Frau daran gewöhnt, dass Lestat nicht unbedingt eine Person war, die Fragen sofort beantwortete. Die Geistesabwesenheit des Technikers war für Cheyenne nichts Neues mehr. Sie hoffte nur, dass sich das auf ihrer Mission ändern würde - ein geistig abwesender Aures war, laut Ansicht der Pilotin, nicht gerade sehr produktiv und konnte unter Umständen gefährlich werden.

Ein leichter Seufzer kam über Cheyennes Lippen und sie wandte den Blick in Richtung der Cardassianerin.

"Was glauben Sie, wird uns auf diesem Planeten erwarten?" Eine etwas unbeholfene Frage der Pilotin um die Stille im Lift zu beenden.

Anstelle der Cardassianerin ergriff nun Lestat das Wort. "Das Chaos, Tod und Gewalt..." er ließ diese Worte einige Sekunden lang im Raum stehen ehe er fort fuhr.

"Ich war schon einmal hier, damals mit ein paar Ferengi-Piraten, die sich Händler nannten. Auf diesem Planeten gibt es nur ein Gesetz, das des Stärkeren. Ich hoffe wir haben ein paar gute Waffen, denn sonst sehe ich unser Unternehmen schon von vornherein als gescheitert."

Nun erinnerte sich der Betazoid aber wieder daran, dass die Pilotin ihn nach einer Dämpfungsvorrichtung für das Shuttle gefragt hatte.

"Was die Dämpfungsvorrichtung betrifft, so habe ich leider noch keine Ahnung wie ich so etwas machen soll. Ich habe mich in den letzten Jahren hauptsächlich mit Warptechnik und häufig auch mit Waffentechnik auseinandergesetzt, aber nie mit Tarnvorrichtungen oder Dämpfungsfeldern."

Nach kurzem, betretenem Schweigen kam ihm jedoch eine Idee. "Ich hab zwar keine Ahnung, ob das funktioniert, aber einen Versuch wäre es wohl wert." meinte er. "Folgendes, wir brauchen dazu jedoch ein Warpshuttle, da ich mich mit Warptechnik ja recht gut auskenne, dachte ich, ich nutze mein Wissen. Ich habe vor mit dem Warpgenerator eine Warpblase um das Schiff zu legen, die uns jedoch im Gegensatz zu der normalen Warptechnologie nicht beschleunigt.

So könnten wir es schaffen, dass das Shuttle in dieser Blase weitestgehend unentdeckt bleibt. Allerdings würde der Impulsantrieb und die Manövrierdüsen so nicht mehr funktionieren. Das heißt, ich müsste das Steuersystem mit dem Warpfeld verbinden. Es wäre verdammt schwer so etwas zu steuern, vor allem in einer Atmosphäre... Wir sollten das besser vorher testen. Einen großen Vorteil hat diese Methode auf jeden Fall: das Shuttle wird mit dem bloßen Auge unsichtbar sein."

Die Pilotin nickte leicht bei dem Vorschlag des Technikers. Seine Idee war vielleicht nicht unbedingt das, was sie sich vorgestellt hatte, aber es musste für ihre Zwecke reichen.

--- Deck 4, Gänge

Mit einem leichten Ruck stoppte der Turbolift und öffnete seine Türen zu Deck 4.

"Was halten Sie davon, wenn wir uns ein Shuttle mal genau unter die Lupe nehmen und schauen was Sie, Lestat, daraus basteln können. Danach kann ich dann auch auf dem Holodeck Simulationen durch führen."

"Gute Idee, ich hoffe, meine Idee ist mit unserem Shuttle realisierbar." Lestat hatte schon die ganze Zeit über das PADD des Captain in der Hand wollte aber nicht hier in den Gängen der Ivory anfangen, es zu lesen. Er wusste aus den Gedanken des Captain, dass es etwas mit Classic zu tun hatte und der konnte ja bekanntlich die inneren Sensoren benutzen um das ganze Schiff auszuspionieren.

Auch unter diesem Gesichtspunkt wollte der Betazoid so schnell wie es ihm möglich war in eines der Shuttle gelangen. Dort würde er, nachdem er dem Shuttle jegliche Energie geraubt hatte, so dass dessen innere Sensoren nicht mehr funktionieren konnten, das PADD durchlesen.

--- Shuttlerampe

"Hier wären wir.", meinte der Techniker und schaute das einzige Shuttle im Hangar kurz an. "Es ist ein Warpshuttle, jetzt noch ein kleines bisschen Glück und meine Idee lässt sich in die Tat umsetzen." meinte er während er sich dem Shuttle näherte.

Cheyenne beobachtete etwas geistesabwesend den Techniker, der nun das Fluggerät in Augenschein nahm.

In Gedanken versuchte sie sich immer noch den Inhalt des PADDs zu erklären, das Aures von Monserat bekommen hatte. Wie schon so oft übernahm ihre neugierige Seite die Oberhand.

Wieder in der Realität ging die Pilotin zügig auf die hintere Tür des Shuttles zu und gab den Zugangscode zum Öffnen der Rampe ein.

Lestat hatte gerade seinen Tricorder ausgepackt und begann den Warpantrieb zu scannen.

"Verraten Sie mir, was auf ihrem PADD steht?", ruhig blickte sie den Techniker an. Vielleicht hätte sie ihre Neugierde auch auf eine stilistisch schönere Art und Weise befriedigen können, aber der direkte Weg schien der Pilotin immer noch der geeignetste.

Lestat hatte schon erwartet, dass die Pilotin ihn wegen des PADD etwas fragen würde, aber dass ihre Frage so direkt sein würde überraschte ihn dann doch etwas. Ohne zu zögern antwortete er jedoch: "Das kann ich Ihnen leider nicht sagen, ich habe das PADD selbst noch nicht gelesen.", für ihn war damit dieses Thema abgehakt.

Der Techniker öffnete eine Luke des Shuttles und eine Warpleitung kam zum Vorschein. Da bei den Shuttles, während sie im Hangar standen,üblicherweise der Warpantrieb deaktiviert war, konnte der Betazoid gefahrlos die Energieleitung scannen.

"Es sollte eigentlich gehen. Ich werde jedoch zuerst einmal die Energieversorgung des Shuttles abklemmen müssen." Einige Sekunden später hörte man ein leises Summen, das kurz darauf langsam verstarb. "So, jetzt ist hier drin alles abgeschaltet." Lestat, der sich mittlerweile in das Innere des Shuttle begeben hatte, scannte noch einmal kurz nach Energiewerten und steckte dann seinen Tricorder in eine seiner vielen Taschen.

"Miss Nar? Können Sie bitte im Computer nachsehen, ob dort irgendwo eine Holosimulation unserer Shuttles zu finden ist?" wandte er sich an die Cardassianerin. "Ich möchte meine Idee zuerst einmal in einer holografischen Umgebung testen."

Die Pilotin hatte bei der Antwort des Technikers breit grinsen müssen. Wie es schien, war es also doch möglich einen Telepathen wenigstens ein bisschen aus der Fassung zu bringen.

Vorsichtig schob sie sich dann an Lestat vorbei und setzte sich an die Steuerkonsole. Sanft fuhr sie mit den Fingern über die stummen Bedienfelder.

Nach ein paar Sekunden lehnte sich Cheyenne in ihrem Sessel zurück und drehte sich in Richtung der Tür. Neugierig beobachtete sie Rekelen und Lestat.

--- Konferenzraum

Classics Blick blieb ausdruckslos, während er die Lage um die verborgene Kammer herum sondierte. "Hintergrundstrahlung ist nominell und vernachlässigbar. Die Abschirmung der Kammer könnte problematisch werden, aber das kann ich erst feststellen, nachdem die Tür geöffnet wurde."

Sein Avatar wandte sich Ashok zu. "Ich kann Sie aller Wahrscheinlichkeit nach erfasst halten und notfalls in Sicherheit beamen. Wenn Sie allerdings auf den Gedanken gekommen sein sollten, die Bombe aus der Gefahrenzone zu beamen -- vergessen Sie es. Die Energiezellen würden sich mit signifikanter Wahrscheinlichkeit in der Anfangsphase des Transportvorgangs destabilisieren und unkontrolliert unter großer Energieabgabe zerfallen." Er ignorierte den über seinen belehrenden Ton verärgerten Blick des Wissenschaftlers und fuhr gleicher Weise fort: "Davon abgesehen -- wenn wir die Bombe von Bord beamen und sie dort detoniert, verliert die Ivory ihre momentane gute Tarnung. Lösen Sie das Problem also an Bord."

Ashok schwieg einen Moment mit verdrießlichem Gesicht, seufzte dann und zuckte ergeben mit den Schultern. Er wandte sich wieder dem Sicherheitler zu. "Mr. Tarson, kennen Sie sich vielleicht mit Bomben aus? Immerhin fällt das eher in Ihr Kompetenzgebiet als meins", stellte er mit einem Seitenblick auf den ausdruckslos aus dem Bildschirm blickenden Avatar fest.

Tarson dachte für einen Moment konzentriert nach und schüttelte dann missmutig den Kopf. "Ich fürchte, nein", stellte er in sachlichem Ton fest, der nicht vollständig seinen Verdruss darüber verbergen konnte, das vor Classic zugeben zu müssen. "Normalerweise zielt meine Arbeit eher darauf ab, Leute aus solchen Gefahrenzonen zu bringen, statt mich grundlos in eine hinein zu begeben." Ihm missfiel der Gedanke immer mehr, für diese Aufgabe sein Leben aufs Spiel setzen zu müssen. Reichte es denn nicht, wenn der Inder drauf ging?

"Ich denke, ich kann Ihnen beiden da zur Seite stehen", warf Classic unvermittelt ein. "Meine Datenbanken enthalten eine große Menge Literatur über Sicherheitssysteme und die Entschärfung von Zündmechanismen. Nehmen Sie eine tragbare Kameraeinheit mit und tun Sie einfach genau, was ich Ihnen sage." Im Hintergrund startete er einen Rechercheprozess, der ihm alle relevanten Informationen abrufbereit zusammenstellen würde.

In den Gedanken des jungen Inders kam für einen kurzen Moment eine Welle widerstreitender Gefühle hoch, bevor er sich wieder vollständig gefangen hatte. Er war froh, die Verantwortung abgenommen bekommen zu haben; aber dass sie -- und sein Leben -- nun völlig in der Hand dieses Computerwesens lagen, widerstrebte ihm mit jeder Faser seines Körpers. Er setzte eine neutrale Miene auf und blickte mit hochgezogenen Augenbrauen nochmals in die kleine Runde.

"Gut, dann ist ja alles klar. Tarson, kommen Sie nun endlich?"

Peter erhob sich aus dem Sessel und nickte Ashok zu.

"Ja ja, bin schon unterwegs", grummelte er und warf noch mal einen Blick zu Classic. "Mister Classic, wenn Sie schon die erforderlichen Informationen zu der Bombe zusammensuchen, dann bitte ich Sie, uns auch das passende Werkzeug zu geben, damit wir anständig arbeiten können. Ich habe keine Lust, mein Leben zu lassen, nur weil uns das richtige Material zum arbeiten fehlt."

Nach diesem Satz drehte er sich um und verließ mit Ashok im Schlepptau den Konferenzraum.

--- Deck 1, Gänge

Kaum hatte sich die Tür hinter ihnen geschlossen, da blieb Peter stehen und zeigte mit der Hand nach vorne.

"Gehen Sie vor Mister Ashok. Ich denke, Sie wissen besser, wo wir hin müssen."

Sein Gegenüber nickte kurz und schritt dann zum Turbolift. Schon nach wenigen Sekunden war die Liftkabine da und sie betraten den engen Raum.

