Ivory Chronik 1

"Mayday! Mayday!"

--- Sternbasis 12, Ivory, Quartier des Captains

'Bragma...'

Captain Monserat drückte das kristallene Weinglas in seiner Hand so fest zusammen, daß es mit einem Klirren in tausend Stücke brach, dabei funkelte in seinen Augen ein Feuer, das normalerweise nicht darin glomm, auch wenn er noch so sehr mit seiner Mannschaft schrie, weil er wieder mal seine Autorität untergraben sah. Ein wunder Punkt bei seiner geringen Körpergröße.

Auf seiner Hand zeigten sich innerhalb von Sekunden feine Rinnsale aus Blut, welche die restlichen Glasscherben in der Hand in einen warmen Rot-Ton tauchten. Er bemerkte es gar nicht. Sein Blick war noch immer starr nach vorne auf den Monitor des Terminals gerichtet, seit er die Übertragung beendet hatte.

'Bragma...', wiederholte sein Geist ständig und ein schon seit langem verdrängter Groll kam in ihm hoch, als wäre er nie weggewesen.

Der kostbare Bordeaux, den der kleine Franzose immer direkt aus dem terranischen Frankreich importierte, tropfte achtlos zu Boden und hinterließ eine häßliche rote Lache auf dem kostbaren Teppich in seinem Quartier. Sie wirkte wie Blut und wenn jemand den Captain jetzt gesehen hätte, dann hätte er auch wirklich daran geglaubt.

Wie lange mochte es bereits her sein?

Ein Jahr?

Jahre?

Jahrzehnte?

Auf den Tag genau 25 Jahre war das Versprechen her, das sie sich gegeben hatten, als sie sich das letzte Mal gegenüber standen und sich angestiert hatten wie zwei wilde Bestien, die jeden Moment auf einander losgehen würden um sich zu zerfleischen:

"Der Haß zwischen uns wird ewig dauern und der Kampf wird niemals ein Ende finden..."

Unwillkürlich hatte Monserat die Worte laut ausgesprochen und fuhr zusammen, als er sie selbst hörte. Er erwachte aus seiner tiefen Trance und fuhr sich mit der Hand über seine Augen, als könnte er damit dem seltsamen Spuk aus der Vergangenheit ein Ende bereiten, doch der noch immer flimmernde Monitor machte ihn darauf aufmerksam, daß es dieses Gespräch gegeben hatte und es kein Traum gewesen war.

Bragma lebte noch und er war gar nicht mal so weit entfernt von hier.

Die Hand des Franzosen schmerzte und das rhythmische Pochen zog sein Interesse auf sich. Erst jetzt bemerkte er, daß er sich geschnitten haben mußte. Mit einem angewiderten Gesicht sah er sich die Bescherung an und befahl dann Charly, sein Quartier zu säubern.

--- Deck 2, Gänge

Während der Captain mit einem sehr nachdenklichen und verschlossenen Gesichtsausdruck zur Krankenstation ging, auf die er bereits Shania hinbeordert hatte, damit sie ihm bei der Wundversorgung etwas zur Hand gehen konnte - Arzt war keiner mehr an Bord - kamen seine Gedanken keine Minute zur Ruhe.

Als er von der Explosion der Bragma I gehört hatte, war er der festen Ansicht gewesen niemals mehr etwas von seinem Erzfeind zu hören, doch jetzt hatte er sich von selbst bei ihm gemeldet. Das bewies Monserat zum einen, daß er noch lebte und zum anderen, daß er sich über ihn informiert hatte, vielleicht ihn sogar schon längere Zeit beobachten ließ, was wiederum darauf schließen ließ, daß er etwas im Schilde führte.

Bragma...

Sie waren gemeinsam aufgewachsen, hatten mit den gleichen Spielsachen gespielt und hatten alles mit einander geteilt, sogar ihre gemeinsamen Hobbys. Beider Ziel war es, einmal Händler zu werden und unsagbar schönen wie auch unschätzbaren Reichtum um sich zu scharen, an dem sich das Auge erfreuen konnte. Obwohl sie nur Freunde waren, waren sie wie unzertrennliche Brüder gewesen.

Als sie heranwuchsen, waren Frauen zwischen ihnen nie ein Thema gewesen, da sie so sehr damit beschäftigt waren, die Besten zu werden, um gemeinsam ein Schiff zu führen und so gab es nichts, was diese Harmonie hätte gefährden können.

Bis zu dem Tag als Lysides aufgetaucht war.

Sie war eine Göttin. Eine Schönheit, wie sie kein irdisches Auge je erblickt hatte. Ein Blick genügte und beide waren gefangen von ihrer makellosen Anmut und ihrer sagenhaften Vollkommenheit.

Zuerst war es nur ein Spiel gewesen, als sie die Karte gestohlen hatten, die zu einem unermeßlichen Schatz führen sollte. Sie wollten ihren Spaß auf der Suche haben, mit dem festen Gewissen, dort nichts zu finden, außer Sand und Staub. Allein die Jagd und ein kleines Stückchen Hoffnung vielleicht ja doch etwas zu finden, trieb sie an sich auf dieses Abenteuer einzulassen.

Und dann fanden sie in einer kleinen verwitterten Kiste unter einem Haufen Abfall und dem Resten eines bereits vor Urzeiten verfallenen Hauses einer Ruinenstadt sie. Lysides. In ihrer beider Augen die perfekte Frau.

Handgemacht aus edlem Platin mit Augen aus geschliffenen Edelsteinen einer fernen Galaxie, fein geschwungenen Lippen aus Gold, Haaren wie Seide aus fein gesponnenen Silber und einem geschlungenen Kleid, daß aus einem Metall zu bestehen schien und doch weich und glänzend war wie allerfeinster Brokat.

Für Bragma und Gerald veränderte sich die Welt von einem Tag auf den anderen. Nicht nur, daß sie plötzlich einen unermeßlichen Reichtum in den Händen hielten, der nur ihnen beiden gehörten, flammte Neid und Gier in ihnen auf ihn alleine besitzen zu wollen.

Sie konnten nicht schlafen aus Angst der andere würde dann den Schatz stehlen und sich aus dem Staub machen. So quälten sie sich bis zur Erschöpfung weiter, bis beide schließlich auch geistig am Ende ihrer Kräfte waren. Dann entbrannte ein verbitterter Streit zwischen den beiden, die dahin bis Brüder waren.

Er endete damit, daß die beiden sich schlugen und Bragma es schließlich schaffte Monserat die Statue aus den Händen zu reißen und sie ihm mit voller Wucht über den Kopf zu schlagen. Der Schlag allein hätte nicht genügt um den Franzosen zu betäuben, doch der anschließende Schmerz den er empfand, als er unglücklich stürzte und mit dem Gesicht auf ein paar Steine fiel, tat es. Ein besonders scharfer Stein bohrte sich dabei in sein linkes Auge.

Voll Schmerz und Wut schrie Gerald auf und es war ein Schrei, der auch Bragma durch und durch ging, der erkannte, wozu sie sich hatten verleiten lassen. Der Reichtum hatte sie blind vor Gier werden lassen.

Das Auge des Franzosen war nicht mehr zu retten. Doch davon merkte Monserat nichts, da alles um ihn herum in wohltätige Nacht versank.

Aber statt dem Schicksal eine Wende zu geben und seinem Freund wenigstens jetzt zu helfen und Hilfe zu holen, eilte Bragma nach Hause und erzählte allen, daß Monserat ihn schon kurz nach Aufbruch der Reise wegen einer schönen Frau allein hatte weiterziehen lassen und er nicht wüßte, was aus ihm geworden sei. Da jeder die beiden als gute Freunde kannte, schöpfte niemand Verdacht.

Zum Glück wurde Monserat aber von ein paar reisenden Händlern gefunden, die ihn ärztlich versorgten und ihm so sein Leben retteten.

Danach kam es noch einmal zu einem Treffen zwischen den beiden Männer, die sich mit einem Mal mehr haßten, als sie sich als Brüder je geliebt hatten. Doch anstatt endlich einzusehen was er getan hatte nur um des Reichtums Willen, lachte Bragma, dessen Fund in wissenschaftlichen Fachkreisen eine Sensation war und ihm einen nie gekannten Ruhm und Anerkennung einbrachte, seinen früheren Freund aus.

"Der Haß zwischen uns wird ewig dauern und der Kampf wird niemals ein Ende finden...", waren die Worte, die sie sich schworen, bevor das Schicksal sie für immer trennte.

Zumindest bis heute.

Das war vor genau 25 Jahren gewesen.

Man hatte dem Franzosen seither einige Male angeboten sein fehlendes Auge durch ein funktionierendes künstliches zu ersetzen, doch Monserat hatte immer wieder abgelehnt. Er wollte niemals an dieses Ereignis vergessen. Der Junge von damals hatte sich geschworen niemals mehr in seinem Leben jemand zu trauen. Besonders keiner Frau.

Und doch hatte er seinen Schwur gebrochen, indem er Martengh vertraute. Zwar hatte dieser ihm das Leben gerettet, doch der Junge von damals wäre weiter mißtrauisch geblieben. Trotz allem.

Stirnrunzelnd betrat der Captain die Krankenstation, wo er bereits erwartet wurde.

--- Krankenstation

Shania wollte den Mann begrüßen, der wie ein Vater für sie geworden war und ihn fragen, womit sie ihn helfen konnte, doch er wirkte seltsam verschlossen und gebot ihr mit einer Geste zu schweigen.

Statt dessen zeigte er ihr seine Hand.

Beim Anblick seines Gesichtes, in dem eine Härte lag, die früher nie dagewesen war, verzichtete Shania auf die Frage nach dem Grund für seine Verletzung und säuberte und desinfizierte seine Wunden schweigend.

Auch in ihrem Kopf geisterte etwas herum. Schon seit dem Beginn ihrer letzten Reise. Aber sie wagte eigentlich nicht mal daran zu denken. Trotzdem nagte es an ihr und jetzt vor ihrer Weiterreise, wo sie nach einer neuen Crew suchten, ganz besonders.

"Ich muß mit dir über etwas sprechen. Es ist wichtig", fügte sie hinzu, bevor der Captain ihr wieder zu schweigen gebot.

Doch trotz allem und der Vergangenheit, die ihn gerade eben wieder mit unvermittelter Härte eingeholt hatte, war Monserat durch und durch Captain und so mußte er sich die Geschichte der Amerikanerin anhören. Denn sein Schiff ging ihm über alles und auch Shania war ihm wichtig, auch wenn er sich jetzt ihr Schweigen gewünscht hätte.

"Worum geht es?", fragte er und das Reden fiel ihm schwer. Seine Stimme klang müde und kraftlos.

Die Amerikanerin schüttelte den Eindruck ab, daß Monserat keine Wundversorgung brauchte, sondern etwas anderes ihn viel mehr schmerzte und begann zu erzählen:

"Es geht um Martengh. Er benimmt sich seltsam seit der letzten Reise. Zunächst war da der Vorfall wo er Pino mit Foster verwechselt hat, dann mich mit der Sicherheitschefin der Privateer. Später war er die Ruhe selbst, als der Klingone seine Türen mit dem Disruptor zerschoß, den er eigentlich gar nicht hätte besitzen dürfen und auch auf die Idee die Ratten in den Weltraum zu beamen war erst Zirt gekommen.

