Ivory Chronik 7

Martenghs Verrat

--- Ivory, Hangar, Shuttle

Der Ferengi beschloß, seine Auseinandersetzung mit dem Terraner auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, wenn seine Aktiva die des Chinesen überwogen.

Mit dem perfektesten Ferengi - Lächeln, oder zumindest dem, was Nichtferengi dafür hielten, antwortete er Chi-Lo: "Meiner Meinung nach ist die Variante des programmierten Kurses noch immer die Beste.

Ich glaube nicht, daß wir tatsächlich jemandem zumuten können, sich diesem Bragma ganz offiziell zu stellen. Und eine Fernsteuerung würde eine Person auf der Ivory voraussetzen, die die Steuerung übernimmt. Das wäre aber wieder zu weit weg vom Ort des Geschehens um im Notfall improvisieren zu können. Wenn ich aber die Programmierung vornehme, sollte ich alle Eventualitäten berücksichtigen können ...", dozierte der Wissenschaftler.

'... und noch einige Spezialitäten dazu', setzte er in Gedanken noch nach.

Er mußte schließlich auf das andere Schiff, um sich von der tatsächlichen Situation ein Bild zu machen.

Dem Zwerg kam es durchaus entgegen, daß er von allen Leuten immer unterschätzt wurde.

Das hatte auch sein Bruder getan .... und sich dann in der abgeschossenen Rettungskapsel seines ehemaligen Shuttles wiedergefunden.

"Ich werde mich dann am Besten in einem der Ablagefächer verstecken. Die sind tatsächlich groß genug für mich!", vollendete Gorm seine Antwort.

Militärisch knapp nickte der Chinese Gorm zu. "Gut, machen Sie es so. Wie lange werden Sie brauchen, um den Kurs zu programmieren?"

Chi-Lo schaute zur Tür der Pilotenkanzel und auf seiner rechten Stirn schwoll die Zornesader bedrohlich an.

Da stand noch immer dieser Aaron - fast so, wie Gott ihn geschaffen hatte...

"Ich werde ungefähr 60 Minuten brauchen", antwortete der Ferengi dem Aushilfskommandanten.

Natürlich würde Gorm keine Stunde für die Programmierung brauchen. Er hatte alle notwendigen Subroutinen schon vor langer Zeit programmiert und in seiner persönlichen Programmbibliothek gespeichert, die im Laufe seiner Karriere immer umfangreicher wurde.

Er brauchte die notwendigen Teile einfach nur zusammenstoppeln und in etwa fünf Minuten würde er das fertige Programm haben, das allen Erfordernissen gerecht werden würde.

Nein, die restlichen 55 Minuten würde er dafür brauchen, kleine Spezialroutinen und Hintertüren einzubauen, nette kleine Computerviren, die jeden Bordcomputer in Null-komma-Nichts in arge Bedrängnis bringen würden, und diese dann aufwendig zu tarnen und zu verstecken.

Normalerweise würde er sich mit einer Vier-Ebenen Verschachtelung mit sich selbst regulierender Fragmentierung begnügen, aber so wie er den paranoiden Sicherheitsoffizier einschätzte, würde er das Ganze um ein Vielfaches geschickter tarnen müssen.

Wenn er es schaffte, sowohl Martengh als auch den Rest der Mannschaft zu täuschen, dann sollte er davon ausgehen können, daß auch niemand auf der Bragma sein kleines Spiel durchschauen würde.

Wenn er fertig war, dann würde ein Scan des Shuttlecomputers reichen, um sich das nette Zusatzpaket des Wissenschaftlers auf den eigenen Computer zu installieren.

Dann würden nur noch sehr gute Schutzroutinen oder ein Neubooten des Computers Gorms Geheimnis ans Licht bringen. Vorausgesetzt, jemand brachte die Geduld auf, mindestens 48 Stunden lange alle Routinen seines Computers zu beobachten.

Solange würde es nämlich brauchen, bis alle internen Täuschungsroutinen abgelaufen waren und sich von neuem starteten.

"Ich brauche dazu allerdings absolute Ruhe! Ein kleiner Fehler, und wir fliegen nicht in den Hangar des Schiffes sondern beispielsweise in den Antrieb. Ich glaube, ich brauche nicht zu erwähnen, wie ungesund das wäre!"

Aaron stand fassungslos da. Die letzte Stunde zog einfach wie ein schlechter Film an ihm vorbei und erst die letzte Ermahnung, seine individuell-erotische Freizeitkleidung gegen etwas Praktischeres auszutauschen, nahm er wahr.

Sein fehlgeschlagener Versuch bei Chedu hatte ihn nicht nur körperlich, sondern auch persönlich vor der Mannschaft entblößt. Er stand einfach neben sich.

Auf einmal sprang er zu dem Steuerpult und zog wieder seine eher etwas verschlissene Arbeitskluft an. Er hoffte, durch das unscheinbare Grau nicht weiter optisch die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Langsam ließ er noch seinen Antiphotonenlaser in die Innentasche gleiten und ging nun wieder auf die Gruppe seiner jetzt etwas ruhiger wirkenden Kollegen zu und wandte sich direkt an Gorm:

"Ihr Idee hört sich sehr gut an, aber wie können Sie sicherstellen, daß durch einen vielleicht möglichen Scan der Shuttlecomputersysteme durch die Bragma nicht dessen Weg von der Ivory her zurückverfolgt werden kann und so die Ivory in größte Gefahr gerät? Klar, wir müssen nach dem Start jeden Kontakt zur Ivory abbrechen und sind dann, was sehr schwierig ist, völlig auf uns allein gestellt, aber ich sehe keine andere Möglichkeit."

Dann wandte er sich an Chi-Lo: "Einige unserer Kollegen scheinen zwar Ihre Autorität in Frage zu stellen, aber da Sie die Situation und die Bragma am Besten kennen, sollten Sie auch den Coup leiten - keine Frage. Man muß unter solchen Umständen immer das Persönliche dem Sachlichen unterordnen.... Sie machen das schon."

Der Geologe war glücklich, daß sich die Crew wieder unter einer Führung zusammenfand - unverzichtbar für das Gelingen einer so heiklen Mission. Er ging nochmal in den hinteren Teil des Shuttles zurück und holte seinen speziellen Materiescanner, den er bei seinen Expeditionen immer bei sich trug.

Er grübelte kurz und wandte sich dann an die anderen: "Mmmh, ich habe hier diesen erweiterten Materiscanner - ein klasse Gerät mit einer guten komprimierten Datenbank. Ich schlage vor, daß ich mich auf der Bragma zu den Laderäumen schleiche und die Fracht scanne, bis wir das gefunden und natürlich identifiziert haben, was wir suchen.

Damit ich mich unbemerkt vorbeischleichen kann, müssen sie die Besatzung von mir ablenken. Der Scanner hat einen wesentlichen Nachteil: er besitzt kein Kommunikationssystem und ich würde gerne immer wieder zwischenzeitlich einerseits mit ihnen in Kontakt bleiben und andererseits immer in Zeitabständen Daten zum Shuttlecomputer übermitteln, denn wenn mir etwas zustoßen würde, wäre ansonsten meine Arbeit umsonst. Kann man jetzt noch ein Kommunikationssystem in das Gerät einbauen oder stößt mal wieder meine Idee auf generelle Ablehnung?"

--- Brücke

Nachdem Shania mit Hilfe von Monserat den Caldonier auf den Captainsstuhl gehievt hatte - wobei sie natürlich die Hauptarbeit hatte leisten müssen, war doch der Captain ein Zwerg gegen sie -, war dieser ziemlich rasch im Turbolift verschwunden.

Es lag auf der Hand, daß er sich nicht nur deshalb beeilt hatte um rechtzeitig auf der Krankenstation zu sein, bevor das Schiff gescannt werden konnte, sondern vor allem bevor der Caldonier wieder aus seinem Schlummer erwachte und alle seine paranoischen Instinkte zur Hochform auflaufen würden.

Mit etwas schnellerem Puls setzte Shania den Hypospray am Hals des ersten Offiziers an um sein Aufwachen in die Wege zu leiten und die Betäubung rückgängig zu machen.

Sie nahm sich vor die Geschichte mit dem Einnicken und Kopf anschlagen zu erzählen, da sah sie Martengh im Geiste vor sich, wie er zu allererst sein Blut durch den Computer untersuchen ließ und feststellte, daß ihm ein Schlafmittel verabreicht worden war und sie sah sich selbst neben ihm stehen und hören wie Miss Computer ihm in süffisanten Plauderton erzählte, daß sie gerade erst vom Shuttlehangar gekommen waren.

Es war als würde sie an ihrem Hals bereits vier Finger spüren, deren Besitzer gerade darüber nachdachte mit wieviel Orba er wohl ihre Zunge lösen konnte.

Die Amerikanerin überlegte nicht lange, als sie bemerkte, daß Martenghs Augenlider bereits leicht zu flattern begannen.

Zischend schloß sich hinter ihr der Turbolift.

--- Shuttle

Mit halbem Ohr hatte Savannah dem Gespräch zwischen Gorm, Chi-Lo und Hunter gelauscht. Immer noch beschäftigte sie die Tatsache, daß sie Martengh in einer Notsituation vollkommen vergessen hatte.

'Wie konnte ich den Mann nur vergessen? Hoffentlich hat Shania keine Probleme mit dem Sicherheitschef. Er wird sicher sehr, sehr wütend sein. Das ist alles nur die Schuld von diesem furchtbaren Hunter.'