--- Turbolift

"Deck 4", sagte Ashok laut und sofort setzte sich der Lift in Bewegung. Peter atmete leise auf. Er war echt froh, dass die Systeme des Schiffes wieder normal funktionierten. Als Zinda noch existierte, musste man ja ständig um sein Leben fürchten. Vor allem an so harmlosen Orten wie die Turbolifte. Doch das war ja nun vorbei. Und es würde noch besser sein, wenn auch Classic aus dem Computerkern heraus war.

Gedankenverloren schaute er auf Ashok hinunter, der bisher sehr schweigsam neben ihm gestanden hatte.

"Sagen Sie, haben Sie etwas Bombenerfahrung?"

--- Shuttlerampe

Minute um Minute saß die junge Pilotin in ihrem Sessel und verfolgte stumm die Bewegungen des Technikers. Längst hatte sie den Überblick verloren, was Lestat da am Warpkern zusammenbastelte und Cheyenne hoffte resigniert, dass er ihr seine Modifikationen nachher auf dem Holodeck genauer erklären würde - damit sie wenigstens ansatzweise verstand, was er mit dem Antrieb gemacht hatte.

Langsam schweiften ihre Gedanken ab und die Terranerin fing an, etwas vor sich hin zu träumen. Vor ihrem geistigen Auge formten sich die unterschiedlichsten Bilder. Ihre letzte Bergtour durch die Rocky Mountains, die Simulation einer Supernova, die sie auf der Akademie einmal gesehen hatte, Bilder wunderschöner Orte an die sie sich hinsehnte, ein Mann, groß und kräftig, der sie in die Arme nahm ...

Für wenige Sekunden hatte die Terranerin die Augen geschlossen und ein leises Lächeln legte sich auf ihre Lippen. Bei dem Gedanken an den geheimnisvollen Liebhaber in ihrem Unterbewusstsein hatte sie unwillkürlich schmunzeln müssen, was ein leichtes Kribbeln in ihrem Bauch zur Folge hatte.

Das Klappern von Stiefeln auf der Rampe des Shuttles holte Cheyenne unsanft in Realität zurück. Zusammenzuckend öffnete sie die Augen und erblickten Rekelen am Eingang.

Die Cardassianerin nickte Cheyenne auf ihren Blick hin kurz zu, obwohl sie nicht das Gefühl hatte, dass die Pilotin in Gedanken bei ihr war, bevor sie sich an Lestat wandte. Die Holodeckprogramme durchzusehen hatte ein oder zwei Minuten länger gedauert als erwartet, da der Speicher mit ihnen offenbar vollgestopft war, als hätten sämtliche Mitglieder der ständig wechselnden Crew mindestens eines hier hinterlassen.

"Es gibt sogar mehrere Holosimulationen des Shuttles", teilte sie ihm geschäftig mit. "Zumindest mehrere Trainingsprogramme für Piloten mit unseren Shuttles. Es wird sicher etwas für Sie dabei sein."

--- vor dem Shuttle

Bevor Megan das Shuttle betrat checkte sie noch einmal den Inhalt ihres Medikits. Mit einem zufriedenen Lächeln betrat sie nun den Hangar. Sie hoffte an alles gedacht zu haben, und hatte neben den Standardkomponenten das ein oder andere Medikament hinzugefügt, das ihr wichtig vorkam.

Sie blieb kurz hinter der Tür stehen, um sich erst einmal umzublicken. Auf den ersten Blick konnte Megan keinen entdecken, meinte aber etwas gehört zu haben.

"Hallo...?" fragte Megan in den Raum hinein und bewegte sich langsam aufs Shuttle zu.

--- im Shuttle

"Wir sind hier, Megan", erwiderte Rekelen, die am nächsten an der Luke stand, und steckte den Kopf zu der Medizinerin heraus. "Allerdings sieht es nicht aus, als würden wir allzu schnell starten", fügte sie noch hinzu und konnte ihre Ungeduld nicht recht verbergen. Am liebsten hätte sie das gesamte Unternehmen bereits hinter sich und säße in ihrem Quartier, um dem Computer das erste Kapitel zu diktieren.

Das Eintreffen von Megan hatte die Pilotin nun endgültig ins Hier und Jetzt zurück gebracht und mit einem leichtem Kopfschütteln versuchte sie sich wieder auf ihre eigentliche Aufgabe zu konzentrieren.

Während die Trill begann, sich mit ihren medizinischen Sachen im Shuttle einzurichten wandte Cheyenne sich Lestat zu.

"Wie lange, denken Sie, werden Sie noch brachen - Lestat?" Zu ihrer eigenen Unzufriedenheit musste die Pilotin eine gewisse Ungeduld in ihrer Stimme wahrnehmen und die Terranerin hoffte, dass der Techniker diese Emotionen nicht all zu sehr mitbekommen würde.

Mit einem langem Atemzug lehnte sie sich nach vorne, stütze ihre Arme rechtwinklig auf ihren Oberschenkeln ab und begann etwas unschlüssig sich ihre Hände zu reiben.

Lestat hatte intensiv am Shuttle gearbeitet als ihn Rekelens Stimme kurz ablenkte. Er gab ihr durch ein knappes Nicken zu verstehen, dass er alles mitbekommen hatte. Danach griff er hinter sich und suchte im dort stehenden Werkzeugkoffer nach seinem Tricorder. Während dieser Suche nahm der Betazoid eine allgemeine Ungeduld von allen hier Anwesenden wahr, aber er konnte es ihnen nicht verdenken, immerhin warteten sie nur darauf, dass er hier fertig wurde.

Lestat wandte sich Cheyenne zu und meinte mit unbekümmerter Miene, "Das kann sich noch ein Weilchen ziehen, immerhin muss ich die komplette Steuerung des Schiffes umbauen. Allerdings habe ich fast alle Parameter gemessen und mit denen könnte ich Ihnen eine Holosimulation programmieren, damit Sie schon einmal üben können."

Der Betazoid erhob sich und wandte sich dem Ausgang des Shuttles zu, "Wenn Sie mitkommen wollen, dann kann ich Ihnen gleich erklären, wie sich dieses Shuttle in Kürze steuern lassen wird." Mit diesen Worten verließ der Techniker das Shuttle.

Erleichtert über die Antwort des Betazoiden erhob sich die Pilotin und folgte mit Rekelen dem Techniker. Ein Blick über die Schulter sagte ihr, dass Megan sie wohl noch nicht begleiten würde.

--- Turbolift

Mit einem leisen Zischen schlossen sich die Türen hinter den dreien und wieder entstand eine eigenartige Stille.

"Was genau muss ich denn bei der Steuerung mit Ihren Modifikationen beachten?"

Mit ihrem fragenden Blick beobachtete Cheyenne Lestat.

"Das ist gar nicht so einfach zu erklären.", setzte der Techniker an. "Sie können sich die Steuerung in etwa so vorstellen, wenn Sie dem Shuttle einen Steuerbefehl geben dann wird es zuerst sehr langsam reagieren, dann aber immer schneller werden, wenn ich keine Sperre einbaue wird sich die Geschwindigkeit bis hin zum Warp erhöhen. Das heißt, Sie sollten keine schnellen Manöver planen, das wird nicht funktionieren."

In dieser Sekunde öffneten sich die Türen des Turbolifts und die kleine Gruppe bewegte sich weiter in Richtung des Holodecks.

"Ich hoffe, das Ding wird sich überhaupt so steuern lassen wie ich mir das denke. Wissen Sie, ich habe ein eigenes Shuttle entworfen, wenn wir das schon hätten, dann bräuchten wir jetzt nicht ewig herumschrauben." fing Lestat an zu schwärmen. Er liebte seine Konstruktion und war verdammt stolz eine Kopie der Pläne für eine romulanische Tarnvorrichtung gemacht zu haben, als der fette Ferengi, der einst sein Vorgesetzter war, sie geklaut hatte. Die Romulaner hatten den Ferengi zwar später erwischt, aber sie hatten nie herausgefunden, dass mittlerweile eine Kopie der Pläne entstanden war und Lestat hatte nie einem Menschen oder einer anderen Spezies davon erzählt.

--- Holodeck

Skeptisch betrachtete Cheyenne den Techniker, der sich nach dem betreten des Raumes sofort mit Rekelen an den Konsolen zu schaffen machte um das Shuttle und die Simulation zu programmieren. Innerlich schüttete sie den Kopf - die junge Frau musste kein Betazoid sein um festzustellen, dass Lestat nicht unbedingt ein Mensch war, der gerne Informationen preis gab. Die Terranerin hoffte nur, dass sie ihm letztendlich nicht alles - was das Shuttle anging - aus der Nasen ziehen musste.

Ein paar Minuten später verwandelte sich das Holodeck in das im Hangar stehenden Fluggerät und Cheyenne nahm im Pilotensessel Platz.

Flink begannen ihre Finger über die Steuerkonsole zu huschen. "Na, mal schauen was passiert ..." und ein leichtes Lächeln legte sich auf ihr Gesicht.

"Computer, Simulation starten." Aures Stimme hallte blechern durch den Raum.

Classic's Bewusstsein waren die Modifikationen von Lestat nicht entgangen, benutzte er doch einen nennenswerten Teil seiner Rechenkapazität dafür. Ob er diesen Lösungsansatz guthieß, wusste er noch nicht; ob die Idee lebensmüde oder einfach genial war, war schwierig zu beurteilen.

Nun, vermutlich war sie beides, schoss es ihm durch sein Bewusstsein.

In der Holodeck-Simulation materialisierte jetzt die mittlerweile vertraute (und berüchtigte) Gestalt von Classic's Avatar im Sessel neben dem Piloten. Aures betrachtete ihn sofort recht misstrauisch, war Classic doch die einzige Person an Bord, deren Gedanken er nicht lesen konnte.

"Guten Morgen meine Damen und Herren, ich dachte, Sie könnten ein wenig Hilfe bei den Flugübungen mit ihren," ein Nicken in Lestats Richtung, "letzten Modifikationen am Shuttle-Antrieb gebrauchen.

Um ehrlich zu sein, ich habe während meiner Zeit als Pilot einen Haufen verrückter Stunts durchgezogen, aber die Idee mit der Warpblase um das Shuttle schlägt bisher alles Dagewesene." Eine seiner Augenbrauen wanderte bei diesen Worten präzise um 12,4 mm nach oben.

"Ms. Cheyenne, ich habe bereits eine Reihe von weiterführenden Berechnungen über das neue Flugverhalten des Shuttles angestellt, und nachdem ihr Techniker sich anscheinend nicht in der Lage sieht, sie weiter aufzuklären habe ich eine Reihe von Informationen vorbereitet:

Die planetaren Sensoren von Omicron werden vermutlich nicht an ein Schiff, dass in der Atmosphäre sich mit Hilfe des Warp-Antriebes fortbewegt suchen. Nichts desto trotz können Sie natürlich die Energie-Emissionen der Warpblase lokalisieren, die Wahrscheinlichkeit hierfür beträgt über 35 Prozent, insbesondere, nachdem die Anwesenheit der Ivory kein wirkliches Geheimnis für den Planeten sein dürfte. Das Schiff ist schließlich kaum zu übersehen.

Nehmen wir aber einmal an, dass das Schiff unentdeckt bleibt: Stellen Sie sich vor, dass jede auch nur noch so kleine Steuerbewegung ihrerseits, die über das Warp-Feld und nicht über den Impuls-Antrieb oder die Manövertriebwerke ausgeführt wird um mehr als einen Faktor 500 stärkere Auswirkungen haben wird, als Sie es gewohnt sind.

