Ivory Cronik 7

Vulkanier - normal, grün und emotional?

---- Ivory, Turbolift

Kaum hatte Clint den Turbolift betreten, öffnete sich die Tür wieder und die Terranerin, welche ihm den Arm gebrochen hatte, stürmte scheinbar wütend herein. Sie war so sehr mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt, daß sie Clint gar nicht bemerkte und nur zur Decke fauchte: "Deck 5! Und keine Faxen, ich warne dich!"

Der Turbolift fuhr los und Nathalie, mit dem Rücken zu Clint, bemerkte immer noch nicht seine unauffällige Gestalt welche im hinteren Teil des schlecht beleuchteten Turbolifts stand. Auf die Gefahr hin wieder mit einem gebrochenen Arm davonzukommen, verzichtete Clint darauf sie an der Schulter anzutippen und räusperte sich statt dessen nur.

Nathalie wandte erschrocken herum und fuhr ihn an: "Sie schon wieder? Was treiben sie hier?"

"Ich nützte im Augenblick das Transportmedium Turbolift, welches dazu dient Personen zwischen den Decks eines Schiffes auf schnelle und bequeme Weise zu befördern", antwortete Clint mit ernster Miene.

"Wie drollig - genau dasselbe tue ich auch!", knurrte Nathalie zurück, als sich der Turbolift in Bewegung setzte. Von solchen neunmalklugen Sprüchen hatte sie für heute genug. Anscheinend war hier jeder auf diesem Schiff darauf bedacht, ihr das Leben mit rätselhaften Äußerungen und vagen, nichtssagenden Aussagen schwer zu machen.

Allerdings fiel es ihr sehr schwer zu glauben, daß sie seine Anwesenheit beim Betreten des Turbolifts überhaupt nicht bemerkt hatte. Sie ärgerte sich über ihre Unachtsamkeit. 'Daran ist bloß dieser Isweda schuld!', dachte Nathalie und ballte wütend die Fäuste.

"Verraten Sie es mir, machen Sie eine Schiffsrundfahrt oder hatte Ihre Reise ein bestimmtes Ziel?"

Bevor noch Clint antworten konnte, erklang eine Stimme aus dem Lautsprecher: "Krankenstation an Mr. Clint, Mr. Wallace, Mr. O'Leary und Mr. Isweda. Begeben Sie sich sof ..." Sie unterbrach sich. "...bitte für die nötigen Checks auf die Krankenstation, sobald Sie Zeit dafür haben."

--- Krankenstation

Shania blickte zwischen der kleinen stämmigen Klingonin, dem Grilmak und der Afroamerikanerin hin und her. Die Augen der letzteren schienen zu sehr dunkel und drohend funkeln und die Amerikanerin war sich sicher, daß diese ihren kleinen Scherz mit dem Doktor gar nicht gut aufgefaßt hatte.

Dabei hatte sie ihn eigentlich recht witzig gefunden, besonders, da der Doktor ohnehin mit der Psychologin recht eng zusammen arbeiten würde. Aber anscheinend waren sie nicht gut auf einander zu sprechen, wenn sie die Körpersprache des Doktors näher deutete. Auch wenn Shania keine Psychologin war, so fühlte sie, daß etwas zwischen den beiden vorgefallen sein mußte.

Während sie erneut drei Bolzen in die dafür vorgesehenen Öffnungen jagte, musterte sie aus den Augenwinkeln die dunkelhäutige Frau mit der sie künftig Probleme haben würde, wenn sie nicht bald etwas tat um sie wieder milde zu stimmen. Immerhin hatten sie die Reise erst vor sich und Shania hatte nicht vor, den kleinen Vorfall sofort zwischen sie zu stellen.

Nach kurzer Einsicht auf ihr Padd wußte sie auch, was zu tun war um Buße zu tun und Reue zu zeigen.

Sie stellte sich neben Ysara und zischte ihr so leise zu, daß nur diese sie verstehen konnte: "Okay, aber ich möchte, daß du weißt, ich tue das nur für dich." Ganz automatisch war Shania auf das freundschaftliche Du gewechselt.

Lauter fuhr sie an alle gerichtet fort. "Ich nehme mir das Büro des Docs vor. Bei ihm scheinen seltsamerweise besonders viele Schrauben lo... äh Bolzen zu fehlen. Wartet nicht auf mich. Es könnte etwas später werden..."

Damit schritt sie auf sein Büro zu und ergab sich ihrem Schicksal.

--- Büro des Doktors

Kaum hatte die große Amerikanerin das kleine Büro betreten, hellte sich die Miene des Doktors, der niedergeschlagen an seinem Schreibtisch sah, sichtlich auf. Immerhin hatte er in den letzten Minuten zwei Abfuhren bekommen. Dann fiel ihm ein, wem er eine dieser Abfuhren zu verdanken hatte und seine Meine verfinsterte sich schlagartig wieder etwas.

'Ich scheine auch hier nicht besonders willkommen zu sein. Das ist überhaupt das erste Mal, daß der Doc meine Gesellschaft nicht zu schätzen weiß', dachte sie sich und war nicht gerade besonders erbaut darüber, daß dadurch ihre Arbeit noch langsamer und zäher vorangehen würde.

"Ich mache hier nur meine Arbeit", murmelte die Amerikanerin entschuldigend und machte eine leere Öffnung ausfindig in die sie einen Bolzen schoß. "Gut, es ist vielleicht meine Schuld, daß ich etwas fehlinterpretiert habe und Miss Jefferson vielleicht über Ihren Besuch nicht gerade erbaut war, aber ich wollte nicht..."