Die Bajoranerin warf dem Geologen einen galligen Blick zu und zog ihre Haarbürste aus der Innentasche ihres Hosenanzugs. Dann machte sie sich daran ihre Haare zu einem dicken Zopf zu flechten. 'Es gibt nichts Schlimmeres als Haare die einem die Sicht nehmen.'

Wieder wanderte der Blick der Ärztin zu den drei Männern.

'Ich weiß nicht, was ich von allen halten soll. Gorm ist furchtbar zurückhaltend, Chi-Lo kann ich gar nicht einschätzen und Hunter kann ich schlicht und ergreifend nicht leiden. Er ist ein dummer, eingebildeter und hormongesteuerter Vollidiot. Na und Chedu ignoriert mich völlig. Anscheinend kann sie entweder Frauen nicht leiden, oder aber sie riecht, daß ich in der Sternenflotte war. Sonst hatte ich nie Schwierigkeiten mit Klingonen. Muß an der Frau liegen...'

Frustriert seufzte die junge Bajoranerin, warf ihre Bürste wieder in die Tasche und widmete sich dem Gespräch.

Chi-Lo hatte kein Wort von dem verstanden, was Aaron da faselte.

Ein Computersystem scannen, um einen Weg zur Ivory zurückzuverfolgen?

Und wie wollte Aaron das verhindern?

Um seine neu gewonnene und durch Aaron dankenswerter Weise soeben bestätigte Führerrolle nicht gleich wieder zu verspielen, schaute er Gorm an und fragte: "Was sagen Sie zu Aarons Einwand gegen einen Computerkurs?"

Er hoffte inständig, Gorms Entgegnung möge auch nur halbwegs verständlich ausfallen.

Gorm war verwirrt!

Worin war dieser Hunter nochmals Wissenschaftler? Er war jedenfalls zerstreuter, als jeder anderer seiner Kollegen, die er bisher kennen gelernt hatte.

Der Ferengi suchte nach möglichst einfachen Worten, mit denen er ihren "Plan", oder wie immer man das nennen wollte, diesem Terraner erklären konnte:

"Nochmals in ganz einfachen Worten: Wir finden das Shuttle von Bragma - die auf der Brücke nehmen Kontakt zu ihnen auf - das Shuttle wird zurückgegeben, mit uns als blinde Passagiere darauf - es geht Bumm.

Hoffentlich nicht für uns.

Ihr auf der Erde habt diese Taktik doch in einer eurer Geschichten: Ihr nanntet sie, glaube ich, die trojanische Kuh!"

Amüsiert mischte sich Savannah in das Gespräch ein.

"Ich finde es bemerkenswert, daß Sie sich mit Sprichwörtern von der Erde auskennen. Aber es nennt sich das trojanische Pferd. Nicht die trojanische Kuh", verbesserte sie schmunzelnd und begann dann trotz intensiver Bemühungen ruhig zu bleiben in haltloses Gekicher aus.

Der Ferengi sah irritiert zur Bajoranerin, die gerade kichernd nach Luft schnappte.

Fragend sah er sie an: "Kuh? Sind Sie sicher? Ein Pferd ist doch kleiner als eine Kuh. Wie hätte man die Leute darin unterbringen sollen?"

Um Fassung bemüht begann die Ärztin den Ferengi aufzuklären.

"Es spielt in diesem speziellen Fall überhaupt keine Rolle welches der beiden Tiere größer ist. Das trojanische Pferd war eine hölzerne Nachbildung. Es war wesentlich größer, als es in der Natur üblich ist. Nun ja, irgendwie habe ich sie jetzt alle vom Thema abgelenkt. Tut mir leid, war nicht meine Absicht und Gorm bitte nehmen Sie mir mein Gekicher nicht übel. Ich wollte Sie keinesfalls kränken."

Dem selbst ernannten Leiter dieser Mission interessierte dieses Geplänkel um Kühe und Pferde aus Holz und was-auch-immer nicht im Mindesten.

Vielmehr hatte sich sein bisheriges Bild von Gorm radikal gewandelt.

Eine Stunde sollte die Programmierung eines Shuttles dauern?

Das entsprach ganz und gar nicht dem Bild von Gorm, daß er bisher von ihm gehabt hatte.

Wie kam er so zu einer derart astronomischen Zeitangabe?

Deshalb sagte er: "Gorm, was zum Teufel ist denn an diesem Shuttle alles kaputt, daß die Programmierung so lange dauert?"

Belustigt mußte er an einen Ingenieur denken, dessen Name ihm entfallen war. Dieser diente unter Captain Kirk und war berüchtigt für seine gewaltigen Einschätzungen, was die Dauer von Reparaturen anging. Wenn Gorm jetzt vorhatte, genauso zu agieren, wie dieser Ingenieur, dann würde der Dialog folgender Maßen aussehen:

'Gorm: "Ich brauche sechzig Minuten."
Chi-Lo: "Sie haben dreißig!"
Gorm: "OK, ich mach's in fünfzehn..."'

Der Chinese konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

Gorm beruhigte die Ärztin mit einem Lächeln: "Keine Angst! Das nehm ich nicht krum. Ich habe nicht für mich in Anspruch genommen, der Experte auf dem Gebiet Alien-Legenden zu sein."

Dann wandte sich der Mathematiker an den Chinesen: "Ich weiß eben noch nicht, ob mit dem Computer alles in Ordnung ist oder ob sich da irgendwelche Fehler oder Fallen verstecken.

Oder können Sie mir eine Garantie darauf geben, wie gut die Programmierer Ihres alten Arbeitgebers sind? 60 Minuten sind die Standartzeit, die ich für solche Sachen veranschlage, sozusagen 'worst case'. Möglicherweise schaffe ich es in kürzerer Zeit.

Wenn Sie wollen, können sie mir ja gerne helfen."

Der letzte Satz des Ferengi war nichts weiter als eine Finte.

Natürlich würde er es vorziehen, ungestört zu arbeiten. Aber wenn er schon einen Aufpasser hatte, dann einen, der keine Ahnung von der Materie hatte. Den konnte er mit einem Beschäftigungsprogramm solange Ablenken und seinen Geschäften vor dessen Nase nachgehen.

Um dem Westentaschen-Commander noch einen weiteren Schubs in die richtige Richtung zu geben, setzte er noch nach: "Das wäre sogar eine ganz gute Idee: Immerhin kennen Sie das Verhalten des Computers schon."

--- Deck 4, Gänge

Irgendwie schien dieses Deck Shania magisch anzuziehen, seit sie offensichtlich von Tagträumen heimgesucht wurde. Hier hatte sie Martengh zuletzt vermutet und hier würde sie auch bleiben.

Fast gelangweilt untersuchte sie die Gänge auf Spuren, die ihre Beobachtung von Charlys "Unfall" belegen konnte, ohne wirklich daran zu glauben welche zu finden.

Gerade stand sie an einer Ecke und fragte sich, ob sie nicht lieber die Gruppe begleiten sollte, als sie einen dumpfen Schmerz auf der Schläfe fühlte, wieder einmal alle Lichter ausgingen und es um sie herum dunkel wurde.

'Nicht schon wieder...', dachte sie noch, bevor sie bewußtlos zu Boden ging.

--- Brücke, zur gleichen Zeit

Schleier vor den Augen verhinderten, daß Martengh mehr als grauen Nebel sah. Irgend etwas bewegte sich auf dem Bildschirm, irgend etwas anderes quäkte in einen Ohren und irgend etwas Drittes hämmerte auf seinem Kopf herum.

'Verdammter Brengh, ich weiß, daß du wieder dahinter steckst', fluchte er in sich hinein, rieb sich die Augen und konnte langsam klarer sehen.

Er sah auf dem auf maximale Vergrößerung geschalteten Hauptschirm zwei fremde Raumschiffe.

Ein weiterer Donnerschlag in seinen Ohren bewies ihm, daß ... *autsch* ... sein Kopf einen deftigen Schlag abbekommen hatte.

Sein Bruder! Ein Agent seines Bruders mußte ihn niedergeschlagen und hierher gebracht haben. Die Brücke der Ivory? Wozu? Nein, vollkommen unlogisch. Sicher nur eine Holosimulation.

Monserats Stimme klang aus den Lautsprechern: "Martengh, ich bin jetzt auf der Krankenstation. Nimm Verbindung mit der Bragma auf und schick das Shuttle los!"

Grimmig lächelnd wollte Martengh dem ersten Impuls nachgeben und irgend etwas Unsinniges tun, um mal zu sehen, wie perfekt diese Simulation arbeitete - zum Beispiel irgendwelche lange vergangenen Missionsdaten abzurufen oder sich irgendwelche archivierten Überwachungsvideos anzusehen.

Aber nein, sein Bruder sollte nicht bemerken, daß er das Spiel durchschaut hatte. Deshalb tat er wie ihm befohlen wurde: "Computer, einen Kanal zur Bragma öffnen!"

"Gerne, mein Großer", antwortete die verführerische Stimme des Computers. Sogar daran hatte man gedacht.

Auf dem Schirm erschien das Bild eines blauhaarigen Mannes, der ihn erstaunt musterte. "Wo ist Gerald?", fragte er. "Das ist doch sein Schiff, oder? Und wenn Sie jetzt Nein sagen, dann aktiviere ich meine Waffen!"