Die ständigen Veränderungen der Umgebungsbedingungen beim Wiedereintritt in die Atmosphäre dürften hier das größte Problem sein, denn Sie können aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mit einem automatischen Programm korrigiert werden -- die hierfür notwenigen Anpassungen und Tests dürften sich über mehrere Tage hinwegziehen.

Da die interne Struktur des Shuttles und dessen Trägheitsdämpfer auf solche Belastungen nicht ausgelegt sind, kann bereits ein kleiner Fehler dazu führen, dass sich die beiden Warp-Gondeln des Shuttles in unterschiedlichen Richtungen weiterbewegen.

Ich habe Ihnen ein überarbeitetes Steuerprogramm entwickelt," bei diesen Worten ersetzen sich die gewohnten Manöverkontrollen durch eine neue, leicht veränderte Anordnung, "mit dessen Hilfe Sie die kleinen Korrekturen wesentlich leichter durchführen können. Es handelt sich hierbei um eine Kombination der herkömmlichen Manöverkontrollen und derjenigen, die normalerweise zum Andocken an ein anderes Raumschiff verwendet werden.

Im übrigen, warum versuchen Sie eigentlich nicht im Gleitflug lediglich mit Manöverschub Ihr Ziel zu erreichen? Kaum Energieemissionen, wenn der Atmosphäreneintritt auf der abgewandten Planetenseite durchgeführt wird, sollte er der Luftraumüberwachung entgehen, und ein - verhältnismäßig - wesentlich kleineres Risiko."

Immer noch irritiert über das so plötzliche Auftauchen von Classic blickte die Pilotin nun auf ihr 'neues' Steuerprogramm hinab. Wie es schien hatte er mit seinem Erscheinen auf dem Holodeck auch die Simulation wieder gestoppt - wieder waren keine Geräusche vom Warpkern zu hören.

Aber wenigstens hatte Cheyenne jetzt ein paar mehr Informationen, mit denen sie etwas anfangen konnte.

Nach wenigen Sekunden hob die Terranerin wieder den Blick und ein freches Grinsen legte sich auf ihr Gesicht.

"Ähm - kann es sein, dass Sie Überraschungsauftritte mögen?"

Cheyenne ließ Classic keine weitere Zeit um über ihre Frage nach zu denken und wechselte das Thema.

"Wenn ein Gleitflug weniger Emissionen verursacht, dann macht das durchaus Sinn. Allerdings sollten wir auch testen, was passiert, wenn ich mit den Triebwerken ein bisschen spiele. Wir wissen nicht was uns erwartet - wenn wir entdeckt werden, fürchte ich, dass wir einem möglichem Feind nicht im Gleitflug entkommen werden." Ein wenig Ironie hallte in ihrer Stimme.

Ein paar Augenblicke tippte die Pilotin auf ihrer Konsole herum.

"Wenn ich das, was sie mir hier gerade erzählt haben, richtig verstanden habe, dann könnten wir diese Flugroute nehmen. Sie ist zwar riskant, aber ich glaube das ist die beste Möglichkeit damit uns die Warpgondeln nicht gleich um die Ohren fliegen."

Classic hob diesmal die andere Augenbraue, während er mit etwas Ironie in der Stimme: "Wenn Sie entdeckt werden, können Sie denke ich getrost auch die Triebwerke aktivieren. Schließlich brauchen Sie sich ja nicht mehr verstecken.

Was die Route betrifft. Diese möglichst kurze Route sollte für einen Anflug mit der Warp-Variante am geeignetsten sein, ich denke nicht, dass man mit diesem Packen Dynamit unter dem Hintern länger als unbedingt notwendig in der Luft bleiben sollte. Bitte bedenken Sie bei Ihren Manövern auch, dass das Warpfeld das Gravitationsfeld des Planeten neutralisiert; insbesondere wenn Sie für das Landemanöver von Warp-Antrieb auf Manövertriebwerke wechseln."

Rekelen hatte sich in den hinteren Teil des simulierten Shuttles zurückgezogen und beäugte nun alles aufmerksam. Vor ein paar Tagen hätte sie Classics abruptes Auftauchen noch überrascht. Nun nahm sie es mit einer gewissen Freude auf, auch wenn das allgemeine Unbehagen über ihren Auftrag zurückkehrte.

Was nützte ihr immerhin ein ungeschriebener Roman, wenn sie starb, ohne eine Zeile geschrieben zu haben?

Nun jedoch konzentrierte sie sich auf ihre neue Aufgabe und lauschte interessiert dem Dialog. Zwar hatte sie momentan nicht viel beizusteuern und noch dazu eine gewisse Mühe, den Ausführungen zu folgen; doch auch, wenn sie das fotographische Gedächtnis vieler ihrer Artgenossen nicht besaß, hatte sie das hervorragende Gedächtnis einer cardassianischen Wissenschaftlerin.

Mit ungewohnter Aufmerksamkeit lauschte sie weiter, beobachtete und machte geistig ebenso rege Notizen, als hielte sie ein PADD in der Hand.

Und apropos PADD - auch ihr war mittlerweile aufgefallen, dass Aures eines mit sich herumtrug, bisher allerdings noch keinen Blick darauf geworfen hatte. Den Weg der kleinen Gruppe durch das Schiff nachvollziehend, hielt sie es für wahrscheinlich, dass er es von Monserat erhalten hatte. Normalerweise hätte sie, an technisches Drumherum denkend, mit den Schultern gezuckt und die Sache vergessen. Langsam jedoch wurde sie misstrauisch. Seit Classics Auftauchen beobachtete sie an dem Techniker eine erstaunliche Gleichgültigkeit, was das Ding betraf, und technische Anweisungen hätte er doch sicher schon lange angesehen.

Was stand also auf diesem hochinteressanten PADD?

Was auch immer geschah, Rekelen würde nichts davon entgehen.

Die Pilotin hatte ihren Kopf leicht nach links geneigt während sie Classics weiteren Ausführungen zuhörte. Das Problem mit dem Gravitationsfeld gefiel ihr überhaupt nicht.

"Wie genau könnte sich das nicht vorhanden Gravitationsfeld auf das Shuttle bzw. auf die Crew auswirken?"

Langsam lehnte sie sich in ihrem Sessel zurück und beobachtete die holografische Projektion neben ihr. Im Physikunterricht auf der Akademie hatte Cheyenne nie sonderlich aufgepasst - ein bisschen was war jedoch hängen geblieben und die Terranerin hoffte, dass sie mit ihrer Vermutung, was Classic meinte, nicht all zu sehr daneben lag.

"Das Hauptproblem ergibt sich in dem Moment, in dem Sie von dem Quasi-Warp-Flug zurück auf den Manöverschub wechseln; dies benötigt einige Sekunden, in der die plötzlich einsetzende Gravitation das Shuttle natürlich beeinflusst und nach der es wieder abgefangen werden muss. Die internen Trägheitsdämpfer sollten die meisten Auswirkungen von den Insassen des Shuttles fernhalten, nichtsdestotrotz wird das Shuttle für mehrere Sekunden wie ein Stein zu Boden fallen."

Cheyenne seufzte leicht, denn Classic hatte genau das angesprochen, was sie in etwa vermutet hatte.

"Hmm, dann wollen wir das Ganze doch mal testen." Ein bisschen Abenteuerlust schwang in der Stimme der Pilotin mit. Langsam drehte sie sich wieder zu ihrer Konsole hin und tippte noch ein paar Daten ein. Kurz drehte sie den Kopf noch nach hinten.

"Lestat, Rekelen, vielleicht wollen Sie sich besser hinsetzten? Ich weiss nicht, in wie weit die Sicherheitsprotokolle greifen und ich denke nicht, dass Sie unter der Decke kleben wollen." Als sie sich wieder umdrehte konnte sich Cheyenne ein leichtes Grinsen nicht verkneifen.

"Computer: Simulation erneut starten."

Nach wenigen Sekunden war wieder das leichte Summen der Triebwerke zu hören und einige Augenblicke später konnten die vier Personen durch das Sichtfenster am Bug des holografischen Shuttles die gelbgrüne Atmosphäre des Planeten erkennen. Cheyenne steuerte mit einem Winkel von 48,3° genau darauf zu.

--- Turbolift

Ashok verzog seinen Mundwinkel zu einer resignierten Grimasse und sah Tarson kurz in die Augen. "Nicht die leiseste. Zumindest, wenn man mal von einer durchaus amüsanten Grundlagenvorlesung in Chemie absieht ..."

Der junge Wissenschaftler riss sich von seinen Erinnerungen los und ersetzte den verklärten Gesichtsausdruck wieder durch eine Miene resignierter Professionalität. "Ich fürchte, wir werden uns auf Classic verlassen müssen. Immerhin liegt es ganz besonders auch in seinem Interesse, dass die Ivory nicht in die Luft fliegt, solange er noch ihren Computer bewohnt." Er unterdrückte mühsam das ungute Gefühl, das er zuvor doch schon so erfolgreich verdrängt zu haben geglaubt hatte.

Mit kaum spürbarem Ruck hielt der Lift an und öffnete zischend seine Türen. Ashok ließ Tarson den Vortritt und trat dann selbst in den Gang hinaus.

--- Deck 4, Gänge

"Da lang", deutete der Inder mit einer Handbewegung an und ging mit zügigen Schritten los.

Nach einigen Metern hielt er an, musterte die Wand kritisch, zog ein Taschenmesser aus der Tasche und machte sich in einer Ritze zwischen zwei Paneelen zu schaffen. Nach wenigen Sekunden sprang ein Stück der Wandverkleidung mit einem leisen Klicken einige Millimeter auf. Der junge Mann legte das Messer auf den Boden, ergriff die Platte mit beiden Händen und ließ sie vorsichtig auf den Boden gleiten. An Stelle des Paneels gähnte ein Loch, das nur vom leichten Pulsieren einiger Kabelstränge schwach erhellt wurde.

Ashok hielt kurz unschlüssig inne, rieb sich mit dem rechten Handrücken seine linke unrasierte Wange und wünschte sich einmal mehr, er hätte ein paar Stunden länger schlafen können. Dann hob er das Messer auf, steckte es in seine Hosentasche zurück und holte im gleichen Zug eine kleine Taschenlampe hervor. Er schaltete sie an, schob sie sich zwischen die Zähne und begann, in das Loch zu kriechen.

Gerade, als er seinen Körper vollständig in den engen Tunnel gezwängt hatte, fiel ihm ein, dass er etwas vergessen hatte. Von außen vernahm man einen gedämpften Schlag wie von einem vergleichsweise nachgiebigen menschlichen Kopf gegen eine harte Duraniumstrebe, einige dumpfe Flüche in einer exotischen Sprache, die dem wartenden Tarson nicht geläufig war, und dann den Ruf: "Tarson, kommen Sie? Keine Bange, weiter hinten wird's etwas geräumiger ..."

'Geräumiger?', dachte Tarson und zwängte sich hinter Ashok in den engen Tunnel. Und es war verdammt eng. Wenn er auch nur ein wenig breiter gewesen wäre, dann wäre er mit ziemlicher Sicherheit stecken geblieben. So lag er flach auf dem Bauch und zog sich mit den Armen voran. Zwar konnte er etwas mit den Füßen unterstützen, doch dass machte ihn auch nicht wirklich schneller. Langsam wie eine Schnecke zog er sich durch den Schacht und hoffte darauf, dass er das Ende gleich erreicht hatte.

Nach einer halben Ewigkeit hatte Peter es geschafft. Er kniete gebückt neben Ashok in einem kleinen Raum, der vielleicht 150 mal 100 cm groß war. Gut, Ashok hatte Recht gehabt. Es war geräumiger. Doch immer noch weit davon entfernt, einigermaßen bequem zu sein.

Peter versuchte sich umzusehen, doch ihm fiel nichts Besonderes auf.