Ganz zu schweigen davon, daß Martengh kein Wort dazu gesagt hatte, als wiederholt im Maschinenraum geschossen wurde. Er, der Sicherheitsfanatiker traut Leuten, die das ganze Schiff mit einem Schuß hätten in die Luft jagen können..."

An Monserats Gesicht konnte man erkennen, daß es hinter seiner Stirn zu arbeiten begann. Ohne es wirklich zu wollen und aus reiner Sorge hatte Shania Mißtrauen im Captain gesät.

Und die Saat war aufgegangen.

"Du hast recht, das ist untypisch für ihn. Ich werde mich diesmal selbst darum kümmern, wer eingestellt wird und wer nicht", murmelte Monserat, während er schon aufstand und dabei war die Krankenstation zu verlassen.

Shania sah ihm nach und konnte das Gefühl nicht unterdrücken einen Fehler gemacht zu haben.

--- Sternbasis 12, Raumdock, vor der Schleuse der Ivory

Chi-Lo schrak auf. Zuerst wußte er nicht genau, wo er sich befand. Doch schon bald fiel es ihm wieder ein: Bragma, sein Captain, hatte ihn hierher geschickt. Der Chinese erinnerte sich...

Es war gestern gewesen, als Bragma ihn zu sich rufen ließ. Das Gespräch hatte unter vier Augen stattgefunden.

"Chi-Lo!", hatte der windige, schmierige Schmugglerkapitän zu ihm gesagt. "Du wirst mit einem Shuttle zur Sternbasis 12 fliegen. Dort beziehst du Stellung vor der Schleuse zu einem Schiff namens 'Ivory'. Beschatte diese Schleuse und versuche, herauszufinden, wer dieses Schiff betreten will. Ich habe gehört, daß der Captain dieser Ivory neues Personal sucht. Frage die Bewerber unauffällig aus. Ich möchte wissen, wer dort anheuert!"

Der Asiat kannte diese Art von Aufträgen. Es gehörte zu Bragmas Lieblingstaktiken, im Privatleben von Crewmitgliedern anderer Schiffe herumzuschnüffeln, um sie bei Zeiten zu taktisch günstigen Gelegenheiten erpressen zu können.

Und er, Chi-Lo, der diese Taktik insgeheim nicht billigte, sollte ihm diese Namen wieder einmal beschaffen.

Und so war er mit Denningham, einem Piloten Bragmas, zur Sternbasis 12 geflogen. Er hatte die erste Wache vor der Schleuse halten sollen, um anschließend von Denningham abgelöst zu werden. Aber die ersten Stunden waren so fürchterlich langweilig geworden, weil absolut niemand diese Schleuse passierte, und so mußte er wohl eingeschlafen sein...

Der Chinese konzentrierte sich wieder auf die aktuelle Situation und sah, wie eine große, blonde Frau den Communicator an der Schleuse zur Ivory betätigte und ein paar Worte hineinsprach. Noch bevor Chi-Lo reagieren konnte, sah er, wie die Schleuse sich öffnete und die Frau hindurchging. Das Schleusentor schloß sich wieder. Langsam erhob der Asiat hinter den Kisten, hinter denen er wohl eingenickt sein mußte.

'Mist!', dachte er. Nun wußte er noch nicht einmal, ob sie schon länger zur Mannschaft der Ivory gehörte, oder ob sie eine neue Bewerberin gewesen war. Naja, Captain Bragma mußte ja nicht unbedingt davon erfahren...

"Wer war das denn?", fragte eine scharfe Stimme hinter ihm.

Chi-Lo fluchte innerlich. Er kannte diese Stimme. Sie gehörte zu Denningham. Mußte dieser verfluchte Pilot auch immer zum falschen Zeitpunkt auftauchen?

"Och, das war nur..., irgend jemand...", stammelte der 'Spion' in Diensten Bragmas. Seine Gedanken arbeiteten fieberhaft. Denningham war sein Intimfeind gewesen, seitdem der die Bragma II betreten hatte. Der Pilot würde keine Gelegenheit ungenutzt lassen, ihm zu schaden. Der immer noch völlig benommene Piratensohn brauchte eine Ausrede, und zwar schnell!

"Du gelbhäutiges Mistschwein, du hast wieder gepennt!" Verächtlich spuckte der grobschlächtige Denningham vor Chi-Lo aus. " Na warte nur, bis ich das Bragma erzähle..."

Ein Strahl aus Denninghams Phaser traf den unglücklichen Asiaten und schickte ihn in ein tiefes, dunkles Reich...

--- Shuttle der Bragma II

Chi-Lo wachte auf. Er war durch ein Kraftfeld im hinteren Teil des Shuttles gefangen. Denningham hatte ihn festgesetzt. Der Pilot bemerkte jetzt den Erwachenden und drehte sich zu ihm um.

Hämisch lachend meinte er: "Ich werde jetzt zur Bragma II zurückfliegen und dem Captain erzählen, wie du alles verbockt hast. Der wird dich ins All hinausblasen lassen, denn du weißt ja gar nicht, was auf dem Spiel steht! Operation 'Lysides' ist gefährdet. Bragma wird dich umbringen, du Arschloch!"

'Operation Lysides' war gefährdet? Chi-Lo hatte noch nie von einer solchen Operation oder einem solchen Namen gehört. Was sollte das nur sein?

Aber er hatte im Moment sowieso andere Sorgen. Er mußte hier raus, und zwar schnell!

Leider war daran nicht zu denken, weil Denningham das Kraftfeld mit Anästhesiegas flutete....

Chi-Lo wußte nicht, wie lange er geschlafen hatte. Aber als er erwachte, sah er durch ein Fenster die Bragma II näherkommen. Er und Denningham befanden sich also im Anflug.

"Denningham an Bragma II", hörte er den Piloten sagen. "Haltet die Arrestzelle bereit. Ich habe hier einen Gast, den ich zu Euch hinüberbeamen werde." Dann gab er die Koordinaten der Arrestzelle in das shuttleeigene Transportersystem ein.

Der Gefangene kannte die Arrestzelle. Hier wurden des öfteren unglückliche Gegner gefangen gehalten, auch bei dem ein oder anderen Sklavenhandel hatte sie schon 'gute Dienste' geleistet. Natürlich waren eine solche Zelle und auch der Sklavenhandel ausgesprochen illegal, aber so 'geschäftsschädigende' Vorschriften hatten Bragma schon immer herzlich wenig interessiert.

Denningham drehte sich zu Chi-Lo um. Dann fiel sein Blick auf einen in goldgepreßtes Latinum gefaßten Lapislazuli an einer Kette um den Hals des Todgeweihten. Eine kostbare Antiquität der untergegangenen korelianischen Hochkultur. Gier flackerte in seine Augen auf.

Der Pilot schnappte sich seinen Phaser. "Kraftfeld deaktivieren!", wies er den Computer an und näherte sich mit gezogenem Phaser Chi-Lo. "Her mit dem Amulett!", befahl er barsch.

Die Gier machte Denningham unvorsichtig. Chi-Lo rammte ihn den Handballen unter die Nase, die mit einem hörbaren Knacken zersplitterte. Ein Handkantenschlag gegen die Halsschlagader, und der Pilot sackte in sich zusammen.

Der Asiate ließ Denningham liegen, rannte zur Steuerkonsole und beamte seinen Widersacher in die Arrestzelle der Bragma II. Dann nahm er die Waffenphalanx des Raumschiffes unter Phaserbeschuß. Glücklicherweise hatte dieses die Schutzschilde wegen des Beamvorganges deaktiviert, und so zeigten die Phasersalven volle Wirkung. Fast augenblicklich waren die Schiffsphaser außer Gefecht gesetzt.

Chi-Lo ging auf Maximum Warp und nahm Kurs auf Sternbasis 12. Doch die Bragma II nahm die Verfolgung auf, und Chi-Lo wußte, sie würde bald in Photonentorpedoreichweite sein, weil sie das wesentlich stärkere Antriebssystem hatte.

Der Flüchtende fluchte herzhaft. Wie sollte er Bragma entkommen?

In einem waghalsigen Manöver flog er den nächsten Sternennebel an. Die Bragma II hielt vor dem Nebel Wache. Der Chinese war verzweifelt. Er griff zum äußersten Mittel: manövrierte das Shuttle im Nebel so, daß das Warpkernabstoßungssystem direkt auf die Bragma II zeigte. Dann betätigte er das Notfallabstoßungssystem. Der Warpkern raste Richtung Bragma II...

Zwanzig Sekunden lang geschah rein gar nichts.

Dann gab es einen ohrenbetäubenden Knall, und Chi-Lo wurde von der Druckwelle des explodierenden Warpkernes quer durch das Shuttle geschleudert.

Er rappelte sich auf. Durch die Detonation war das Shuttle aus dem Nebel herauskatapultiert worden. Der Blick auf die Trümmer der Bragma II war frei...

Doch es gab keine Trümmer. Der Mut des Asiaten sank, als er die Bragma II noch immer offensichtlich vollständig erblickte. Doch dann sah er, daß das Schiff stark beschädigt worden war.

Er wendete das ebenfalls beschädigte Shuttle und achtete fieberhaft auf die Anzeigen für die Bragma II. Doch deren Antriebssysteme waren offensichtlich ausgefallen.

Photonentorpedos rasten von Bragmas Schiff auf das Shuttle zu, doch dieses war außer Reichweite. Offensichtlich war das Raumschiff manövrierunfähig.

Chi-Lo jubelte. Wie in Trance gab er Kurs auf Sternenbasis 12 ein.

Das Kommsystem leitete automatisch eine Nachricht von der Bragma II auf die Lautsprecher. Undeutlich rauschend hörte der Chinese die Stimme von Captain Bragma.

"Ich werde dich finden und töten, Hu-Wang!", erklang die erstaunlich ruhige und sachliche Stimme des Captains rauschend. "Du bist so tot! Tot! Tot!"

Der Asiat schaltete die Lautsprecher ab. Das Shuttle raste mit maximaler Impulsgeschwindigkeit der Sternbasis 12 entgegen...

--- Sternbasis 12, Gänge

"Vielen Dank für die Auskunft, Lieutenant Danvers. Es ist schon spät, ich werde wohl besser gehen", mit diesen Worten hatte sich Brianna O'Neill in der Stationsbar verabschiedet um so schnell wie möglich aus dem Etablissement zu kommen.

Nun ging sie durch die Gänge der Raumstation.

Sie mochte keine Bars. Zwar hatte sie eine Weile in dieser gearbeitet, doch tat sie das gegen ihren Willen und nur um Geld zu verdienen. Nachdem sie dort lautstark gekündigt hatte, bekam sie die Chance als Helferin in der Krankenstation zu arbeiten. Diese Arbeit fand sie als angenehm und steigerte sich immer weiter hinein und wollte mehr als nur als Helferin tätig sein. Doch das war auf der Sternbasis nicht möglich, wie der leitende medizinische Offizier ihr freundlich mitteilte und so versuchte die junge Frau herauszufinden wo ihre Zukunft lag.

