Ivory Chronik 5

Fluggeschwindigkeit: Mach 1,5

--- Ivory, Brücke, beim Turbolift

"Bajoranische Schlange?", fragte Savannah ungläubig und folgte dem Ferengi in den Turbolift.

"Ich weiß ja, daß der Computer hier eine Persönlichkeit hat, aber muß ich mich von ihm beleidigen lassen?"

Ein wenig gekränkt, blickte sie Gorm an und bemerkte erst jetzt seinen gequälten Gesichtsausdruck.

"Na ganz unrecht hat diese Blechdose ja nicht. Aber Schlange trifft es nicht ganz. Drache wäre da eher nach meinem Geschmack. Hey, was ist denn los? Sie machen sich doch nicht etwa Sorgen wegen der Mission. Glauben Sie mir, ich habe schon wesentlich erschreckendere Aufträge erfüllen müssen. Ich hatte sogar das Vergnügen als Sklavin verkauft zu werden", versuchte sie den Ferengi aufzumuntern.

"Schauen Sie sich doch die Leute an. Ich denke nicht das Monserat unfähige Leute anstellt. Gewiß sind Sie ein absoluter Experte auf Ihrem Gebiet und auch die anderen sehen sehr kompetent aus. Sehen Sie das Ganze nicht zu verbissen. Je mehr Gedanken man sich macht, desto schlimmer werden die Folgen, die man sich bei Fehlern ausmalt.

Entspannen Sie sich und vertrauen Sie einfach auf Ihre Fähigkeiten. Sie wissen doch am Besten was Sie können", meinte sie lächelnd und schaute die anderen an.

"Bleibt ihr noch lange da stehen? Ich grusele mich und möchte möglichst schnell aus diesem Turbolift raus. Da bin ich der Furie von Computer ja völlig ausgeliefert."

Chi-Lo betrat elanvollen Schrittes den Turbolift. Er drehte sich um und schaute noch einmal auf die Brücke.

"Hunter? Chedu? Sie begleiten uns. Ich gehe davon aus, daß angesichts meiner Ortskenntnisse keinerlei Zweifel über den Leiter dieses Außenteams bestehen. Los jetzt, weitere Verzögerungen werden sie bereuen! Dies ist ein Enterkommando und kein Kaffeekränzchen!"

Dem unbefangenen Beobachter konnte die Verwandlung des Chinesen nicht entgehen: Während er bisher eher wie ein bisweilen unverschämter Wichtigtuer gewirkt hatte, machte er nun den Eindruck eines kampferprobten und zu allem entschlossenen Haudegens.

Ihm selbst fiel diese Verwandlung nicht auf. Er war auf einem Piratenschiff aufgewachsen, so und nicht anders ging man da in einen Kampf.

Insgeheim war ihm allerdings speiübel, und er fragte sich, wann er endlich einen Hinweis auf diese verdammten Phaser bekommen würde, falls es überhaupt welche gab.

"Shania, die Communicatoren!"

Er streckte fordernd seine Hand aus.

Endlich mit Hunter beim Turbolift angekommen, entfuhr der Amerikanerin nur ein durch die zusammengebissenen Zähne gezischtes "Idiot" in Richtung des Chinesen.

Irgendwie schien er es darauf angelegt zu haben sie aus der Fassung bringen zu wollen. Seit er an Bord war, benahm er sich wie ein Klingone im Porzellanladen.

Dieser hielt trotzdem unbeirrbar die Hand auf, als wäre nicht das Geringste geschehen. Vielleicht war er ja eine solche Art Behandlung gewöhnt oder er hatte nichts anderes von ihr erwartet.

Trotzig blieb Shania stehen, baute sich vor dem gelben Ein-Mann-Enterungskommando auf und funkelte mit ihren grünen Augen auf ihn herab: "Sehen Sie irgendwo an meiner Kleidung einen Platz, wo ich mal eben 6 Communicatoren mit Sonderausstattung herbeizaubern könnte, die normalerweise auf diesem Schiff nicht verwendet werden? - Eben, ich muß sie erst holen."

Ohne eine Antwort abzuwarten - Chi-Lo hatte ihre eng geschnittene Kleidung ja genau vor Augen und brauchte für eine Antwort nicht Rätsel raten - wandte sie sich zum Captain um:

"Gerald, ich gehe mit ihnen aufs Shuttle. Ich habe das Gefühl, daß unser Freund hier sonst genau so einen Mist baut wie mit Bragmas Shuttle. Er war heute schon etwas arg vom Pech verfolgt, der Gute." Ihr Lächeln in Richtung Chi-Lo drückte Sieg und mehr als leisen Spott aus.

Monserat verdrehte nur die Augen und versuchte erst gar nicht ihr den Irrsinn auszureden. Sie tat ohnehin immer nur was sie für richtig hielt und rationales Denken kannte diese Frau einfach nicht.

Zum Glück erwartete sie keine Antwort vom ihm. Ihr neues Ziel hieß Martengh: "Na, was ist Martengh? Gibst du uns nun etwas zum Schießen mit aus deinem unendlichen Vorrat von Handfeuerwaffen oder sollen wir die Mannschaft mit der bloßen Hand erschlagen? Wobei unserer Freund das sicher gnadenlos gut drauf hat..."

--- Brücke

Einerseits war Martengh froh, Shania bei der Truppe zu wissen - damit hatten sie wenigstens eine kleine Überlebenschance. Aber andererseits war ihm ebenso klar, daß Monserat bei dieser Mission ein Himmelfahrtskommando losgeschickt hatte.

Deshalb erwiderte er: "Um es mit deinen Worten zu sagen: Siehst du an mir sechs Phaser und eine Tarnvorrichtung? Ich bin zwar ein vorsichtiger Mann, aber doch nicht paranoid...

Wir treffen uns gleich am Shuttle, wenn ich sie geholt habe."

--- Brücke, beim Turbolift

Hunter hatte sich jetzt erst einmal passiv mitschleifen lassen und langsam bekam er ein Bild von der Situation. Es war also mal wieder so einer dieser "persönlichen Sachen" zwischen zwei Männern. Da er irgendwie Monserat mochte, gab es für ihn keinen Zweifel, daß hier eine alte Rechnung vorlag, die schon lange hätte beglichen werden müssen.

Ihn überraschte es, daß auf einmal aus diesem Häufchen Elend, das schon bei dem Gedanken an ein wenig Blutverlust ohnmächtig zu werden schien, so ein Kampfgeist emporquoll.

"Chi-Lo, na, sehen Sie, jetzt ist unsere Chance gekommen! Ich schlage vor, daß wir etwas weniger Blut, aber dafür zusätzlich ein paar Fetzen Ihrer Kleidung verteilen. Wenn Sie nur eine Spur von sich hinterlassen, wirkt das nicht glaubwürdig. Und mit dem Gedanken, etwas weniger Blut verlieren zu müssen, könnten Sie sich doch durchaus anfreunden?"

Er meinte in den Augen des Chinesen lesen zu können, daß er diesen Gedanken mochte.

Er war nur etwas perplex von dieser direkten Ärztin. In ihrer direkten Art sah er viel Gemeinsames. Sie hatte irgend etwas Sponti-Chaotisches an sich, was ihn fast die Sprache verschlug, wo er doch sonst nie um einen Kommentar verlegen war. Auch ordnete er sich nicht immer so leicht einer Gruppe unter.

"Savannah, wir haben uns zwar noch nicht vorgestellt, ist aber trotzdem nett, daß wir uns gleich in einer Spontansituation kennenlernen. Sie sind direkt - wenn man sagt, was man denkt, können sich die anderen besser auf jemanden einstellen. Ich schlage vor, daß Sie Chi-Lo zuerst etwas an seinen Adern rumzupfen und ich mir das Shuttle ansehe und schon dort einige Vorbereitungen vornehme. Die anderen könnten sich dann um die Ausrüstung kümmern und wir verplempern keine Zeit. Einverstanden?"

--- Turbolift, kurze Zeit später

Im nun ziemlich überladenen wirkenden Turbolift tummelten, oder besser: drängten sich Chedu, Savannah, Shania, Martengh, Aaron, Gorm und Chi-Lo.

Eingekeilt zwischen Chedu und Martengh bekam der Chinese kaum noch Luft und krächzte heiser und gepreßt: "Computer, Deck 4, Shuttlerampe"

Er hoffte inständig, daß die Ivory insofern noch der Standardkonfiguration entsprach und im Laufe der Jahre in dieser Hinsicht keine Veränderungen vorgenommen worden waren.

Die Türen schlossen sich, und der Turbolift setzte sich in Bewegung.

Kurze Zeit später hielt die Fahrgastkabine, und der Blick auf Deck 4 wurde freigegeben.

Chi-Lo drängte sich nach draußen und sagte dabei: Gut. Aaron, Gorm und Chedu sehen sich das Shuttle an, Savannah und ich gehen Blut besorgen", einladend wies er mit der Hand dabei auf ein paar Kisten, die er zu diesem Zweck als Sitzgelegenheiten für sich und die Ärztin ausfindig gemacht hatte. "Und Martengh und Savannah sorgen für unsere kommunikations- und waffentechnische Ausrüstung."