Der Sicherheitschef antwortete sehr beherrscht, denn er wußte ja, daß ihm keinerlei körperliche Gefahr in diesem Holoabenteuer drohte: "Mein Name ist Martengh No'Orba, stellvertretender Captain des Raumfrachters Ivory. Captain Monserat befindet sich zur Zeit auf der Krankenstation und ist momentan nicht ansprechbar. Ich dachte in seinem Sinne zu handeln, wenn ich Ihnen Ihr Shuttle zurückbringe, das wir unterwegs aufgelesen haben. Natürlich nur gegen eine kleine Aufwandsentschädigung im üblichen Rahmen, versteht sich."

Schlagartig wurde der Bildschirm dunkel und zeigte wieder die beiden inzwischen wesentlich näher gekommenen Schiffe. Kurze Zeit passierte gar nichts. Dann zeigten die Sensoren an, daß sowohl Waffen als auch Schilde der beiden Schiffe aktiviert wurden.

Der Bildschirm erhellte sich, und hinter Bragma konnte man das Blinken des roten Alarms erkennen. "Für Ihre bedingungslose Kapitulation haben Sie haben eine Minute Zeit. Ab Jjjjetzt." Bragmas Stimme ließ nicht erkennen, ob er nur hoch pokerte oder wirklich die besseren Karten hatte.

Unter normalen Umständen hätte Martengh nun ein paar seiner Spezialüberraschungen aus dem Hut gezaubert. Aber diese Situation war nicht normal. Wahrscheinlich hatte man ihn entführt, um an eben diese Geheimnisse zu kommen, und jeder Versuch seinerseits, herauszufinden, ob diese ganz speziellen Waffen noch an Ort und Stelle waren, hätte sofort dazu geführt, daß seine Gegner sie auch auf der realen Ivory finden würden.

Deshalb reagierte er sehr unkonventionell. Er drehte den Spieß einfach um. "Ich brauche keine Minute. Unsere Schilde bleiben unten, hiermit kapitulieren wir. So, und jetzt sind Sie an der Reihe."

Zufrieden stand er auf, ging halb um den Kapitänssessel herum und bemerkte, daß das leichte Schwindelgefühl sich noch etwas verstärkte. Das fühlte sich nicht nur nach einem Schlag auf den Kopf an, nein, da mußte auch Medikamente, Schlafmittel - Drogen? - im Spiel sein.

Nun war er sicher, daß man ihn entführt hatte.

Bragma schien vollkommen geplättet zu sein, was ihn allerdings nur dazu brachte, die Ivory noch einmal intensiver zu scannen.

Nach ein paar Minuten lag das Schiff zwischen der Bragma II und der Ramses...

--- Bragma, Brücke

Die gesamte Brückencrew starrte wie hypnotisiert auf den Schirm. Die Ivory hatte sich einfach so einkreisen lassen, fuhr weder Schilde noch Waffen hoch und wartete darauf, daß man sie entweder zu Klump schoß oder enterte.

"Das ist unmöglich!", schrie der blauhaarige Franzose außer sich. "Gerald würde sich niemals einfach so ergeben! Da steckt irgendeine Teufelei dahinter!"

Aus der Hypnose aufgerüttelt, begannen sich die Stimmen seiner Leute zu überschlagen.

"Aber was kann er noch vorhaben? Sein Schiff liegt still und friedlich zwischen uns, er hat keine Chance! Sobald er sich auch nur rührt, wird er von zwei Seiten zusammengeschossen!"

"Er hat sich uns ganz offen genähert. Er hat uns durch seinen Strohmann sagen lassen, daß er unser Shuttle hat. Und dann ergibt er sich einfach so? Wo soll denn da der Sinn sein???"

"Ich sag euch was: Der ganze Kahn ist unbemannt und mit Tri-Kobalt-Torpedos vollgestopft, und kann jeden Augenblick in die Luft gehen!"

"Ach, Blödsinn, ich habe das Schiff gescannt, da sind wirklich Lebenszeichen drauf, wir haben nicht mit einem Hologramm geredet. Und die Lagerräume sind fast leer. Jedenfalls nichts Explosives drin."

"Dann ist die Ivory nur ein Ablenkungsmanöver! Vielleicht ein getarntes Schiff? Sofort nach Ausstößen von Impulstriebwerken scannen!"

"Negativ!"

"Merde! Was hat der Halunke vor?"

"Sollen wir ein Enterkommando rüberbeamen?"

"Auf keinen Fall! Darauf wartet der doch bloß! Wenn ich nur wüßte, was er vorhat! Er hat uns nicht einmal gescannt, als ob er wüßte, daß auf der Bragma II nur die Impulstriebwerke funktionieren."

"Vielleicht sollten wir verhindern, daß das Schiff näher an uns herankommt. Wie wäre es mit dem Traktorstrahl?"

"Hm. Kann nichts schaden. Los."

--- Ivory, Brücke

Ein heftiger Ruck ging durch das Schiff, aber Martengh war nicht sehr beeindruckt. Solche Effekte gehörten zu jedem guten Holoprogramm, und daß das Jetzige eines der Hochwertigsten überhaupt war, daran zweifelte er nicht im Geringsten. Vielleicht sogar von der Holodeckdesignerin Cooper entwickelt, die mit der letzten Reise viel zu viel über das Schiff erfahren hatte, bevor Monserat sie auf diesem einsamen Planeten abgesetzt hatte.

Irgendwie mußte Brengh sie gefunden haben. Natürlich, sie hatte sogar ein Motiv, sich an ihnen zu rächen, und damit würde sie jederzeit seinen Bruder unterstützen.

Elaine Cooper, die die Fähigkeit hatte, in einem Holoprogramm echte Gegenstände von Computergenerierten zu unterscheiden. Diese Fähigkeit wünschte er sich jetzt auch, aber auf ihn wirkte alles extrem real.

Ein kleiner Bildschirm zeigte an, daß er gerade von der Krankenstation gerufen wurde. Schulterzuckend stellte er die Verbindung her. "Martengh, was war das für ein Ruck?", fragte Monserat.

"Och, das war nur ein Traktorstrahl, mit dem die Ramses uns an sich gekoppelt hat", antwortete der Sicherheitschef ganz ruhig. "Ich frage mich, wo die ganzen Entertruppen bleiben, und warum wir beide noch nicht in deren Arrestzelle sitzen."

"Sehr witzig", knurrte der Captain. "Ist das Shuttle draußen?"

"Nein. Wozu? Sie wollten es nicht. Sie wollten lieber die Ivory kapern."

"BIST DU BESOFFEN???"

"Ach, halt die Klappe, du nervst." Damit unterbrach Martengh die Verbindung und ignorierte die hektischen Versuche Monserats, sie wieder herzustellen. Dann beobachtete er weiter die beiden Schiffe da draußen und fragte sich, was wohl als nächstes passieren würde.

Die Tür zur Brücke öffnete sich hinter ihm und er hörte mindestens einen schreienden Kämpfer auf die Brücke stürzten. Sein letzter Gedanke war: 'Ha, ein Fehler im Programm! Meine Scanner haben keinen Beamvorgang bemerkt!'

Als Martengh regungslos vor ihm auf dem Boden lag, dämpfte Monserat ein klein wenig seine Lautstärke, nur um sie wieder zu erhöhen, als er erkannte, daß die Ivory wirklich eingekesselt war.

Dieser caldonische Idiot war wirklich so blöd wie er lang war. Was hatte er sich dabei gedacht, einfach das Schiff aufzugeben? Waffen und Schilde waren nicht aktiviert, der Antrieb lief im Leerlauf.

Nein, Martengh war alles andere, aber kein Idiot. Er war sicher ein Agent Bragmas, der sich am Ende hatte niederschlagen lassen, weil ihm vielleicht zuletzt doch Zweifel an der Richtigkeit seines Handelns gekommen waren.

Ha, damit konnte er Bragma erwischen, denn man konnte von seinem Erzfeind halten was man wollte, für seine Leute würde er so gut wie alles opfern. Vielleicht sogar die Ivory...

Er öffnete einen Kanal zur Bragma und sprach: "Hallo, alter Freund! Ich wollte dir nur kurz sagen, daß ich deinen Agenten hier an Bord überwältigt habe. Legst du noch Wert auf ihn, oder..."

Das Gesicht Bragmas hatte deutlich an Farbe verloren, als er antwortete: "Du... du hast...Viktor?"

"Wie auch immer er heißen mag." Monserat mußte sich stark zusammenreißen, um möglichst unbeteiligt über seinen vermeintlichen Freund reden zu können. "Mir hat er sich anders vorgestellt, aber Namen sind nur Schall und Rauch. Wie hast du es eigentlich geschafft, ihn so lange Zeit unentdeckt hier arbeiten zu lassen? Aber egal. Brauchst du ihn noch?"

Auf dem Bildschirm wechselte Bragmas Gesichtsfarbe zu dunkelviolett, als er mühsam herauspreßte: "Gib ihn mir, und du sollst weiterfliegen können. Ja, du hast mein Wort darauf! Und mein Shuttle will ich auch. Leg ihn einfach hinein, den Rest erledigen wir per Fernsteuerung."

Ein leichtes Nicken, dann unterbrach Monserat die Verbindung und stellte gleich darauf eine Neue her:

"Monserat an Hangar. Zwei Personen zur Brücke, es ist noch ein Passagier für das Shuttle abzuholen. Eine Antigravliege wäre nicht schlecht. Ende."