Deshalb hatte Brianna sich mit Lieutenant Danvers getroffen, der ein Bekannter ihrer Mutter war. Er hatte anscheinend immer einen Rat oder Tip zur Hand. So auch heute.

Der schon etwas alternde Mann hatte ihr den Tip gegeben, sich mal bei Captain Monserat zu melden. Sein Schiff, die Ivory, dockte zur Zeit an der Station an und außerdem suchte der Captain eine neue Crew.

Aber sollte sie es wirklich wagen? Ein neues Leben anfangen? Schon wieder?

Erst vor drei Jahren waren die rotblonde Irin und ihre Mutter Juliette O'Neill auf die Station gekommen. Damals waren sie vor Briannas Vater geflohen. Dieser hatte jahrelang seine Frau mißhandelt und die Wut und der Hass auf ihren Vater wurden von mal zu mal stärker. Doch anscheinend störten die Schläge Juliette nicht weiter. Zwar weinte sie viel, war schreckhaft und ging kaum aus dem Haus, doch wollte sie sich nie von ihrem Gatten trennen.

Brianna hatte das nie verstanden. Hatte nicht verstanden warum eine Mutter ihr eigenes Kind vernachlässigte um einem Mann hörig zu sein. Die Dreiundzwanzigjährige hielt nicht sehr viel von ihrer Mutter und verachtete sie manchmal sogar.

Getrennt hatte sich Juliette erst von ihrem Mann, als dieser anfing auch seine Tochter zu schlagen.

Mitten in der Nacht flohen sie und kamen durch einen Nachbarn, der ein Sternenflottenrentner war, irgendwann auf Sternbasis 12, wo sie schon bald beide Arbeit fanden.

Die mißtrauische Brianna hatte lange gebraucht um sich an die vielen Menschen zu gewöhnen und noch viel länger um Freundschaften zu knüpfen.

Eigentlich hatte sie nur einen einzigen Freund. Den Bajoraner Kirs Pijor. Sie hatten sich in der Bar kennengelernt und da Pijor nicht aufgab Gespräche mit Brianna anzufangen, verabredeten sich die beiden. Fast zwei Monate hatte er dafür gebraucht, aber es hatte sich gelohnt. Unzertrennlich waren sie seit dem und außerdem kam Brianna durch den bajoranischen Arzt zu ihrer neuen Arbeitsstelle.

Mittlerweile war Brianna vor dem Holodeck angekommen. Sie brauchte jetzt einfach etwas Natur, auch wenn diese nicht echt war.

--- Holodeck

Brianna stand mitten in einer grünen Idylle, die typisch für Irland war. Ein schmaler Pfad wand sich durch hohe Wiesen, hin und wieder sah man ein paar Bäume. Im Gras leuchtete es rot, gelb und weiß. Es gab viele Blüten und sogar das Summen der Insekten war zu hören.

Mit einem Haargummi, das die Irin immer bei sich trug, band sie ihre lange Lockenpracht zu einem Pferdeschwanz zusammen und ging dann im gemächlichen Tempo den Weg entlang.

Immer wieder wog sie die Möglichkeiten ab, was besser wäre. Hier zu bleiben und nie ein eigenes Leben zu führen, oder weg zu gehen und ganz auf sich allein gestellt zu sein.

Weg von Mutter, das war kein Problem. Gar keins. Doch es würde bedeuten, daß sie auch Pijor verlassen müßte. Er war in ihrem Leben ihr einziger Freund und eigentlich auch ein Bruderersatz gewesen.

"Jeder muß mal ein Opfer bringen", sagte sie laut und faßte in diesem Moment einen Entschluß. Sie würde bei Captain Monserat vorsprechen und zwar gleich. Sie nickte so heftig das ihre Haare wippten und verließ das Holodeck.

--- Sternbasis 12, Quartier von Gorm, zur gleichen Zeit

Ächzend erhob sich Gorm von der Liege in seinem Quartier. Er hatte auch schon besser geschlafen!

Die Betten an diesen Plätzen waren einfach nicht weich genug! Wenn er sich da an sein weiches Bett auf Ferenginar erinnerte...

'Genug!', rief sich der Wissenschaftler zu Ordnung. Es gab heute Wichtigeres zu tun! Außerdem hatte er sein Bett schon längst verkaufen müssen.

Erst mußte er sich um einen neuen Job umsehen!

Seine Barschaft würde zwar wahrscheinlich noch einige Zeit anhalten - hier auf Föderationsgebiet war die Lebenserhaltung verschwenderisch billig, aber er befand sich schon zu lange am selben Ort!

Er war sich sicher, daß sein Bruder Zur ihn schon gefunden hatte und gerade Pläne schmiedete sich an ihm zu rächen.

Es war geradezu unwahrscheinlich, wie schnell er ihn jedesmal aufspürte! Und das nur, weil er Zur in einem Wutanfall in den Weltraum geschossen und ihm dann sein Shuttle geklaut hatte!

Naja! Vielleicht hätte er ihm doch etwas von dem Verkaufserlös zukommen lassen sollen.

Nachdenklich kletterte der junge Ferengi aus dem für ihn viel zu großem Bett und begab sich zum Sanitärbereich der Kabine.

Kurze Zeit später war Gorm gewaschen und angezogen und begab sich zum Terminal.

Mit geübten Handgriffen aktivierte er das Gerät und loggte sich in die lokalen Stellenangebote ein.

Gleich die erste Anzeige bot das an, was er suchte: "Von: Shania Twillan, Handelsraumer Ivory. Unser Schiff unter Captain Gerald Monserat braucht eine neue Besatzung! Bezahlt werden die allgemein üblichen Tarife. Interessenten sprechen bitte vor Ort vor."

Begeistert jubelnd deaktivierte Gorm das Terminal, um gleich freudig aus seinem Quartier zu stürmen.

--- Promenadendeck

Grübelnd kam der kleine Ferengiwissenschaftler auf dem Promenadendeck an.

Irgend etwas hatte er vergessen! Wenn er nur wüßte was!

Gedankenverloren ging Gorm immer weiter, ohne wirklich auf den Weg zu achten.

Dabei überhörte er die wüsten Beschimpfungen, wenn er anderen Passanten den Weg abschnitt, die ihm oft in halsbrecherischen Manövern ausweichen mußten.

--- Promenadendeck

Mit einer großen Tasche auf dem Rücken hatte Chedu den Andockbereich verlassen und war mit dem nächsten Turbolift zum Promenadendeck gefahren. Als Erstes wollte sie mal ihr Gepäck loswerden und hatte sich kurzfristig ein Schließfach gemietet. Es schien halbwegs vertrauenswürdig zu sein und sie hatte ihre Tasche darin verstaut.

Die Klingonin schlenderte über die leere im halbdunkel liegende Promenade. 'Auf der Station scheint wohl gerade "Nacht" zu sein.' Eine Kneipe hatte noch offen.

--- Stationsbar

Außer dem bolianischen Barkeeper, der wohl nun schon zum hundertsten Mal die Gläser polierte, hielt sich niemand darin auf. Sie setzte sich an die Theke und bestellte einen Raktajino. Erfreut endlich Kundschaft zu haben, auch wenn es eine Klingonin war, plapperte der Bolinaner drauf los, während er sich daran machte den Kaffee zuzubereiten.

Chedu ignorierte den Wortschwall des Barkeepers, der ihr gerade eifrig den neuesten Stationsklatsch erzählte und einen Raktajino hinstellte. Sie nahm die dampfende Tasse und nahm genießerisch den Geruch auf, bevor sie einen kleinen Schluck trank.

Zufrieden dachte sie an ihren letzten Job zurück, der einigermaßen lukrativ war. Zudem war es eine Herausforderung für sie gewesen aus den schnellen Maschinen des Schmugglerschiffs noch mehr Leistung heraus zu kitzeln. Leider hatten die wenigsten Schiffe, auf denen sie bisher gearbeitet hatte auch nur annähernd Systeme die in so guter Verfassung waren.

Seufzend trank sie noch einen Schluck Kaffee.

Erst jetzt wurde die Klingonin wieder der Gegenwart des Barkeepers gewahr, der kurz stutzte, aber sein Geplapper wieder aufnahm, als er bemerkte, daß sie ihn wieder ansah. Chedu horchte auf, als er von einem weiterem Schiff erzählte, das angedockt hatte und deren Captain anscheinend eine neue Besatzung suchte.

"Was ist das für ein Schiff?", fragte sie.

Der Bolianer unterbrach kurz seinen Redeschwall um gleich darauf mit gleichen Tempo weiter zu reden: "Die Ivory ist ein Frachtschiff unter dem Kommando von Captain... wie war nochmal sein voller Name? Ach ja, Gerald Monserat. Ein Terraner. Ziemlich klein geraten, wenn Sie mich fragen. Überhaupt ein ziemlich merkwürdiger Kerl. Es heißt, daß er viele wertvolle Sammlerstücke in seinem Besitz hat. Ich hab einmal gehört, daß ein Ferengi..."

Chedu unterbrach ihn beim Ausschmücken seines Tratschs und fragte ihn nach dem Liegeplatz der Ivory. Nicht, daß sie sofort auf einen neuen Arbeitsplatz angewiesen war, einige Rücklagen hatte sie noch, aber sie wollte sich doch mal das Schiff ansehen. Vielleicht war das ja sogar ein halbwegs legaler Posten. Wäre mal was anderes.

Sie trank den Raktajino aus, zahlte, ließ den schwätzenden Barkeeper einfach stehen und begab sich zum nächsten Turbolift.

--- Raumdock, vor der Schleuse der Ivory

Einige Minuten und viele wütende Passanten später stand der Wissenschaftler auf dem menschenleeren Platz vor der Schleuse der Ivory.

Zielstrebig ging er auf die Kommunikationsvorrichtung des Schiffes zu und - hatte ein Problem:

Der Communicator befand sich auf der Standardhöhe von 1,75 m. Kein Problem für die meisten Personen in diesem Sektor - ein ganz gewöhnliches Routinemanöver: Communicator aktivieren, sich melden und auf Rückmeldung warten.

Der 1,15 m 'kleine' Gorm hatte aber Schwierigkeiten bei dieser simplen Tätigkeit: er kam nicht einmal an die Kontrollen heran, geschweige denn, daß er sie bedienen konnte!

Zusätzlich fiel ihm wieder ein, was er auf dem Weg von seinem Quartier vergessen hatte: Es war gerade mitten in der Nacht auf Sternbasis 12!

Das war ihm natürlich auf dem Promenadendeck nicht aufgefallen, da war zu jeder Zeit etwas los.

Hier im Dockbereich konnte er aber lange warten, bis er Hilfe fand!

Frustriert stand Gorm vor dem Schleusentor, blickte mißmutig zum Communicator hoch und grübelte über das Problem nach.

Nachdem sie entschlossen bis hierher gekommen war, blieb Brianna ziemlich unschlüssig stehen. Plötzlich war sie sich gar nicht mehr so sicher. Ein mulmiges Gefühl machte sich in ihrer Magengegend breit, ihr Herz raste und ihre Hände zitterten.