"Stellen Sie mir Modell und die Sache ist vergessen", flötete der Doktor und sah sie vielversprechend an. "Sie wissen doch wie attraktiv ich Sie finde. Als Künstler versteht sich..." Seine Flecken schienen etwas dunkler geworden zu sein und seine Augen hingen begierig an ihrer Figur. Er schien große Frauen besonders ansprechend zu finden. Mit ein Grund warum Shania bisher einer genauen Untersuchung aus dem Weg gegangen war.

Dabei sah er eigentlich gar nicht so schlecht aus für einen Trill. Und er verfügte ob seiner vielen Leben auch sicher über eine Menge Erfahrung. Erfahrung auf allen Gebieten...

Die Amerikanerin lächelte, als sie ihr Werkzeug absetzte und sich zum Doktor umdrehte. "Was halten Sie von einem kleinen Deal?", fragte sie und knöpfte sich den ersten Knopf ihrer Bluse auf.

"Computer, Tür verschließen. Autorisation Dr. Rigero..."

--- Quartier 5, inzwischen

Isweda schwankte zwischen einem leichtem Groll, deutlicher Erleichterung und innerlichem "ich kringel mich vor Lachen am Boden". Beim Anblick des zerbrochenen Behälters schwang seine Stimmung aber deutlich in Richtung "ich kringel mich vor Lachen am Boden" um.

'Nicht nur, daß sie Charly wieder aus dem Kraftfeld läßt', dachte Kuno '...nein, sie hat mich auch immer noch nicht über die Daten informiert, die ihren Entschluß begründeten Charly in ein Kraftfeld zu setzen und mir, zumindest zeitweise, zu vertrauen! Geschieht ihr ganz recht, wenn sie sich lächerlich macht und ihren Dienstauftrag nicht erfüllt. Sie läßt sich eben zu leicht ablenken.'

Kuno kniete sich neben die Reste des gläsernen Behälters und stocherte mit einem Finger in den Scherben herum. Eine kleine Metallhülse kam zum Vorschein, kaum 4 cm lang und weniger als 2 cm im Durchmesser. Der Techniker hielt sie auf seiner offenen Handfläche und betrachtete sie eingehend, sie schien nicht beschädigt zu sein. 'Ein Glück, dürfte schwer sein während der Reise Nachschub zu bekommen!'

Mit einem Finger tippte Isweda leicht auf eine kleine Vertiefung auf der Hülse und in seiner Hand erschien sofort das schwarze pochende Targherz. 'Eine wirklich gelungene Holosimulation. Aber wieso das auf Hadress drei als Kinderspielzeug verkauft wird? Diese Kultur muß wirklich seltsame Ansichten von Kindererziehung haben!'

Isweda ließ die Hülse zu Boden fallen und die Simulation eines Kraftfeldes erschien, daß langsam kleiner wurde und das Herz zerdrückte, dann wurde die Simulation beendet und Kuno nahm die Hülse wieder an sich. Ein Grinsen huschte über sein Gesicht, er stellte sich den Bericht an No'Orba vor und wie dieser wohl darauf reagieren würde, zumal Kuno spätestens am Ende der Reise die anderen sechs Geräte zurückfordern würde.

Isweda stand wieder auf, sah sich die traurigen Reste des Essens an und begann sie in den Replikator zu räumen, dann orderte er eine warme Mahlzeit für sich, regelte die Beleuchtung herunter und begann zu Essen.

Der Terminal stand immer noch Isweda zugewandt und Kuno bemühte sich die Daten, die Nathalie bewogen hatten Charly einzusperren, selber zu finden, leider ohne Erfolg und so ging Kuno wieder einer seiner Lieblingsbeschäftigungen nach. Er rief eine Information über havarierte Schiffe auf, in der Hoffnung auf diese Art und Weise einen Hinweis über den Verbleib von Devon zu bekommen.

Kuno hatte vor langer Zeit versucht ihn von einem Schiff namens Annodussa zu holen. Leider scheiterte der Rettungsversuch von seinem altem Freund schon daran, daß Kuno über drei Monate vergeblich versuchte mit einem Mietshuttle die Annodussa ausfindig zu machen und seit dieser Zeit hatte der Techniker nichts mehr von Devon gehört. Aber Isweda gab nie auf, eines Tages, dessen war er sich sicher, würde Kuno herausbekommen was mit Devon geschehen war.

'Würde diese Miss Connor nur halb so genau die Daten analysieren wie ich, dann hätte sie schnell herausgefunden, daß sich diese wüste Geschichte mit der Spinneninvasion wirklich zugetragen hat, aber kein Kuno Isweda auf der Besatzungsliste befunden hat.' Eine dunkle Wolke schob sich vor Iswedas heitere Stimmung, würde er sich im Zweifelsfall auf die Fähigkeiten der Sicherheit verlassen können?

Eine Stimme riß Kuno aus seiner Grübelei, diese Stimme forderte ihn zu einer Routineuntersuchung in die Krankenstation. "Ich komme!", antwortete Isweda ebenso knapp und machte sich auf den Weg.

--- Quartier 11

Gerade als Sean hatte anfangen wollen die ersten Sachen aus seiner Reisetasche auszupacken, ging sein Communicator und eine weibliche Stimme forderte ihn auf in auf die Krankenstation zu kommen.

Da im Moment nichts Wichtiges zu tun war, beschloß er das sofort zu erledigen. Schließlich konnte er dabei weiter Leute kennen lernen und sich auch noch ein wenig auf dem Schiff umsehen.

Also betätigte er seinen Communicator "Wallace an Krankenstation, bin auf dem Weg."