Anschließend verpaßte er dem immer noch bewußtlosen Caldonier eine Dosis Schlafmittel, so daß dieser noch für mindestens vierundzwanzig Stunden ohne Bewußtsein bleiben würde - schließlich kannte dieser den ganzen Plan das Shuttle betreffend...

--- Shuttle

Gorm, der eigentlich auf eine Antwort des Chinesen gewartet hatte zuckte bei der Durchsage des Captains merklich zusammen.

"Was soll das denn schon wieder? Wir haben doch so schon zu wenig Platz.

Ich schlage vor, Mrs. Chedu und Mr. Hunter gehen hinauf. Ich habe nicht die notwendige Größe dazu, ob mit oder ohne Antigravtrage und könnte ja statt dessen mit Ihnen, Mr. Lo die Programmierung beginnen."

Jetzt erst durchschaute der Chinese den infamen Plan des Ferengi.

Das paßte alles zusammen!

Der Ferengi arbeitete daran, die Autorität von Chi-Lo Hu-Wang zu untergraben - und sich heimlich selbst zu inthronisieren!

Raffiniert, dieser kleine Geizkragen. Im Manipulieren von Menschen war er offensichtlich fast so gut wie im Programmieren von Computern.

Die Beweise lagen offen vor ihm:

Erstens

Gorm nannte den Chinesen "Mr. Lo", obwohl er doch Hu-Wang hieß. Jemanden mit dem falschen Namen anzureden ist ein seltenes Privileg. Selten bleibt ein solcher Fauxpas unwidersprochen, es sei denn, er passiert jemand deutlich höher Gestellten. Offensichtlich wollte Gorm Grenzen austesten.

Zweitens

Dann wollte der Ferengi Chi-Lo zu seinem "Assistenten" degradieren, in dem er ihm gnädiger Weise erlaubte, beim Programmieren des Kurses dabei zu sein, aber er sollte ja nichts anfassen und kaputtmachen....

Drittens

Das war natürlich eine Frechheit, die überdies die fachliche Qualifikation des Asiaten in Frage stellte.

Viertens

Gorm maßte sich an, der Restmannschaft Befehle erteilen zu wollen.

'Du Trottel!', schalt sich der Missionskommandant im Stillen selbst. 'Warum fällt das alles jetzt erst auf?'

Aber noch war es nicht zu spät.

Eine sofortige Korrektur von Gorms Anmaßungen konnte seine Autorität wieder herstellen.

"Gorm, ich heiße für Sie noch immer 'Mr. Hu-Wang'!", stellte er unmißverständlich klar.

"Und wenn schon eine Antigraveinheit benötigt wird, um einen "Gast" mitzunehmen, dann halte ich Savannah für die beste Wahl - diese Logik müßte bei vier Gehirnhälften doch eigentlich nachzuvollziehen sein...

Zudem benötige ich Chedu bei Ihnen in der Kanzel. Als Technikerin wird sie mit Ihnen zusammen die Programmierung ausarbeiten.

Ich überprüfe die Außenhaut des Shuttles noch einmal genauer.

Aaron, Savannah - nehmen sie sich die Antigraveinheit, auf der eben noch die Waffen lagen und begeben sie sich schleunigst zur Brücke. Ich möchte wissen, warum Monserat so geheimnisvoll tut.

Chedu, Gorm - sie können mit der Programmierung beginnen."

So, das sollte wohl reichen, um den Ferengi seine Herrschaftsallüren auszutreiben...

Der Chinese öffnete die Shuttletür und schaute auffordernd in die Runde.

"Noch Fragen...?"

Der Ferengi begann zu grinsen und sah dann zu Chedu, die er aufmunternd anlächelte. Dann grinste er wieder den Chinesen an: "Von mir aus keine, Mr. Chi-Lo-Hu-Wang"

Irgendwo hatte der Wissenschaftler einmal gehört, daß einem nichts so nervös machte, als wenn man permanent grundlos angegrinst wurde. Das probierte er jetzt an dem Terraner aus. 'Keine Angst, du kommst auch noch mal an die Reihe', dachte sich Gorm grimmig.

"Jawohl Sir!", antwortete die Ärztin und salutierte zackig in Richtung des Chinesen.

'Ausgerechnet dieser verhinderte Romeo. Ich kann ihn nicht ausstehen.'

Ungeduldig faßte die Ärztin Hunter am Arm und postierte ihn an der Antigraveinheit. "Sehen Sie zu, daß Sie nirgendwo anecken. Es ist nicht wirklich leicht mit den Dingern umzugehen."

'Wenn er noch einmal die Augen verdreht, wenn ich etwas sage, werde ich sauer', dachte sich die Bajoranerin und setzte sich mit Trage, Tasche und dem Geologen im Schlepptau in Bewegung.

--- Shuttle

Es paßte der Klingonin immer noch nicht wie dieser Terraner dauernd meinte den Chef heraus kehren zu müssen und konnte gut nachvollziehen, daß auch Gorm mit ihm nicht gut auskam. Zumindest schien es ihr so.

Amüsiert hatte sie die Auseinandersetzung zwischen den beiden verfolgt. Der Ferengi mochte nun wirklich kein Krieger sein, aber seine Worte konnten so scharf wie seine Zähne oder sein Verstand sein.

Verwundert fiel Chedu allerdings wieder ein, welch lange Zeit der Wissenschaftler für die Programmierung des Fluges veranschlagt hatte. Hatte sie doch selbst vor kurzem von der Geschwindigkeit seines Verstandes profitieren können, als er den Zugangscode des Shuttle-Computers für sie knackte.

Erfreut und auch neugierig mit den Ferengi zusammen arbeiten zu können, erwiderte die Technikerin sein Lächeln und trat näher an die Konsole. Nachdem sie sich einen kurzen Überblick verschafft hatte, sah sie den Wissenschaftler erneut an.

"Wo genau liegt Ihr Problem, Gorm? Die beschädigten Steuerchips der Navigation habe ich bereits gegen intakte ausgetauscht und am Computer selbst hatte ich keinen Schäden ausmachen können. Eigentlich dürfte es keine Probleme geben den Kurs einfach zu programmieren."

--- Deck 4, Gänge

Mit einem Brummschädel erwachte Shania und befühlte als Erstes die Verletzung an ihrem Hinterkopf. Das Blut war noch warm und klebrig, es konnte also nicht lange her sein, daß sie verletzt worden war.

Kaum das sie registrierte, daß sie nicht mit natürlichen Mitteln hier ein Schläfchen auf dem Boden des Ganges gehalten hatte, waren ihre Sinne bis zu Zerreißen gespannt und sie rutschte soweit mit dem Rücken an der Wand in den Gang, daß niemand sich ungesehen ihr nähern konnte.

Vorhin war es geschehen und sie begriff nicht weshalb...

Hatte sie etwas gesehen was sie nicht sollte? War es um Charly gegangen? Oder wollte jemand verhindern, daß sie zu den anderen beim Shuttle ging und ihnen half?

Automatisch wollte sie ihren Communicator betätigen, doch dieser war nicht mehr an Ort und Stelle. Es war unheimlich und Shania ergriff so etwas wie Panik. Das Gefühl im Weltall zu treiben, nur von der Schiffshülle geschützt und total allein...

Hastig sprang sie auf, überwand das Schwindelgefühl und rannte die Gänge so schnell sie konnte hinunter zum Hangar.

--- Shuttlehangar

Blindlings stürmte die Amerikanerin zum Shuttle, dessen Tür wieder geöffnet war und rief: "Chi-Lo, wir müssen hier weg! Verdammte Schei..."

Ihre restlichen Worte wurden durch ihre Herumgestolper beendet, da Charly es anscheinend immer noch nicht für nötig befunden hatte, wieder aufzuräumen.

Schmerzhaft rieb sich Shania das Knie und humpelte dann weiter. Da plötzlich hatte sie eine innere Eingebung: "Computer, wer sitzt am Steuer der Ivory?"

"Natürlich Monserat, du blondes Dummchen. Wer ist denn sonst der Captain auf diesem Kahn?", gellte die süffisante Stimme höhnisch in ihren Ohren, in denen sie ein Pfeifen und Rauschen zu vernehmen schien, aber es war nichts anderes, als das Blut in ihren Adern.

"Aber wieso... warum?" Shania verstand plötzlich gar nichts mehr. Nachdenklich blickte sie zum Chinesen und suchte nach einer Antwort.

Chi-Lo sah auf - und erblickte die blutüberströmte Shania. Dennoch entschied er sich, zunächst einmal die Frage von Shania zu beantworten.

"Ich weiß auch nicht, Shania. Monserat teilte uns nur über Funk mit, daß Savannah und Aaron einen weiteren Passagier mit einer Antigravtrage abholen sollen.

Was auf der Brücke los ist, und warum Martengh nicht wie vereinbart Stellung hält, weiß ich nicht.

Aber was ist mit dir passiert, Shania? Warum blutest du? Und warum müssen wir schnell weg? Werden wir angegriffen? Gorm und Chedu programmieren gerade noch einen automatischen Kurs für das Shuttle! Das könnte dauern!"

Der Chinese stockte kurz , wartete aber eine Antwort nicht ab.

"Communicator aktivieren!", sagte er, und das winzige Gerät in seinem Ohr erwachte zum Leben.

"Aaron, Savannah, seien sie vorsichtig! Es gehen hier mysteriöse Dinge vor, der Funkspruch von Monserat könnte gefälscht worden sein, um sie in eine Falle zu locken! Melden sie sich! Dringend! Chi-Lo Ende."