Mittlerweile war es recht leer auf der Station, ihr kam in den Sinn, daß es schon recht spät sein mußte. Doch bevor sie es sich anders überlegen konnte, wurde sie auf eine andere Person aufmerksam.

Es war ein recht kleiner Ferengi, der ihr gerade mal bis zur Hüfte reichte. Dieser stand vor dem Kommunikationsterminal und schien schon fast verzweifelt.

Brianna ging zu ihm hin und tippte ihm auf die Schulter. "Entschuldigung, kann ich Ihnen behilflich sein?", fragte sie freundlich.

Gorm wandte sich zu der weiblichen Stimme, die ihn von hinten angesprochen hatte und mußte - wie gewöhnlich - seinen runden Kopf weit in den Nacken legen.

Nervös irrten seine Augen über den Körper der Frau, unfähig, lange an einer Stelle zu verweilen, ohne sie anzustarren. Er hatte sich noch immer nicht an den Anblick bekleideter Frauen gewöhnt! Er mußte allerdings zugeben, daß ihn nackte Frauen auch aus der Fassung brachten.

"Danke! Das wäre in der Tat äußerst freundlich von Ihnen! Sie bewerben sich auch hier?", erwiderte der ferengische Wissenschaftler fragend.

Noch bevor die Terranerin zu einer Erwiderung kam, setzte er fort: "Oh, Verzeihung, ich vergaß mich vorzustellen: Mein Name ist Gorm, Mineralologe, Mathematiker und Verkaufsstratege. Mit wem habe ich das Vergnügen?"

Mit diesen Worten streckte das kleine Genie der Frau die Hand entgegen.

Etwas verwirrt nahm Brianna seine Hand an und schüttelte diese leicht. Sie hatte schon früher Ferengi kennengelernt, doch diese waren nie so freundlich gewesen. Höchstens zu freundlich, so daß man annehmen mußte, daß diese eine schleimige Spur hinterlassen mußten. Und dieser war dazu auch noch höflich.

"Mein Name ist Brianna O'Neill, hiesige Krankenschwester. Doch jetzt brauche ich mal einen Tapetenwechsel und man sagte mir, daß Captain Monserat eine neue Crew sucht. Wer hätte gedacht, daß sich noch jemand um diese Zeit bewerben will", meinte sie mit einem verschmitzten Lächeln, das sie selbst erstaunte.

Sie, Brianna O'Neill unterhielt sich locker mit einem fremden Mann und lächelte auch noch.

'Hm, müssen die Ohren sein', dachte die rotblonde Irin in einem Anflug von Humor.

"Dann werde ich uns mal anmelden", mit diesen Worten drehte sie sich zum Terminal um, betätigte die Tasten und wartete auf Antwort.

--- ganz in der Nähe, zur gleichen Zeit

Abschätzend ließ die Klingonin ihren Blick aus einem Fenster über den Frachter wandern. Er schien nicht mehr der Neuste zu sein und die Deckanordung wirkte für ein Schiff diesen Typs etwas eigenwillig. 'Mal sehen, was dieses Schiff zu bieten hat...'

--- vor der Schleuse der Ivory

Chedu bog um die Ecke und sah zwei Personen vor der Luftschleuse stehen. Eine Terranerin mit roten Haaren und einen wirklich winzigen Ferengi.

'Scheint so als wäre ich nicht die einzige, die sich für dieses Schiff interessiert.' Chedu musterte die beiden beim näher kommen. 'Ich hoffe dieser Ferengi heuert nicht auch an', dachte sie angewidert. Sie konnte diese kriecherischen, lüsternen und ehrlosen Kreaturen einfach nicht ausstehen.

Die Klingonin erinnerte sich voll Abscheu an eine zurückliegende Fahrt, bei der sie einmal für einen Ferengi gearbeitet hatte. Sie hatte sich ziemlich zusammen reißen müssen um ihm nicht seinen aufgeblähten Schädel einzuschlagen.

Die beiden sahen zu ihr auf, als sie sie bemerkten. Chedu warf dem Ferengi einen geringschätzigen Blick zu und grüßte dann die Terranerin mit einem leichten Kopfnicken. "Sind Sie gerade dabei die Ivory zu kontakten? Ich hab mit deren Captain was zu besprechen."

Bitter nahm der Ferengiwissenschaftler den Blick der Klingonin wahr.

'Nicht schon wieder! Wieder einmal eine Frau, die mich für wertlos hält! Wenn ich nur nicht so viel Pech hätte, dann würde ich mir schon längst eine Partnerin gekauft haben!', dachte Gorm, sich selbst bedauernd!

"Ich begrüße Sie, ehrenhafte Klingonin! Mein Name ist Gorm. Ich bin Wissenschaftler und Gelegenheitshändler", freundlich blickte er die Klingonin an. Zumindest er konnte ja höflich bleiben!

Ja, Miss O'Neill war gerade so freundlich, das Schiff zu kontaktieren. Ich hatte leider ein kleines Problem dabei!", entschuldigend blickte er zu der Frau auf, die noch immer nicht ihren Namen genannt hatte.

Verblüfft schaute Chedu zu dem Ferengi herunter. 'Ein Wissenschaftler...' Und dann grüßte er sie auch noch respektvoll. Sie zog eine Augenbraue hoch. Er schien nicht nur was seine Körpergröße anbelangte kein typischer Ferengi zu sein. 'Na, wenn er auch in dem Punkt kein typischer Ferengi ist, so hat er sich doch eben selbst als Händler bezeichnet. Aber vielleicht versucht er sich mit der höflichen Anrede ja auch nur bei mir einzuschmeicheln.'

Immer noch leicht irritiert achtete die Klingonin sorgsam darauf, daß ihr dieser Zwerg nicht zu nahe kam, erwiderte aber seinen Gruß mit einem leichten Kopfnicken.

"Gut", antworte sie knapp.

--- Ivory, Martenghs Kabine

Martengh war schon durch den ersten Annäherungsalarm geweckt worden. Irgend jemand schien sich vor der Schleuse der Ivory herumzutreiben, allerdings hatte dieser Jemand bislang darauf verzichtet, sich anzumelden, was der paranoide Sicherheitschef als extrem verdächtig einstufte.

Die Überwachungskamera zeigte einen leeren Gang, was bedeutete, der Eindringling war entweder unsichtbar oder er hatte sich auf die Erde gehockt, was in jedem Fall bedeutete, daß ein Anschlag zumindest möglicherweise geplant war.

Dann jedoch näherte sich eine Frau und unterhielt sich mit jemandem, der sich außerhalb des Erfassungsbereiches der Aufnahmekamera aufhielt. Martengh sah, wie sie eine Hand schüttelte und wenig später wortlos das Terminal betätigte.

Als er sich gerade melden wollte, gesellte sich eine Klingonin zu der Gruppe. Martengh ahnte, daß die ruhige und vor allem sichere Zeit an Bord dieses Schiffes nun beendet war. In der vagen Hoffnung, daß es sich bei den Leuten lediglich um einen Technikertrupp handelte, der das Terminal reparieren wollte, bellte er durch die Sprechanlage: "Wer stört mitten in der Nacht?"

--- Sternbasis 12, vor der Schleuse der Ivory

Erschrocken fuhr der Ferengi auf der eigenen Achse herum und starrte zur Sprechanlage, ohne einen Ton heraus zu bringen!

Leicht belustigt sah Chedu, wie dieser Gorm zusammenzuckte, als sich eine mürrische Stimme aus der Sprechanlage meldete. Sie stellte sich neben die Frau, die anscheinend O'Neill zu heißen schien und antwortete anstatt ihrer mit fester Stimme:

"Mein Name ist Chedu, Tochter der Rodra. Ich möchte mit dem Captain, Gerald Monserat sprechen." Sie warf einen Blick über ihre Schulter. "Neben mir stehen noch zwei Personen, die ebenfalls ein Anliegen zu haben scheinen."

--- Ivory, Martenghs Quartier

Die Augen des Sicherheitschefs verengten sich. Die Klingonin hatte kein Wort davon verlauten lassen, daß sie eine Stelle suchte, sondern daß sie und ihre drei Komplizen mit dem Captain reden wollten.

Typische Attentäter.

Aber Monserat hatte sich ja ausbedungen, diesmal die Personalverhandlungen selber in die Hand zu nehmen. Wahrscheinlich schlief er sowieso schon.

Schnell unterbrach er die akustische Verbindung und kontaktierte seinen Captain, der sich wider Erwarten sofort meldete: "Monserat, es stehen drei Leute vor der Schleuse, die mit die reden wollen."

"Läßt du jetzt jeden an Bord, der mit mir reden will?", fragte der Franzose schlecht gelaunt.

"Da sie nicht nach Händlern aussehen", erwiderte Martengh ruhig, "gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wollen sie hier anheuern, oder dich umlegen. In beiden Fällen hätten sie mir gesagt, daß sie hier anheuern wollen - warum hätte ich also fragen sollen, was sie wollen?"

--- Monserats Quartier

Shania hatte recht. Martengh WAR sonderbar.

Langsam kamen Monserat Zweifel, ob er sich vor den drei Gestalten vor der Schleuse in Acht nehmen sollte oder besser vor seinem eigenen Sicherheitschef. Denn anscheinend war er jetzt immer die Ruhe selbst.

Auch angesichts von Anschläge, die man auf ihn, Monserat, plante.

"Wenn du schon so schlau bist, wie du vorgeben möchtest", erwiderte der Franzose übellaunig, "weshalb bist du dann nicht schlau genug, dir auch zu denken, daß ich nachts nicht aus meiner Ruhe GESTÖRT WERDEN WILL! Schon gar nicht wegen drei Leuten, die vielleicht ja auch meinen Kopf wollen - auch wenn es dir scheinbar egal ist?"

Noch bevor der Sicherheitschef etwas entgegnen konnte, unterbrach der Captain die Verbindung. "Monserat Ende."

Wenn ihn Martengh jetzt schon aus den Federn holte, wenn sich neue Leute bewerben wollten, wann würde er damit anfangen ihn zu wecken, weil eines der Sicherheitssysteme einen Fehlalarm gegeben hatte?

Oder gar, wenn Charly ihn sprechen wollte?

Monserat zog die Decke über seinen Kopf und dachte weiter nach.

Bragma...

--- Martenghs Quartier

Die Augen verdrehend klappte der Caldonier das vulkanische Buch über Selbstbeherrschung zu, das er bis zum Einschlafen gelesen hatte. Dann aktivierte er wieder die Verbindung zu Schleuse und sagte: "Der Captain ist zur Zeit nicht zu sprechen. Wenn es um ein Einstellungsgespräch geht, müssen Sie mit mir vorlieb nehmen. Ansonsten kommen Sie morgen ab 0800 Uhr wieder."

--- Sternbasis 12, vor der Schleuse der Ivory

"Bitte warten Sie kurz", sagte die Klingonin und unterbrach die Verbindung.