--- Weg zur Krankenstation

Da sich die Krankenstation auf Deck 2 befand, begab sich Sean mit schnellen Schritten zum nächsten Turbolift und bemerkte dabei wie sich die Ivory langsam mit Leben füllte. Auf seinem Weg begegnete er einigen Leuten die wohl gerade von der Station zurückkamen, wie er aus deren Gesprächen unschwer erkennen konnte.

'Gut, wenn die Besatzung an Bord kommt, fliegen wir bestimmt bald los'. Die Aussicht auf den baldigen Abflug ließ Seans Laune augenblicklich ansteigen. Die Sehnsucht nach dem Weltraum würde bald wieder erfüllt werden. Auf seinem Weg kamen ihm so einige Gedanken über seinen letzten Arztbesuch hoch.

Vor einiger Zeit war er auf einem Schiff gewesen, wo das MHN defekt gewesen war. Als er sich bei seinen sportlichen Übungen auf dem Holodeck eine Verstauchung im linken Oberschenkel holte, wollte das MHN doch gleich das ganze Bein amputieren und durch ein künstliches ersetzen.

Zum Glück konnte er das gerade noch verhindern und eine nette Krankenschwester half ihm seine Verstauchung relativ einfach, zumindest ohne Amputation, zu beheben. Seitdem paßte er bei Ärzten immer besonders gut auf, ob sie auch im Vollbesitz ihrer geistigen Fähigkeiten waren. Schließlich hatte er nicht vor, durch unnötige Operationen Körperteile zu verlieren.

--- Deck 5, Gang

Der Turbolift hielt auf Deck 5 und Nathalie trat auf den Gang hinaus, doch dann drehte sie sich wieder um, stemmte die Hände gegen die Turbolifttür, damit diese nicht gleich wieder schloß, und sah Clint an.

"Jetzt haben Sie wohl ein Ziel." Nathalie wollte sich auch schon wieder umdrehen, als ihr noch was einfiel. Sie schmunzelte. "Ach ja, und viel Spaß mit dem Schiffsarzt!" Nathalie zwinkerte ihm noch zu und dann schloß sich der Turbolifttür.

Nathalie konzentrierte sich wieder auf ihre Aufgabe und lief den Gang hinunter. Zu ihrer Überraschung mußte sie feststellen, daß ihr Ärger langsam verflog und einer besseren Laune Platz machte. Noch immer keine gute Laune, aber immerhin schon etwas.

--- Turbolift, Deck 5

Clint sah verwundert auf die Tür vor der eben noch die attraktive Gestalt der Sicherheitlerin gestanden hatte. Und wieder einmal hatte sie sich ihm entzogen kaum daß er zu Wort kam. Eine seltsame, wenn auch nicht uninteressante Person, dachte sich der Halbbreen und beschloß sich bei Gelegenheit näher mit der Terranerin zu beschäftigen.

--- Krankenstation, an der rückseitigen Wand

Verwundert hatte KWinh Shania hinterhergeschaut. Seltsamerweise hatte sie sich von alleine in das Büro des Doktors begeben. Eigentlich hatte er damit gerechnet, daß diese Aufgabe eher ausgelost werden würde. Vielleicht hatte das etwas damit zu tun, was sie Ysara zugeflüstert hatte. Nachdem er ein paar weitere Bolzen eingepaßt hatte, ging er zu der Afroamerikanerin hinüber.

"Ich sehe, wir sind soweit fertig hier, außer dem Büro des Doktors. Da Miss Twillan diese Aufgabe übernommen hat, haben wir die Möglichkeit, entweder zum nächsten Deck zu gehen, oder auf sie zu warten. Was würden Sie vorschlagen?"

Fasziniert schaute der Grilmak zu Ysara hinunter, deren Ausschnitt im Zusammenspiel mit ihrer gebückten Haltung einen Anblick bot, dem er nicht widerstehen konnte. Das erinnerte ihn daran, daß Shania ihm keine Antwort auf seine Frage nach ihren Wünschen für das Abendessen gegeben hatte.

--- Krankenstation, Eingang, zur gleichen Zeit

Mehrere Personen befanden sich auf der Krankenstation. Alle schienen irgendwie beschäftigt zu sein. Da Sean auch nicht wußte wer zum Personal der Krankenstation gehörte und er auch niemanden stören wollte, trat er ein wenig zur Seite um die Tür frei zu halten.

'Das Personal der Krankenstation wird sich schon zu erkennen geben', dachte der Schotte und harrte der Dinge die da kommen sollten.

--- Krankenstation, an der rückseitigen Wand

Ysara erhob sich, als der Grilmak sie ansprach aus ihrer gebückten Position - manche Bolzen saßen an unpraktischen Stellen - gerade einen Augenblick zu spät, um seinen lüsternen Blick noch zu Gesicht zu bekommen.

Unruhe kam in ihr auf, als sie sah, daß dieser Sean Wallace gerade den Raum betreten hatte. Er sah immer noch sehr gut aus. Energisch unterdrückte sie die aufkeimende Unruhe. Mr. KWinh kam ihr mit seiner Frage gerade recht. "Ich würde sagen, wir gehen schon vor, denn ich könnte mir vorstellen", sie nickte bedeutsam in Richtung der Klingonin, "daß es hier gleich nicht nur voll wird, sondern auch einiger Tumult ausbricht."