"Ok, und nun Mister Ashok?", fragte er den Menschen, der sich mit der Hand den Kopf rieb. Wahrscheinlich würde es eine riesige Beule ergeben, doch Tarson versuchte, nicht darüber zu lachen. Einen verärgerten Bombenentschärfer konnte er sich jetzt absolut nicht leisten.

"Und nun -- brauchen wir Werkzeug, würde ich sagen", brummte der Inder gereizt und fügte etwas versöhnlicher hinzu: "Ashok reicht. Ich nenn Sie ja auch nicht Mr. Peter, Tarson."

Ashok nahm seine Hand von der wachsenden Beule an seinem Hinterkopf und hieb damit auf seinen Kommunikator. "Ashok an Classic. Wir sind da. Beamen Sie uns das Werkzeug her, und vergessen Sie die Videoausrüstung nicht." Er verzog sein Gesicht zu einer leichten Grimasse. "Und legen Sie noch 'ne Kopfschmerztablette drauf oder ein Hypospray oder so was. Ich kann mir einen Brummschädel jetzt wirklich nicht leisten."

Mit den üblichen leisen Sphärenklängen materialisierte sich kommentarlos eine Kiste neben den beiden kauernden Männern. Der junge Wissenschaftler öffnete ihren Deckel und sah prüfend hinein.

"Ein Satz Elektronikwerkzeug", brummelte er vor sich hin und legte die kleine Tasche geöffnet neben sich auf den Boden. "Eine Kamera mit Stirnbandhalterung -- die ist für mich -- und eine Handkamera. Das ist Ihre, Tarson", sagte er laut und warf sie dem neben ihm hockenden Mann in die Hände. "Ein Medikit ..." Er öffnete das Kit, entnahm ihm ein Hypospray und versetzte sich eine Ladung in die Armbeuge. "Danke, Classic", seufzte er in ehrlicher Erleichterung, als der pulsierende Schmerz in seinem Kopf schlagartig nachließ.

"Gut." Der junge Mann sah noch einmal prüfend an sich herunter und warf auch einen Blick auf Tarson neben ihm. "Ich glaube, wir sind bereit. Tarson, alles in Ordnung bei Ihnen? Classic, wir können loslegen ..."

"Natürlich ist bei mir alles in Ordnung", grummelte Peter etwas genervt und fummelte an der Kamera herum. 'Wo war bloß dieser verdammte Einschaltknopf', dachte er und drehte das kleine Gerät wild in seinen Händen herum. 'Ah da.'

Schnell schaltete er die Kamera ein und richtete sie auf Ashok, der schon damit beschäftigt war, das Werkzeug zu ordnen.

"Lächeln Sie Ashok. Sie sind im Fernsehen", sagte Peter und grinste dabei breit, doch Ashok warf ihm nur einen genervten Blick zu und kramte wieder in der Werkzeugkiste herum.

'Na dann eben nicht', dachte Tarson, der versucht hatte, die angespannte Situation ein wenig aufzulockern. Nur gut, dass er nicht die Bombe entschärfen musste. Er hatte für so was nicht die passenden ruhigen Hände. Doch hoffentlich hatte Ashok die.

"Tarson an Classic. Melden Sie sich. Wir können jetzt anfangen wenn Sie bereit sind."

Classic blickte auf die virtuelle Landschaft, die sein inneres Auge umgab. Sein Primärbewusstsein war in den Kontrollprozessor eingedrungen und schwebte jetzt vor einer Kiste, die von gleißend leuchtenden Stricken eingewickelt war. Wieder eine von Martenghs Sicherheitsbarrieren, die er mittlerweile recht gut kannte. Sein Glück war, dass Martengh sie nie gegen einen Eindringling aus dem Inneren des Systems optimiert hatte.

Ein Gedanke aktivierte den Interkom zu Ashok und Tarson, im selben Moment erschienen die Bilder aus den beiden Kameras vor seinem virtuellen Avatar.

"Ok, ich habe soeben mein Primärbewusstsein von allen anderen Aufgaben entbunden, wir können also loslegen. Ashok, ich benötige ca. fünf Sekunden um das Sicherheitsprogramm auszuhebeln, danach wird sich die Klappe automatisch öffnen. Die Sicherung der Energiezellen wiederherzustellen ist dann Ihre Aufgabe. Meine letzten Analysen lassen darauf schließen, dass es sich direkt um die Energiezellen der betreffenden Waffen handelt.

Um dies zu steuern müssen die Waffen mit Hilfe eines Kontrollgerätes angesteuert werden. Dies ist Ihr Ansatzpunkt. Alles weitere kann ich Ihnen frühestens sagen, wenn wir die Klappe offen haben. Ich muss sie noch einmal bitten, mir vollständig zu vertrauen, und meine Anweisungen präzise auszuführen, nur so haben wir eine Chance an die Waffen heran zu kommen. Im Falle eines Problems habe ich Sie mit dem Transportersystem erfasst und werde natürlich versuchen, Sie rauszubeamen.

Ashok, Sie geben das Startsignal sobald Sie bereit sind."

Der junge Mann bemerkte den Kloß in seinem Hals und schluckte ihn irritiert herunter. "Bereit", krächzte er. Ärgerlich über die miese Figur, die er machte, biss er die Zähne zusammen und starrte auf die Klappe.

Präzise fünf Sekunden später sprang sie mit leisem Klicken einen Spalt weit auf, schwang nach oben und zog sich leise surrend zurück. Ashok leuchtete prüfend mit der Handlampe in die dunkle Höhle und steckte dann den Kopf durch die Öffnung.

Die Kammer war kaum höher als der Tunnel -- und sie war vollgepackt mit sauber gestapelten und beschrifteten Kisten. Der Inder gab einen überraschten Pfiff von sich. "Plasmagranaten ... Photonentorpedos mit tragbaren Werfern ... oh! Eine Kiste Phasergewehre!" Er kroch in den Raum hinein, während er sich mit großen Augen umsah.

--- Deck 4, geheime Waffenkammer

"Ashok! Was zum Teufel machen Sie da?", hörte er Tarson dumpf hinter sich in einer Mischung von Ärger und Besorgnis rufen. "Denken Sie an die Bombe, Mann!"

"Eine Minute, fünfzig Sekunden", warf eine synthetische Frauenstimme aus Ashoks Kommunikator unvermittelt ein.

Der junge Mann starrte auf die Kiste vor ihm, ohne sie wahrzunehmen, und spürte, wie sein Enthusiasmus schlagartig eiskalter Panik wich, als er sich seiner Situation wieder bewusst wurde. Ruckartig wandte er sich um und blickte zum Ausgang. Tarson hatte seinen Kopf in die Kammer gesteckt und sah ihn ärgerlich an.

An der Innenwand der Kammer über dem kurzgeschorenen Kopf des Terraners waren ein Phasergewehr befestigt, dessen Lauf auf einen kleinen Stapel leise pulsierender Energiezellen neben der Klappe gerichtet war. Kleine, passiv gespeiste Deflektorschirme an den Komponenten der Bombe bildeten das Äquivalent eines optischen Systems, das von einem dünnen Ionenstrahl aus einem mobilen Emitter versorgt wurde. Der Ionenstrahl traf auf einen dünnen Metallstreifen, von dem aus ein Draht zum Phasergewehr führte. Ein Rauchfaden stieg von dem Metallstreifen auf.

"Ich habe die Bombe gefunden", sagte Ashok tonlos. "Rühren Sie sich bloß nicht, Tarson." Ein Moment eiskalter Stille entstand, während der junge Mann sein Herz in den Ohren dröhnen hörte.

"Ein kollabierender, selbstzerstörender Schaltkreis", kommentierte Classic trocken aus dem Off. "Wird der Ionenstrahl unterbrochen, fällt das Potenzial am Metallstreifen ab und das Phasergewehr bringt die Energiezellen zur Explosion. Gleiches geschieht, wenn die Komponenten der Bombe und die daran angebrachten Deflektoren relativ zueinander bewegt werden. Und der gebündelte Ionenstrahl zerstört graduell den Streifen, sodass sich das System nach wenigen Minuten von selbst zur Auslösung bringt."

Classics Stimme hielt kurz inne. "Simpel, aber effektiv. Ich korrigiere meine vorherige Schätzung: Wir haben noch eine Minute, 22 Sekunden, bevor die Bombe explodiert."

"Eine Minute, zwanzig Sekunden", wiederholte die synthetische Frauenstimme aus Ashoks Kommunikator ungerührt.

"Und was jetzt?!", schrie Ashok. Seine Stimme klang schrill in seinen eigenen Ohren. Er schloss die Augen und konzentrierte sich auf die sich bewegenden bunten Punkte auf der Innenseite seiner Augenlider. Ruhig atmen. Ein ... aus ... ein ... aus. Die Panik ließ nach und machte einem Gefühl konzentrierter Anspannung Platz.

Tarson holte ihn wieder in die Realität zurück. "Reißen Sie sich am Riemen, Mann!", brüllte er Ashok an. Der Inder öffnete die Augen und sah dem kauernden Mann kurz ins Gesicht, bevor er erneut auf den Mechanismus blickte.

"Eine Minute, zehn Sekunden", verkündete die synthetische Frauenstimme.

"Haben Sie sich wieder im Griff, Ashok?", fragte Classics ruhige Stimme durch den Kommunikator. "Ich habe das Problem zwischenzeitlich analysiert. Ich kann keine der Komponenten der Bombe schnell genug aus dem Gefahrenbereich beamen, ohne das ganze System zu destabilisieren und auszulösen. Unser primärer Ansatzpunkt ist die Steuerung des Phasergewehrs; wir müssen es deaktivieren, bevor das Signal abfällt."

Classic hielt kurz inne. Dann fuhr er fort: "Ashok, nähern Sie sich dem Phasergewehr. Seien Sie vorsichtig, damit sie nicht versehentlich den Ionenstrahl unterbrechen. Ich habe ein leichtes Dämpfungsfeld um den Bereich gelegt, um das System vor groben Erschütterungen zu schützen."

Auf allen Vieren kroch Ashok vorsichtig auf den Eingang der Kammer zu. Die Handlampe, die er auf den Boden gestellt hatte, verwandelte die Szene in ein gespenstisches Schattenspiel.

"Ich werde nun die Wartungsklappe des Gewehrs wegbeamen. Halten Sie das Elektronikwerkzeug bereit."

Vor Ashoks Augen löste sich ein Teil des Gehäuses des Phasergewehrs in Nichts auf und gab den Blick auf das Innenleben der Waffe frei. Er starrte auf die leicht pulsierenden Schaltkreise und wartete auf die nächsten Anweisungen.

"Fünfzig Sekunden", gab die synthetische Frauenstimme in die Stille hinein bekannt.

Zum ersten Mal war Classic dankbar darüber, jetzt in einem Computer beheimatet zu sein. Fünfzig Sekunden waren eine so verdammt kurze Zeit, im Erfahrungsbereich eines Menschen gemessen, für ihn aber konnte sich eine Sekunde scheinbar endlos ausdehnen, zumindest solange er freie Rechenkapazität hatte. Und jetzt gerade mobilisierte er soviel Rechenleistung, wie er irgendwie finden konnte.

Ein dreidimensionales Bild der Sprengvorrichtung schwebte vor ihm, zusammen mit einer Wagenladung Messwerte aus den internen Sensoren. Hektische Aktivität machte sich im Computerkern bereit, als er die Konstruktionspläne eines Phasergewehrs durchging.

"Ok. Zunächst unterbrechen Sie die Verbindung zwischen dem grünlich leuchtenden Zielcomputer und dem schwarzen Hauptblock, Kontakte 5 3 2 4 1."