Atemlos wartete er auf eine Antwort. Entweder von Aaron, Savannah, oder aber Shania.

Sein Blick fiel auf die Wunde an Shanias Kopf. Irgend ein Metallgegenstand hatte sie getroffen und einen deutlich sichtbaren Abdruck hinterlassen.

Chi-Lo kannte diese Form. Irgendwo hatte er schon mal die Form Abdruckes gesehen, aber er wollte beim besten Willen nicht drauf kommen, wo...

Die Amerikanerin stützte sich an einer Kiste ab, da sie immer stärker werdende Kopfschmerzen spürte und schaffte es erst jetzt klar genug zu denken um dem Chinesen eine vernünftige Antwort zu geben und die Angst zu überwinden, die sie eben draußen auf den Gängen überfallen hatte:

"Jemand hat mich von hinten niedergeschlagen. Dabei war ich mir so sicher, daß niemand an Bord ist der mit Charlys Verschwinden und wieder Auftauchen an Bord etwas zu tun haben könnte." Obwohl Shania tapfer gegen die Tränen kämpfte, kamen doch einige durch, die sie trotzig sofort wegwischte.

Sie haßte es wie eine schwache Frau zu wirken, die Trost brauchte und verzweifelt war - eine Tatsache, die so viele ihrer Geschlechtsgenossinnen schamlos zu ihren eigenen Gunsten ausnutzten - selbst wenn es diesmal sogar der Wahrheit entsprach.

"Ich war einfach nur auf diesem Deck und habe die Stellen noch einmal abgesucht wo ich Charly in seinem defekten Zustand gesehen habe. Da ist es passiert. - Nun ist Martengh nicht auf seinem Platz, obwohl ich ihn dort abgeliefert habe, Monserat erteilt einen Befehl, obwohl er auf der Krankenstation liegen sollte, zu der er aufgebrochen ist und ihr holt jemand von der Brücke, obwohl dort außer Martengh niemand sein kann...

Ich weiß nicht was es ist, aber es gefällt mir nicht. Auch wenn ich Angst habe es auszusprechen, aber es könnte durchaus sein, daß der Captain noch viel mehr tun würde um seinen Todfeind zu erwischen... wenn du verstehst was ich meine." Hoffnungsvoll sah sie Chi-Lo an und merkte wie es hinter seiner Stirn zu arbeiten begonnen hatte und er die Teile des Puzzles sortierte.

"Sein eigenes Leben und sein Schiff könnten ihm diesen Preis wert sein..."

Der Chinese erstarrte, als der die Worte Shanias hörte.

"Es ergibt einen Sinn, Shania. Einen infamen, perfiden, gewissenlosen Sinn.

Monserat läßt die "Neuen" auf das Shuttle gehen - angeblich, weil er die Bragma II entern lassen will, was allerdings schon immer eine selbstmörderische Illusion war.

Er braucht uns nur, um sicherzustellen, daß das Shuttle auch ganz sicher bei der Bragma II ankommt.

Was ist, wenn Monserat uns die ganze Zeit belogen hat?

Was ist, wenn diese angebliche Tarnvorrichtung nur eine Bombe ist, die die Bragma II in die Luft jagen soll?

Oder wenn dieser ominöse "Passagier", den Aaron und Savannah gerade holen, eine solche Bombe ist?

Monserat kennt Sie und Ihren scharfen Verstand, Shania. Er wußte, daß Sie seinen Plan erraten könnten - und deshalb hat er Sie kalt gestellt.

Seine Vorsicht war nicht unbegründet: Sie haben ihn ja tatsächlich durchschaut."

Chi-Lo war verzweifelt. Was sollte er nun entscheiden?

"Shania!", fragte er leicht panisch, "Gibt es auf der Ivory Fluchtkapseln?"

"Aber er war doch immer wie ein Vater für mich. In all den Jahren...", erwiderte Shania verzweifelt und war nicht bereit aufzugeben. Selbst wenn sie Zweifel daran hegte, was Monserat in seinem Wunsch nach Rache alles in Kauf nehmen würde, so würde er sie doch nicht opfern.

Oder war er doch bereits so weit gekommen? Gab es nichts mehr, daß ihn in diesem Leben festhielt? Keinen Reichtum, den es noch zu bekommen lohnte?

Nichts als eine Rache, die ihm mehr wert war als sein ganzes restliches Leben?

Wieder schossen Shania Tränen in die Augen, doch diesmal machte sie sich gar nicht die Mühe sie wieder wegzuwischen. "Ich kann nicht glauben, daß es bereits so weit mit ihm gekommen sein sollte. Auch wenn er seine Mannschaft ständig gewechselt hat, so war er doch immer gut zu ihr.

Wie kannst du nur glauben, daß er in der Lage wäre... Leute einfach zu opfern indem er sie auf eine Mission schickt, die es gar nicht gibt?" Die Amerikanerin musterte hinter ihrem leicht verschleierten Blick den Chinesen, dessen panikartiger Ausdruck noch immer nicht von seinem Gesicht verschwunden war und sie an seine letzte Frage erinnert.

"Es gibt keine Rettungskapseln an Bord der Ivory. Wir werden die Sache entweder gemeinsam durchstehen müssen oder gemeinsam untergehen..."

--- Brücke

Schnaufend blieb Savannah stehen und riß erstaunt die Augen auf. Warum lag Martengh bewußtlos auf dem Boden? Hatte sie die Medikamente falsch dosiert? Lag der Sicherheitschef etwa durch ihre Schuld im Koma...

Der ganze Ärger und ihr Unwille mit Hunter zusammenzuarbeiten war vergessen. Mit zitternden Händen griff sie nach ihrem Tricorder und begann den Caldonier zu scannen.

'Was wenn er durch meine Schuld ein Pflegefall wird? Ich bin mir aber sicher, daß ich die Dosierung nicht zu hoch angesetzt habe..'

Mit gerunzelter Stirn betrachtete sie die Anzeigen und blickte dann verwirrt den Captain an.

"Sir? Können sie mir erklären warum Martengh eine derart hohe Konzentration Schlafmittel im Blut hat? Ich verstehe nicht was das soll? Er wird unter Garantie bis morgen schlafen. Aber ich könnte ihn wecken, wenn sie wollen."

Abwartend blickte sie den Franzosen an.

"Den Teufel sollen Sie!", fuhr Monserat empört die Bajoranerin an, die ja eigentlich nichts dafür konnte, daß er von allen und jedem enttäuscht war, erschrocken einen Schritt zurück wich und dabei gegen Hunter prallte, der unentschlossen hinter ihr stand. Doch in seinem Zustand war dem Franzosen alles egal.

"ICH habe ihm das Schlafmittel verabreicht und es ist mir egal, wenn er bis morgen schläft, denn dann wird er sich bereits an Bord seines Auftraggebers befinden. Und zwar in der Hölle, wenn es nach mir geht." Monserats Gesicht verfinsterte sich schlagartig und er spielte so fest an seinem Ohrring herum, daß er ihn sich schließlich aus dem Ohr riß, was eine leicht blutende Wunde hinterließ, aber ihm nur ein wütendes Grollen entlockte.

Voll Wut auf seine Blindheit jahrelang einen Spion an Bord geduldet ja sogar zu seinen engsten Vertrauten gezählt zu haben, schleuderte er den Ring gegen den Bildschirm wo er schließlich scheppernd hinter den Konsolen verschwand.

Schamlos hinters Licht geführt von jemand, der einen Angriff inszeniert hatte um ihn dann heldenmütig das Leben zu retten und sich so sein Vertrauen zu erschleichen.

Wie einfältig war er doch gewesen! Wie leichtgläubig hatte er Bragmas Spitzel wie einen Freund bei sich aufgenommen!

"Martengh hat mich hintergangen! Er ist ein Spion Bragmas und ein Austausch des Shuttles samt Spion gegen die Sicherheit der Ivory ist bereits vereinbart." Seine Augen funkelten so wild, daß weder Savannah noch Hunter ihn unterbrachen. "Was die Dosierung des Schlafmittels betrifft... bin ich Captain oder Arzt?!"

"Ein Spion? Ja aber was soll denn das? Hält hier jeder jeden für einen Spion? Ich verstehe die Welt nicht mehr... Die Dosierung des Mittels ist nicht grade prächtig, aber sie wird Martengh nicht umbringen. Obwohl Sie den Eindruck machen als wäre Ihnen das völlig egal."

Kopfschüttelnd machte sich Savannah daran den Sicherheitschef mit Aarons Hilfe auf die Antigraveinheit zu legen.

"Sind Sie sicher, daß ich Martengh mitnehmen soll? Ich halte das für keine sonderlich gute Idee", fügte die Ärztin noch kleinlaut hinzu und zog vorsichtshalber den Kopf ein.

--- Shuttle

"Ich hoffe, es gibt überhaupt keine Probleme!

Zumindest vom Computer aus ... was den Rest angeht, bin ich sicher, daß es noch Probleme gibt. Sollte der Captain nicht auf dem Krankenrevier sein? Was ist mit Martengh?

Ich werde jedenfalls eine Routine programmieren, daß der Kurs jederzeit auf Zuruf von uns beiden geändert werden kann. Irgendwelche besonderen Reisewünsche?" Mit diesen Worten nahm der Ferengi an der Navigationskonsole Platz.

Gorm hatte spontan beschlossen, die Klingonin einzuweihen. Hoffentlich irrte er sich nicht in ihr.