'Zum Glück hab' ich noch an dieses "bitte" gedacht. Menschen sind da manchmal etwas empfindlich und wer weiß, ob das nicht ein Mensch war. Vielleicht beschäftigt dieser Monserat ja nur Menschen.' Genervt hielt sie kurz inne, atmete durch, konzentrierte sich auf das Gefühl und schob es dann bei Seite. Ruhig drehte sie sich zu der Rothaarigen und diesem Ferengiwissenschaftler um.

"Ich weiß ja nicht, was Sie vorhaben, aber ich wollte mich bei diesem Monserat um einen Posten als Borgingenieurin bewerben. Nun, er scheint gerade nicht gewillt zu sein mit uns zu sprechen und ich frage mich, ob dieser Kerl...", Chedu deutete auf das Terminal an der Schleuse, "... überhaupt autorisiert ist über Personalangelegenheiten zu entscheiden."

Bis jetzt hatte Brianna nur geschwiegen und die Reaktionen zwischen Ferengi und Klingone beobachtet. Als sich dann die Stimme gemeldet hatte, war die Irin erst etwas erstaunt gewesen und wußte nicht gleich wo die vierte Stimme herkam. Bis ihr einfiel, daß sie ja die Ivory kontaktiert hatte. Glücklicherweise hatte die Klingonin alle drei angemeldet, denn plötzlich wurde Brianna wieder etwas flau in der Magengegend.

Ärgerlich schüttelte die Irin den Kopf. "Keine Ahnung, vielleicht ist er nur irgendein armer Brückenoffizier, der die Nachtschicht übernehmen mußte. Wahrscheinlich kuscht er schon vor dem Captain, wie ein Hund vor seinem Herrn und traut sich deswegen nicht ihn zu stören. Verdammt, ich habe weder Lust noch die Nerven dazu bis Acht zu warten, das ja noch eine Ewigkeit!"

Frustriert legte O'Neill den Kopf schief und sah erst die Klingonin, dann den Ferengi fragend an.

--- Ivory, Deck 4, Gänge

Irgendwie konnte Shania nach dem Gespräch mit Monserat auf der Krankenstation einfach nicht mehr einschlafen. Deshalb hatte sie den Plan aufgegeben und einfach spontan beschlossen ihre Zeit anderweitig zu verbringen.

Immerhin war es auf der Stationsbar egal, ob es Nacht oder Tag war. Dort war jederzeit Betrieb und wenn nicht in dieser, dann in einer anderen. Und da der Barbesuch bei der letzten Reise in einem Fiasko endete, konnte sie ja vielleicht heute Versäumtes nachholen und vielleicht etwas Angenehmes erleben.

Schmunzelnd, aber doch nachdenklich streifte die große Amerikanerin durch die leeren Gänge. Es war eigenartig still an Bord. Sogar Charly hatte sich scheinbar mal wieder an die Energieversorgung des Schiffes angeschlossen. Jedenfalls hört man keine seiner üblichen Selbstgespräche und auch nicht das geringste Geräusch seiner klappernden Putzutensilien.

Es wirkte immer ein wenig unheimlich, wenn wieder mal kein Personal an Bord war. Es wurde Zeit, daß sich da etwas änderte, das Schiff sich wieder mit Leben füllte und einen Auftrag zu erfüllen hatte.

Ihre Gedanken schweifen kurz zu Pino von dem sie noch immer sehr enttäuscht war und dann wieder zurück in die Gegenwart, wo sich ihre Schultern unwillkürlich strafften und ihr Geist die Erinnerung verdrängte.

Vielleicht mochten sich diesmal die Leute nicht regelrecht um Posten schlagen wie bei der vorigen Reise, doch möglicherweise konnte sie mithelfen das Ganze etwas zu beschleunigen. Immerhin wollte ja Monserat selbst die Einstellungsgespräche führen und er war umgänglicher als Martengh. Es war sicher leichter ihm jemand schmackhaft zu machen, als dem großen schweigsamen Martengh.

Auch wenn sie im Grunde nicht froh drüber war, daß Monserat gegenüber Martengh plötzlich so reserviert war, wo er ihm doch immer blind vertraut hatte. Hätte sie doch lieber schweigen sollen? Vertraute Gerald ihr etwa auch nicht mehr?

Noch immer in Gedanken benutzte sie den elektronischen Key, denn sie für den Notfall hatte um die Schleuse zu öffnen. Und es war ein Notfall sich heimlich vom Schiff zu schleichen, auch wenn Martengh die Sache wohl etwas anders gesehen hätte, abgesehen davon, daß es auch gegen seinen Willen war, daß sie Kommen und Gehen konnte, wann immer sie wollte. Immerhin konnten durch sie auch zwielichtige Subjekte an Bord gelangen.

Die Schleuse öffnete sich zischend und beinahe hastig trat sie hinaus um der gespenstischen Stille zu entkommen.

--- Sternbasis 12, Schleuse vor der Ivory

Fast wäre die Amerikanerin in ein paar Leute gelaufen, die sich direkt vor der Schleuse aufhielten. Sie hätten eigentlich in ein Gespräch vertieft sein müssen, da sie wie eine Gruppe wirkten und doch schienen sie sich schweigend, beinahe lauernd gegenseitig anzublicken, während sie neben der Funkanlage des Schiffes standen.

Shania hatte schon alles mögliche auf ihren Reisen gesehen, Klingonen waren ihr schon so vertraut wie Menschen, aber diesmal war sie offen erstaunt.

Noch nie hatte sie so ein kleines Exemplar von einem Ferengi gesehen. Sie mußte ihren Kopf tief auf ihre Brust beugen um ihn überhaupt ansehen zu können. Wandte dann aber schließlich ihren Kopf wieder zu den beiden Frauen, da es ihr irgendwie unpassend erschien so lange den Ferengi anzusehen, dem es vorkommen müßte, als würde sie ihn so anstarren wie man einen Borg anstarrte, den man beim Spazierengehen traf.

"Ich gehöre zur ständigen Besatzung der Ivory", begann sie unsicher, als sie sich der Aufmerksamkeit aller sicher war. Zwar nahm sie an, daß alle an Bord wollte, vielleicht sogar um sich zu bewerben, aber sie konnte sich natürlich auch irren. Vorstellungsgespräche und Besuche um diese Zeit waren auch auf der Ivory eher die Ausnahme.

"Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?", fragte sie und wartete einfach ab. In die Bar gehen konnte sie noch immer.

Neugierig musterte Brianna die dunkelblonde Frau. Sie war groß, wirklich groß. Die Irin lächelte die Frau leicht an um nicht unhöflich zu wirken und nickte.

"Ja, eventuell können Sie uns wirklich helfen. Je nachdem wie gut Sie mit Ihrem Captain sind." Kurz hielt Brianna inne und zeigte auf die Klingonin und den Ferengi. "Wir sind hier um uns zu bewerben. Wahrscheinlich ist auch an Bord der Ivory Nacht? Jedenfalls hat jemand aus Ihrer Besatzung uns freundlich", Brianna spie das letzte Wort aus, als wenn es eine Beleidigung wäre, "mitgeteilt, daß der Capitain keine Zeit für uns hätte und wir um 8 Uhr noch mal wiederkommen sollten."

Seufzend sah sie die Frau vor sich an. "Ach ja, mein Name ist übrigens Brianna o'Neill, hiesige Krankenschwester und das sind Chedu, Tochter der Rodra und Gorm."

'Hoffentlich habe ich mich mit den Namen jetzt nicht irgendwie vertan', dachte Brianna. "Glauben Sie, Sie könnten uns behilflich sein?"

"Sehr erfreut, ich bin Shania Twillan", stellte sich jetzt auch die Amerikanerin bei der Gruppe vor und nickte allen freundlich zu. Sie verzichtete darauf die Hand zur Begrüßung zu reichen, da es bei so vielen Völkern und Menschen nicht gern gesehen wurde.

Also handelte es sich doch um Bewerber, allerdings verstand sie nicht so recht, was die Krankenschwester ihr gerade zu sagen versucht hatte. Sie sollten abgewiesen worden sein? Bewerber wurden nach Hause geschickt?

"Natürlich helfe ich Ihnen gerne, auch wenn ich nicht recht glauben kann, was ich da höre. Kein Bewerber wird abgewiesen nur weil der Captain keine Zeit hat. Zumindest unser Sicherheitschef Martengh befindet sich immer an Bord und ich weiß nicht wann er schläft, aber er ist irgendwie rund um die Uhr im Einsatz. Er müßte sie eigentlich auch am Kommunikationsterminal empfangen haben..."

Nachdenklich betätigte sie ihren Communicator, während sie hoffnungsvolle Blicke auf sich spürte. "Shania an Martengh. Tut mir leid, daß ich jetzt auch noch störe, aber seit wann weisen wir Bewerber für Jobs ab? Ich dachte, ihr seid froh über viel Auswahl und wenn wir möglichst schnell wieder unterwegs sind..."

Martengh antwortete so aus der Pistole geschossen, daß Shania klar wurde, daß er nur darauf gewartet hatte sich zu Wort zu melden. Immerhin wollte er nicht jedem Neuen an Bord gleich zeigen, daß fast nichts auf der Ivory ihm entging. Auch kein Gespräch vor der Schleuse...

"Wenn eine der Personen, die sich um diese nachtschlafende Zeit um einen Job bewerben möchten, mir dies auch auf verständliche Weise gesagt hätte, dann wüßte ich davon. Da aber nur um ein Gespräch mit Captain Monserat gebeten worden ist und er ausdrücklich jetzt nicht gestört werden möchte, bliebe wohl nur mehr die Möglichkeit ihn am Morgen aufzusuchen." Seine Stimme klang mürrisch wie immer. Jeder andere hätte ihn wohl als ungehalten empfunden.

Aber der Caldonier war es wohl gewohnt, daß sich auch nachts Leute bewarben. Seine Dienstzeit erstreckte sich 24 Stunden um die Uhr. Selbst im Schlaf schien seine Wachsamkeit nicht abzuklingen.

"Danke, Martengh. Ich werde selbst mit dem Captain reden. Falls du in den nächsten fünf Minuten nichts von mir hörst, dann kannst du wieder schlafen gehen", meinte sie und fügte nach kurzer Bedenkzeit hinzu: "oder weitermachen womit auch immer du dich gerade beschäftigst. Shania Ende."

Vor ihrem geistigen Auge sah sie den Caldonier bereits wieder die Mannschaftsquartiere verwanzen und seine diversen, fast unsichtbaren Kameras zu inspizieren. Aber wahrscheinlich war alles längst vorbereitet worden. Da der Sicherheitschef immer auf alles vorbereitet sein wollte. Selbst auf übereifrige Bewerber.

Ohne auf Antwort der kleinen Gruppe zu warten, setzte sich Shania mit dem Captain in Verbindung: "Shania an Monserat. Es scheint sich hier um ein Mißverständnis gehandelt zu haben. Hier stehen drei Bewerber und..."

"Mißverständnis?", kam es ungläubig zurück. Monserats Laune schien sich immer noch nicht gebessert zu haben, seit sie ihn das letzte Mal getroffen hatte. Langsam machte er ihr mehr Sorgen, als Martengh. "Was soll es da für ein Mißverständnis geben, wenn ich für niemand zu sprechen bin?"