Ein Problem aber traute sich der Asiat gar nicht anzusprechen:

Wie zum Teufel sollten sie mit sechs Leuten in einem winzigen Shuttle unbemerkt bleiben? Selbst mit Tarnvorrichtung waren sie noch immer feste Materie, und ein jeder, der das Shuttle betrat, würde sich über kurz oder lang darüber wundern, daß die Luft auf einmal partiell so hart geworden war...

Obwohl der Chinese die Zahl der zu versteckenden Passagiere auf fünfeinhalb reduzierte, als er an Gorm dachte.

Auch Shania drängte es hinter Chi-Lo nach draußen, weil sie eine der letzten war die eingestiegen waren und außerdem noch ein Hühnchen mit dem Chinesen zu rupfen hatte.

--- Deck 4, Gänge

"Shania, mein Name ist Shania", korrigierte sie den vergeßlichen Chinesen nachdrücklich, der wirkte, als wäre er unter dem Gelb seiner Haut ganz blaß geworden.

Lag es an dem Gedränge im Turbolift, dem verrückte Plan oder an seinem bevorstehenden Aderlaß?

Die Amerikanerin schüttelte ihre Gedanken schnell wieder ab. Was interessierte sie an diesem Rüpel eigentlich immer. Sie hatte doch nichts weiter zu tun, als sich jeden seiner Fehler einzuprägen und ihn anschließend Monserat brühwarm zu berichten.

"Die Shuttlerampe liegt ziemlich in der Nähe. Folgen Sie diesem Gang und biegen einmal nach rechts und einmal nach links ab. Dann können Sie sie gar nicht verfehlen", erklärte sie Hunter und Chedu auf ein Ende des Ganges zeigend. Dann lächelte sie entschuldigend Gorm zu, da der kleine Ferengi ihr gar nicht aufgefallen war.

"Ich komme so schnell wie möglich wieder!"

Raschen Schrittes lief sie den Gang in die andere Richtung hinunter in Richtung Lagerraum 14c. Dem Lagerraum für spezielle Sonderausrüstungen, die Martengh als "nicht gefährlich" eingestuft hatte und die schlicht und einfach keinen Platz mehr in seinem Spionage- und Abwehrlager hatten.

Amüsiert hatte Savannah dem Geplänkel zwischen Shania und Chi-Lo zugesehen. Nun trat sie aus dem Turbolift und holte erst einmal tief Luft.

"Da haben Sie sich aber nicht grade beliebt gemacht. Sieht aus als hätten Sie ein Talent uns Frauen auf die Nerven zu gehen", meinte sie sich mühsam ein Grinsen verkneifend.

'Lieber Himmel, hoffentlich vertragen sich die beiden, wenn es darauf ankommt besser. Nicht, daß sie anfangen sich gegenseitig umzubringen, wenn wir auf dem Shuttle sind. Ich bin noch nicht gewillt zu sterben.'

Gemächlich steuerte die Bajoranerin die Kisten an und setzte sich neben den Chinesen, der schon ungeduldig wartete.

Nachdem Martengh den Lift wieder verlassen hatte, wunderte er sich zunächst darüber, noch am Leben zu sein. In dieser Enge wäre es für einen Attentäter ein Leichtes gewesen, unauffällig ein vergiftetes Messer zu ziehen.

Zudem hatte er auch noch diese fast schon prophetischen Visionen gehabt, seit sich die Lifttür hinter ihm geschlossen hatte: Brianna hatte irgendwann die Kabine sabotiert, und der Lift sauste immer schneller nach unten. Doch statt am Boden zu zerschellen, durchbrach er ihn und während langsam die Luft zischend durch irgendwelche Ritzen entwich, wurden sie von Bragmas zweitem Schiff gerettet, wo sie...

Der Sicherheitschef schüttelte diese Gedanken ab und ging schweigsam in Richtung Lagerraum 3, wo nicht nur diverse Waffen auf ihn warteten, sondern auch eine kleine Personentarneinheit...

--- Deck 4, Gänge, bei den Kisten

"Ja, ich weiß, wir haben es eilig, aber wenn ich gehetzt werde, werde ich nervös und dann tue ich Ihnen weh", erklärte die Ärztin, als sie den vorwurfsvollen Blick des Mannes bemerkte.

'Muß er mich so ansehen? Dabei bekommt man ja ein schlechtes Gewissen.' Ohne auch nur hineinzusehen, fischte Savannah ihre Utensilien aus der Tasche und lächelte den Chinesen aufmunternd an.

"Ich mag zwar ein wenig chaotisch sein, aber wenn es um mein Handwerkszeug geht, bin ich pingelig. Da muß ich mich mit verbundenen Augen zurecht finden können."

"Habe ich Ihnen eigentlich schon erzählt wie ich an Bord gekommen bin?", fragte die Frau, nahm mit geübtem Griff seinen Arm und legte ihn über ihre Beine.

"Es ist eine wirklich lange und traurige Geschichte. Machen Sie sich auf einiges gefaßt. Ich habe schon ausgewachsene Klingonen damit zum Weinen gebracht. Es begann alles genau vor 28 Jahren.... Oh, aber ich glaube, ich erzähle Ihnen das doch lieber ein andermal, wenn wir mehr Zeit haben", meinte sie plötzlich und hielt Chi-Lo eine Ampulle seines Blutes vor die Nase.

"Wie Sie sehen sind wir fertig. Ihr Arm ist noch dran und wenn sie jetzt sagen, daß es weh getan hat, werde ich hier auf der Stelle anfangen zu weinen", witzelte die Bajoranerin und verstaute die Sachen wieder.

Die ganze Zeit über hatte Savannahs Patient so cool und hart gewirkt wie der alte Erdenschauspieler John Wayne, wenn ihm nach einem kräftigen Schluck Whiskey eine Kugel aus dem Fleisch gebrannt wurde.

Nun aber sah der Chinese sein Blut, verdrehte die Augen und fiel in Ohmacht...

Entgeistert blickte Savannah auf den am Boden liegenden Chinesen.

"Na wunderbar, erst den dicken Max markieren und dann bei ein bißchen Blut aus den Latschen kippen. Das sind mir die Richtigen."

Mit einem raschen Griff entnahm sie ihrer Tasche ein Fläschchen Riechsalz und hielt es Chi-Lo unter die Nase.

"Hey, das ist doch nur ein bißchen Blut gewesen. Kein Grund zur Panik."

Behutsam strich sie sich über ihn und strich dem Mann, der grade wieder die Augen aufschlug, über die Stirn.

--- Deck 4, Gänge

Schweigend gingen Chedu und Hunter den Gang entlang und folgten den von Shania beschriebenen Weg.

In ihrem Kopf ging die Technikerin mehrere Methoden durch, wie sie ein warpfähiges, mit Photonentorpedos ausgerüstetes Raumschiff so sabotieren konnte, daß danach nicht einmal mehr Weltraumschrott davon übrig blieb.

Sie wurde von einem lauten metallischen Ächzen aus den Gedanken gerissen, als Aaron vor ihr die Tür zum Shuttlehangar öffnete.

--- Deck 4, Shuttlerampe

Sie traten durch die Tür und die Klingonin ließ ihren Blick über die Hülle des kleinen Shuttles wandern, die einige Spuren von Waffenfeuer aufwies. Sie schritt um das Shuttle herum, öffnete die Luke und betrat das Innere.

--- im Shuttle

Die Schäden der Navigations- und Antriebskontrollen fielen ihr wieder ein und sie forderte vom Computer eine Diagnose an.

Leise vor sich hin brummelnd öffnete Chedu eine Abdeckplatte am Boden der Shuttlekabine und machte sich an der Steuerungseinheit darunter zu schaffen.

"Müssen Sie mir so nah auf die Pelle rücken?", knurrte sie plötzlich den Menschen an, der ihr neugierig ins Shuttle gefolgt war, über sie gebeugt dastand und ihr bei der Arbeit zusah. Entschuldigend zog er sich auf einen der Pilotensitze zurück.

Die Klingonin warf ihm noch einen finsteren Blick zu und beugte sich dann wieder über die Luke und begann ein paar verschmorte Chips herauszuziehen und gegen intakte auszutauschen. Danach zog sie ein Lötgerät, das man notfalls auch sehr gut aus Waffen gebrauchen konnte, aus einer Beintasche und machte sich daran ein paar unterbrochene Schaltkreise zu umgehen oder notdürftig wieder benutzbar zu machen.

Einen weiteren Systemcheck vom Computer fordernd und ein paar Warnhinweise übergehend, brachte die Technikerin zufrieden wieder die Abdeckplatte an und setzte sich auf.

Jeder Sternenflottentechniker wäre wohl ganz bleich um die Nase geworden, wenn er ihr Werk betrachtet hätte, aber sie würden damit heil bis zur Bragma II kommen. Mehr brauchte es nicht, und mehr hätte sie in der kurzen Zeit auch nicht hinbekommen.

Laut vor sich hin pfeifend ging Chedu vor in die Kanzel, setze sich in den anderen Sessel und fing damit an, den Impulsreaktor wieder in Betrieb zu nehmen. Hier und da nahm sie noch ein paar Justierungen vor und wartete gespannt auf Martengh und die anderen. 'Wie dieses Tarnsystem, von dem der Captain sprach, wohl funktionieren mochte?'

--- ???

Er sah den Kolkatoah-Nebel.

Davor beschleunigte die brennende Ivory und nahm Kurs auf die Bragma II, der eine Warpgondel abhanden gekommen war.

Warpplasma entweichte in den Weltraum.