Dann sah sie hinüber zur Bürotür. Miss Twillan war eine merkwürdige Person - waren da manische Elemente im Spiel? Erst schickte sie Rigero zu ihr, dann, ganz abrupt, hörte sie auf sich zu amüsieren und glaubte, mit einem Besuch beim Doktor ihre Taten rückgängig machen zu können. Ysara verstand nicht den Gedankengang bei der Sache und auch nicht, warum die Frau sie plötzlich duzte, aber bei der Vorstellung, was wohl gerade hinter dieser Tür geschehen mochte, mußte sie grinsen. Sie fragte sich, wer von den beiden zuerst hinausstürmen würde.

Der Grilmak nickte zustimmend und wies ihr höflich den Weg zur Tür. Sie nickte Wallace flüchtig zu und beschleunigte ihre Schritte noch etwas. "Sagen Sie, Mr. KWinh, wissen Sie die Uhrzeit? Ich muß sagen, ich bekomme langsam Hunger. Wir arbeiten ja doch schon einige Zeit, und ich bin gespannt auf Ihre Kochkünste."

Shalley sah dem Romulaner - KWinh, eigentlich kein romulanischer Name - und der Schwarzen nach, wie sie den Raum verließen. Ärgerlich runzelte sie die Stirn. Scheinbar hatte sie schon wieder irgendwas falsch gemacht, und dabei war sie so nett gewesen!

Wahrscheinlich machte der Mann jetzt Feierabend und sich einen schönen Abend, aber zur Untersuchung würde er bestimmt in den nächsten Tagen nicht auftauchen. Sie kannte die Sorte schon von früheren Jobs auf anderen Schiffen. Die meisten Leute scheuten Untersuchungen, obwohl sie gesund waren, vor allem von ihr, weil sie Klingonin war. Der Gedanke machte sie noch wütender.

Dennoch riß sie sich zusammen, als sie den Neuankömmling bemerkte. Sie hoffte, daß er noch nicht allzulange hier war und sie ihn übersehen hatte. Das wäre sehr peinlich.

Er war sehr groß, was sie an einem Mann mochte, allerdings auch sehr dünn, was ihr weniger gefiel. Dazu sein schüchternes Auftreten, dem sie ein etwas robusteres vorzog. Doch natürlich war sie deshalb nicht hier.

"Ich bin Shalley und helfe hier seit heute Doktor Rigero", stellte sie sich knapp vor, "ich werde einige Scans an Ihnen vornehmen, die der Doktor dann auswertet, sobald er Zeit hat. Kommen Sie ... bitte ... mit hier herüber." Sie wies auf den Teil der Krankenstation, in dem der Schrank mit den Tricordern stand, während Wallace seinen Namen nannte und warf noch einen mißtrauischen Blick hinüber zum Büro des Doktors.

Was machten die beiden so lange da drin?

--- Gang vor der Krankenstation

Die Psychologin und der Techniker waren auf den Gang hinaus getreten und KWinh war ganz froh darüber, weil es inzwischen doch recht voll wurde in der Krankenstation. Er hatte zwar kein Problem mit Menschenmassen, aber auf kleinem Raum war das etwas anderes.

"Ich habe kein Chronometer bei mir und will nicht unbedingt den Computer fragen, wie spät es ist. Aber ich habe auch Hunger. Nun, wir haben den größten Teil ja schon geschafft. Da eines der betroffenen Quartiere meines ist, denke ich, wir werden sogar noch vor Miss Twillan fertig sein. So wie es aussieht, ist sie wohl noch etwas länger beschäftigt mit dem Doktor."

Die beiden trennten sich, Ysara ging vor auf Deck 3 und KWinh ging zum Maschinenraum, um die restlichen Bolzen an sich zu nehmen.

--- Deck 5, Lagerraum 6

Schnell erreichte Nathalie den Lagerraum, in dem sie Charly eingesperrt hatte und trat ein. Dieser Lagerraum war wesentlich kleiner als der, in dem sie auf Kuno getroffen war. Doch auch er war vollgestopft mit Containern und Fässern unterschiedlichsten Inhalts.

Langsam wanderte Nathalie durch die Reihen. Die Deckenbeleuchtung war auf eine geringere Leuchtstärke heruntergefahren, sodaß sie das schimmernde Kraftfeld schnell fand. Sie entdeckte Charly - mit einem Putzlappen - zwischen zwei Containern, die zufälligerweise ebenfalls vom Kraftfeld umgeben waren.

Charly schien ein wenig eingesunken zu sein, fast so, als wäre er müde oder vielleicht sogar niedergeschlagen. Er bearbeitete einen der Container gerade mit seinem Putzlappen, als er Nathalie entdeckte. Plötzlich richtete er sich vollends auf und wurde hektischer in seinen Bewegungen.

"Gott sei Dank! Endlich kommt jemand zu meiner Rettung! Ich hätte nie gedacht, daß es so lange dauern würde, hat mich denn keiner vermißt? Ich bin doch ein netter Roboter und alle sagen, daß sie mich für unentbehrlich halten. Leider hatte ich keinen Zugang zum Comsystem, sonst hätte ich euch ja sagen können, daß ich noch funktioniere und daß es mir gut geht. Gehören Sie zu einem Suchtrupp? Ja, der Captain hat sicher Suchtrupps losgeschickt. Er würde das zwar nie zugeben, aber wenn mir was zustoßen sollte..."

"Äh, Charly...", versuchte Nathalie ihn zu unterbrechen. Doch er schien gar nicht auf sie zu achten. Nathalie überlegte schon ernsthaft, ob sie das Kraftfeld nicht aktiviert lassen sollte - zumindest so lange, bis ihr gekündigt wurde und sie das Schiff verließ.