"Captain Mon..."

"Nein!"

"Gerald..."

Keine Antwort. Also positiv.

"Natürlich können sich die drei auch bei Martengh bewerben", fuhr die Amerikanerin mit ihrer Taktik fort, "wie das normalerweise auch praktiziert wird, wenn du keine Zeit hast, aber ich dachte nach unserem Gespräch auf der Krankenstation, da..." Sie ließ ihre Worte wirken und hatte tatsächlich Erfolg.

"Ich bin gleich auf der Brücke und werde mich persönlich darum kümmern. Zu dieser Zeit aber nur ausnahmsweise...", murmelte Monserat, bevor er die Verbindung unterbrach.

Mit einem strahlenden Lächeln wies Shania den dreien den Weg durch die geöffnete Schleuse. Sie wußten gar nicht, daß sie Glück hatten zu dritt an Bord zu dürfen, normalerweise durfte nur immer ein Bewerber an Bord, der genau durchleuchtet wurde. Ein einzelner Attentäter war in Martenghs Augen gefährlich genug. Aber in letzter Zeit ging so vieles....

"Daran müssen Sie sich schon mal gewöhnen. Hier an Bord werden manche Dinge sehr genau genommen. Und wer nicht genau sagt, was er möchte, der hat das Nachsehen..." Sie zwinkerte ausgelassen. Irgendwie hatte ihre Langweile scheinbar doch ein Ende.

Gorm war sprachlos! Seine schlimmsten Befürchtungen schienen wahr geworden zu sein: Die Besatzung schien ja tatsächlich nur aus Frauen zu bestehen!

Eingekeilt zwischen den Damen kam er sich so winzig und hilflos vor! Mit einem mulmigen Gefühl sah er von einer zur anderen.

Endlich fielen ihm wieder seine Manieren ein. Verlegen streckte er seine Hand zur riesenhaften Terranerin hinauf: "Miss Shania .... oder Miss Twillan? Verzeihen Sie, daß ich meine Manieren vergaß! Wie Miss O'Neill mich schon vorgestellt hat, ich bin Gorm, Mineralologe, Mathematiker und Gelegenheitshändler.

Wenn ich mich nicht irre, haben Sie die Stellenausschreibung ins örtliche Netz gestellt? Leiten sie jetzt die Einstellungsgespräche? Nein, ich vergaß, sie riefen ja gerade Captain Monserat an! Wir sollten ihn vielleicht nicht warten lassen!"

Immer noch etwas verschüchtert wies er auf die offene Schleusentür.

--- Ivory, Martenghs Quartier

Martengh schaute resignierend zu, wie Shania sich anschickte, den Trupp Attentäter ins Schiff zu lassen. Drei Leute! Und ohne sie nach Waffen durchsucht zu haben!

Ohne auch nur ein Auge von den diversen Überwachungsmonitoren zu nehmen, zog er sich an und vergaß nicht, sich zwar durchschlagskräftig, aber doch so diskret, daß es niemand sehen konnte, zu bewaffnen.

Dann wies er den Computer an, die Videodaten der versteckten Kameras auf ein Padd zu leiten, und begab sich auf die Brücke, ohne einen Blick von der Gruppe zu nehmen.

Sollten sie eine Geiselnahme oder ähnliche finsteren Dinge vorhaben, würden sie sich schwer wundern...

--- Sternbasis 12, Schleuse vor der Ivory

Der Amerikanerin gefiel die vorbildliche Art des kleinen Ferengi schon, während sie ihm die Hand geschüttelt hatte. Da mußte erst so ein kleiner Kerl kommen, damit sie mal wieder wußte, daß einige Männer halt doch über Manieren verfügten.

Auch wenn sie einer so großen Frau gegenüberstanden wie sie eine war.

"Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, dann erwähnen Sie Monserat gegenüber lieber nicht, daß Sie auch Gelegenheitshändler sind. Er könnte dahinter Konkurrenz vermuten. Vielleicht sogar welche, die seine Aktivitäten und seinen Besitz ausspionieren möchte. Mineraol... ralo... öh... Wissenschaftler dürfte ihm als Beruf genügen." Verschämt grinste sie wegen ihres Versprechers von einem Ohr zu anderen und ihre Wangen nahmen dabei eine leicht rote Färbung an.

Dann nickte sie dem Ferengi aufmunternd zu, wobei sie sich einbildete, daß sich seine Erscheinung gleich etwas strafte und wandte sich dann wieder an die beiden Frauen. "Von mir aus können wir."

Als ihr einfiel, daß eigentlich nur sie den Weg kannte, betrat sie schon mal das Schiff und stellte sich neben die Schleuse um das Tor auch wieder zu sichern. Zwar würde es Martengh machen, wenn sie darauf vergaß, aber dann würde sie sich wieder etwas anhören können....

Tief Luft holend schaute Brianna das Schott an, als wenn es jeden Moment zubeißen könnte. Jetzt wurde es ernst, doch sie könnte sich noch eine Ausrede ausdenken und verschwinden.

'Sei nicht so feige! Willst du ewig bei Mutter wohnen?', schalt sie sich und zog die Augenbrauen ärgerlich zusammen. Dann straffte sie die Schultern, hob das Kinn und ging an Shania vorbei.

--- Ivory, Deck 4, Schleusenbereich

Im Inneren des Schiffes angekommen sah sich die Irin staunend um. Sie war noch nicht sehr oft auf Schiffen gewesen und wenn dann nur auf denen der Sternenflotte. Dieses hier war eindeutig ein älteres Exemplar. Doch irgendwie gefiel Brianna das was sie sah. Sie fühlte sich sofort wohl hier.

'Dann bin ich ja mal gespannt wie Captain Monserat und dieser Martengh sind. Hoffentlich nicht ganz so knurrig, wie sie sich anhören', dachte die langhaarige Frau und machte unbewußt ein paar Schritte in Richtung der nächsten Tür.

--- Sternbasis 12, Schleuse vor der Ivory

Es war ein wirklich günstiger Umstand, daß diese Twillan auftauchte. Immerhin kamen sie nun direkt zum Captain und mußten nicht warten oder sich mit irgend einen Lakaien abgeben.

Ihre Größe war wirklich beeindruckend, vor allem, als sie dem kleinen Wissenschaftler die Hand schüttelte. Chedu hatte noch nie eine so große Terranerin gesehen. Von einer Klingonin dieser Größe hätte sie angenommen, daß sie eine Kriegerin war, aber die Frau machte auf sie nicht den Eindruck einer Kriegerin. 'Naja, Menschen sind meist eh schwierig einzuschätzen.... aber sie macht einen freundlichen Eindruck.'

Die Klingonin nahm sich aber vor, den Rat von ihr bezüglich der Kommunikation an Bord zu beherzigen, auch wenn sie es für gewöhnlich nicht für notwendig erachtete sich an irgendwelche Befehlsketten zu halten oder Leuten, mit denen sie eigentlich nichts zu schaffen hatte von ihren Absichten zu erzählen.

Nachdenklich folgte sie den beiden Frauen an Gorm vorbei in die Schleuse. Sie war sich nicht sicher ob der Ferengi aus Höflichkeit oder Feigheit den anderen Frauen und ihr den Vortritt ließ.

Nervös sah Gorm nun auch der Klingonin nach, die an ihm vorbei ins Schiff verschwand.

'Naja, wird schon gut gehen!', dachte er sich seufzend und folgte Chedu ins Schiff.

--- Ivory, Schleusenbereich

Als o'Neil vor der Klingonin plötzlich stockte, blieb Chedu stehen und ihr Blick fiel auf die Schleusenkontrollen. Mit wachsendem Interesse bemerkte sie, daß in diesem Schiff anscheinend jemand auf teilweise modernste Sicherheitsanlagen Wert legte. 'Anscheinend hat dieser Kahn doch noch einige Überraschungen zu bieten', dachte sie sich und folgte der rothaarigen Irin, die nun ins Schiffsinnere trat.

Neugierig sah sich die Klingonin um, aber außer ein paar Schotten und kahlen Wänden war nichts zu sehen. Sie konnte auch keine weiteren technischen Spielereien wie an der Schleusentür ausmachen. Sie drehte den Kopf und fragte sich, ob der Ferengi noch auftauchen würde.

Als der Wissenschaftler durch die Luftschleuse in den Raum dahinter stieg, kam er sich erst recht wie ein Zwerg vor, der er ja in Wirklichkeit war:

Der Raum war im typischen Stil bajoranischer Frachter gehalten, von dem links und rechts, seitlich der Schleuse ein Schot ins Innere des Schiffes führten.

Es gab nur eine wichtige Ausnahme: Die Raumhöhe betrug in etwa 3 m, was ungefähr die dreifache Körpergröße Gorms war.

'Wer arbeitet auf diesem Schiff, daß dieses so adaptiert worden ist? Das muß ein wahrer Riese sein!', schauderte das Multitalent. 'Wäre wahrscheinlich witzig, mich und den Riesen nebeneinander zu sehen!', scherzte er über sich selbst.

Gorm wollte seine Vermutungen gerade mit der schon anwesenden Irin teilen, als plötzlich das rechte Schott aufging und eine blinkende Gestalt auf sie zugeschwebt kam - ein Androide, wie der Ferengi schnell entdeckte.

"Guten Tag, die Herrschaften, ich bin Charlie Alpha 1, der Putzroboter und Mädchen für alles hier an Bord des Schiffes! Wie ich mich freue, hier wieder neue Gesichter zu sehen! Ihr müßt nämlich wissen, Captain Monserat tauscht auf jeder Fahrt die komplette Mannschaft aus - er traut ihnen nicht, wenn ihr mich fragt! Der Captain ist ein sehr wichtiger Mann und hat viele Feinde - glaube ich! Aber die hält ihm sein erster Offizier und Sicherheitschef Martengh vom Leib!

Martengh ist sehr gut darin, Ärger auszuschalten. Er entdeckt ihn meist sogar schon, bevor der selber weiß, daß es Ärger ist! Allerdings ist er neulich erst zu spät auf die Rattenplage aufmerksam geworden, an der ich nicht die geringste Schuld habe, ehrlich! Aber das glaubt mir natürlich wieder niemand! Es ist schon ärgerlich, nie glaubt mir jemand etwas. Im Gegenteil, die meisten hören mir gar nicht erst zu! Ich verstehe das nicht, ich unterhalte mich doch so gerne!"

Der ferengische Wissenschaftler war sprachlos bei dem Redeschwall, den der kleine Putzrobot von sich gab! Er registrierte aber so ganz nebenbei, daß dieser Guß sich alle zwanzig Sekunden selbst unterbrach. Das mußte wohl ein Programmfehler sein!

Abwartend wandte er sich an die Frauen.

Gerade hatte Brianna Shania Twillan fragen wollen, wo sie denn eigentlich lang mußten, als dieses plappernde Ding an ihr vorbei fuhr. Mit ungläubigen Blick sah das Sprachtalent die rollende, blinkende Kiste an und hörte ihr halbherzig zu. Dann mußte sie lachen. Die ganze Zeit über war sie so angespannt gewesen und dann kam der Roboter angefahren und plauderte in einem fast fröhlichem Tonfall und aus ganz heiterem Himmel.