Auch die Bragma II nahm Kurs und hielt direkt auf die Ivory zu.

"Man sagt, Rache ist ein Gericht, das am besten kalt serviert wird.", hörte er die fanatische Stimme Monserats über den Kommkanal. "Es ist sehr kalt im Weltraum. Ich speie meinen letzten Atem auf dich, Bragma!"

"Mein Gott, sie bringen sich gegenseitig um!", hörte er jemanden sagen. Er wußte nicht, wer es war. Es war auch egal. Gebannt schaute er dem Schauspiel zu.

Das konnte nicht sein. Waren beide so sehr verfeindet, daß der jeweilige Argonist den eigenen Tod in Kauf nahm, nur um den anderen zu töten? Einer der beiden mußte doch im letzten Moment ausweichen!

Doch beide Schiffe hielten unbeirrt Kurs. Er hörte Monserat und Bragma lachen. Es war das Lachen eines letzten Triumphes. Da wußte er, hier und jetzt würden sie es zu Ende bringen. Es gab kein Zurück. Das Schauspiel näherte sich unwiderruflich seinem letzten Akt.

Längst schon war es zu spät, um eine Kollision zu verhindern.

"STIRB!", hörte er Bragma rufen.

Dann vernichteten sich beide Schiffe gegenseitig in einer gewaltigen Explosion.

--- Deck 4, Gänge, bei den Kisten

Gleißend helles Licht schmerzte in seinen Augen... als er sie aufschlug.

"Alles in Ordnung? Sie hatten einen kleinen Schwächeanfall. Natürlich bleibt das unter uns, wenn Sie möchten", meinte die Ärztin und drückte aufmunternd seine Hand.

Chi-Lo brauchte einen kurzen Moment, bis er sich wieder im Hier und Jetzt zurechtfand.

Die Welt um ihn herum drehte sich in wildem Reigen.

Dann beruhigte sie sich langsam.

Noch immer leicht benommen, sagte der soeben zur Ader Gelassene: "Danke, Savannah, es geht schon wieder. Und ja, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diesen kleinen Zwischenfall für sich behalten könnten. Alles andere wäre schlecht für die Moral der Crew."

Voll inniger Dankbarkeit für ihre angebotene Diskretion sah er Savannah an.

Dann erhob er sich und gab sich auf einmal wieder wie ein fronterprobter Elitekämpfer:

"Auf geht's! Es gilt ein paar Sklaventreiber ihre Unsitten auszutreiben", meinte er mit einer Stimme, die an rauhbeiniger Entschlossenheit kaum zu überbieten war.

Er versuchte, den eben erlebten Traum zu vergessen. Sicherlich hatten seine Phantasie ihm nur einen Streich gespielt.

Ganz sicher.

Ohne jeden Zweifel.

Oder?

--- Deck 4, Gänge

Um keine Zeit zu verschwenden - der Captain hatte immerhin geklungen, als müßte alles ganz schnell über die Bühne gehen und würde alles um Leben und Tod gehen - legte Shania den ganzen Weg bis zum Lagerraum laufend zurück.

Zumindest FAST bis zum Lagerraum.

Als sie um die letzte Biegung kam, stolperte sie über etwas, das quer über dem Boden lag und ihr den Weg versperrte. Sie konnte ihren Sturz nicht mehr verhindern, aber etwas mildern, indem sie sich geschickt abrollte.

"Verdammt. Wer war das?", fluchte sie, während sie wieder aufstand und sich die Kleidung ausklopfte. "Wer zum Teufel...?" Doch als sie sich umdrehte, war ihr Ärger vergessen und die Worte blieben ihr im Munde stecken. Ein seltsames Gefühl befiel sie, daß sie sich nicht erklären konnte.

Sie war nicht über irgendein Gerät gestolpert, daß jemand unachtsam liegen gelassen hatte. Nein, es war Charly Alpha 1, der quer über dem Weg lag.

Aber der sonst immer so fröhlich vor sich hinplappernde Roboter, plapperte nicht mehr und gab auch sonst keinen Mucks von sich. Er lag ganz still da und schwieg. Beängstigend still, wenn man ihn kannte.

Bei genauerem Hinsehen schien sein Schweigen mit einer großen Delle zusammenzuhängen, die ein offensichtlich sehr schwerer Gegenstand hinterlassen haben mußte, der seine Kontrolleinheit getroffen hatte.

Was war ihm geschehen?

Shania löste sich aus ihrer Erstarrung und machte sich hastig daran zu versuchen den kleinen Putzroboter wieder zum Leben zu erwecken um Antworten von ihm zu erhalten, doch ihre Ergebnisse zeugten nicht gerade von großem Erfolg. Sie war ja auch erklärte Feindin aller Technik.

Unschlüssig blickte sie sich um. Es mißfiel ihr Charly hier schutzlos zurück zu lassen, doch ihn in den Lagerraum mitzuschleppen war auch keine viel bessere Idee. Zum einen war Charly kein Leichtgewicht, zum andern verhedderten sich seine Arme ständig.

Mit einem Seufzen ließ sie Charly letztendlich doch zurück und ging zum Lagerraum.

Zum Glück war sie auf dem Laufenden mit Martenghs wöchentlichen Codeänderungen für "unwichtige" Räume wie diese und so schaffte sie es mit nur zwei Anläufen die Tür zu öffnen.

--- Lagerraum für spezielle Sonderausrüstungen

Neben einer Vielzahl an Gerätschaften, die Martengh einfach bei Crewmitgliedern konfisziert hatte, die nicht hatten beweisen können, daß diese absolut harmlos waren oder deren Funktionsweise er nicht genau ergründen konnte, befanden sich hier auch einige alte und ausgemusterte Spionageteile von Martenghs Sammlung.

Darunter auch eine Comic-Serie mit rein zerstörerischen Inhalt, sowie eine "Röntgenbrille" die er einem gewissen Sam Fletcher abgenommen hatte, der Stein und Bein schwor, daß nur Blei seine Sicht beeinträchtigen konnte. Einer von den Leuten, die später auf die Venture vermittelt wurden. Shanias Meinung nach nur um diese endgültig der Vernichtung preis zu geben.

Nach kurzer Suche - Martengh war ein Pedant, wenn es um Ordnung in seinen "heiligen Hallen" ging - fand die Amerikanerin auch die gewünschten Communicatoren und umschloß sie fest mit ihrer Hand.

Ohne sich umzusehen, was sonst vielleicht Brauchbares für eine idiotische Mission wie diese hier lagerte, beeilte sie sich den Raum zu verlassen, der sich automatisch hinter ihr wieder verriegelte.

--- Deck 4, Gänge

Erschrocken hielt Shania mitten in der Bewegung inne und starrte auf den Fleck an dem sich eben noch der defekte Roboter befunden hatte. Aber der Platz war leer.

Charly Alpha 1 war verschwunden!

Aber die Amerikanerin war sich ganz sicher, daß er zu schwer beschädigt worden war um mit eigener Kraft von der Stelle zu kommen. Und es gab auch keinen Techniker, der mal eben vorbei gekommen war um ihn zu reparieren.

Nachdenklich musterte Shania die Gänge, doch weder konnte sie verräterische Schleifspuren entdecken noch eine Spur von Leben.

"Shania an Martengh, hier geht etwas Seltsames vor..." Kurz schilderte sie ihm Charlys unerwartetes Auftauchen, seine Beschädigung und daß er nach ihrem Besuch des Lagerraums verschwunden war.

Und zwar ohne Geplapper.

--- Lagerraum 3

Martengh hatte gerade die Tarnvorrichtung und ein paar Phaser und Disruptoren auf einen Antigravwagen gelegt, als Shanias Ruf eintraf.

Zuerst dachte er an ein genervtes Besatzungsmitglied, das seinem Ärger über Charlys Energieerzeugungs-Maßnahmen - im Volksmund 'Geplapper' genannt - Luft verschafft hatte. Aber warum sollte er dann die 'Leiche' verschwinden lassen?

"Ich werde mich darum kümmern, wenn ihr weg seid", erwiderte er.

Dann setzte er sich in Bewegung - nicht wissend, daß er gerade einen schweren Fehler gemacht hatte...

--- Shuttlerampe

Mit einiger Verspätung traf auch Gorm in der Shuttlerampe ein.

Unterwegs befielen ihn immer wieder schreckliche Phantasien, was alles bei der kommenden Mission passieren konnte. Immer wieder mußte der Ferengi die aufkeimende Panik niederkämpfen, die seine Schritte lähmten und so hatte er seine Kollegen bald aus den Augen verloren.

Seufzend dachte er an sein Gepäck, das noch immer in seinem Quartier lag, wo er es in der Annahme zurückgelassen hatte, er wäre nur für ein kurzes Bewerbungsgespräch unterwegs und gleich wieder zurück.

Ob er seine Mineraliensammlung von den verschiedensten planetaren Fundstellen in diesem Quadranten je wiedersehen würde? Er hätte sie doch schon beizeiten an einen anderen Sammler verkaufen sollen - schließlich war alles, was nach dem Tod zählte das Geld, das er im Leben davor verdient hatte.

Leichtsinnig hatte er seine Aufnahme in die ewigen Schatzkammern verspielt!

Diese Gedanken machten den verhinderten Geschäftsmann so wütend, das er die Kraft fand, auf das Shuttle zuzugehen und das Innere zu betreten.