"Auf Risa soll es um diese Jahreszeit recht schön sein, hab ich gehört. Wäre doch ein passendes Ziel, wenn wir jetzt auch noch einen "Passagier" mitnehmen sollen", fügte Chedu ironisch hinzu. "Allerdings müßte dieses Shuttle dafür schon ein Kreuzfahrtschiff sein, da es nur mit Impuls eine sehr lange Reise werden dürfte.

Aber wenn ich mich hier so umsehe, bekommt es immer mehr Ähnlichkeit mit der Barke der Toten. Nur habe ich überhaupt nicht vor ehrlos unter dem Kommando dieses Irren...", sie deutete mit ihrem Kopf Richtung Luke, "... zu sterben."

"Hm, Risa wird wohl nicht drinnen sein", antwortete der Ferengi, "aber zur Barke des Todes muß dieses Shuttle auch nicht unbedingt werden...

Ich könnte einen Kurs in den Nebel legen, wo wir uns dann verstecken. Eine Übernahme der Fernsteuerung könnte ich zumindest für den kritischten Moment verhindern, in dem ich die Frequenzen per Zufallsroutine verändern lasse. Ein paar Minuten sollte die das aufhalten.

Außerdem ...", der Wissenschaftler zögerte etwas und sah hinauf in die tiefgrünen Augen, " ... hätte ich da noch ein zwei kleine Geschenke für deren Computer."

Gorm entschloß sich zu einer Risikoinvestition. So sehr er sich auch von der Klingonin unterschied, irgendwie hatte er Gefühle für sie, die Vertrauen am nächsten kamen.

Schnell gab er ein paar Codes in sein PADD, damit zwei seiner gemeinsten Computerviren angezeigt wurden und reichte es der Klingonin.

Jetzt würde sich gleich zeigen, ob er ohne Raumanzug aus der Schleuse geworfen wurde, oder ob sich Chedu mit ihm zusammentat. Hatte er das einmal erreicht, würde ihnen gemeinsam schon etwas einfallen, um den Rest ihres Teams zu ihrer kleinen Meuterei zu überzeugen - auf die eine oder die andere Art.

--- Shuttlehangar

Der Angesprochene verstand die Welt nicht mehr. Erst machte Shania einen auf wilde Panik, um kurz danach zu verkünden, alles sei nur halb so wild?

Er war auf eine Schiff durchgeknallter Psychopathen gelandet, kein Zweifel.

"Shania, erst kommen Sie blutüberströmt hier hereingestürmt und fordern, daß wir sofort aufbrechen. Und jetzt sagen Sie, Sie vertrauen Monserat doch? Sie sind niedergeschlagen worden, verdammt! Von wem?" Er bemerkte nicht, daß er die letzten Worte gebrüllt hatte.

Schwer atmend wandte er sich ab. Er mußte in Ruhe nachdenken können. Er mußte mit Gorm reden und ihn bestechen. Das Shuttle brauchte einen anderen Kurs - in den Kolkatoah-Nebel hinein! Sollten sich Ramses, Bragma II und Ivory doch gegenseitig in Stücke schießen! Das Problem war nur: Mit Impulsantrieb alleine waren überraschende Manöver kaum möglich. Eigentlich gab es keine Chance, zu entko...

Chi-Lo erstarrte in der Bewegung. Dann drehte er sich um und starrte an Shania vorbei. Am anderen Ende des Hangars stand ja das Shuttle der Ivory. Mit intaktem Warpantrieb, darauf wäre er bereit, zu wetten!

In seinem Kopf nahm ein Fluchtplan Gestalt an: Mit den anderen Crewmitgliedern in das Shuttle der Bragma II gehen, auf das Öffnen der Hangartore warten, Nottransport auf das Shuttle der Ivory durchführen, und ab durch die Mitte! Sollte sich doch grillen lassen, wer Lust dazu verspürte - und zu dieser Gruppe zählte der Asiat mit absoluter Sicherheit nicht!

Sein Enthusiasmus wurde jedoch stark gedämpft, als er sich vorstellte, welche Sicherheitssperren Martengh wohl eingebaut haben mochte, um genau das zu verhindern, was Chi-Lo jetzt vorhatte.

Der Chinese mußte unbedingt mit Gorm unter vier Augen sprechen! Gorm kannte sich mit so was aus, der würde schon einen Weg finden.

Mit was könnte er den Ferengi nur bestechen? Ohne Profit machten diese kleinen Plagegeister meist gar nichts, und wenn es um ihr Leben ging...

Na, egal, vielleicht wäre dieser spezielle Ferengi ja auch bereit, andere Leute gratis zu retten, wenn diese Rettungen nur ein Nebenprodukt seiner eigenen Rettung waren.

Er sah Shania an, die ja gerade ihre Loyalität zu diesem Monserat bekundet hatte. Wie konnte er sie nur beschäftigen, damit er sich in Ruhe mit Gorm unterhalten konnte?

Sein Blick fiel dabei wieder auf ihre Wunde. Irgend etwas kitzelte in seinem Hinterkopf.

Wo hatte er diese Form schon einmal gesehen?

"Kannst du mich denn gar nicht verstehen, Chi-Lo? Wie würde es dir gehen, wenn du niedergeschlagen worden bist, dir tausend Fragen stellst und zugleich Angst vor den Antworten hast?" Fragend blickte Shania den Chinesen an, der scheinbar nicht das geringste Verständnis für ihre momentane Lage aufbringen konnte und nur sein Leben in Gefahr sah.

"Monserat war immer wie ein Vater für mich seit ich von zu Hause ausgerissen bin. Die Ivory war meine zweite Heimat. Und nun denkst du, auch wenn es logisch ist, daß ich all das einfach über Bord werfen kann und es nicht auch einen Teil in mir gibt, der an ihn glaubt? Der an ihn glauben muß." Resignierend wehrte sich Shania nicht länger gegen ihre Kopfschmerzen, sondern ließ sie einfach über sich ergehen. Sie schienen nur ein kleines Übel zu sein.

"Aber da ist auch ein logischer durch die Erfahrungen in meinen Leben vorsichtig gewordener Teil in mir ist, der überleben will und jetzt auf Alarm steht.

Ach, am Liebsten würde ich einfach von hier verschwinden, ohne wissen zu müssen, wer mir das angetan hat und welchen Zweck es dienen sollte..." Sie hockte sich auf eine der Kisten. "Das hier ist nicht mein Kampf."

Traurig sah sie zu Chi-Lo hoch.

Chi-Lo dankte im Stillen den Göttern.

Shania war endlich zur Vernunft gekommen!

Und endlich hatte er selbst, Chi-Lo Hu-Wang einen konkreten Fluchtplan.

Und Shania war zentraler Teil dieses Planes.

Irgendwie widerstrebte es ihm zwar, Shania einfach nur als lebensrettende Maßnahme zu betrachten, aber er konnte nicht anders.

'Ach, mach dir keine Gedanken deswegen!', versuchte er sich einzureden. 'Was hättest Du davon, wenn du sie zwar nicht instrumentalisieren würdest, aber hinterher wäret ihr beide tot? Rette dich und rette sie - damit nutzt du sie nicht, aus, sondern du tust ihr einen Gefallen! Es ist ihr Bestes!"

Jetzt hieß es, alles auf eine Karte zu setzen. Schon unter normalen Umständen war Monserats Plan geradezu tollkühner Schwachsinn. Mit diesen vielen Zwischenfällen aber, verschwundenen Robotern, Überraschungsgästen in letzter Minute, liebestollen Geologen, niedergeschlagenen Mannschaftsmitgliedern und so weiter war eine Teilnahme an dieser Mission vorsätzlicher Selbstmord!

Und Mutter Hu-Wangs Sohn war noch nie ein Anhänger von Selbstmordkommandos gewesen - eine Tatsache, die er mit für den Umstand verantwortlich machte, daß er noch lebte.

Also hieß es, hier einen auf verständnisvoll zu machen.

Er hockte sich vor Shania, und nahm ihre Hände in die seinen.

Dann schaute er ihr tief in die tränengefüllten Augen und sagte so eindringlich und verständnisvoll, wie er es nur zu Stande brachte:

"Shania, es der Kampf von niemanden hier. Es ist einzig und allein Monserats Kampf. Du kannst von hier verschwinden. Du kannst alles hinter dir lassen und das hier vergessen. Du kannst gehen, und du weißt auch, wie!"

Vielsagend blickte er auf das Shuttle. Innig hoffte er, daß Shania genug Ahnung hatte, die Sicherheitssperren des Shuttles zu umgehen. Schließlich war sie schon seit Jahren auf diesem Schiff, was offensichtlich eine nicht unbeachtliche Leistung war.

Sie mußte in all' den Jahren herausgefunden haben, wie man die Shuttles entsichern konnte.

Sie mußte einfach.

--- Shuttle

Während die Technikerin sich das PADD nahm, die Programme studierte und hin und wieder ein brüllendes Lachen ausstieß, begann der Ferengi den Navigationscomputer zu programmieren.

"Es wäre natürlich um vieles hilfreicher, wenn wir ein warpfähiges Shuttle hätten", seufzte der Wissenschaftler.

Im Kopf hatte er sich die Chancen zu entkommen noch einmal durchgerechnet: Die Wahrscheinlichkeit, die rettende Wolke zu erreichen war relativ hoch, aber was dann?

Wie sie aus dem Versteck wieder entkamen, hatte er keine Ahnung.