Lachend sprach die Irin Shania an. "Der ist ja goldig! Sagen Sie, ist der immer so mitteilungsfreudig?"

Dann schaute die Rothaarige sich wieder um. Die Decken waren wirklich hoch. 'Kein Wunder, daß die einen Putzroboter haben, wer sollte denn sonst die Decke schrubben?'

Genervt rollte die Klingonin mit den Augen als sie o'Neills Lachen hörte. "Wieso müssen Menschen immer alles gleich niedlich finden?", fragte sie sich leise.

Chedu nahm sich vor, sich diesen plappernden Putzeimer mal genau vorzunehmen, wenn sie überhaupt an Bord bleiben würde. Sie warf einen Blick auf Shania Twillan und die Irin und hoffte, daß die beiden Frauen jetzt nicht gleich anfangen würden Kuchenrezepte auszutauschen.

Sie schnaubte wohl etwas zu laut und spürte plötzlich die Blicke der anderen auf sich. "Können wir nun zur Brücke weiter gehen?", fragte sie ungeduldig.

Nachdem sich jetzt alle an Bord befanden, verschloß Shania die Schleuse wieder sorgfältig und machte sie - zumindest laut Martengh - einigermaßen einbruchssicher.

"Ja, unser Charly ist immer so. Ein Putzroboter, aber ein ganz besonderer", fügte sie augenzwinkernd hinzu, dann schenkte sie der Klingonin einen Blick, der bedeutete, daß diese froh sein konnte, daß sie um diese Zeit überhaupt zur Brücke gebracht wurde und sich auch so zu benehmen hatte.

Dann wandte sich Shania den Gang hinunter in Richtung Turbolift.

Ihre drei Begleiter schienen sich auf dem Weg zur Brücke schon mal umzusehen, während Charly spontan beschlossen hatte, sich ihnen anzuschließen und die drei neuen Gesichter zu unterhalten. Besonders den kleinen Ferengi schien er dabei ins Herz geschlossen zu haben. Vielleicht aus dem Grund, weil er in etwa seine Größe hatte.

Stillschweigend - mit Ausnahme von Charly - kamen sie schließlich beim Turbolift zu stehen, dessen Türen sich zischend öffneten und sie fast freundlich empfing.

--- Turbolift

"Brücke", befahl Shania nachdem ihr alle ins Innere gefolgt waren und schickte ein Stoßgebet in den Himmel, daß der Schiffscomputer zumindest diesmal einen guten ersten Eindruck machte. Doch Gebete schienen gegen diese Art von Technik machtlos zu sein.

"Das habe ich mir schon fast gedacht. Immerhin war der Captain ja auch auf den Weg dorthin", meldete sich die warme weibliche Stimme des Bordcomputers zu Wort, während sich der Turbolift in Bewegung setzte. "Was haben wir denn da? Drei Frauen und ein... halber Mann?"

Angesichts dessen, daß sogar der Schiffscomputer darüber erstaunt war, wie klein der Ferengi war, konnte sich Shania ein Grinsen nicht verkneifen, wandte aber ihr Gesicht so, daß der Wissenschaftler sie nicht sehen konnte.

"Tut mir leid, aber für diesen Irrtum der Technik bin ich nicht verantwortlich...", murmelte die Amerikanerin.

Gorm hörte "halber Mann" vom Computer und seine Kinnlade sackte hinunter.

Fast unhörbar murmelte er entgeistert: "Sogar der Computer hat eine weibliche Persönlichkeit! Was hab ich bloß verbrochen!"

Seufzend ergab er sich in sein Schicksal. 'Na wenigstens sind der Captain und der erste Offizier Männer - wenn sie auch ein paar Macken haben müssen - bei dem Computer!'

Endlich öffnete sich die Tür des Turbolifts und die Insassen betraten die Brücke.

--- Brücke

Auf der geräumigen Brücke im bajoranischen Stil fielen dem Ferengi sofort drei Dinge ins Auge:

Die Konsole der Schiffssicherheit war offensichtlich adaptiert worden und war um ein vielfaches leistungsfähiger als standardmäßig üblich.

Auch die Sensorkontrolle war verbessert worden, wie der Mineralologe mit fachkundigem Auge bewundernd feststellte.

Drittens fiel dem Wissenschaftler sofort der - für terranische Begriffe kleinwüchsige - Mensch auf, der Gorm zwar immer noch um mindestens zwei Haupteslängen überragte, aber der Ferengi war sicher, daß er hier - es schien sich um den Captain zu handeln - einen Leidensgenossen vor sich sah, mit dem er wahrscheinlich einiges gemeinsam hatte!

Gorm beschloß spontan, daß ihm dieser Mann sympathisch war!

Höflich hielt sich das Genie im Hintergrund, um den Damen den Vortritt zu lassen.

Die Klingonin ließ ebenfalls ihren Blick über die Brücke schweifen...

Sie verdrehte innerlich die Augen, als sie an die Fahrt im Turbolift zurückdachte. Erst dieser nervtötende Reinigungsroboter, den anscheinend irgend jemand unnötiger Weise mit einer Persönlichkeit ausgestattet hatte und nun schien auch noch der Bordcomputer gestört zu sein. Auf diesen Schiff gab es wohl jemanden, der gern an den künstlichen Intelligenzen herumspielte.

... schon wieder sprangen ihr ein paar ungewöhnliche Modifikationen ins Auge. Sie hoffte, mal einen genaueren Blick darauf werfen zu können.

Ihr Blick fiel auf einen relativ kleinen Menschen, der, wenn die Beschreibung des Barkeepers korrekt war, der Captain der Ivory war.

Chedu trat auf ihn zu, nickte mit den Kopf leicht zur Begrüßung und ignorierte seinen abschätzenden Blick:

"Guten Abend, Captain Monserat. Ich bin erfreut, daß Sie nun doch noch zu sprechen sind." Sie beschloß nicht noch mehr Zeit mit Höflichkeitsfloskeln zu verschwenden und kam nun direkt zum Punkt.

"Auf der Sternenbasis habe ich erfahren, daß Sie eine neue Crew suchen. Wenn Sie noch niemanden für den Posten des Bordingenieurs haben, dann bin ich Ihr 'Mann'. Ich habe auf der technischen Universität auf Vulkan studiert und auf diversen anderen Schiffen schon einiges an praktischer Erfahrung gesammelt.

Wobei mir gerade einfällt, daß mich das merkwürdige Verhalten Ihres Bordcomputers an einen ernsten Virusbefall erinnert, den ich auf einen anderen Schiff mal erlebt hatte. Sie sollten mal eine gründliche Diagnose des Computerkerns vornehmen lassen. So harmlos es noch zum jetzigen Zeitpunkt aussieht, hatte es da auch angefangen. Aber dann wurden über die EPS-Kontrolle nach und nach auch primäre Systeme befallen und es wurde ziemlich kritisch." Abwartend mustere sie sein Mienenspiel.

Captain Monserat lächelte müde. Und das war er im Grunde auch, da er zu dieser Zeit eigentlich zu schlafen pflegte und sich fragte wie verrückt Leute eigentlich sein mußte, die sich zu dieser Zeit um einen Posten bewarben. Wahrscheinlich welche, die nicht gesehen werden wollten...

Dazu kam, daß ihm die Gruppe reichlich seltsam anmutete. Ein Zwerg von einem Ferengi, gegen den er geradezu riesenhaft anmutete, ein leicht schüchterner Rotschopf, dem die Unschuld schon ins Gesicht geschrieben stand und eine Klingonin, die ihn fatal an jene Klingonin erinnerte, die ihm einmal breitbeinig entgegen getreten war und von ihm verlangt hatte noch nicht zu starten, weil sie andere Pläne hatte.

Von ihm...

"Nein, ich habe noch niemand für den Posten eines Bordingenieurs, aber es wird auch nicht nur einen geben. Die Ivory hat schon viel erlebt, seit sie erbaut wurde und wie ich feststellen mußte, war auf Techniker in letzter Zeit kein Verlaß. Sie kümmerten sich mehr um Dinge, die sie nichts angingen, statt um die ihnen aufgetragenen." Der Franzose musterte den Gesichtsausdruck der Klingonin, wurde aber nicht ganz schlau daraus.

"Wenn Sie hier arbeiten wollen, muß Ihnen eines von Anfang an klar sein: Dieses Schiff ist kein gewöhnliches Schiff. Und ich bin mir sehr wohl im Klaren darüber, daß auch der Schiffscomputer anders funktionieren mag, als bei den meisten anderen Schiffen, schließlich kenne ich mein Schiff in- und auswendig. Ich erwarte auch, daß meine Leute arbeiten, aber nicht, daß sie für mich denken, wenn ich sie nicht eindeutig danach gefragt habe. Haben wir uns verstanden?" Abwartend musterte er Chedu.

Sie konnte nicht wissen, daß der Computer schon einmal von einem Virus befallen war und daß ein anderes Mal die Persönlichkeit des Computers Besitz von ihm ergriffen hatte und er eigenständig gehandelt hatte, denn das war nun mal etwas, daß jemand Neuen nun mal gar nichts anging.

Und wenn er die unsichtbare Frau genoß, die er abschalten konnte wann immer es ihm beliebte, so war es seine und nur seine Sache.

--- Shuttle der Bragma II

Seit vier Stunden war Chi-Lo nun schon auf der Flucht.

Vier Stunden, die er in ständiger Sorge verbrachte, daß es den Leuten von Bragma gelingen könnte, den Warpantrieb der Bragma II wieder in Gang zu setzen.

Denn das würde sein Ende bedeuten, so viel war ihm klar.

Aber selbst, wenn er es schaffen sollte, zur Sternbasis 12 zu entkommen:

Bragma würde ihn suchen. Und er würde ihn höchstwahrscheinlich auch finden. Und wenn er ihn gefunden hatte, dann würde er ihn auch töten, daran hatte er keinen Zweifel gelassen. Und Chi-Lo glaubte ihm in diesem Falle, voll und ganz.

Er mußte auf der Sternbasis unbedingt ein Schiff mit einem verschwiegenem Capitain finden! Das Problem war nur, daß verschwiegene Captains meist auch recht geschäftstüchtig waren. In Verbindung mit Chi-Lo's Erwartung, daß Bragma mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Kopfgeldes auf ihn aussetzen würde, konnte daß unter Umständen bedeuten, daß Chi-Lo's Flucht recht bald ihr Ende finden könnte...

Die Sternbasis 12 kam in Sicht.

Chi-Lo drosselte die Geschwindigkeit.

Doch - er flog mit unveränderter Geschwindigkeit weiter!

Er checkte mehrmals die Systeme - doch was immer auch tat: Er hielt maximalen Impuls bei!

Das Shuttle mußte wohl doch stärker beschädigt worden sein, als er zunächst angenommen hatte.

Als der Asiat noch einmal die Flugbahn überprüfte, wurde seine Befürchtung zur schrecklichen Gewißheit: In 10 Minuten würde er die Sternbasis 12 rammen - bei vollem Impuls!