--- im Shuttle

Stirnrunzelnd inspizierte der kleine Ferengi den hinteren Teil des Shuttles, während sich die anderen im vorderen Teil beschäftigten.

Luxuriös war es ja nicht gerade eingerichtet.

Gorm öffnete ein paar Fächer in den Wänden des Shuttles, in denen Werkzeuge und ähnliche Kleinteile der Ausrüstung untergebracht waren.

'Also hier passe höchstens ich hinein', dachte sich der Wissenschaftler und schloß die Klappen wieder.

Er ging an der kleinen Transporternische vorbei und sah sich in dem kleinen Raum um.

--- Deck 4, Gänge

"Ich werde mich darum kümmern, wenn ihr weg seid", äffte Shania den Caldonier nach, während sie schon wieder in Bewegung war und ihr Atem keuchend war. Sie nahm einen kleinen Umweg, der sie an den Kisten neben dem Turbolift vorbei zur Shuttlerampe führen würde.

Für den Fall, daß sich noch immer nicht alle beim Shuttle eingefunden hatten.

Entgegen ihrer Erwartung (Befürchtung?), daß die Ärztin und der Chinese schon auf dem Weg in Richtung Shuttlerampe waren, hockten die beiden tatsächlich noch auf den Kisten und schienen sich gut zu unterhalten.

--- Deck 4, Gänge, bei den Kisten

Außerdem bemerkte die Amerikanerin eine ziemlich traute Intimität zwischen den beiden. Jedenfalls kam es ihr einfach so vor, als hätte sie gerade erst eine Verschwörung geplant.

Ärgerlich über ihre eigenen Vermutungen schüttelte sie unwillig den Kopf und drückte dem fragend dreinblickenden Chinesen die Communicatoren in die Hand. Auch die Ärztin blickte nachdenklich zu ihr auf.

"Nehmen Sie sich einen und verteilen Sie den Rest an die anderen. Unser Roboter ist sabotiert worden und verschwunden. Ich habe das Gefühl, daß hier an Bord etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, obwohl wir eigentlich allein sein müßten. Deshalb werde ich hier bleiben um herauszufinden was hier läuft."

In ihrem Blick lag Bedauern. Es fiel ihr schwer die anderen alleine fliegen zu lassen, aber sie konnte auch nicht Monserat und Martengh im Stich lassen.

--- Deck 4, Gänge, bei den Kisten

Chi-Lo war, gelinde gesagt, vollkommen perplex. Er hatte nicht einmal gewußt, daß es überhaupt einen Roboter gab...

Oder doch?

Er war völlig verwirrt, die Ereignisse überschlugen sich ständig - und außerdem war er in den letzten Stunden entschieden zu häufig bewußtlos gewesen.

Er sah Shania hinterher, die sich ohne weiteren Kommentar Richtung Turbolift entfernte.

Der Chinese reichte der Ärztin die Hand: "Kommen Sie, Savannah. Die anderen warten sicher schon auf uns."

--- Shuttlerampe

Er betrat mit Savannah die Rampe - und blieb wie angewurzelt stehen. Das Shuttle sah wirklich arg mitgenommen aus.

Durch die Cockpitscheiben sah er Chedu und Aaron, die sich an den Konsolen zu schaffen machten.

Aber wo war Gorm? Vermutlich im hinteren Teil des Shuttles.

Als er den Anblick des Shuttles verdaut hatte, startete er den Versuch, die Stimmung innerhalb der Crew etwas aufzulockern und rief zum Shuttle herüber: "Communicatoren, meine Dame, meine Herren. Frische Communicatoren, gerade eingetroffen!

Lassen Sie sich ruhig Zeit und suchen Sie, Sie werden auf der ganzen Ivory keine besseren finden. Und schon gar nicht zu diesem Preis!", gebahr er sich wie ein Ferengi.

Theatralisch schlug er die Hände über den Kopf zusammen.

"Ihr Götter, warum bin ich so verrückt überlasse die Communicatoren zu einem solchen Preis? Das ist ja Diebstahl an mir selbst..."

Martengh hatte die letzten Worte des übergelaufenen Spions gehört, was ihn darin bestätigte, daß dieser Mann ein äußerst unzuverlässiges Element war. Schließlich mußte er ja am Besten wissen, wie gefährlich die Mission werden würde. Und trotzdem spielte er hier den Jahrmarktsclown.

Oder freute er sich einfach? Stand vielleicht sein Plan kurz vor der Erfüllung? Drehte es sich hier nur darum, Shania zu entführen?

Der Sicherheitschef nahm sich vor, sie zu überreden hierzubleiben, sobald sie eintraf. Er wunderte sich sowieso, wo sie blieb. Wollte SIE nicht die Communicatoren holen? Warum verteilte sie dann dieser Hauptverdächtige??

Hatte er vielleicht...

Er mußte sich SOFORT von ihrem Gesundheitszustand überzeugen. "Martengh an Shania", sprach er, noch während er seinen Communicator berührte. "Wo bleibst du? Dein Team ist schon komplett am Shuttle."

Mißtrauisch lauschte der Caldonier auf eine Antwort und aktivierte gleichzeitig ein kleines Gerät an seinem Gürtel.

"Ich bleibe hier. Irgend etwas stimmt hier nicht", lautete ihre kurze Antwort. "Ende."

Auf dem kleinen Gerät leuchtete eine grüne Lampe auf, was bedeutete, daß hier höchstwahrscheinlich die echte Shania gesprochen hatte. Eine Computersimulation der Stimme hätte das Gerät erkannt, leider versagte es bei simplen Aufzeichnungen, da die Sprache und Sprachmelodie dann in jedem Fall mit dem Original übereinstimmten.

Aber Aufzeichnungen hatten den Nachteil, daß man sich entweder auf kurze, nichtssagende Antworten beschränken, oder eine ganze Menge Aufzeichnungen besitzen mußte. Martengh bezweifelte, daß Chi-Lo dafür genügend Zeit gehabt hatte.

Trotzdem war sein Mißtrauen nicht ganz zerstreut, und er würde den Hangar erst öffnen, wenn er persönlich mit Shania geredet hatte.

Mit schnellen Schritten ging er auf das Shuttle zu, wo Chi-Lo gerade die Communicatoren unter die Leute brachte.

--- im Shuttle

Mit schnellen Blicken entschied sich Martengh für einen Standort der Tarnvorrichtung. Das etwa kopfgroße Gerät stellte er auf den Boden in die Mitte der hinteren Querwand. Dann betätigte er einen der Schalter, woraufhin - nichts passierte.

"Genie und Wahnsinn liegen dicht beieinander", murmelte Martengh vor sich hin. Zu der ihm am nächsten stehenden Person, also Gorm, gewandt, sagte er daraufhin: "Nur falls jemand Fragen haben sollte: Dieses Gerät habe ich bei einem Wissenschaftler in Auftrag gegeben, der sich leider allzu wörtlich an meine Anweisungen gehalten hat. Alle aktiven und passiven Scansysteme werden keine Probleme haben, das Feld zu durchdringen.

Wenn hinter dem Feld ein Floh hustet, kann man mit einem passenden Gerät die dortige Veränderung der Luftzusammensetzung messen. Alles, was sich innerhalb des Feldes befindet, wird jedoch ignoriert. Man kann also praktisch durch einen Elefanten hindurchscannen, um eine Maus zu finden. Der Konstrukteur hat bei dem Bau alles mögliche berücksichtigt, leider nicht das sichtbare Licht, was dem Gerät bisher einen praktischen Einsatz verwehrt hat.

Hier allerdings kann man es trotzdem verwenden, und zwar mit Hilfe einer kleinen Modifikation, die ich selber angebracht habe: Einem kleinen Holoemitter. Ich habe ihn so eingestellt, daß er exakt die Wand hinter dem Shuttle vor das Feld projiziert.

Was mich aber besonders geärgert hat ist, daß er vergessen hat, irgendwelche Anzeigen einzubauen, an denen man sehen kann, ob das Gerät eingeschaltet ist..."

Martengh legte einen Phaser in das Feld, ging aus dem Feld hinaus, scannte, fluchte leise, betätigte noch einmal den Schalter, ging wieder hinaus, scannte erneut und brummte zufrieden. Dann aktivierte er einen zweiten Schalter, woraufhin sich die hintere Kabinenwand optisch so weit nach vorne schob, daß sie ihn vollständig verdeckte.

Dann trat er durch die Wand hindurch, den Phaser wieder in der Hand und wunderte sich, warum Chi-Lo nicht inzwischen angefangen hatte, die Phaser und Disruptoren, die draußen noch auf dem Antigravwagen lagen, meistbietend zu versteigern.

--- Deck 4, Gänge

Shania hatte sich fast zu Tode erschrocken, als Martengh sie angepiept hatte. Zum Glück hatte sie sich in keiner Situation gefunden, in dem es sehr schlecht war Aufsehen zu erregen.

Sie stand einfach nur an dem Platz wo sie Charly zuletzt gesehen hatte und hatte versucht Spuren zu finden, die sie in der Eile übersehen hatte, aber da war rein gar nichts.

Der kleine Roboter schien sich nur einfach in Luft aufgelöst zu haben.

"Computer: Wo befindet sich Charly Alpha 1?", fragte Shania und erhoffte sich so zumindest einen Anhaltspunkt wo sie beginnen konnte herauszufinden was hier vor sich ging.