So wie es aussah, brauchten die Schiffe von Bragma und Monserat nur außerhalb zu warten, bis ihnen die Vorräte ausgingen.

Gorm hatte große Zweifel daran, daß alle drei Schiffe bei der bevorstehenden Schlacht zerstört werden würden.

--- Brücke

"Wenn ich nicht sicher wäre, hätte ich Sie dann gerufen und Ihnen einen Befehl erteilt", erwiderte der Captain mürrisch und fixierte die Bajoranerin. "Ich treffe keine Entscheidungen um sie gleich darauf wieder zurückzuziehen nur weil mich jemand fragt, ob ich mir sicher bin. Natürlich bin ich mir meiner Sache sicher, MERDE! Schließlich bin ich nicht umsonst Captain dieses Schiffes! ICH KANN MIR KEINE FEHLER ERLAUBEN!"

Plötzlich schaltete sich der Wissenschaftler ein, der bisher eigentlich nur darum bemüht gewesen war die Sache schnell hinter sich zu bringen, damit sie zu den anderen zurück kamen. Besonders damit er wieder zur unnahbaren Klingonin kam.

"Aber wenn Sie hier sitzen und Martengh ein Spion ist.. bedeutet das nicht auch, daß jeder dort drüben weiß, daß Sie von allem wissen und deshalb unser Risiko...", versuchte Hunter hinter den irrsinnigen Plan zu steigen, wurde aber von Monserat rasch unterbrochen.

"Hunter, ich habe einen speziellen Auftrag für Sie. Sie werden hier an Bord bleiben. Ich fühle mich jetzt nicht mehr hier sicher. Martengh hatte alle Macht über die Sicherheit des Schiffes und es könnte sein, daß er sich eine Versicherung eingebaut hat und etwas in die Gänge kommt für das ich einen gewieften Mann wie sie brauchen könnte. Und als Wissenschaftler wird ohnehin Gorm das Shuttle begleiten." Der Captain hatte versucht rasch Aarons Redeschwall zu bremsen. Es war nicht gut, wenn alle zu denken begannen.

Denn die Chancen, daß Bragma mehr tat, als nur das Shuttle rasch zu scannen, jetzt wo er wußte, daß es direkt von Monserat kam, waren ungleich höher als bei ihrem ursprünglichen Plan.

Tatsächlich schien man auch mit Honig Wissenschaftler fangen zu können. Zumindest war Hunter positiv überrascht und nickte.

"Ich müßte nur meinen Seesack..."

"Man wird so nett sein, Ihren Seesack auf dem Shuttlehangar sicher zu verstauen. Habe ich recht?", fragte er die Ärzin, die darauf nur stumm nickte. "Sonst noch ein Problem?"

"Nein", erwiderte Hunter, obwohl es ihm ganz und gar nicht recht war, sich gerade jetzt von Chedu trennen zu müssen. Gerade auf dieser Mission hätte er ihr zeigen können, was für ein harter Kerl in ihm steckte und daß er zwar Wissenschaftler war, aber ebenso viel vom richtigen Leben verstand wie jeder andere.

"Dann wären wir uns ja einig", meinte der Captain abschließend und nickte der Ärztin zu. "Ich würde Ihnen nicht raten Martengh zu wecken und denken Sie daran, daß Bragma ihn erwartet, also nehmen Sie ihn nicht mit in das Tarnfeld."

Daß sie auch nur wenig Zeit hatten, bis der Spion Martengh Bragma von dem Tarnfeld und der kleinen Überraschung im Shuttle erzählen wurde, ließ er unter den Tisch fallen. Entweder sie schafften es oder...

Mit einem mehr als unguten Gefühl trat die Ärztin an die Antigraveinheit.

'Vielleicht sollte ich versuchen ihm noch Vernunft einzureden. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Martengh ein Spion ist und so lange Jahre unerkannt geblieben.' Ein Blick in Monserats Richtung brachte sie schnellstens von ihrem Vorhaben ab.

'Wenn ich das gewußt hätte, wäre ich gar nicht an Bord gegangen, sondern hätte mein Glück als Straßenmusikerin versucht'

Betont langsam setzte sich die Ärztin nun widerstrebend mit dem bewußtlosen Sicherheitschef in Bewegung und warf Hunter einen mitleidigen Blick zu. Dann verließ sie die Brücke.

--- Shuttlehangar

Total irritiert und verunsichert musterte die Amerikanerin den Chinesen und wußte nicht, was sie darauf sagen sollte.

Zum einen waren da ihre Hände in den seinen, die sich angenehm warm und fest anfühlten, als könnten sie ihr einfach durch bloße Handauflegung jegliche Angst nehmen und würden alles tun um ihr zu helfen.

Zum anderen war da die Versuchung alle hinters Licht zu führen, die ihr im Leben etwas bedeutet hatten. Und das waren nur sehr wenige Menschen gewesen. Fast jeden hatte sie auf die eine oder andere Weise verloren.

Nur Monserat und Martengh waren ihr noch geblieben.

Sie zu hintergehen, daß erschien ihr reiner Wahnsinn zu sein. Etwas Undenkbares und doch lagen ihre Hände in den Händen eines Mannes, dessen bloße Anwesenheit ihr das Gefühl gab ihr ganzes Leben hinter sich zu lassen und zu neuen Ufern aufzubrechen.

Denn eigentlich gab es hier an Bord nichts mehr als Erinnerungen.

Erinnerungen an ihre Flucht von ihrem Elternhaus. Erinnerungen an ihren gestorbenen Mann für dessen Erhaltung seiner Arbeit sie alles getan hatte. Erinnerungen an Pino und andere Enttäuschungen...

Doch in ihrem Hinterkopf blinkte eine Warnlampe, die ihr zu sagen versuchte, daß sie diesem Mann vor sich total egal war, weil er sie im Grunde gar nicht kannte. Der nur dann nett zu ihr war, wenn er etwas von ihr wollte. Der von Bragma "dem Feind" gekommen war und mit dessen Eintreffen an Bord begonnen hatte ihre kleine Welt immer kleiner und bedrückender zu werden.

Shania versuchten in Chi-Los Augen zu lesen, ob er seine Worte ernst meinte oder sie nur Mittel zum Zweck waren, doch sie konnte sie nicht lesen.

Schließlich resignierte sie leise seufzend und meinte nur leise...

"Ja, es ist kein Problem für mich eines der Shuttles zum Laufen zu bringen. Ich habe die erforderlichen Codes um mich im Notfall damit absetzen zu können, falls Martengh etwas zustößt. Wie auch Monserat. Dafür hat Martengh vorgesorgt, wenn auch nicht gerne."

Sie bemerkte das Aufhellen des Gesichtes ihr gegenüber und bekam ein schlechtes Gefühl in der Magengrube. Hastig fügte sie das hinzu, was sie bisher noch nicht erwähnt hatte:

"Allerdings wird beim Eingeben meines Codes sofort roter Alarm ausgelöst. Eine kleine Absicherung für Martengh, der dadurch immer Kontrolle darüber hat, ob mein Notfall gerechtfertigt ist oder ich heimlich ein Shuttle stehlen möchte. Das hat er damit begründet, daß ich mich ja in der Hand eines Attentäters befinden könnte, der mich zur Eingabe des Codes zwingt. Oder gar in den Händen von Meuterern..."

Erst wollte Chi-Lo schon enttäuscht alle Hoffnung fahren lassen, aber dann kam ihm eine Idee.

Sicher, es wäre möglich gewesen, Shania über die genauen Auswirkungen eines roten Alarmes auf diesem Schiff zu auszufragen.

Aber ganz abgesehen davon, daß sie eh schon mißtrauisch wurde ('Wieso eigentlich?', dachte der Chinese, 'Entweder haut sie ab, und zwar mit allen Konsequenzen, oder sie tut es nicht - wo ist ihr Problem?'), hätte es selbst Gorms Fähigkeiten übersteigen dürfen, sämtliche Verteidigungs-, Fluchthinderungs- und Selbstzerstörungssysteme im Vorfeld zu sabotieren. Zumal Chi-Lo sich kaum vorstellen konnte, daß Shania wirklich alles über die automatischen Maßnahmen bei rotem Alarm wußte. Martengh hatte sicherlich einiges davon geheim gehalten.

Blieb also nur, dann zu fliehen, wenn kein roter Alarm ausgelöst werden konnte.

Und in diesem Moment kam dem Chinesen kam eine geradezu wahnwitzige Idee:

Bei einem Schiff mit so vielen Sicherheitseinrichtungen wie der Ivory mußte es für jemandem wie Gorm doch ein Leichtes sein, durch Protokollkonflikte oder so einen permanenten roten Alarm auszulösen.

Daraufhin wäre Monserat mit Sicherheit gezwungen, den roten Alarm einfach vollständig zu deaktivieren, damit z.B. überhaupt noch die Shuttlehangarschleuse zum Weltraum geöffnet werden konnte.

Und dann könnte das Shuttle, zu dem Shania Zugang hatte, einfach rausgeflogen werden.

Chi-Lo gefiel der Gedanke. Er würde die Ivory überlisten, indem er ihre stärkste Seite gegen sie selbst wandte: Die Schiffssicherheit!

Ja, Monserat würde den roten Alarm deaktivieren und somit die Möglichkeit zur Flucht eröffnen.

'Hu-Wang, Du bist ein verdammtes Genie!', dachte der Asiat selbstgefällig.