"...dabei hatte ich heute so viel zu putzen gehabt. Der Captain wird mich sicher durch die Luftschleuse jagen, wenn ich heute nicht fertig werde. Ich bin noch nicht einmal mit diesem Lagerraum fertig - nur die zwei Container hier. Dieses Kraftfeld ist daran schuld! Wenn ich bloß wüßte, wer dafür verantwortlich ist. Dem Captain würde es sicher nicht gefallen. Nein, er..."

Das Kraftfeld erlosch. Charly hielt kurz inne, um dann wieder fortzufahren.

"Oh, ich danke Ihnen! Sie sind eine so nette Person! Ich muß mich beeilen, ich muß ja noch die restlichen Container abstauben. Ohne Sie hätte ich nicht..."

"Charly!" Nathalie brüllte fast, um seinen Redefluß zu unterbrechen. Charly hatte sich bereits einem anderen Container genähert und begann, ihn abzuwischen.

Doch Nathalie hatte anderes mit ihm vor. "Charly, laß das jetzt. Ich will, daß du mit mir kommst!"

"Aber der Captain sagte..."

"Komm mit!" Nathalie betonte jedes Wort. Endlich setzte sich Charly in Bewegung und folgte ihr zur Tür, wobei er ihr erzählte, was der Captain alles mit ihm anstellen würde, wenn Charly nicht seine Arbeit fertig machte.

Beim Hinausgehen fiel ihr Blick auf einen der Container, mit denen Charly eingesperrt gewesen war. Er war sauber, kein Flöckchen Staub. Und er war sehr, sehr, sehr am Glänzen.

--- Gang zur Krankenstation

Erstaunlich, Isweda traf selten jemanden in den Gängen an. Tatsächlich hatte er das Gefühl mehr Zeit alleine auf den Gängen der Ivory zu verbringen, als sonst jemand und ihn überkam das Gefühl, diese einsamen Gänge würde er noch hassen lernen.

Eine Tür öffnete sich vor Kuno, in etwa dort, wo laut Schiffsplan die Krankenstation sein müßte und schloß sich wieder, aber niemand betrat den Gang.

'Ein verdammtes Geisterschiff!' Kuno schüttelte sich bei diesem Gedanken, nahm jedoch seine Schrittgeschwindigkeit, die er kurzfristig verlangsamt hatte wieder auf und näherte sich der Tür. Es war, wie er vermutete wirklich die Tür zur Krankenstation und Isweda betrat, mit einem skeptischen Blick zu der schottähnlichen Tür, den Raum dahinter.

--- Krankenstation

Im hinteren Teil des Raumes bemerkte Isweda Wallace, der sich von einem klingonischem Zwerg scannen ließ. Jedenfalls erschien es Isweda so, als ob es ein klingonischer Zwerg, oder ein Kind sein müsse. Er hatte jedenfalls noch nie einen so kleinen und so seltsam gekleideten Klingonen gesehen.

Beim Näherkommen erkannte Isweda seinen Irrtum. Dies war kein klingonischer Zwerg, dies war eine klingonische Zwergin!

'Sicher verstoßen, so wie ich die Klingonen kenne...', dachte Kuno, '....schien ihnen nicht mal für einen rituellen "Gnadentod" würdig zu sein!'

Aber irgend etwas faszinierte Isweda gleichzeitig an der Erscheinung. Hier war nicht die bedrohliche Größe "gewöhnlicher" Klingonen in Verbindung mit ihrem meistens sehr verbissenem Gesichtsausdruck vorhanden. Nein, hier blickte er von der Seite auf ein - von der Stirnform einmal abgesehen - sehr ebenmäßiges Gesicht, das soeben ein leichtes Lächeln erkennen ließ. Wallace schien einen Scherz gemacht zu haben.

"Hallo, ich hoffe ich störe nicht, aber ein Dr. Rigero hat mich herbestellt. Ich nehme an Sie sind Rigero..?" Isweda hatte sich mit seinem freundlichstem Tonfall an die Klingonin gewandt.

Shalley hatte gerade Luft geholt, um Wallaces letzte Frage zu beantworten, als der Terraner sie ansprach. Stirnrunzelnd fuhr sie herum - sah der Mann nicht, daß sie beschäftigt war? - nur um einen recht großen Japaner zu erblicken, der sie strahlend anlächelte.

"Oh, nun, nein", stotterte sie überrumpelt. Entschlossen hielt sie inne und riß sich zusammen. "Nein, ich bin Shalley, die Krankenschwester. Doktor Rigero befindet sich in seinem Büro, aber ..." Sie warf einen weiteren Blick zur Tür. War es ihr Problem, wenn der Doktor sich im Dienst dermaßen aufführte? "... ich glaube nicht, daß er und seine ... Patientin ...", sie zog eine Grimasse, "jetzt gestört werden wollen."

Der Asiat folgte ihrem Blick zur Tür und nickte bedeutungsschwanger. "Ach so", war alles, was er dazu sagte.

"Wahrscheinlich geht es um die Routineuntersuchung ...? Wenn Sie einen Augenblick Platz nehmen, kann ich..."

--- Gang vor der Krankenstation

Clint hatte gerade noch gesehen wie sich die Türen zur Krankenstation geschlossen hatten, anscheinend war gerade jemand eingetreten, als aus einem der Gänge ein stämmiger Terraner ebenfalls auf die Türe zustampfte.

Er überragte Clint um etwa zwei Kopflängen und war mindestens doppelt so breit. Seinen hartkantigen Schädel schmückten sehr kurgeschnittene rote Haare. Als er Clint bemerkte, wandte er sich ihm zu und rief mit einer markerschütternden Stimme: "Stellt Monserat in letzter Zeit auch Marsmännchen an?"