"Woher soll ich das wissen? Bin ich sein Kindermädchen?", schimpfte der Bordcomputer und bequemte sich dann zu einer vernünftigeren Antwort, vielleicht auch weil Miss Computer Shanias letzte Drohung noch in guter Erinnerung war. "Laut meinen Scans befindet sich Charly Alpha 1... nicht an Bord."

Das Gesicht der großen Amerikanerin hätte nicht dümmer aussehen können. Hörte sie doch da etwas, das total unmöglich erschien. Niemand konnte einfach so die Ivory verlassen ohne daß es jemand ausfiel. Nicht einmal Charly konnte aus der Luftschleuse fallen ohne bemerkt zu werden.

Abgesehen davon, daß er das letzte Mal gar nichts konnte.

"Computer wie viele Personen befinden sich an Bord?", fragte sie und die Antwort des Computer bestätigte ihre Annahme. Kein blinder Passagier war hier und die beiden Techniker an Bord waren selbst nach Martenghs Bewertung diesmal 98%ig loyal. Trotzdem erkundigte sie sich, ob sie einmal den Maschinenraum verlassen hatten, doch die Antwort bestätigte ihre Meinung, daß sie nichts mit der Sache zu tun hatten.

So blieben eigentlich nur die neuen Mannschaftsmitglieder, die den armen Charly so mißhandelt hatten, aber sie waren für keinen Moment allein gewesen und als sie im Turbolift nach unten fuhren und sich aufteilten, war sie es gewesen, die den direkten Weg zum Lagerraum eingeschlagen hatte und Charly gefunden hatte.

Hier ging etwas vor, daß theoretisch unmöglich war.

--- an Bord der Bragma II

Der große dynamisch wirkende Franzose schüttelte sein durch Genmanipulation blau gefärbtes Haar, seinen ganzen Stolz außer Lysides, als würde er noch immer nicht glauben können was er sah. Seine Augen hingen dabei wie gebannt an dem Stück Bildschirm, das ihm etwas zeigte, was ihm große Freude bereitete.

Das Frachtschiff Ivory näherte sich langsam aber beständig seinem Aufenthaltsort. Es schien sich im Dunkel des Weltalls wie eine Blinde voranzutasten auf der Suche nach ihm, der nicht blind, aber dafür kampfunfähig und gelähmt war.

Die blauen Augen von Frederic Leroi verfolgten den Flug der Ivory ohne ihn dabei wirklich wahrzunehmen. Seine Gedanken überschlugen sich und er versuchte zu ergründen, was in einem Mann wie Monserat in diesem Moment vor sich gehen mußte.

Dem Ziel seiner Begierde plötzlich so nah zu sein und das neue Aufflammen eines uralten Hasses in sich zu spüren.

Daß die Ivory eines von seinen Shuttles an Bord geholt hatten, war ein offenes Geheimnis für Frederic.

Nach Denninghams Laune zu schließen befand sich auch der Chinese Hu-Wang darauf, entweder schon bei seinen Ahnen oder zumindest würde er ihnen bald folgen, wenn er den leicht unverständlichen Reden seines 1. Offiziers Glauben schenken konnte, dessen Nase es ihm schwer machte zu atmen, geschweige denn sich verständlich zu artikulieren.

Nachdenklich rieb sich der Mann, der sich selbst Bragma nannte das seit Tagen nicht mehr rasierte Kinn und überlegte die Möglichkeiten was Monserat von ihm wollen könnte. Sich mit einem so leicht bewaffneten Schiff wie der Ivory auf ihn zu stürzen war purer Wahnsinn.

Aber im Grunde hatte er diesen Wahnsinn schon in Monserats Augen gesehen, nachdem er Verbindung mit ihm aufgenommen hatte und er endlich nach all den Jahren der Erleichterung und trügerischen Ruhe gemerkt hatte, daß es Frederic gelungen war sich in Sicherheit zu bringen, bevor die Bragma I explodiert war.

Der kleine Franzose, der ihm ein Glasauge zu verdanken hatte, war schon immer ein Verlierer gewesen und das sollte sich jetzt ein weiteres Mal beweisen. Gerald Monserat mußte längst erkannt haben, daß Bragma ein zweites seiner Schiffe bei sich hatte, trotzdem hielt er weiter unbeirrbar auf ihn zu.

Nun, es würde noch eine Weile dauern, bis sie mit diesem Tempo in ihre Reichweite kamen.

Jedenfalls damit die Ivory beamen konnte...

Ein tiefes von Wut entstelltes durch und durch boshaftes Lachen ging von Bragma aus, als er die Genialität von Operation Lysides noch einmal überdachte.

Die Augen von Leroi waren hellblau und kalt, selbst als er spürte, daß ein erneuter Anfall ihn gleich schütteln würde und das typische Nervenzittern einsetzte, galt all sein Haß seinem Freund, der ihm das gestohlen hatte, was er nie wieder finden würde.

Die Achtung vor sich selbst und seinen inneren Frieden.

Plötzlich platzte Denningham herein. Seine Visage war sonst schon furchterregend, aber mit seinen neuen Gesichtszügen konnte er auch die Hartgesottenen in Bragmas Mannschaft das Fürchten lehren. Besonders jetzt wenn er genauso grinste, als wenn er einem gewissen Chi-Lo gerade das Messer ins Herz gestoßen hätte.

Eine Tätigkeit, die auf seiner Liste mit geheimen Wünschen unangefochten Platz 1 eingenommen hatte.

"Habt ihr ihn?", fragte Bragma und musterte dabei seine verräterisch zitternden Hände. "Hat die Metallegierung der extremen Belastung stand gehalten oder ging etwas schief?"

"Ja, wir haben ihn", grinste Denningham breit. "Die Metallegierung hat den Test bestanden und wir konnten es über die Bühne bringen. Operation Lysides ist angelaufen. - Wir bauen ihn wie vereinbart gerade ein wenig um. Monserat wird sich sicher sehr über sein Geschenk freuen..." Damit zog sich Bragmas 1. Offizier wieder zurück und ließ den Captain allein.

Die kleine Tatsache, daß dieser Crasher fast alles verdorben hatte und den ganzen Plan zunichte gemacht hatte, verschwieg er tunlichst. Aus Zeitgründen, wie er sich selbst einreden wollte und weil ja noch alles gut abgegangen war.

Denn auch er wußte wie gefährlich es war den Captain bei einem seiner Anfälle zu beobachten und dabei ein zu nachdenkliches Gesicht zu machen. Gerade so, als stellte man die Fähigkeiten des Captains in Zweifel.

So etwas konnte durchaus tödlich enden.

--- im Shuttle

Gorm hatte dem Caldonier fasziniert bei seiner Arbeit zugesehen.

Was sich da für geschäftliche Möglichkeiten auftaten! Fast hätten ihn seine Phantasien von seiner prekären Situation abgelenkt.

Der Ferengi besann sich aber dann auf seine derzeitigen Pflichten und begab sich nach vor zur Pilotenkanzel. Er wollte sich den Navigationscomputer und den Autopiloten des Shuttles näher ansehen.

Interessiert hatte die Technikerin Martengh ebenfalls beim Testen seines Tarnfeldes beobachtet, verließ aber das Cockpit an Gorm vorbei um sich das mal genauer anzusehen und machte dadurch für diejenigen Platz, die auch wirklich was vom Fliegen verstanden.

Aus einer ihrer unzähligen Taschen ihres Overalls zog sie einen Tricorder und begann mit immer größerer Anerkennung für den Erfinder das Gerät zu scannen.

Alle Schmuggler der Galaxie würden sich um diese Technologie reißen. Und auch sie waren ja jetzt Schmuggler. Allerdings waren sie lebendig und keine Ware. Sondern etwas viel Tödlicheres, wenn der Plan klappen und sie heil wieder zurückkommen würden.

Ihr Blick fiel auf die Antigraveinheit, die ein recht nettes Angebot von Waffen enthielt. Chedu stellte zufrieden fest, daß sogar ein klingonischer Disruptor darunter war und nahm diesen und eine Ersatzenergiezelle an sich.

Anerkennend hatte der Chinese durch die Zähne gepfiffen, als er Martengh förmlich aus dem Nichts wieder auftauchen sah.

Das war eine wirklich praktische Erfindung.

Damit war kaum etwas unmöglich, was Spionage anging. Bragma würde sich ohne mit der Wimper zu zucken glatt seine blauen Haare abrasieren, um so etwas in seine Finger zu bekommen.

Ach, da gab es ja noch etwas, was er der Crew mitzuteilen hatte...

"Chedu, Gorm, Aaron. Irgend etwas Merkwürdiges geht hier vor.

Ein Roboter ist sabotiert worden und verschwunden, und deshalb bleibt Shania an Bord der Ivory. Wir fünf müssen das Abenteuer also alleine bestehen."

Er verschwieg seine Theorie, daß Shania diesen Roboter selbst hatte verschwinden lassen, um einen Vorwand zu haben, nicht auf diese Selbstmordmission mitgehen zu müssen.

Daß diese quasselnde Nervensäge von einer Blechbüchse verschwunden sein sollte, störte die Klingonin nicht weiter. Aber das Shania nun doch nicht zu dieser Mission mitkam, bedauerte Chedu. Sie hätte die hünenhafte Frau gern mal bei einen solchen Einsatz gesehen. Es wäre sicher von Vorteil gewesen sie dabei zu haben.