Allerdings gab es noch ein großes Problem: Er mußte Gorms Loyalität testen. Und bisher hatte der kleine Ferengi auch dann noch mitgemacht, als er eigentlich mit Chi-Lo als Führer der Expedition nicht mehr einverstanden gewesen war. Das sprach eigentlich für einen unangenehm hohen Loyalitätsfaktor.

Nun, wenn der kleine Verräter dann zum Captain rennen und alles ausposaunen wollte, würde Chi-Lo ihn eben in eines Wandfächer verstauen und sich eine Geschichte ausdenken müssen.

Zur Not würde er eben auf die Bragma II gehen und die Mission durchführen - oder von dort fliehen, sobald sich die Möglichkeit ergab. Er hoffte aber stark, daß dies nicht nötig sein würde. Hier auf der Ivory hatte er wenigstens schon einen Fluchtplan.

Er beschloß, Shania vorerst im Unklaren zu lassen.

Mit dem endgültigen Wunsch, das Shuttle der Ivory zu benutzen, wollte er sie erst direkt vor dem Start konfrontieren.

Und wenn sie durch einen Dauerrotalarm endgültig fertig mit ihren Nerven wäre.

Dann könnte er sie ganz leicht überrumpeln, und sie würde willig alles tun, was er wollte. Sie suchte jetzt schon eine starke Hand, eine Führung, die ihr sagte, was sie tun solle, jetzt, da sie ihr Vertrauen in ihren alten Führer Monserat verloren hatte. Noch ein bißchen mehr Streß, und sie würde sich jedem neuen Führer zu Füßen werfen.

'Nein, du nutzt sie nicht aus!', ermahnte er sich. 'Du rettest auch sie, es ist nur zu ihrem Besten. Man kann Leute auch zu ihrem Besten manipulieren.'

"Nun, gut", sagte er schließlich zu Shania und gab sich Mühe, nicht zu erregt, sondern eher enttäuscht zu klingen. "Hätte ja sein können." Er seufzte schwer. "Wir bereiten uns also auf die Mission vor. Bleib du lieber hier sitzen, ja? Ich werde mal nach Chedu und Gorm sehen, die beiden arbeiten im Cockpit des Bragma-Shuttles. Du hast eine Wunde, die du untersuchen lassen solltest, wenn Shania und Aaron mit unserem Überraschungsgast wiederkommen. Bis dahin ruhst du dich aus." Er lächelte Shania an und sagte im scherzhaften Tonfall: "Das ist ein Befehl!" Sollte sie sich ruhig an ihren neuen Führer gewöhnen....

Chi-Lo erhob sich und ging auf das Shuttle zu.

Jetzt brauchte er noch eine Eingebung, wie er das Gespräch mit Gorm beginnen sollte.

Warum nur ging ihm die Form der Wunde an Shanias Stirn nicht aus dem Kopf?

--- Shuttle

Der kleine Ferengi hatte es echt in sich. Obwohl er ganz und gar nicht wie ein Krieger aussah oder wirkte, so hatte sein Verstand dennoch diese raffinierten und heimtückischen Sabotageprogramme zustande gebracht, die innerhalb eines Schiffscomputers ebenso schwere Schäden verursachen konnten, wie ein Kut'luch - Messer im Körper eines Feindes.

Die Vorgehensweise der Computerviren zeugten nicht nur in beeindruckender Weise von der Intelligenz des Wissenschaftlers, sondern offenbarten zudem eine Art von Humor, der der Klingonin gut gefiel.

Immer noch breit grinsend reichte sie Gorm nach eingehender Studie schließlich sein Padd zurück und vermied es gerade noch ihm begeistert auf die Schulter zu klopfen. Als sie dabei seinen besorgten Blick streifte, erinnerte sich Chedu an seinen eben geseufzten Wunsch nach einem Warpantrieb.

Nachdenklich strich sie einen Zopf aus ihrem Gesicht. "Leider hab ich keinen Warpkern in meinen Taschen finden können. Ich bezweifle auch, daß ich ihn in so kurzer Zeit alleine einbauen könnte. Obwohl es taktisch um einiges vorteilhafter wäre, wenn wir über Warp verfügen könnten....."

Gedankenverloren warf die Klingonin mit einer schwungvollen Kopfbewegung ihre Haare zurück. Dabei fiel ihr Blick durch das Cockpitfenster in den Hangar auf zwei weitere Shuttles. Sie schlug sich auf die Stirn. Wie konnte sie nur so blind gewesen sein? Die ganze Zeit standen hier vor ihren Augen zwei weitere Shuttles, die zudem - ihr Atem stockte - über Warpantriebe verfügten.

Der Gedanke sich mit Gorm, der ihr mehr als nur sympathisch war, einfach aus dem Staub zu machen, gefiel ihr immer besser. Der Plan des Captains erwies sich als immer verrückter und tödlicher. Bis jetzt hatte Monserat außer sie zu bezahlen - wobei sie immer noch kein Latinum gesehen hatte - noch nichts getan, was ihre Loyalität verdient hätte, im Gegenteil. Auf einem Klingonenschiff, hätte sie ihn schon längst auf die ein oder andere Weise wegen seines wahnsinnigen Vorgehens inzwischen sicher abgesetzt.

"Gorm, ich habe da vielleicht doch einen Warpantrieb für Sie", gurrte Chedu und deutete verschmitzt lächelnd aus dem Fenster. "Ihre netten Programme und dieses Shuttle lassen sich sicher gut zur Ablenkung benutzen um mit einem Shuttles der Ivory zu entkommen. Wenn Sie also einen kleinen Abstecher von unseren ursprünglichen Kurs vorhaben, bin ich dabei", fügte sie verschwörerisch zwinkernd hinzu.

"Ich muß nur noch überprüfen, ob wenigstens bei einem der beiden der Warpantrieb auch wirklich arbeitet." Beschwingt schritt die Technikerin auf das Außenschott des Shuttles zu, und prallte gegen Chi-Lo, der gerade herein kam.

"Können Sie nicht aufpassen, wohin Sie laufen?", schnaubte die Klingonin ihn an.

Roter Alarm!

Wesentlich früher als erwartet, und nicht auf Chi-Los Wunsch hin ausgelöst!

Die Sirenen gellten.

Die roten Lichter flackerten und blinkten.

Chi-Lo war klar: Jetzt mußte er richtig reagieren.

Die Klingonin hatte ihn als ihren Vorgesetzten gemaßregelt!!!

Wenn er jetzt die falsche Reaktion zeigte, war alles aus. Sie würde ihn für unwürdig erachten, ihr Anführer zu sein und ihn verraten. Das war immer so, wenn Klingonen mit ihren Anführern unzufrieden waren und sie zusätzlich nicht fürchteten.

Er durfte auf der anderen Seite aber auch nicht in den Fehler verfallen, es hier und jetzt auf eine weitere Konfrontation ankommen zu lassen. Es hatte schon genug Chaos gegeben.

Fieberhaft suchte sein verstand nach einer Lösung. Und fand sie!

Mit einem tiefen Knurren in der Stimme und dem klingonischsten Zähne Fletschen, daß er zu Stande brachte, sah er Chedu finster in die Augen und grollte: "Sie haben Glück, daß wir hier nicht auf einem Klingonenschiff sind. Sonst hätte ich Sie jetzt für diese Bemerkung getötet!"

Er betete zu den Göttern, daß er das richtige Maß zwischen Klarstellung von Autorität und Unterlassung von Gewalttätigkeiten gefunden hatte.

Dann sagte er: "Lassen Sie mich mit Gorm allein!"

Er drehte sich um, rief: "Gorm? Ich habe da mal ein paar Fragen an Sie!", und bestieg das Shuttle endgültig.

Inständig hoffte er, keinen plötzlichen Schmerz im Rücken verspüren. zu müssen.

--- Shuttlehangar

Nachdem Savannah die Antigraveinheit versehentlich mehrfach gegen Wände und andere Hindernisse gerammt hatte, betrat sie nun endlich die Shuttlerampe. Entgeistert erblickte sie dort Shania die auf einer Kiste saß und aus einer Wunde am Hinterkopf blutete.

"Ich bin sofort bei dir Shania. Warte einen Moment, ich muß nur schnell Martengh ins Shuttle bringen", erklärte die Ärztin und steuerte die Trage diesmal wesentlich schneller und Zielsicherer in das Shuttle.

--- Shuttle

"Leute, hört euch das an. Unser Chef will, daß wir Martengh mitnehmen. Er soll nicht unter das Tarnfeld gelegt werden. Monserat sagt, er sei ein Spion. Ich muß jetzt Shania verarzten"

Wie der Blitz verließ die Ärztin wieder das Shuttle und ließ die Antigraveinheit mit dem betäubten Caldonier stehen, wo sie stand.

--- Shuttlehangar

Mit einem mitleidigen Blick begann Savannah Shania zu behandeln.

"Es tut mir wirklich leid, daß Sie angegriffen worden sind. Chi-Lo hatte mich ja per Communicator davon unterrichtet. Normalerweise wäre ich sofort hergekommen, aber Monserat bestand darauf, daß ich Martengh herbringe und ins Shuttle bringe. Er hat ihn betäubt und ist davon überzeugt, er sei ein Spion."

Kopfschüttelnd fuhr sie fort die Wunde zu versorgen.

"Ich weiß langsam nicht mehr, was ich glauben soll... Alles ziemlich merkwürdig. Wollen Sie ein Schmerzmittel?"

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