Ashok benötigte einige kostbare Sekunden um das Zittern seiner Finger ein wenig unter Kontrolle zu bekommen, dann aber bewegten seine Hände mit beinahe automatenhafter Präzision, als das Adrenalin endgültig die Kontrolle über den Körper gewonnen hatte.

Durch die seltsam verzerrte Sicht der Helmkamera sah man zwei Hände, die einen Kontakt nach dem anderen mit einem kleinen Phasenschneider trennten.

"30 Sek..." Die Frauenstimme wurde abrupt von Classic unterbrochen, als Kontakt eins durchtrennt wurde, und der Steuerblock des Phasers erlosch.

"Den Tricorder am Hauptblock anschließen, schnell", noch während Ashok den Tricorder an den Hauptblock klinkte tickten eine rote 27 an Classics vorbei. "Die Phase ist alle fünf Sekunden auf Null, in diesem Moment zerstören Sie den Hauptblock mit ihrem Handphaser, Stufe 3"

Hektisch begann Ashok jetzt den Tricorder mit Hilfe kurzer Messleitungen an die vorgesehenen Diagnose-Ports des Phasergewehres zu klinken: "Mit einem Phaser???" schrie er Classic halb hysterisch an.

Noch immer völlig ruhig, mit einer rot pulsierenden 13 im Blick, donnerte Classic's Stimme jetzt aus dem Kommunikator: "Machen Sie schon!!!"

Ein Phaserstrahl durchschnitt die Waffenkammer...

Mit weit aufgerissenen Augen und zitternden Händen hatte Peter Ashok dabei zugeschaut, wie dieser an der Bombe herum bastelte. Zwar konnte er von seiner Position aus nicht viel sehen, doch er traute sich nicht weiter in diesen kleinen Raum hinein. Nein, mehr als seinen Kopf streckte er nicht hinein. Außerdem war neben Ashok sowieso kaum Platz. Da war die Gefahr viel zu groß, irgendwo anzustoßen und die Bombe frühzeitig zu zünden.

Als sich der Countdown immer mehr der Marke Null genähert hatte, wurde das Zittern in seinen Händen immer stärker. Nur noch mit Mühe konnte er die Kamera halten und es fehlte nicht viel, da würde im das kleine Gerät aus den Händen gleiten. Schnell wischte er die Hände an seiner Hose ab, um den Schweiß wenigstens ein wenig los zu werden, doch viel half es nicht. Der Angstschweiß stand ihm auf der Stirn und er fühlte sich, als hätte er Wochen nicht mehr geduscht.

Als der Ruf von Classic kam, mit dem Phaser zu schießen und kurz darauf ein Phaserschuss zu hören war, ließ Peter vor Schreck entgültig die Kamera fallen, sprang zurück in den kleinen Gang und schlug hart mit dem Kopf gegen eine Verstrebung, die aus der Decke heraus ragte.

Sofort tanzten Sterne in seinem Blickfeld und Tarson hatte Mühe, nicht bewusstlos zu werden. Doch wahrscheinlich war es sowieso egal, da sie gleich alle sterben würden. Doch nach ein paar Sekunden; die Sterne waren dröhnenden Kopfschmerzen gewichen, da merkte er, dass er immer noch lebte.

Vorsichtig kroch er wieder zu der Luke, die in die Bombenkammer führte und streckte den Kopf hindurch. Alles war noch wie eben. Nur Ashok lehnte schwer atmend an der Wand und wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, als er Peter erblickte.

"Und?", fragte Tarson. "Haben wir es geschafft?"

--- Holodeck

So weit Rekelen das beurteilen konnte, verlief die Simulation gut. Sie behielt Cheyenne genau im Auge, um nichts zu verpassen - immerhin ging es nicht nur um einen Roman, sondern auch um ihr Leben -, aber die Wahrheit war, dass sie zwar als Co-Pilotin ihres Professors recht gut zurecht gekommen war, aber nie ein bajoranisches Shuttle, geschweige denn eins mit Sternenflottenmodifikationen und wer weiß was noch geflogen hatte.

Schließlich schweifte ihre Aufmerksamkeit ab und sie sah lieber aus dem Fenster, das einen simulierten Orbit zeigte, während sie sich langsam zu langweilen begann.

Die zehn vergehenden Minuten, während Cheyenne die Simulation durchspielte, das eine oder andere Mal innehielt und mit Classic etwas absprach, erschienen der tatendurstigen Cardassianerin beinahe wie eine Ewigkeit. Immerhin begann sie einen gewissen Respekt für die Pilotin zu entwickeln, die so selbstverständlich mit der Lebensform aus dem Computer umging, als sei sie ein richtiges Wesen. Auch Aures wirkte relativ unbeeindruckt, während er das Geschehen an einer Konsole beobachtete.

Erleichterung machte sich in Rekelen breit, als Cheyenne auf der Oberfläche landete, die Antriebe deaktivierte und diesmal keine Anstalten machte, irgend etwas zu ändern.

"Sind wir fertig?", fragte sie frohlockend und beugte sich vor.

Langsam atmete Cheyenne aus und lies ihre Finger von der Konsole gleiten. Obwohl alles nur ein Testlauf war hatte sie die Simulation doch etwas geschafft.

Mit einem Nicken in Richtung von Rekelen sagte sie dann: "Jep, soweit schon. Ich denke so müssten wir halbwegs sicher auf der Oberfläche landen können."

Ein kurzer Blick zu Classic sagte der Pilotin, dass dieser schon wieder in Gedanken ganz wo anderes war - wenn man das bei einem Computerprogramm so sagen konnte. Ein leichtes Lächeln glitt über ihr Gesicht. Irgendwie fand sie diesen Classic langsam ganz sympathisch.

Sich wieder an Rekelen wendend sprach die Terranerin dann weiter.

"Wann genau werden wir starten?"

Classic's holographische Gestalt drehte sich auf dem holographischen Sessel nach Links, so dass er in den Raum sehen konnte.

"Bitte entschuldigen Sie, wenn ich diese Frage für Sie beantworte, Miss Nar, aber zum Thema Abflug habe ich mittlerweile ein paar weitere Informationen.

Dass das Sensornetz, welches den Planeten umgibt, nicht perfekt ist, war mir zwar bereits bekannt, doch ist es mir erst von wenigen Minuten gelungen, tatsächlich eine Schwachstelle zu finden. Präzise alle 238 Minuten und 24 Sekunden öffnet sich für genau fünf Minuten und elf Sekunden in einem sehr ähnlichen Einflugvektor eine Fenster mit reduzierter Sensor-Abdeckung. Während dieser Zeit sinkt die Effizienz des Sensornetzes in diesem Sektor auf 40 bis 45 Prozent ab.

Ich würde Ihnen empfehlen, das nächste Fenster dafür zu verwenden, es öffnet sich in einer Stunde und 32 Minuten. Das, kombiniert mit dem antriebslosen Anflug sollte das Shuttle mit einem Entdeckungsrisiko von weniger als fünf Prozent auf den Planeten bringen.

Das ist die beste Chance, ungesehen und halbwegs sicher auf den Planeten zu kommen; zumindest unter all den Möglichkeiten, die ich momentan mit Wahrscheinlichkeiten beziffern kann.

Im übrigen arbeite ich gerade daran, für den Notfall einen Weg um den Transporterschild zu finden. Allerdings sieht es bisher so aus, als ob ich hierfür Hilfe vor Ort auf dem Planeten benötige.

Ansonsten, Ms. Morgan, eine saubere Flugleistung, die Sie hier zeigen, das hätte ich selbst nicht besser gekonnt."

"Danke schön." antwortete die Pilotin schlicht - und doch etwas geschmeichelt.

"Das mit dem Fenster im Sensornetz könnte wirklich ganz hilfreich sein."

Mit einem leichten Kopfnicken blickte sie in die Runde und verweilte dann kurz auf Rekelen.

"Also, wenn ich das richtig sehe, dann haben wir jetzt noch gut eineinhalb Stunden Zeit bis zum Start. Mr. Aures wird damit beschäftigt sein das Shuttle umzubauen - brauchen Sie dabei Hilfe?"

Ein langsames Kopfschütteln des stillen Technikers war die Antwort und Cheyenne interpretierte es als Nein.

Gut, wenn er das alleine auch hin brachte, dann hatte sie vielleicht die Chance die verbleibende Zeit noch etwas zu nutzen. Im Shuttle würden sie sich vermutlich so oder so nur auf die Füße treten.

"Gibt es sonst noch etwas vorzubereiten?" Wieder schweifte der Blick der Terranerin durch die Runde.

"Mir würde nichts einfallen", erwiderte Rekelen zögerlich, da die Augen der Pilotin hauptsächlich auf ihr ruhten. Im Geiste ging sie durch, was alles ihrer Meinung nach für eine Außenmission nötig war, und stellte fest, dass sich bereits jemand um jeden Punkt kümmerte.

Schließlich zuckte sie mit den Achseln. "Wir könnten uns noch eine Weile in die Mannschaftsmesse setzen und etwas trinken. Dann gehen wir wenigstens frisch gestärkt ans Werk."

Fragend sah sie die Terranerin an, während ihr fast fotographisches Gedächtnis weiterhin jedes Detail speicherte, um es später in ihrem Roman wiederverwerten zu können. Wer wusste schon, ob nicht Cheyenne sich noch zur Heldin der Geschichte aufschwingen würde? Ein Mann, der etwas von Technik verstand, war ohnehin unglaubwürdig.

"Das ist eine sehr gute Idee, Rekelen!" Cheyenne konnte sich ein freudiges Grinsen nicht verkneifen, denn erst jetzt stellte sie fest, dass sie schon seit dem Abend zuvor nichts mehr gegessen hatte. Vor ihrem inneren Auge nahm ihr 'Mittagessen' Form an.

Lestat hatte gerade wortlos das Shuttle verlassen und so stand die Pilotin nun auf und steuerte auf den Ausgang des Holodecks zu.

Mit einem Nicken in Classics Richtung sagte sie noch: "Wir sehen uns dann nachher." Ein kurzer Blick des Hologramms war die Antwort - Cheyenne interpretierte es als Zustimmung - und im nächsten Moment befanden sich die beiden Frauen auf dem Gang.

--- Turbolift

Die Türen des Liftes schlossen mit einem leisen Zischen.

"Sagen Sie mal, Rekelen, ist dieser Lestat immer so komisch? Er schein mir immer so 'abwesend'!"

Überlegend zuckte die Cardassianerin mit den Achseln. "Ich weiß nicht - vielleicht ist er nur in seine Arbeit vertieft? Sie müssen wissen, dass ich ihn nicht sehr gut kenne", fügte sie erklärend hinzu.

Kurz fasste sie im Geiste zusammen, was sie über den Betazoiden wusste, aber es war wirklich nicht viel. Obwohl sie beobachtet hatte, dass andere Crewmitglieder angefangen hatten, Freundschaften aufzubauen, gingen ihr die meisten weiterhin aus dem Weg. Andererseits konnte sie auch gut nachvollziehen, wie schwierig es für andere Spezies sein musste, mit einem überlegenen Volk wie dem der Cardassianer zurecht zu kommen. Die Besetzung Bajors, gab sie widerstrebend zu, hatte wohl ihr Übriges getan.

"Ich habe festgestellt, dass es den meisten Crewmitgliedern schwer zu fallen scheint, sich mit Cardassianern zu arrangieren", fasste sie ihre Gedanken zögernd in Worte. "Allerdings kann es auch einfach sein, dass ich Mr. Aures nur selten begegnet bin. So oft halte ich mich nicht im Maschinenraum auf..."

Sie unterbrach sich, als die Türen des Lifts sich öffneten, und die beiden Frauen wandten sich in Richtung der Mannschaftsmesse.