"Es ist in der Tat merkwürdig, daß jemand an dieser fehlerhaften Robotereinheit Interesse zu haben schien. Ich hoffe nur, dieser wandelnde Schrotthaufen kannte keine sensiblen Informationen."

Chi-Lo versuchte, unauffällig in die Nähe der Antigraveinheit zu gelangen, ohne dabei Chedu aus den Augen zu lassen.

Sie mußte eine Verrätern sein! Er hätte gleich wissen müssen, daß ein Mann wie Bragma bei einer offensichtlich sehr wichtigen Operation nicht nur einen Spion losschickte. Aber Bragmas Sonderagentin Chedu hatte sich soeben selbst verraten.

Er hatte nur von "einem Roboter" gesprochen, und Chedu wußte offensichtlich sofort, welcher Roboter genau denn nun verschwunden war.

Das war sehr verdächtig. Es war sogar unmöglich, daß sie es wußte. Es sei denn, sie war an diesem Verschwinden beteiligt.

Und soeben hatte sie sich auch noch mit einem Disruptor bewaffnet, sie konnte jeden Moment zuschlagen gegen die unbewaffnete Restcrew! Verdammt, er hatte für sein Leben genug von Klingonen!

Langsam rückwärts gehend, näherte er sich dem rettenden Waffendepot auf der Antigraveinheit.

Zwar hörte Savannah, daß ein Roboter sabotiert worden war, aber da sie neu an Bord war, zuckte sie nur mit den Achseln und blieb eine Weile nachdenklich wo sie war.

'Merkwürdig ist es schon... Egal, ich muß noch das Blut verteilen und eine Waffe brauche ich auch noch. Außerdem habe ich noch keinen Communicator.'

Geschäftig blickte sie sich um und strebte dann Chi-Lo zu, der sich langsam rückwärts gehend der Antigraveinheit mit den Waffen näherte.

"Hey, wir sind noch nicht fertig. Nicht einfach verschwinden. Ich brauche einen Communicator und was noch wichtiger ist deine Hände."

Auf das nervtötende und auch viel zu komplizierte Sie verzichtete die Bajoranerin absichtlich. Bei einem solch halsbrecherischem Kommando, hatte sie Wichtigeres zu tun als auf die Höflichkeit zu achten.

"Ich will das Blut jetzt im Shuttle verteilen."

Bildete sie sich das nur ein oder wurde der Mann beim Erwähnen des Blutes ein wenig blasser.

"Das schaffe ich schon allein, aber ich denke, daß sich ein paar blutige Fingerabdrücke von dir sicher gut machen werden. Die kann ich allerdings nicht machen und daher brauche ich deine Hilfe."

Entschuldigend hob die Ärztin ihre Hände und zeigte dabei Finger, die offensichtlich länger waren, als die des Chinesen. Sie rückte näher an Chi-Lo heran und ergriff seine Hände.

"Bitte reiß dich jetzt ein wenig zusammen", wisperte sie so leise, daß nur er es wahrnehmen konnte. "Es wäre verdammt peinlich für dich, wenn du gleich zu Boden fallen würdest wie ein nasser Sack Zement."

Vorsichtig öffnete die Ärztin dann das Röhrchen und goß dem Mann etwas Blut in jede Handfläche.

"Am Besten reibst du die Hände aneinander und beginnst dann damit ein paar Abdrücke im Shuttle zu verteilen. Ich werde dann mit dem Rest des Blutes herumsauen gehen."

Der Asiat wünschte die Ärztin innerlich zum Teufel.

Mit diesen blutigen Händen konnte er sich unmöglich unverfänglich eine Waffe von der verlockend nahen Antigraveinheit schnappen, ohne daß die Klingonin Verdacht schöpfte.

Und ein Rausplappern seiner Entdeckung kam unter den gegeben Umständen natürlich auch nicht in Frage...

Völlig machtlos ging er zum Shuttle und fragte in die Runde: "Nun, wo soll ich die ersten Spuren hinterlassen?"

Das Blut an seinen Händen ließ in ihm Übelkeit aufsteigen.

Gorm hatte die ganze Zeit in einer Ecke gestanden und die Geschehnisse mit gemischten Gefühlen beobachtet.

Es gab keinen Zweifel mehr - die Mission begann wirklich.

Der Ferengi sah aus dem Shuttle auf die Waffen, die Martengh dort vorbereitet hatte. Nein, das war nichts für ihn. Er konnte ja nicht einmal damit umgehen!

Aber einen dieser Spezialcommunicatoren, einen von denen, sollte er sich vielleicht doch nehmen.

Zaghaft ging er auf den oliv-farbenen Terraner zu: "Ähm, ... Mr. Lo, könnte ich vielleicht auch einen dieser Communicatoren haben?"

Der Hüter über die Communicatoren hob die blutverschmierten Hände und sagte: "Ich kann die Dinger gerade nicht rausfischen, aber hier, in der linken Brusttasche, da können Sie sich einen rausfischen, Gorm."

Mit weit vom Körper gespreizten Händen ging der in die Knie, damit Gorm überhaupt eine Chance hatte, an die Brustasche heranzukommen.

Gorm fischte sich einen der kleinen Spezialcommunicatoren aus der Tasche des Chinesen.

Er nickte Chi-Lo noch einmal dankbar zu und justierte das Gerät an einem winzigem Regler so, daß es seinen empfindlichen Ferengiohren nicht schaden konnte.

Am Schluß setzte sich der Ferengi das Kommunikationsgerät nahe seinem Universaltranslator in sein rechtes Ohr ein - eine empfindliche Sache, die seine ganze Aufmerksamkeit erforderte.

Chedu war gerade dabei einen Ausrüstungsgürtel umzuschnallen um den Disruptor und die Energiezelle daran zu befestigen, als ihr Blick auf den Chinesen fiel, der mit blutigen Händen vor dem Ferengi-Wissenschaftler kniete, damit dieser an seine Brusttasche gelangen konnte.

Diese Szene hatte etwas so Komisches an sich, daß die Klingonin schallend los lachte.

Als sie sah, wie der Ferengi etwas in sein Ohr steckte, fiel ihr wieder ein, daß der Pilot ja die Spezialcommunicatoren hatte, die sie bei diesem Auftrag benötigten. Immer noch breit grinsend ging sie zu ihm herüber, beugte sich, als er gerade im Begriff war aufzustehen, über ihn "Sie gestatten doch...?" und fischte sich einen Communicator aus seiner Tasche.

Über die Angst die sie in seinen Augen sah schmunzelnd, wandte sich Chedu von den Piloten ab und betrachtete den Communicator in ihrer Hand näher.

Es war einer von der Sorte, die so konstruiert waren, daß man sie nach außen unsichtbar und unhörbar im Ohr plazieren konnte. Gesteuert wurden sie durch Stimmkommandos. Diese gelangten durch eine Verbindung zwischen Mund und Mittelohr zu den Sensoren des Communicators. Es war die gleiche Verbindung, die von der Natur ursprünglich für den Druckausgleich im Mittelohr angelegt worden war.

Sie plazierte das winzige Gerät so in ihrem rechten Ohr, daß es bequem saß, aber nicht herausfallen konnte. Erneut zog die Technikerin ihren Tricorder hervor. "Chedu an Gorm. Können Sie mich gut verstehen?", gab sie leise von sich und deutete mit ihrem Scanner entlang der Luftlinie zwischen sich und dem Ferengi.

Zufrieden brummend las sie einige Werte ab. "Sehr gut. Die Communicatoren benutzen einen recht untypischen und dadurch unauffälligen Frequenzbereich", meinte sie an die Gruppe gewandt.

"Was meinen Sie? Ist das Signal ausreichend verschlüsselt?", fragte sie den Ferengi-Wissenschaftler.

Gorm hatte mit seinem feinen Gehör die leisen Übertragungsgeräusche wahrnehmen können, bevor sie vom eingebauten Microcomputer über den rotierenden Codegeber entschlüsselt und ihn verständliche Laute umgewandelt wurden.

Aber selbst ein mathematisches Genie wie er, tat sich schwer, den Code eines verschlüsselten Kommunikationssignals ohne Hilfsmittel nur im Kopf zu entschlüsseln.

Entschuldigend lächelnd sah er deswegen zur Klingonin auf: "Naja, es klang zumindest schön unverständlich."

Erneut lachend steckte Chedu ihren Tricorder wieder ein. "Sie sind wirklich witzig, Mr. Gorm." schmunzelte sie den Ferengi an. "Ich wollte eigentlich wissen, wie leicht unsere Kommunikation von der Bragma II abgehört werden könnte, wenn sie zufällig auf das Trägersignal stoßen sollten. Was ich zwar eigentlich nicht annehme, aber dessen ich mir natürlich nicht vollständig sicher sein kann."

Der Chinese hatte wie paralysiert dagestanden, als diese verräterische Klingonin in seine Brusttasche gepackt hatte.

In Gedanken war er verschiedene Nahkampftechniken durchgegangen, mit deren Hilfe er die Klingonin hätte außer Gefecht setzen können. Aber irgendwie hatte er sich nicht zum Angriff entschließen können.

Es war im Allgemeinen Selbstmord, einen Klingonen unbewaffnet anzugreifen. Obwohl selbst nicht ganz unbewandert im Kampfsport, war er sich durchaus der Tatsache bewußt, daß die meisten Klingonen in dieser Hinsicht viel mehr Erfahrung darin hatten, und im Allgemeinen hatten sie auch die umfassendere Ausbildung.