Der Wissenschafter kannte die terranische Geschichte nicht genau genug, um zu wissen, daß dies eine Anspielung auf seine grüne Hautfarbe war und antwortete wie es seine Art war, wenn ihm Terraner unsinnige Fragen stellten: "Der Mars ist meines Wissens nach der vierte Planet des terranischen Heimatsystems."

Der rothaarige Riese stemmte seine Hände in die Hüften und maß Clint von oben bis unten ab. Er war es scheinbar gewöhnt, daß seine Erscheinung einschüchternd wirkte. Der hagere Man vor ihm, stand jedoch gelassen da.

Schließlich zuckte der Riese mit seinen Schultern, grinste und gab Clint einen freundschaftlichen Schlag auf seine Schultern, das dieser befürchten mußte sich wieder einen Knochen zu brechen.

"Ein wackerer Bursche bist du ja", meinte der Riese lachend, spuckte in die rechte Hand und reichte sie Clint. "Ich bin O'Leary, aber alle nennen mich Mr. Freight", und er gab durch einen eindeutigen Blick zu erkennen, daß er auch nicht anders genannt werden wollte. "Ich bin für die Fracht zuständig und sorge dafür, daß beim Verladen und der Einlagerung alles mit rechten Dingen zugeht", ließ er mit seiner Donnerstimme verlauten.

Clint blickte kurz auf die ihm angebotene riesige Hand und beschloß den Händedruck lieber nicht anzunehmen. Statt dessen antwortete er höflich: "Mein Name ist Ahm-tor Clint, Wissenschaftler. Ich bin sehr erfreut Ihre Bekanntschaft zu machen, Mr. Freight. Wenn Sie mich entschuldigen, ich wurde aufgerufen mich zur Untersuchung zu melden." Mit diesen Worten ging er an O'Leary vorbei und betrat die Krankenstation.

Dieser schaute auf seine Hand und nahm sie mit einem Schulterzucken und einem Grinsen zurück. "Bringen wir's hinter uns", murmelte er und folgte Clint.

--- Krankenstation

Auf der Krankenstation befanden sich schon einige Personen. Die Tür zum Büro des Doktors war verschlossen und die Blenden an den Fenstern waren zu. Sean Wallace ließ sich grade untersuchen, während ein anderer Terraner, eben dazugetreten, mit der Ärztin die Wallace untersuchte sprach.

Clint musterte die Ärztin interessiert. Auf den ersten Blick erkannte er, daß es sich um eine Klingonin handelte. Allerdings war sie nicht nach der gängigen Klingonenmode gekleidet, welche auch nur alle hundert Jahre wechselte. Auch waren ihre Gesichtszüge und ihre Körpersprache für diese Rasse sehr untypisch, sie entsprachen eher denen einer Terranerin. Diese Kombination gefiel Clint. Normalerweise pflegte er ihm fremde Personen nur sehr kurz zu betrachten, wenn er in einen Raum kam, aber diese Fremde fesselte seinen Blick.

Sein vulkanischer Verstand meldete sich und befahl ihm sich gefälligst beherrschter zu verhalten. Er löste seinen Blick von der fremden Schönheit, wenn auch ungern, wie er besorgt feststellen mußte, und betrachtete den anderen Terraner im Raum. Dieser war hochgewachsen, hellhäutig und besaß das verwegene Gesicht eines Abenteurers.

Die Blicke der drei wandten sich plötzlich überrascht in Clints Richtung. Schnell stellte er jedoch fest, daß sie nicht ihn, sondern die beeindruckende Gestalt von Mr. Freight betrachteten, welcher eben hinter ihm eingetreten war. Dieser schob Clint beiseite und bewegte sich sicheren Schrittes in Richtung der Ärztin.

Noch beim Gehen hallte seine laute Stimme durch die Station: "Einen schönen guten Tag allerseits. Ich bin wegen der Untersuchung hier. Hoffentlich dauert das nicht all zu lange."

Mit diesen Worten blieb er vor den Ärzten stehen und schob dann auch den hellhäutigen Terraner mühelos zur Seite. Ohne darauf zu achten, daß die Untersuchung von Wallace noch nicht beendet war, rief er der Ärztin lachend zu: "Ich hoffe, du nimmst mich nicht zu hart ran, Klingonin. Ich bin O'Leary, aber du darfst mich Mr. Freight nennen."

Bei dem Wort Klingonin schien die Ärztin leicht zusammen zu zucken und in ihren Augen erschien Zorn. Auch der hellhäutige Terraner, welcher zur Seite gedrängt worden war, schien sehr wütend und nahm eine angreifende Position ein. Clint lehnte sich an die Wand, verschränkte die Arme und beobachtete.

Verwundert wandte sich die Klingonin, nun mehr durch Wallace, Isweda und den Neuankömmling umzingelt, dem Iren zu. Oder besser gesagt, sie fuhr herum. "Was fällt Ihnen ein, mich zu unterbrechen!", fuhr sie ihn an. "Sehen Sie nicht, daß ich arbeite, Sie Trottel, und mich außerdem noch unterhalte!?"

Rannehmen, ja? Klingonin? Beurteilten eigentlich alle Leute ihre Mitmenschen nach dem, was sie sahen? Mr. Freight, sie hätte ja fast gelacht!

Sie starrte ihn an. Er zeigte keine Anzeichen von Furcht, antwortete auch nicht, sondern verschränkte lediglich die Hände vor der Brust, legte den Kopf schief und sah sie abwartend wie geringschätzig an. "Sehr interessant!", dröhnte er dann plötzlich los. "Du stehst auf die harte Masche, was, Klingonin?!"