--- Shuttlerampe

Lestat war nachdem er das Holodeck verlassen hatte wieder in die Shuttlerampe gegangen und hatte weiter gemacht, das Shuttle umzubauen.

Nachdem er einige Minuten im Inneren des Shuttles einige Leitungen umgepolt und verlegt hatte und diverse Veränderungen an der Steuerelektronik vorgenommen hatte dachte er wieder an das PADD, das er zuvor vom Captain bekommen hatte und welches sich nun in einer seiner Westentaschen befand.

Kurz überprüfte er noch einmal, ob dem Shuttle auch jegliche Energie entzogen war und die internen Sensoren somit nicht funktionstüchtig waren, ehe er das PADD hervorholte und begann zu lesen.

Nachdem der Betazoide das PADD durchgelesen hatte wusste er, dass es von nun an wirklich interessant werden würde. 'Ich sollte zuerst einmal herausfinden, ob der Inder die selben Informationen vom Captain bekommen hat wie ich.' dachte er sich.

Doch ehe der Techniker sich weiter um dieses Thema kümmern konnte, musste er mit dem Umbau des Shuttle fertig werden. Er begann nun damit, die Energieversorgung des Shuttles wieder herzustellen. Nach wenigen Minuten leuchteten die Energieleitungen, die er zuvor durch das Shuttle gezogen hatte, bräunlich auf und das Plasma, welches durch sie hindurch floss, erleuchtete das Innere des Shuttle.

Lestat setzte sich an eine der Steuerkontrollen und überprüfte die Werte, die ihm der Computer des Shuttles über seine Modifikationen ausspuckte. Nachdem er damit fertig war stellte er eine Verbindung zum Schiffscomputer der Ivory her, um die schon im Holoprogramm vorhandenen Steuerkontrollen ins Shuttle zu transferieren.

Nach einem erfolgreichen Check des Systems lehnte er sich im Sessel zurück und wartete ab was nun geschehen würde.

--- Deck 4, Tunnel

Der junge Mann ließ sich einige Sekunden lang Zeit mit der Antwort, während sich seine Herzfrequenz langsam wieder normalisierte und er noch ein Stück an der Wand hinab rutschte, an der er lehnte.

"Ich ... glaube schon", sagte er leise und fixierte das qualmende Loch an der Stelle, wo er kurz zuvor noch Messleitungen am Hauptblock des Phasergewehrs befestigt hatte. Der Tricorder war ebenfalls hinüber; ein verschmortes Loch im Gehäuse zeigte die Stelle an, an der das interne Sensormodul des Geräts saß.

Mit einem leisen Knacken gab der Metallstreifen im Zündmechanismus endlich dem ständigen Ionenbeschuss nach. An den rot glühenden Rändern des kleinen Lochs vorbei traf der Ionenstrahl nun die dahinter liegende Metallwand der Kammer, die die minimale Menge der durch den Ionenstrahl zugeführten Wärmeenergie unbeeindruckt schluckte. Ein Relais fiel mit einem hörbaren Klicken ab.

Sonst geschah nichts.

Ashok atmete mit einem langen, unendlich erleichterten Seufzer aus. "Ja, wir haben's geschafft, Tarson", sagte er und warf dem noch immer im Eingang kauernden Mann ein freches Grinsen zu. Dann wandte er sich wieder den herumstehenden Kisten zu und musterte sie.

"Haben Sie eine Idee, wie wir das ganze Zeugs nach draußen schaffen sollen?", wandte er sich über die Schulter an Tarson. "Ich möchte ehrlich gesagt nicht eine Minute länger als nötig mehr in diesem Loch hier bleiben. -- Classic, können Sie die Kisten mit den gesicherten Waffen vielleicht jetzt einfach auf den Gang rausbeamen?"

Classic's Gedanken - insoweit man die elektronischen Prozesse im Inneren der Ivory so bezeichnen konnte - drehten sich noch einige Momente um die letzten Sekunden. Er war sich bis zuletzt nicht sicher gewesen, ob der nervöse Inder der Belastung standhalten würde. Mal davon abgesehen, dass auch er der von ihm gewählten Variante nur eine Erfolgsquote von 65 Prozent gegeben hatte. Die künstliche Intelligenz hütete sich wohlweislich davor, Ashok dies mitzuteilen. In Anbetracht der Alternativen war es trotz allem die beste Lösung gewesen.

Gerade als der Inder dazu ansetzte, bei Classic nachzuhaken, drang wieder seine synthetische Stimme aus dem Kommunikator: "Ich denke, dass es besser ist, wenn wir dieses Arsenal gleich in die Waffenkammer des Schiffes schaffen. Alternativ natürlich auch direkt auf das Hangardeck. Mr. Tarson, Sie sind hier der Sicherheitsoffizier, wohin soll es gehen?"

Monserats Butler war im Gesicht immer noch ungefähr so kalkweiß wie die Wand neben ihm, als er antwortete: "Ich denke, die Waffenkammer ist wohl die beste Alternative."

Noch während er den Satz zu Ende brachte, spürten er, Ashok und das Waffenarsenal das vertraute Prickeln des Transporterstrahls.

--- Deck 1, Waffenkammer

Die beiden so ungleichen Menschen materialisierten zwischen einem Haufen Kisten und den Überresten der Sprengvorrichtung in der Waffenkammer. "Bitte sehr," begrüßte Classic die beiden Terraner.

--- Mannschaftsmesse

Immer noch etwas in Gedanken versunken betraten sie das Casino. Cheyenne dachte immer noch über die letzten Worte der Cardassianerin nach und hätten sie sich nicht in einem Jahrhundert befunden, in dem automatische Türöffner zur Standardeinrichtung gehörten, wäre die Pilotin wohl prompt gegen die Eingangstür gelaufen. Das Zischen der selbigen brachte die Terranerin wieder in die Realität zurück und sie warf Rekelen, die sie etwas irritiert anschaute, einen entschuldigenden Blick zu.

Zielstrebig begab sich Cheyenne nun zum Replikator.

"Ein Schinkensandwich mit Gurken und Tomaten, ein Stück Nougattorte, eine Kugel Vanilleeis und einen Ananassaft." Zufrieden über ihre Bestellung, mit einer gewissen Vorfreude auf ihr verspätetes Frühstück und einem Grinsen im Gesicht blickte die Terranerin zu Rekelen.

"Was wollen Sie?"

Rekelen nahm den Gesichtsausdruck der Pilotin als Entgegenkommen auf ihre letzten Worte und lächelte freundlich zurück. "Für mich bitte Gericht Nar null drei", erwiderte sie und nahm an einem der verwaisten Tische platz. Irgendwie hatte sie immer gedacht, in einer Mannschaftsmesse sei mehr los, doch etwas auf dem Schiff schien die Passagiere davon abzuhalten, ihre spärliche Freizeit außerhalb der Quartiere zu verbringen. Tatsächlich hatte Rekelen das Gefühl, die Atmosphäre unter der Crew sei nicht gerade entspannt. Insbesondere nicht unter der Brückencrew.

Sie wartete auf Cheyenne, die mit ihrem Sandwich und einem zweiten Teller zurückkehrte, auf dem sie vorsichtig ein aufrecht stehendes, von Gemüse umgebenes Ei transportierte. Die Cardassianerin nahm es ihr ab und stellte es vorsichtig vor sich auf den Tisch.

"Das ist ein Taspar-Ei", erklärte sie hilfsbereit auf den irritierten Blick Cheyennes, der ihr nicht entgangen war. Im Gegensatz zu den meisten anderen Eiern hatten Taspar-Eier eine flache Seite und konnten daher aufrecht stehen. "Und das hier ist ein bajoranisches Gemüse. Ich weiß, es heißt überall, dass Cardassianer kein Gemüse essen, aber das ist ein Gerücht. Ich nehme an, es entstand, als mein Volk die Gemüseplantagen auf Bajor niederbrennen ließ. Das Militär hatte aber nur die Befürchtung, dass Bajoraner sie mit den Sorten vergiften könnten, die wir nicht vertragen. Sie müssen wissen, ich habe einige Zeit auf Bajor studiert."

Sie beäugte das replizierte Ei einen Augenblick lang, bevor sie damit begann, ein Loch in die flexible Oberfläche zu bohren. Auf Cardassia war Küche gleichzusetzen mit Kunst, und Taspar-Eier galten als vollendet funktional. Einen Augenblick lang fragte Rekelen sich, wo die Kunst wohl in einem Sandwich zu finden wäre, bevor sie sich ihrem Essen widmete.

Immer noch etwas irritiert über das sogenannte Taspar-Ei der Cardassianerin beäugte die Pilotin nun ihr Sandwich und fragte sich, in wie weit dieses wohl für Rekelen auch etwas eigenwillig war.

Genüsslich, die Ellbogen auf den Tisch gestützt, begann Cheyenne zu essen und das unangenehme Hungergefühl in ihrem Magen verstummte langsam. Träumerisch blickte sie zum Fenster hinaus und kramte wieder eine Fantasie aus ihrem Unterbewusstsein die sie heute schon einmal im Shuttle hatte.

Wenige Augenblick später versuchte sie sich wieder auf ihr Gegenüber zu konzentrieren. Lächelnd nahm sie sich vor ihre zunehmend erotischer werdenden Tagträume auf ein andermal zu verschieben - sie waren hier wohl gerade fehl am Platz.

"Hm... Bajor - ich bin neugierig - was genau haben Sie denn studiert?" Cheyenne legte ihr Sandwich ab und nahm einen Schluck Saft.

--- Wartungstunnel, Deck 1

'Jeffriesröhren sind um einen Faktor 6.3 bequemer als das hier...', dachte S'Tom. Nicht, dass es seine Arbeitseffizienz sonderlich einschränkte. Beim Tunnelputzen hätte auch ein Raum, in dem er bequem stehen konnte, seine Effizienz nicht sonderlich gesteigert.

'Eine Ressourcenverschwendung, mich als Putzkraft einzusetzen. Wieso hat der Captain einen Putzroboter, wenn sie so oder so Crewmitglieder einsetzt?' Der Vulkanier fand dafür - wie auch schon in den letzten zwei Wochen bei seinen vier vorhergehenden Putzaufträgen - keine logische Erklärung. Er nährte sich langsam dem Ende der Röhre, und damit nach 3 Stunden 27 Minuten und 18 Sekunden auch dem Ende seiner Arbeit.

--- Maschinenraum, Deck 1

Schließlich kroch der Ex-Borg aus der Wartungsluke im Maschinenraum, nahm die Putzutensilien heraus und richtete sich auf. 'Nicht gerade die für meine biologischen Komponenten vorteilhafteste Arbeit', dachte er, als über seine Nerven die Informationen über diverse Gelenksüberbeanspruchungen zu seinem Gehirn kamen.

Die Schicht des Vulkaniers war eigentlich schon vor etwa 1 Stunde zu Ende gewesen, aber er hatte inzwischen gelernt, dass Francine Monserat so etwas egal war. Nachdem er nochmals gecheckt hatte, ob hier alles in Ordnung war, verließ er den Maschinenraum in Richtung Turbolift.

--- Turbolift

"Deck 3." Der Lift setzte sich umgehend in Bewegung. Die derzeitige künstliche Intelligenz funktionierte in dieser Hinsicht besser als ihr Vorgänger. Nur dass die derzeitige Intelligenz früher einmal ein Mensch gewesen war. Sie wies so gesehen Ähnlichkeiten mit den Borg auf... Die Lifttüren gingen auf und S'Tom trat, den Gedanken im Moment nicht weiter verfolgend, hinaus.