Nein, er mußte die Klingonin von hinten mit einer Waffe attackieren. Dabei war er sich darüber im Klaren, daß Chedu, als sie hinter ihm gestanden hatte, ihn jederzeit mit ihrem Disruptor hätte desintegrieren konnte, wenn sie nur gewollt hätte. Er hatte atemlos versuchte sich nichts von seinen Erkenntnissen Chedus wahrer Natur betreffend anmerken zu lassen, dabei hatte ihm das Herz bis zum Hals geschlagen.

Er würde nicht einmal sehen, was auf ihn zukam, wenn sie sich entscheiden sollte, jetzt loszuschlagen...

Aber die Klingonin hatte sich tatsächlich nur, den Communicator geholt, und jetzt fachsimpelte sie mit Gorm.

Er wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn - und verfluchte sich dafür gleich wieder, denn nun hatte er das halbe Gesicht voll Blut.

Voller Begeisterung war Savannah durch das Shuttle gewandert und hatte das restliche Blut aus dem Röhrchen verteilt. Höchste Zeit sich eine Waffe auszusuchen und den Communicator endlich einzusetzen. Zufrieden ging sie zu der Antigraveinheit und betrachtete die Auswahl an Waffen.

Nach einer kurzen Bedenkzeit entschied sie sich für einen Standardphaser der Sternenflotte und ein dolchartiges Messer. Letzteres verschwand mit einem Lächeln in ihrem Stiefel.

'Soll mich nur angreifen wer will. Es wird demjenigen schlecht bekommen', dachte sie kampflustig.

Vorsichtig steckte sich die Bajoranerin den gesicherten Phaser in ihren Hosenbund und fummelte dann den Communicator in ihr Ohr.

"Das diese Dinger so klein sind. Den finde ich ja nie mehr wieder", murrte sie, während sie überprüfte, ob er festsaß.

'Das technische Zeugs überlasse ich aber besser der Klingonin und dem kleinen Ferengi. Bei meinem Talent sprenge ich versehentlich das Shuttle in die Luft, wenn ich mich an den Maschinen zu schaffen mache.'

"Hey, Chi-Lo, wie weit bist du denn mit den Fingerabdrücken? Ich würde mir gern dein Kunstwerk ansehen", fragte die Ärztin und drehte sich zu dem Chinesen um.

Mit einem Ruck hatte sie den medizinischen Tricorder aus der Tasche gerissen und scannte den anscheinend schwer verletzten Mann. Stutzig blickte sie auf die Werte, verstaute das Gerät an seinem Platz und sah den Mann an. Sie benetzte einen Finger mit Speichel und wischte ihm über das Gesicht.

"Meine Güte hast du mich erschreckt! Du solltest das Blut im Shuttle verteilen, nicht dein Gesicht damit waschen", blaffte die Ärztin.

"Jetzt habe ich natürlich alles verbraucht und kann dich nochmal anzapfen. Wenn du dich bei der Leitung der Mission genauso dämlich anstellst, fürchte ich um unser aller Leben. Zu ärgerlich das Shania nicht mitkommt."

Der Chinese brauchte irgendwie eine Ablenkung von seinen düsteren Gedanken Chedu betreffend.

Er sah die wütende Ärztin an und setzte das auf, was er für ein entwaffnendes Lächeln hielt.

Neckisch meinte er: "Aber Savannah, es ist doch noch genug Blut da." Spielerisch berührte er mit seinem Zeigefinger ihre Nasenspitze, die daraufhin einen roten Tupfer aufwies. "Siehst du?"

Er zwinkerte der Ärztin zu und begann, mit den Resten des Blutes an seinen Händen die Konsolen zu dekorieren, so gut es eben ging.

Entgeistert blickte die Bajoranerin Chi-Lo an, wischte über ihre Nase und schüttelte den Kopf.

'Nicht aufregen, wir sind ein Team. Was bringt es, wenn wir untereinander streiten', beruhigte sie sich selbst.

Dieser Tag war bisher schon aufregend genug gewesen. Kein Wunder, daß die Nerven der jungen Frau aufs Äußerste gespannt waren. Mit Mühe unterdrückte sie ein gewaltiges Gähnen. Schließlich hatte sie in der letzten Nacht keinen Schlaf bekommen.

Erschöpft entdeckte sie einen freien Platz, machte es sich dort bequem und war kurz darauf eingenickt.

Chi-Lo betrachtete sein Werk. Wenn er Blut hätte sehen können, dann hätte sich vielleicht so etwas wie Künstlerstolz in ihm geregt, aber so mußte er schon mit einem leichten flauen Gefühl im Bauch leben...

Aber irgendwie schien er sich langsam an das Blut zu gewöhnen. Für dieses Mal, zumindest.

Er ging kurz zum Schallbecken und reinigte sich die Hände.

Dann betrachtete er die schlafende Savannah. Richtig friedlich sah die resolute Ärztin aus, wenn sie ihn nicht gerade anzapfte oder maßregelte. Er wunderte sich sehr, daß sie so kurz vor einem Auftrag schlafen konnte.

Die Kleine mußte wirklich Nerven aus Stahltrossen haben. Unglaublich.

Aber es gab noch ein Problem mit einer Klingonin, das es zu lösen galt.

Chi-Lo ging zur Antigraveinheit und positionierte sich so, daß er Chedu immer im Auge hatte. Dabei inspizierte er die Waffen.

Er unterdrückte ein Gähnen.

Ein Phaser Typ 3 und drei Wurfsterne würden mit Sicherheit gute Dienste leisten.

Er gähnte herzhaft.

Mit einiger Freude sah er eine Würgedrahtschlinge, die...

Das Bild vor seinen Augen verschwamm.

Benommen schüttelte er den Kopf, aber ein gigantisches Gähnen konnte das nicht verhindern.

Seine Knie wurden weich. Er mußte sich hinlegen, nur kurz ausruhen, der Einsatz würde noch ein paar Minütchen warten können.

Er wischte die Waffen mit einer fahrigen Bewegung beiseite, legte sich auf die Antigraveinheit, und in diesem Moment dämmerte ihm, daß es doch merkwürdig sei, daß zwei Mannschaftsmitglieder in einem so unpassenden Augenblick müde wurden. Dann schlief er ein.

Das plötzliche Geräusch von herunterfallenden Gegenständen alarmierte Chedus Sinne. Angespannt drehte sich die Klingonin herum und ließ ihren Blick konzentriert durch das Shuttle schweifen. Verdutzt erblickte sie die schlafende Bajoranerin. Sie ging ein paar Schritte weiter Richtung Luke um den Ursprung des Geräusches zu orten und brach erneut in Gelächter aus, als sie auch den Chinesen schlafend vor fand.

Grinsend wandte ging sie zum Replikator und bestellte zwei Tassen Raktajino. Eine davon drückte sie den Ferengi in die Hand: "Versuchen Sie doch mal die Ärztin aufzuwecken, ich kümmer mich solange um den Chinesen" und ging mit der anderen Tasse Chi-Lo.

"Achja und schauen Sie gleich mal nach, ob nicht auch noch der andere Terraner in der Kanzel eingeschlafen ist", rief sie Gorm noch über die Schulter zu und beugte sich über die Antigravbare und rüttelte den Menschen nicht sonderlich sanft aus seinen Träumen.

Sie hielt den sich erschreckt aufrappelnden Chinesen die dampfende Tasse vor Gesicht: "Hier, damit Sie wieder wach werden. Und wenn das nicht reichen sollte, können Sie sich ja immer noch von der Ärztin eine Stärkung geben lassen. Sofern auch sie bis dahin wach ist.", fügte sie kopfschüttelnd hinzu.

Er saß in einem dieser antiken Düsenjäger aus dem 20. Jahrhundert der Erde und flog mit MACH 1,5.

Die Erschütterungen und Vibrationen waren nicht auszuhalten.

Plötzlich geriet die Maschine außer Kontrolle.

Eine Tragfläche knickte ab.

Die Maschine drehte sich wie wild im Kreis und ging in den freien Fall über.

Der Höhenmesser zeigte an, wie sich die Maschine in rasendem Tempo auf die Erde zubewegte.

Die Fliehkräfte raubten ihm die Sinne.

Er mußte, wach bleiben, die Augen öffnen, er mußte...

Mit übermenschlicher Willenskraft schaffte er es tatsächlich, seine Augen zu öffnen.

Jetzt wußte er auch, woher diese Vibrationen und Erschütterungen kamen: Dieses Biest von Klingonin packte ihn gerade und schien ihn angreifen zu wollen!

Nebulös konnte er noch den Gedanken fassen, daß die Klingonin wohl alle Crewmitglieder vergiftet haben müsse, damit sie einschlafen oder gar den Tod finden.

Er wollte nach einem der umherliegenden Phaser greifen, doch da schwanden ihm schon wieder die Sinne.

Kraftlos ließ er die Waffe aus einen Fingern gleiten und ergab sich wehrlos den tiefen Strudeln tosender Schwärze, die ihn herunterzogen in ein Reich, wo er sich wenigstens keine Sorgen mehr machen mußte.

Auch Gorm flößte der Bajoranerin etwas von dem Tee ein und versuchte sie wachzurütteln.