Das würden weder die Sternbasis noch er selbst überleben.

Panik überkam ihn in heißen Wellen.

In fieberhafter Eile sendete er einen Funkspruch an die Sternbasis...

--- Ivory, Brücke

Über das Notfallsystem schaltete sich automatisch der Hauptbildschirm ein.

Auf dem Bild erschien ein Mann um die vierzig, der offensichtlich mit beginnendem Haarausfall zu kämpfen hatte.

"Ich bin Commander Bingman, wachhabender Offizier der Sternbasis", sagte er. Und ohne eine Reaktion abzuwarten, fuhr er fort: "Ein steuerloses Shuttle befindet sich auf direktem Kollisionskurs mit der Basis. Alle Schiffe, die innerhalb der nächsten 10 Minuten auslaufen können, werden hiermit um Mithilfe gebeten. Doch sehen Sie selbst..."

Der Bildschirm flackerte kurz, und nun war ein verschwitzter Asiat zu sehen. In offensichtlicher Panik rief er:

"Sternbasis 12, Sternbasis 12! Hier ist Chi-Lo Hu-Wang auf dem Shuttle der Bragma II. Ich bin steuerlos und rase auf die Basis zu. In zehn Minuten werde ich einschlagen. Ich bitte dringend um Hilfe! Mayday, Mayday, Maday!

Sternbasis 12, Sternbasis 12! Hier ist Chi-Lo Hu-Wang auf dem Shuttle der Bragma II. Ich bin steuerlos und rase auf die Basis zu. In zehn Minuten werde ich einschlagen. Ich bitte dringend um Hilfe! Mayday, Mayday, Maday!

Sternbasis 12, Sternbasis..."

Das Bild änderte sich wieder, und erneut war Bingman zu sehen.

"Wir bitten alle die es können, dieses Shuttle zu stoppen und nach Möglichkeit diesem Hong-Wang, oder wie immer der Kerl auch heißen mag, zu retten! Dies ist ein Notfall! Gott schütze uns..."

Captain Monserat hatte eine eher gelangweilte Reaktion auf die Mitteilung gezeigt, die schließlich keinen Gewinn einbringen würde und ihn deshalb eigentlich gar nicht betraf, bis der Name "Bragma II" gefallen war und die Situation sich schlagartig geändert hatte.

Plötzlich leuchteten seine Augen auf und in ihnen entflammte eine Gier, wie man sie sonst nur zu sehen bekam bei Beträgen, die entweder so hoch waren, um jeden Ferengi seinen fliegenden Untersatz unter dem Hintern wegzukaufen und ihn dazu zu bringen sich mit einer Rettungskapsel aussetzen zu lassen oder es sich um etwas Einzigartiges handelte.

Leider verfügte die Ivory noch immer über keinen neuen Piloten, der ihm jetzt zu dem verhelfen konnte, was er sich am meisten wünschte und sich selbst hinter das Steuer zu setzen, auf diesen abstrusen Gedanken kam er erst gar nicht.

Aber er wollte den Inhalt dieses Shuttles. Er wollte ihn um jeden Preis.

Der Mann mit dem seltsam anmutenden Namen war mehr wert, als alle Reichtümer auf seinem Schiff zusammen. Denn er würde ihm sagen können, was er wissen wollte... Und er kannte unter Umständen nicht nur Bragmas Plan, seinen Aufenthaltsort, sondern vielleicht sogar seine Schwachstellen...

"Ich will diesen Mann und ich brauche ihn lebend. Rettet ihn und ihr seid alle eingestellt. Egal welchen Posten ihr auch immer haben möchtet..." Dann blickte der Franzose alle noch mal eindringlich an und als schien eine Blindeinstellung nicht ein gutes Angebot zu sein, erhöhte er noch seinen Einsatz. "Außerdem bekommt ihr von mir 20 Barren goldgepreßtes Latinum... Jeder..."

Wer Monserat und seine Sparsamkeit kannte, der wußte, daß er so ein Angebot noch nie in seinem Leben gemacht hatte. Zum einen würde er Leute ohne etwas von ihnen zu wissen einstellen, zum anderen Latinum einfach so verschenken und dabei hatte er nicht mal Wert darauf gelegt, daß er zumindest das Shuttle in seine Hand bringen konnte um einen Gewinn daraus zu ziehen.

Doch selbst, wenn Martengh ihn dafür auf seinen Geisteszustand würde untersuchen lassen, so war es dieser Einsatz wert.

Jemand aus Bragmas Mannschaft, der ihm das Leben zu verdanken hatte...

Noch immer starrte Brianna auf den mittlerweile wieder verdunkelten Schirm der Brücke und war wie erstarrt. Irgend etwas mußte jetzt getan werden und zwar schnell.

Mit langen Schritten ging sie an Chedu und dem Captain vorbei nach vorne und sah sich alles an. Dann drehte sie sich um und zuckte hilflos mit den Schultern.

"Ich kenne mich nur mit den Utensilien einer Krankenstation aus. Nicht aber mit dem Steuer eines Schiffes. Captain,", sie drehte sich halb zu ihm und sah ihn aus großen Augen an, "können wir den Mann nicht rausbeamen? Oder das Schiff mit dem Traktorstrahl einfangen?"

Die Irin wußte nicht so genau, ob das überhaupt möglich war, solange die Ivory angedockt war, aber versuchen könnte man es ja.

Ein schlechtes Gewissen machte sich in ihr breit, da Brianna einfach nur froh war, daß die Bragma II auf die andere Seite der Station zuflog.

"Der Traktorstrahl wäre bei der Geschwindigkeit einer hohen Belastung ausgesetzt. Ganz abgesehen davon, daß wir das Shuttle von unserer gegenwärtigen Position damit gar nicht erreichen könnten", warf Chedu ein. Ihre Finger huschten über eine Konsole, als sie sich einen Überblick verschaffte. "Mit dem Transporter müßten wir ihn erwischen können, aber dafür müßte er noch näher kommen. Bis dahin könnte es aber für die Station zu kritisch werden...."

Die Klingonin verfluchte sich innerlich, daß sie zwar wußte, wie die Navigations- und anderen Systeme zur Steuerung eines Schiffs funktionierten, aber sie einfach keine praktische Erfahrung in ihrer Benutzung, die über das Testen der Systeme hinausging, besaß.

Sie warf Gorm einen fragenden Blick zu und hoffte, daß der Ferengi vielleicht in der Lage war ein Schiff zu steuern. Nicht nur, daß die 20 Barren Latinum eine nicht zu verachtende Summe darstellte, so waren die Station und der Shuttlepilot in einer ziemlich bedrohlichen Lage, die sie nicht so gelassen sah, wie sie nach außen den Anschein gab.

Gorm mußte sich erst von dem freudigen Schock erholen, den das Angebot des Captains bei ihm ausgelöst hatte.

Als das Klingeln, aneinander schlagender Latinum-Barren in den Ohren des kleinen Wissenschaftler nachließ, begann er eifrig auf seinem PADD herumzutippen um eine Theorie zu überprüfen, die ihm wie ein Geistesblitz gekommen war. Die Ergebnisse seiner Berechnungen waren auch in der Tat sehr vielversprechend.

Mit siegessicherer Miene übergab der Ferengi das PADD an den Captain:

"Ich würde diesen Kurs vorschlagen. Ich könnte wahrscheinlich auch die Steuerung übernehmen, aber wie Sie auf dem Diagramm sehen können, ist an der eingezeichneten Stelle der Einsatz des Traktorstrahls notwendig.

Damit könnte man das Shuttle zwar nicht stoppen, aber den Kurs doch soweit abändern, daß es die Station verfehlt und weiter in den freien Raum schießt.

Dann hätten wir genügend Zeit, das Shuttle zu reparieren, es in Besitz zu nehmen und den Piloten zu retten.

Es besteht allerdings eine Schwierigkeit: je nach Stabilität der Ivory muß der Traktorstrahl rechtzeitig abgeschalten werden, sonst löst sich das Schiff in seine Bestandteile auf."

Gorm begann auf der Brücke herumzuwandern als wäre er gerade bei einem Gastvortrag auf der Vulkanischen Akademie der Wissenschaften, er war ganz in seinem Element.

"Ein weiteres Problem besteht darin", so setzte der Ferengi-Wissenschaftler fort, "daß für das Gelingen des Manövers ein Autopilot oder ein Navigator, ein Pilot und ein Techniker zur Bedienung des Traktorstrahls benötigt wird.

Ich habe ja noch keine Zugriffsberechtigungen, sind denn die benötigten Ressourcen an Bord vorhanden?", fragend blickte Gorm zum Captain hinauf.

Mit Interesse hatte der Captain die Daten auf dem Padd betrachtet und war den Ausführungen des kleinen Mannes gefolgt. Im Gegensatz zu den sehr unschlüssigen Frauen, die scheinbar nur vermelden konnten, was ihm alles fehlte um sein Ziel doch noch zu erreichen, schien wenigstens der Ferengi Nägel mit Köpfen zu machen.

Sein Vorschlag klang logisch und alles was dem Franzosen noch zu fehlen schien waren ein paar lächerliche Ressourcen.

Ein Teil seines Problems erledigte sich auf wundersame Weise, als sich der Turbolift öffnete und eine sehr große dunkle Gestalt auf die Brücke schoß. Beeindruckend für jeden, der noch nichts mit ihr zu tun gehabt hatte. Für Monserat momentan aber nur ein Grund zur Freude.

Auch wenn Martenghs Augen ihn zu durchdringen versuchten. Shania konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Sie wußte, daß eine Auseinandersetzung vorprogrammiert war.

"Sie haben die nötige Zugangsberechtigung für was immer Sie wollen. Nur holen Sie mir den Mann da runter", meinte Monserat, blickte dabei auf den kleinwüchsigen Theoretiker und dann fordernd auf Shania, die seinen Wink sofort verstand.

"Okay, gebt mir zwei Minuten", meinte sie und verschwand im Turbolift.

Erst als sich dessen Türen wieder geschlossen hatten, atmete Monserat auf. Shania würde dafür sorgen, daß zumindest der Transporterraum in Kürze besetzt sein würde. Bereit einen besonderen Gast aufzunehmen.

--- Shuttle der Bragma II

Weiterhin raste das Shuttle auf die Raumstation zu.

Chi-Lo wurde beinahe schwarz vor Augen, und die Knie wurden ihm weich.

Warum, zum Teufel, antwortete auf der Station niemand? Warum legten keine Raumschiffe ab? Die Gefahr war doch eindeutig!

Hatte man vielleicht beschlossen, ihn einfach mit einem Schiffslaser abzuballern?

Das würde die Tatsache erklären, daß niemand mit ihm Kontakt aufnahm: Einen Menschen, den man töten wollte, wollte man in der Regel nicht vorher erst mal noch besser kennenlernen...

Seine Befürchtungen wurden zur Gewißheit. Man würde ihn kurzerhand desintegrieren.

So also würde der Sohn von Hang-Dong Hu-Wang sein Ende finden.

Er fiel ihn Ohnmacht.


zum nächsten Teil

zurück zum Index