--- Gänge, Deck 3

Das Quartier der ehemaligen Drohne lag effizienterweise nicht allzu weit vom Turbolift entfernt. Die Höhe der Gänge notierte sie immer wieder als außergewöhnlich für ein Schiff dieser Bauart, was sie durch ihre hohe Körpergröße als durchaus vorteilhaft empfand.

--- S'Toms Quartier, Deck 3

Der Agent betrat schlussendlich sein schlicht eingerichtetes Quartier. Er hatte seit seiner Ankunft kaum etwas von seinen Sachen ausgepackt, nur eine Meditationsecke war eingerichtet. Seine Geheimdienstausrüstung, so seine Analysen, würde er auf diesem Schiff kaum brauchen - er sollte ja nicht die Ivory, sondern die Venture infiltrieren; hier gab es nichts für den Geheimdienst Nützliches. Nach einem kurzen Aufenthalt in der Schalldusche begab er sich in seine Meditationsecke und begann mit dem Kohl-tor.

--- Brücke

Gelangweilt saß Francine mit übergeschlagenen Beinen in ihrem Captainschair und starrte mit runzelnder Stirn auf den Schirm, der zurzeit das wenig ereignisreiche Bild des Planeten zeigte. Das Strickzeug lag vergessen in ihrem Schoß. Sie hatte Kopfschmerzen, und das Klappern verstärkte sie nur, außerdem machte es nicht so viel Spaß, wenn Tarson nicht in der Nähe war.

Wo auch immer sich ihr Butler zurzeit herumtrieb.

Sie nahm an, er würde sich bald melden, oder irgend jemand würde sich melden, wenn sie abflugbereit waren, oder aber Smith würde ihr den Abflug melden. Der kleinwüchsige Sicherheitsoffizier überwachte in ihrem Rücken die Kommunikation und hatte schon erfolgreich ein oder zwei Anfragen von der Oberfläche abgewimmelt. Beinahe überlegte sie, ihn fest einzustellen. Ob er sich zu so einem schwachsinnigen Butler-Eid hinreißen lassen würde? Andererseits hatte er sich gegenüber ihrem Klappern stoisch gezeigt...

Francine konnte es nicht leiden, zur Bewegungslosigkeit verdammt zu sein, und so war sie fast erleichtert, als Megan sich auf der Brücke meldete.

"Krankenstation an Brücke", erscholl die Stimme der jungen Trill aus den Lautsprechern. "Wie es aussieht, hat sich ein Mitglied des Außenteams letzter Woche eine Virusinfektion zugezogen, die gerade unter der Ladecrew ausbricht. Ich glaube nicht, dass sich jemand anderes infiziert hat, aber ich fürchte, ich werde hier noch einige Stunden beschäftigt sein."

Der Captain seufzte und rieb sich die Stirn. "In Ordnung, Sie können auf dem Schiff bleiben", stimmte sie schließlich zu. "Sehen Sie zu, dass die Leute schnell wieder auf ihren Posten kommen. Ich bezahle sie schließlich nicht fürs Nichtstun. Monserat Ende"

Einen Augenblick überlegte sie, ob sie vielleicht doch einen zweiten Arzt hätte einstellen sollen, verwarf die Idee dann jedoch. Ihr Außenteam würde schon keine medizinische Versorgung benötigen. Immerhin lag es in Classics Interesse, dass niemand zu Schaden kam. Genauer gesagt lag die gesamte Mission in Classics Interesse. Sie selbst scherte sich nicht einen Deut darum, von der Kleinigkeit abgesehen, dass sie ihr Schiff zurück haben wollte.

Das Bestätigungstuten des Computers erinnerte sie daran, dass Smith sich noch immer auf der Brücke befand und dass sie auch ihn schon unvermittelt aus dem Team abgezogen hatte. Vielleicht sollte sie sich besser um Ersatz kümmern.

Kurz ging sie im Geiste ihre Besatzung durch und erinnerte sich schließlich daran, dass irgendwo auf dem Schiff noch dieser S'Tom durch die Jeffriesröhren kriechen musste. Den vulkanischen Techniker hatte sie in letzter Minute relativ wahllos eingestellt, weil sich auch nach mehreren Tagen Aufenthalts auf Sternenbasis 375 keine qualifizierte Crew einstellen wollte. Daher wusste sie praktisch nichts über ihn, und das einzige Auffällige, an das sie sich erinnerte, war das merkwürdige Implantat, das er über dem Auge trug, oder vielleicht war es Schmuck. Borgschmuck würde den jungen Leuten heutzutage ähnlich sehen. Sie schüttelte den Kopf. Immerhin war ihr S'Tom bisher noch nicht negativ aufgefallen, was ihn von einem Großteil ihrer Crew unterschied.

Überzeugt, mit Vulkaniern nichts falsch machen zu können und auch, dass ein Techniker im Umgang mit Classic nicht verkehrt sein konnte, entschied sie sich also für S'Tom und aktivierte ihren Communicator.

"Monserat an S'Tom. Sie sind hiermit in das Außenteam eingeteilt, das hoffentlich jeden Moment" Ihre Stimme klang schneidend, als sie das leidige Thema ansprach. "auf den Planeten fliegen wird. Melden Sie sich bei Tarson, er wird Sie über alles Weitere informieren."

Ohne auf die Antwort zu warten, tippte der Captain sich erneut an die Brust. "Monserat an Tarson. Miss Phearson wird Sie diesmal nicht begleiten. Ein Ersatz ist bereits auf dem Weg."

Dann lehnte sie sich in ihren Stuhl zurück, schüttelte müde den Kopf und griff nun doch nach ihrem Strickzeug. Kurz darauf erfüllte das altbekannte Klappern die Brücke und erschuf die vertraute Atmosphäre.

--- Waffenkammer

Endlich aus der Enge entkommen, streckte sich Tarson erst einmal und versuchte, das taube Gefühl aus seinen Gliedern zu bekommen. Er musste feststellen, dass es für jemanden mit seiner Körpergröße nicht von Vorteil war, wenn er durch enge Jeffries-Röhren kroch. Vor allem, wenn sich dort eine Bombe befand. Mit trockenem Mund versuchte er, dem Inder zu gratulieren, doch seine Zunge fühlte sich wie ein totes Stück Gummi an. Schnellen Schrittes ging er deswegen zum Replikator und bestellte zwei große Gläser kaltes Wasser.

Eins gab er Ashok, der es dankbar annahm und das andere kippte er in einem Zug herunter. Sofort holte er sich Nachschub und stoppte erst, als er das zweite Glas halb geleert hatte.

"Ahh", gab Peter zufrieden von sich. "Das tat gut."

Entspannt leckte er sich über seine Lippen und lehnte sich an eine Wandverkleidung. Wie eine Lawine fiel der ganze Stress von ihm ab, der sich in den letzten Stunden aufgebaut hatte und auch seine Gesichtsfarbe kehrte wieder zurück.

Gerade leerte er das zweite Glas, als ihn ein Ruf des Captains erreichte.

Peter vermied es, zu antworten. Er hatte gelernt, nicht jeden Befehl von Francine zu kommentieren. Denn das brachte meistens mehr Ärger mit sich als er Lust hatte, zu bekommen. Jetzt war er nur gespannt, was für ein Ersatz gemeint war. Kurz überschlug er die Besatzungsliste, doch es fiel ihm keiner ein. 'Na ja, dann lasse ich mich überraschen.'

--- Quartier 13, Deck 3

S'Tom zwang seinen Geist aus dem meditativen Zustand, als die Worte über das Komm-System ertönten. Plötzliche Beendigung des Kohl-tor war nicht gerade sehr angenehm für ihn. Nichtsdestotrotz blieb der Vulkanier gelassen und setzte prompt zu einem "Ja, Ma'am!" an, das seine Lippen allerdings nie passierte - die Komm-Verbindung war bereits wieder beendet.

Der Geheimdienst wusste einiges über diesen Planeten, wenn auch bei weitem zu wenig für dessen Geschmack. Er wurde als höchst gefährlich eingestuft, seit mehrere Agenten von dort nicht mehr zurückgekehrt waren. Laut Geheimdienstberichten, die S'Tom in seinem Gedächtnis gespeichert hatte, war hier alles käuflich, von Subraumwaffen bis zu genetisch modifizierten Gehirnen. Diesem Ort wurden 10% der kriminellen Aktivitäten des Föderationsraums zugeschrieben.

"Computer, wo hält sich Mr. Tarson derzeit auf?" "Deck 1, Waffenkammer." Ein logischer Aufenthaltsort für Vorbereitungen auf diese Art von Mission. Auf dem Weg zum Turbolift überlegte der Vulkanier, was er von seiner Ausrüstung auf diese Mission mitnehmen sollte - er musste für jeden einzelnen Gegenstand ein präzises Risiko-Nutzen-Verhältnis errechnen.

--- Turbolift, Deck 3

"Deck 1." Der Turbolift setzte sich augenblicklich in Bewegung. 'Diese Mission bietet eine lohnende Chance, Informationen für den Geheimdienst über den Planeten zu sammeln. Die wenigen Agenten, die sich noch dort unten befinden, können sich - sofern nicht schon tot - kaum noch frei bewegen, ohne entdeckt zu werden.' Über den Zweck der Mission spekulierte er jetzt nicht viel - was er nicht bereits mit einer Sicherheit von über 80% darüber aussagen konnte, würde er gleich erfahren. Die Türen glitten auf und die ehemalige Drohne begab sich zur Waffenkammer.

--- Waffenkammer, Deck 1

S'Tom fand in diesem Raum Mr. Tarson und Mr. Raji vor, beide noch mit etwas erhöhtem Puls. Er schaute sich im Raum um, was die Ursache dafür sein könnte. Inzwischen sprach der Techniker den Sicherheitschef an: "Mr. Tarson, der Captain hat mich geschickt. Ich soll mich dem Außenteam anschließen und von Ihnen die Details geben lassen."

Währenddessen war sein Blick über die vielen Kisten geschweift, die den Raum fast ausfüllten. Erst nach längerem Suchen waren ihm ein durchgeschmorter Tricorder und einige kleine Deflektoren aufgefallen. Im Infrarotbereich erkannte er auch noch, dass sich irgendwo im Raum eine überlastete Energiewaffe befinden musste, doch sie war auf Grund der vielen anderen Energiesignaturen in der Waffenkammer nur schwer genauer zu identifizieren. Der Vulkanier dachte mit einem Teil seines Bewusstseins nach, was diese verstreuten Hinweise bedeuten könnten - er würde es wohl kaum erzählt bekommen.

Peter schaute von seinem Wasserglas auf, als sich die Tür öffnete und die vom Captain versprochene Verstärkung für das Außenteam eintrat. Überrascht blickte er in das Gesicht eines Vulkaniers, welchen er hier auf dem Schiff bisher noch nicht gesehen hatte. Zudem war es anscheinend kein normaler Vulkanier, denn sein Gesicht zierten ein paar seltsam aussehende Implantate. Zumindest dachte Peter, es seien Implantate. Denn die Zeiten, wo man sich seltsamen Metallschmuck in und an den Körper machen ließ, waren schon längst vorbei. Und er konnte nicht glauben, dass die Vulkanier damit angefangen hatten, sinnlose Trends wieder aufleben zu lassen.

Er stellte sein inzwischen leeres Glas ab und ging einen Schritt auf den Neuankömmling zu. Nein, gesehen hatte er ihn wirklich noch nicht. Aber was machte der dann hier? Hatte der Captain etwa wieder Leute eingestellt, ohne ihn darüber zu informieren? Wie sollte er so die Sicherheit auf dem Schiff aufrecht erhalten, wenn mehr Leute hier waren, als ihm bekannt waren. Egal, jetzt musste er erst einmal erfahren, wem er da gegenüber stand.