An die Klingonin gewandt, rief er: "Irgendwie dürften die beiden betäubt worden sein! Ist ja sonderbar, daß wir nicht davon betroffen sind."

"Ich befürchte langsam auch, daß wir einen Saboteur unter uns haben", antworte sie ihm. "Dieser Chi-Lo ist auf jeden Fall nicht wach zu halten. Und dann davor diese merkwürdige Sache mit dem Roboter der verschwunden ist..."

Chedu entnahm einem Seitenfach des Shuttles ein Medikit. Sie holte daraus einen medizinischen Tricorder hervor und scannte damit erst den Chinesen, dann die Bajonerin. Da sie von Medizin nichts verstand, übermittelte sie die gewonnen Daten an den Computer der Ivory.

"Computer. Analysiere die eben übermittelten Biowerte auf Giftstoffe oder sonstige Anomalien. Irgendeinen Grund, warum sie nicht bei Bewußtsein sind."

"Analysiere ... Na kein Wunder, daß dieser süße Kerl in deiner Gegenwart eingeschlafen ist", ertönte die zickige Stimme des Bordcomputers. "Und die Kleine ist wohl einfach nicht belastbar."

"Wie hilfreich", grollte die Technikerin, der nun schon lange nicht mehr zum Lachen zumute war und ging weiter zur Shuttlekanzel um nach dem anderen Menschen, von dem sie schon eine Zeit nichts mehr gehört hatte, zu sehen.

--- Bragma II, Mannschaftsquartiere

Mißgelaunt ließ Kol'mar sich auf seine Couch im Quartier fallen.

Dieser Trottel von Denningham hatte ihn gerade zur Sau gemacht, weil er angeblich die Zielerfassungsscanner auf den Subraumsequenzen nicht genau genug justiert hatte.

So Blödsinn! NIEMAND beamte in den Subraum, und deshalb waren die Zielerfassungsscanner nicht einmal darauf ausgelegt, den Subraum zu scannen! Dieser Halbaffe von Denningham wußte das natürlich nicht.

Aber IHM, Kol'mar, wurden mal wieder Vorwürfe gemacht. Gut, nachdem er die Musterpuffer mit den externen Sensoren in der Deflektorsphalanx verbunden hatte, konnte jetzt auch in der gewünschten Art und Weise gescannt werden. Nur hatte er absolut keine Ahnung, wozu das gut sein sollte!

Der Cardassianer haßte die ganze Atmosphäre an Bord dieses Schiffes. Niemand wurde über die Ziele von Aufträgen informiert. Immer gab es nur Andeutungen, und den Rest mußte man sich selbst zusammenreimen.

Früher, als der Captain noch gesund war, da war das was anderes gewesen. Vor 5 Jahren hatte er sich Bragmas Haufen angeschlossen. Damals ging es darum, unauffällig ein paar Bajoraner zu besorgen, weil sie zu dieser Zeit einen ganz guten Preis brachten.

Und darin war Kol'mar absoluter Spezialist gewesen. 10 Jahre lang hatte er auf Bajor die Drecksarbeit für den obsidianischen Orden gemacht. Immer nur als Handlanger, ein kleiner Fisch. Aber er hatte wenigstens gelernt, wie man Bajoraner jagte. Darin war er fast unschlagbar.

Jahrelang war es ihm als Sklavenjäger in Diensten Bragmas gut ergangen. Kol'mar stellte keine Fragen, und Bragma zahlte gut. Richtig gut.

Aber das Wesen des Captains hatte sich verändert, seitdem er an diesen Nervenzuckungen litt. Niemand war mehr sicher vor seinen Wutausbrüchen und deren Folgen. Selbst der Schiffsarzt Lork, ein Ferengi mit einer geradezu übernatürlichen Gabe, den Wert von potentiellen Sklaven mit nur einem Blick exakt einzuschätzen, war davor nicht sicher gewesen.

Ein schlimmer Fehler Bragmas, wie Kol'mar sicher glaubte. Lork war nicht so einfach zu ersetzen.

Der hatte immer sofort sagen können, welchen Gefangenen man mitnehmen könnte, und wessen man sich lieber entledigte. Nun würden sie häufiger "Fehleinschätzungen" durchfüttern, und das kostete Geld.

5 Jahre lang hatte sich Kol'mar damit zufrieden gegeben, daß ihm keine Hintergründe zu Aufträgen mitgeteilt wurden.

Seitdem dieses verfluchte Schlitzauge aber auch ihn selbst fast mit dem Warpkern ins Jenseits geschickt hatte, wollte er mehr über diesen Auftrag wissen! Mit wem legte sich Bragma an?

Falls die Geschichte überhaupt stimmte, und tatsächlich dieser Hu-Wang der Schuldige war. Die "offizielle Version" stank gewaltig.

Kol'mar suchte nur noch nach einer Möglichkeit, dieses Schiff zu verlassen, um sich irgendwohin unauffällig abzusetzen. Er hatte die Schnauze, auf gut cardassianisch gesagt, gestrichen voll.

--- Ivory, Shuttle

Nun hatte Gorm so überhaupt keine Ahnung von Medizin.

Ratlos sah der Ferengi abwechselnd auf die beiden Bewußtlosen, hinter der Klingonin her und auf das offene Medikit. Was sollte er bloß tun?

Endlich rang sich der Wissenschaftler zu einer logischen Entscheidung durch: Wenn hier niemand was von Medizin verstand, mußte er wen auftreiben, der eine Ahnung davon hatte.

Die einzige Person, von der er das wußte, lag bewußtlos vor ihm - vergiftet, wie er annahm.

Er begab sich zum Medikit und begann es zu untersuchen...

Einige Zeit später hielt Gorm triumphierend einen Hypospray mit einer kleinen Ampulle in der Hand - ein Universalantitode.

Schnell hielt er das Gerät an den Hals der Bajoranerin und entlud dessen Inhalt in ihren Körper.

Jetzt hieß es abwarten. Der Ferengi hoffte, daß er nichts Falsches gemacht hatte.

Wie vom Blitz getroffen richtete sich die Ärztin auf und blickte sich verständnislos um.

'Wie merkwürdig. Ich habe geträumt, daß mir jemand ein Hypospray gegeben hat.'

Savannahs Blick blieb an Gorm hängen und langsam begriff sie, daß der Einsatz des Hyposprays kein Traum gewesen war. Heftig riß sie ihm das Spray aus der Hand und überprüfte welches Gift sie verabreicht bekommen hatte.

'Gut nur ein Kreislauf anregendes Mittel. Kein Grund zur Besorgnis.'

"Darf ich fragen, was Sie vor hatten? Darf man hier nicht mal ein kleines Nickerchen halten? Wecken Sie mich einfach. Rufen Sie mich beim Namen. Wenn man an mir herumrüttelt, werde ich nicht wach. Ich hoffe, Sie haben sich keine Sorgen gemacht... Habe in der letzten Nacht nicht eine Minute geschlafen."

Herzhaft gähnend stand die Bajoranerin auf und band ihre rotbraunen Locken zu einem Zopf zusammen.

"Viel geschlafen habe ich nicht, aber besser als nichts. Also warum wecken Sie mich? Geht es endlich los, oder gibt es etwas für mich zu tun?"

"Es tut mir leid, daß ich Sie schon so vorzeitig geweckt habe, aber wir brauchen ihre Hilfe als Ärztin", entschuldigend lächelte der kleine Wissenschaftler die Bordärztin an, "nicht nur Sie sind hier eingeschlafen, sondern auch unser Kollege dort hinten", dabei deutete er auf Chi-Lo.

"Auch Sie konnte ich nur mit dem Medikament aus dem Medikit wecken. Irgend etwas stimmt da nicht. Warum hat es nur sie beide getroffen? Oder sind sich Bajoraner und Terraner um soviel ähnlicher als zum Beispiel Klingonen oder Ferengi?" Ratlos blickte Gorm Savannah an.

Müde strich sich die Ärztin mit der Hand durch das Gesicht.

"Wie, Chi-Lo schläft auch? Gorm, mit ihm und mir ist alles völlig in Ordnung. Wir waren allem Anschein nach nur ziemlich erschöpft. Naja, Chi-Lo ist offensichtlich noch ziemlich erledigt, aber das haben wir gleich."

Grinsend ging sie zu dem Chinesen, beugte sich über ihn und hauchte ihm einen Kuß auf Stirn, Nasenspitze und Lippen.

"Hallo Schneewittchen, hier ist der Prinz der dich wach küßt. Zeit aufzustehen, es wartet viel Arbeit auf uns."

Gebannt beobachtete Savannah das weitere Geschehen.

[.....]

Kopfschüttelnd kramte die Bajoranerin wieder ihren Tricorder hervor und scannte den schlafenden Mann. "Die Werte sind völlig normal. Er schläft tief und fest, aber er sollte eigentlich wach werden, wenn ich das tue."

Mit einem Ruck zog sie Chi-Lo von der Trage und begann ihn zu schütteln. Aber da der Chinese sich offensichtlich hartnäckig weigerte wach zu werden, schlug sie ihm mit der flachen Hand links und rechts ins Gesicht.

"Ich weiß echt nicht, was mit ihm los ist..."

Zur Sicherheit verabreichte sie der Schlafmütze per Hypospray noch eine riesige Dosis Koffein. Dann ließ sie ihn unsanft auf seinen Schlafplatz fallen und wartete erneut ab.

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