Das reichte! Wütend stürmte sie auf den riesigen Kerl zu, bereit ihm zu zeigen, wie sie ihn "rannehmen" konnte, wenn sie wollte.

--- Deck 5, Gänge, zur gleichen Zeit

"Computer, wo befindet sich KWinh?", fragte Nathalie über Charlys Geplapper hinweg auf dem Weg zum Turbolift.

"Hmmm, laß mich mal schauen. Er ist gerade auf Deck 3. Läuft dort auf dem Gang herum. Nein, warte, er hat gerade eines der Quartiere betreten, Nummer 15."

"Danke! Komm, Charly, da gehen wir jetzt auch hin!", rief Nathalie und näherte sich dem nächsten Turbolift.

Auf dem Weg zu Quartier 15 erzählte Charly, wie er bei einer früheren Mission auch schon mal verschollen gewesen sei. Doch Nathalie hörte ihm schon nicht mehr zu, seit sie den Lagerraum verlassen hatten.

--- Quartier 15

KWinh war vor Quartier 15 mit zusammen getroffen, die schon auf ihn gewartet hatte. Das Quartier hatte sich mit der Autorisation des Technikers öffnen lassen. Beide waren eingetreten und der Grilmak legte gerade einen Teil der Füllung seiner Tasche auf den Tisch.

"So, bitte ich schlage vor, Sie nehmen sich dieses Quartier vor. Es ist eins von vieren, die betroffen sind. Allerdings das mit den meisten Ausbesserungen. Ich werde in der Zwischenzeit die restlichen Quartiere übernehmen. Haben Sie für den Abend noch irgendwelchen besonderen Wünsche?"

Einen Augenblick sah Ysara sich in dem Quartier um, bevor sie Mr. KWinh antwortete. Es schien nicht bewohnt zu sein, was ihr nur recht war. Sie drang sehr ungern in die Privatsphäre einer anderen Person ein.

"Solange es nur kein Fisch ist ..." Sie lachte, als sie Mr. KWinhs fragenden Gesichtsausdruck bemerkte. "Fragen Sie Mr. Clint mal darüber aus. Er bevorzugt rohen Fisch mit Eis und hat, glaube ich, der halben Mannschaft den Appetit verdorben."

Sie fuhr sich über die trockenen Lippen und ging hinüber zum Replikator. "Ich habe festgestellt, daß die Replikatoren hier guten Sherry produzieren", erklärte sie knapp. "Ich würde sehr gerne einmal Essen von Ihrer Heimatwelt probieren ... aber verzeihen Sie, möchten Sie auch einen?"

Sie wies auf den Replikator. In diesem Augenblick schrillte der Türsummer. KWinh sah sie verwundert an und öffnete dann die Tür.

--- Gang vor Quartier 15

Natalie war mehr als erfreut gewesen, als sie endlich vor dem Quartier standen. Nathalie betätigte den Türsummer und rief auch gleichzeitig: "Mr. KWinh! Hier ist Natty!"

Die Tür wurde geöffnet und der Grilmak stand mit einem erstaunten Gesichtausdruck vor Nathalie. Sein erstaunter Ausdruck änderte sich in etwas Undefinierbares, als er neben ihr Charly erblickte.

"Mr. KWinh, ich habe ein Problem, bei dem ich Ihre Hilfe benötige. Charlys Programmierung ist geändert worden, doch ich habe Schwierigkeiten genaueres herauszufinden - wer, wann, warum? Ich dachte, Sie als Techniker können mehr Informationen aus seiner Datenbank rausholen. Die Manipulationen haben tief im System stattgefunden, und ich kenne mich damit nicht aus. Haben Sie Zeit?"

Ysaras Blick wanderte von Nathalie zu Charly. Sie zog resigniert die Augenbrauen hoch. "Komm erst mal rein, Nathalie." Sie beschloß, daß ein "du" nach ihren gemeinsamen Erlebnissen angebracht sei. "Möchtest du etwas trinken, was ich dir extra heimlich aus einem fremden Replikator repliziere?", fügte sie hinzu und zwinkerte.

Der Aufforderung folgend betrat Nathalie das Quartier. "Au ja!", rief sie Ysara zu und lächelte zurück. "Doch am Liebsten würde ich was essen! Ich bin schon halb verhungert; ich hatte zwar vorhin versucht, etwas in den Magen zu bekommen, aber dann..." Sollte sie wirklich erzählen, wie ihr geplantes Abendessen tatsächlich verlaufen war?

Nathalie räusperte sich nur kurz und beendete den Satz schließlich mit einem genuscheltem: "...dann kam mir was dazwischen."

Sie seufzte und näherte sich dem Replikator, wobei ihr Blick plötzlich auf die Geräte und Bolzen fiel, die Ysara bei sich hatte. Sie hielt inne und blickte die Psychologin verwirrt an. "Was machst du denn mit den Dingern?"

Doch als Nathalie die Frage stellte, sah sie schon, daß an einigen Stellen dunkle Löcher in den Verkleidungen prangten, wo eigentlich Bolzen drin stecken sollten. Gleichzeitig fiel ihr auch ein, daß sie diese Löcher auch in Kunos Quartier gesehen hatte. Charly war wirklich sehr gründlich vorgegangen!

Nein, nicht Charly. Er war nur das Werkzeug gewesen. Dafür war jemand anders verantwortlich. Und sie durften nun den Schlamassel ausbaden! Aber der Verantwortliche würde schon seine gerechte Strafe bekommen. 'Dafür sorge ich schon!', dachte Nathalie grimmig und ballte die Fäuste.