"Ok, schön das Sie so schnell hier hin gekommen sind. Mister Ashok", er zeigte auf den Inder, "wird Ihnen sämtliche Informationen geben, die Sie brauchen, Mister ... ?"

"Mr. S'Tom, Techniker", identifizierte sich der Vulkanier. Mr. Tarson nahm dies zur Kenntnis und wandte sich dann wieder dem Wasserglas in seiner Hand zu. S'Toms Blick fiel auf den nebenstehenden Inder, auf den Mr. Tarson ihn verwiesen hatte. Dieser schien das Gespräch allerdings nicht verfolgt zu haben, da auch er derzeit noch sein ganzes Interesse einem Wasserglas widmete.

"Mr. Raji?" Der Terraner merkte erst mit kurzer Verzögerung, dass er angesprochen wurde. Sein ganzes Bewusstsein beschäftigte sich anscheinend noch mit seiner vorherigen Tätigkeit. 'Die Arbeitsweise eines menschlichen Gehirns ist faszinierend, aber ineffizient...", stellte die ehemalige Drohne wieder einmal fest.

S'Tom kam auf Grund der verschiedenen Indikatoren wie Verhalten der Personen und Gegenstände im Raum nun zu dem Schluss, dass die Beiden mit einer Wahrscheinlichkeit von 46% eine Bombe entschärft hatten. Die zweitbeste Wahrscheinlichkeit erreichte normale Waffenpflege mit kleineren technischen Schwierigkeiten, nämlich 23%, was ihm allerdings zu wenig war, um davon ausgehen zu können.

"Ähm, ja?", widmete der Inder dem Techniker nun seine Aufmerksamkeit. "Mr. Tarson verwies mich bezüglich der Details über die bevorstehende Außenmission an Sie." Diese Aussage des Vulkaniers veranlasste den Wissenschaftler zu einem für S'Tom nur schwer zu interpretierenden Blick in Mr. Tarsons Richtung, bevor er zu einer Antwort ansetzte.

--- Mannschaftsmesse

Bestärkt vom Entgegenkommen der Pilotin nahm Rekelen ihre Frage gerne auf. Die andere zeigte kein Zeichen von Unbehagen oder ähnlichem, das sie sehen konnte, und Rekelen hatte in der Vergangenheit häufig feststellen müssen, dass Erzählungen, die mit der bajoranischen Besetzung zusammen hingen, ... nun, nicht unbedingt Partywissen waren.

"Ich bin Sprachwissenschaftlerin", erwiderte sie, während sie mit einem Löffel in den Tiefen des Eis herumkratzte. "und habe auf Bajor bei der Entschlüsselung eines Codes geholfen"

Eigentlich unterlag ihre genaue Arbeit der Geheimhaltung. Zumindest, so weit sie wusste. Seit ein Vertrag zwischen Bajor und Cardassia existierte - Rekelen hatte die Politik nach dem Ende der Besetzung nur am Rande verfolgt - und nach all den anderen Umwälzungen, die die cardassianische Union erfahren hatte, war oft nicht mehr ganz klar, was nun welcher Aufsicht unterlag und ob es noch geheim war oder nicht. Und Rekelen verstand davon ohnehin nichts.

"Aber eigentlich bin ich Autorin", fuhr sie enthusiastischer fort. "Deshalb bin ich auch auf der Ivory - um den terranischen Alltag zu studieren und einen tieferen Einblick in Ihre Kultur zu erhalten. Meine Studien des bajoranischen Volks waren schon sehr hilfreich für meinen letzten Text. Ich lege sehr viel Wert auf Authentizität."

Fröhlich vertilgte sie den Rest des Eis, machte sich an das Gemüse und beobachtete Cheyenne dabei aus dem Augenwinkel, gespannt auf ihre Reaktion.

Einige Sekunden beobachte Cheyenne stumm ihr Gegenüber. Dass Rekelen Autorin war hatte sie bei irgendeinem Gespräch einmal mitbekommen - aber worum es bei ihren Studien allgemein ging hatte die Pilotin erst jetzt erfahren.

Ein leichtes Grinsen legte sich auf das Gesicht der Terranerin und mit dem Stiel ihrer Kuchengabel strich sie sich eine widerspenstige Haarlocke hinters Ohr.

"Hm, also ich habe schon ein paar Studien über das menschliche Volk gelesen - aber alles von Terranern geschrieben.", merkte Cheyenne an, nachdem sie sich das erste Stück ihrer Nougattorte in den Mund geschoben hatte. Eine Art von Glücksgefühl durchströmte sie als die zarte Schokolade auf ihrer Zunge zerlief.

"Und wie sieht die menschliche Kultur durch die Augen einer Cardassianerin aus?"

Rekelen konnte nicht umhin, ein wenig das Gesicht zu verziehen. Cheyennes positive Reaktion führte dazu, dass sie ihre Vorsicht vergaß.

"Chaotisch", gab sie zu. "Unordentlich." Erklärend wies sie auf das leere Taspar-Ei, das exakt in der Mitte des Tellers thronte und von Gemüse in perfekten geometrischen Formen umgeben war. "Wir Cardassianer schätzen Ordnung sehr. Aber Ihre Kultur hat auch etwas Faszinierendes. Sie folgen nur losen gemeinsamen Regeln, anders als wir oder die Bajoraner. Das macht Ihre Kultur sehr vielseitig und individuell."

Die Cardassianerin unterbrach sich, als der Computer sich meldete und die so angenehm tonlose Stimme verkündete, dass ihr Starttermin in zehn Minuten festgelegt sei. Sie wunderte sich ein wenig, wer von der in der Tat vielseitigen - also chaotischen - Gruppe das Chronometer programmiert hatte, und entschied, dass es Lestat gewesen sein musste. Der Techniker kam ihr vor wie jemand, der stets alle Möglichkeiten des Computers ausschöpfte.

Fragend sah Rekelen Cheyenne an, die daraufhin mit den Schultern zuckte und ihre Gabel weglegte. Gemeinsam recycelten sie die Überreste ihrer Mahlzeit im Replikator und machten sich auf den Weg in Richtung der Shuttlerampe.

--- Deck 4, Gänge

Während die beiden Frauen zügigen Schritts den Gang hinunter gingen musste Cheyenne immer noch ein bisschen über Rekelens Ausführungen schmunzeln. Wenn sich die junge Frau ihr Quartier anschaute waren die Begriffe "Chaotisch" und "Unordentlich" eigentlich doch recht passend.

Unsanft wurde die Pilotin aus ihren Gedanken gerissen als sie um die letzte Ecke des Ganges liefen und plötzlich über ein blechernes Etwas stolperte. Die Augen verdrehend über den Schmerz in ihrem Knie blickte Cheyenne vor sich auf den Boden und stellte fest, wie ungünstig sich Charly postiert hatte.

Die dünnen Tentakeln des Putzroboters begannen wild zu gestikulieren und im nächsten Moment machte sich die Pilotin auf einen wirren Redeschwall gefasst, der jedoch ausblieb.

Irritiert über den Androiden, der die zwei Frauen anscheinend nicht wirklich wahr genommen hatte, blickte die Terranerin zu Rekelen die schulterzuckend ein paar Schritte weiter stand. Im Gegensatz zu Cheyenne war es ihr gelungen noch rechtzeitig abzubremsen und nicht mit Charly zusammen zu stoßen. Cheyenne war sich nicht sicher ob sie nicht für einen kurzen Augenblick in den Augen der Cardassianerin ein kleines, triumphierendes Funkeln bemerkt hatte.

"Ich glaube wenn wir zurück sind, dann sollte Lestat sich mal um ihn kümmern - er scheint mir nicht wirklich funktionstüchtig zu sein." Charly immer noch mit einem skeptischen Blick betrachtend schloss sie wieder zu Rekelen auf. Der kleine Roboter hatte inzwischen die Bewegungen seiner Tentakeln wieder eingestellt und verharrte nun stumm auf seinem Platz.

"Na ja, vielleicht ist das einer der seltenen Augenblicke in denen Charly mal nicht jeden mit seinen Geschichten nieder redet."

Mit einem breiten Grinsen betraten die beiden Frauen die Shuttlerampe.

--- Quartier 13, Deck 3

S'Tom kehrte aus der Waffenkammer nach dem Briefing durch Mr. Raji vor dem Abflug noch einmal in sein Quartier zurück. In seinen Händen hielt er zwei Standard-Sternenflotten-Phaser. Die Frage, wie diese Waffen auf die Ivory kamen, war ihm durch den Kopf gegangen, doch verfolgte er sie nicht weiter. Das hier war schließlich ein Händlerschiff, und im interstellaren Handel konnte man auf vielen Wegen jede Art von Waffen bekommen.

Eines musste der Vulkanier Martengh No'Orba, der diesen Vorrat anscheinend angelegt hatte, zugestehen: er verstand etwas von Waffen. Nur die besten Modelle - natürlich der damaligen Zeit - befanden sich in den Kisten.

Der Techniker ging zu seinem Schrank und öffnete dort ein selbst installiertes Geheimfach, aus dem er ein kleines Gerät herausnahm, das einem PADD nicht unähnlich war. Die Liste, die auf dem Gerät in verschlüsselter Form erschien, waren S'Toms mitgebrachte Ausrüstungsgegenstände. Als er einige wenige Utensilien auswählte und bestätigte, materialisierten sich diese aus dem kleinen stabilen Transporterpuffer im Quartier. Bevor er sich diesen jedoch zuwendete, versteckte er das Gerät wieder im Schrank.

"Shuttlestart in 10 Minuten. Alle Mitglieder des Außenteams sollen sich umgehend bei der Shuttlerampe melden!", verkündete der Computer. 'Der Schiffschronometer muss wohl neu justiert werden. Laut meinem Chronometer sind es noch 10 Minuten und 3 Sekunden...', dachte S'Tom, während er die Phaserkommandoprozessoren gegen seine persönlich konfigurierten Geheimdienstmodelle austauschte. Den Rest seiner Ausrüstung verstaute er in seinem schwarzen Gewand, bevor er schließlich die Typ-2-Phaser in seinem Gürtel verstaute und sein Quartier in Richtung Shuttlerampe verließ.

--- Shuttlerampe

Mit einem PADD in der Hand tigerte Peter um ein paar Waffenkisten herum und überprüfte anhand der Liste den Inhalt großen Kästen. Einen Punkt nach dem anderen hakte er ab, checkte hier ein paar Geräte, schaute sich die verschiedenen Einstellungen an und nickte zwischendurch immer wieder zufrieden. Ja, so wie es aussah, war alles da. Wahrscheinlich war Peter wieder übervorsichtig, doch er hatte lieber zu viel Material bei so einer Mission dabei, als zu wenig.

Nachdem er mit dem Durchsehen fertig war, deaktivierte er das PADD, legte es oben auf einer der Kisten, dachte kurz nach. Als vorhin die Nachricht des Computers kam, hatte er nur müde gelächelt. 10 Minuten. Das wird nie was. Und außerdem war er ja schon hier. Wie immer als Erster. Gut, schließlich wusste er Bescheid, was den Zeitplan anging. Deswegen hatte er, nachdem Ashok und S'Tom die Waffenkammer verlassen hatten, sich direkt um die Ausrüstung gekümmert. Und nach einem kleinen Happen aus dem Replikator hatte er sich zusammen mit dem Material hier her gebeamt.

Jetzt hieß es nur noch warten. Warten darauf, das der Rest des Außenteams hier auftauchte.

Und lange musste er nicht warten. Mit einem Zischen öffnete sich die große Tür und herein kamen Rekelen und Cheyenne, die sich gut gelaunt am Unterhalten waren.

"Guten Tag die Damen", begrüßte er die zwei Neuankömmlinge.

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