Schließlich brauchte sie nach diesem nervenaufreibenden Tag ein Ventil, um die angesammelte Anspannung irgendwie wieder loszuwerden. Nathalie hoffte, ihr Gegner würde sich heftig zur Wehr setzten bei seiner Festnahme. Sie brauchte etwas, wobei sie sich richtig abreagieren konnte. Und was bot sich da besser an als ein Kampf? Am allerliebsten würde sie zwar auf einen gewissen, unverschämten Kerl einprügeln, doch dies würde sicher in ihrer Akte nicht besonders gut ausschauen...

Nathalie malte sich schon in Gedanken den wilden Kampf aus, als Ysara sie aus ihrer Träumerei riß und ihr kurz und knapp erzählte, daß sie und noch einige andere der Crew dabei waren, die Bolzen zu ersetzen.

"Du bist also von der Technik rekrutiert worden? Der Arbeitsbereich einer Psychologin ist ja viel umfassender, als ich gedacht hatte!", neckte Nathalie sie, als sie ihren kurzen Vortrag beendete.

Eine weitere Bemerkung lag ihr noch auf der Zunge, doch bevor Nathalie weitersprechen konnte, gesellte sich KWinh zu ihnen und zog ihre Aufmerksamkeit auf sich.

--- Büro des Doktors

"Ja, da ist Ihnen wohl wirklich ein kleines Meisterwerk gelungen, Rigero", meinte Shania amüsiert, während sie den obersten Knopf ihrer Bluse wieder schloß. Nur mit Mühe konnte sie sich ein Lachen verkneifen. Ihre Einschätzung neuen Menschen gegenüber hatte sie wieder einmal nicht im Stich gelassen. Der Trill mochte ein guter Arzt sein, aber er war auch nicht ansatzweise der Künstler für den er sich immer hielt, jedenfalls nicht in ihren Augen.

Ihr Blick fiel auf das "Meisterwerk" welches er regelrecht vergötterte. Hätte ein anderer Mann es gesehen, wäre er nicht im Entferntesten auf den Gedanken gekommen, daß sie dafür Pate gestanden war. Es erinnerte an eine bizarre Konstruktion eines inneren Organaufbaus, verbunden mit einer skurrilen Mischung aus Moderne und natürlicher Zerfall. Die Skulptur sah allem ähnlich nur nicht ihr.

Mit einem leichten Unbehagen, dachte sie daran, daß so vielleicht seine Traumfrau aussah. Zum Glück unterbrach der Doktor ihre Gedanken.

"Am Liebsten würde ich es sofort in mein Quartier stellen, damit ihr nichts passiert und sie ausreichend geschützt ist", meinte er glücklich und warf erneut einen verträumten Blick auf sein Kunstwerk, fühlte sich aber ertappt, als die Amerikanerin ihn ermahnte.

"Dr. Rigero, Sie sind noch immer nicht fertig. Daß dort hinten noch einige Bolzen fehlen, sieht doch ein Blinder. Wir hatten einen Deal wie Sie wissen..." Voll Genugtuung beobachtete Shania den Trill dabei, wie er ihre Arbeit erledigte. Er tat es mit einem leisen Murren, doch sehr gewissenhaft. Und sie mußte zugeben, daß es ihr Spaß machte auf seinem Schreibtisch zu sitzen und ihm dabei zuzusehen.

"Aber ich wußte vorher nicht, daß so viele Bolzen hier fehlen. - Warum fehlen sie eigentlich? Ich glaube nicht, daß jemand solches Zeug sammelt", knurrte Rigero verächtlich und zwang einen weiteren Bolzen an seinen neuen Platz. Das Werkzeug war schwer und langsam wurde seine Hand müde. Die große Frau zuckte mit den Schultern und ließ ihre Beine weiter vom Tisch baumeln.

"Na, dann danke für die erschöpfende Auskunft, Miss Twillan", meinte er leicht seufzend und ein weiterer fand seinen Platz. Er hatte nicht mitgezählt, aber es mußten weit über 50 Stück Bolzen angebracht werden. Ein Umstand, den er früher hätte wissen müssen. Dann fiel sein Blick wieder auf seine Skulptur und er wußte, daß er den Deal trotzdem eingegangen wäre. Besonders, da die anderen Frauen an Bord nicht gerade danach aussahen, als ob sie seiner Bitte bald nachgeben würden...

--- Krankenstation

Normalerweise war Sean ja ein friedliebender Mensch. Aber diese Situation war ja zum aus der Haut fahren. Dieser Mr. Freight schien ja keinerlei Benehmen zu haben. Nicht nur, daß er sich einfach hier mehr oder weniger grob vordrängte. Nein, er fing auch noch an, dumme Sprüche zu machen.

Die Statur des Mr. Freight mochte ja beeindruckend sein, aber die Körpermasse allein machte noch keinen Sieger. So entschloß sich Sean diesem Individuum ein wenig Manieren beizubringen.

Da die gesamte Aufmerksamkeit von Mr. Freight auf der Klingonin lag, fiel es Sean nicht schwer, sich von hinten dem Rüpel ganz dicht zu nähern. Bevor dieser sich der nähernden Gefahr für ihn bewußt werden konnte, setzte Sean durch zwei schnelle Bewegungen eine Kombination aus Halte- und Würgegriff ein, aus dem sich so schnell niemand befreien konnte. Auch nicht so ein massiger Rüpel.

"Darf ich Sie zur Seite bitten", sagte Sean zu Mr. Freight und schob ihn bevor er antworten konnte in Richtung eines Stuhls, der in einer entlegenen Ecke stand.

"Aber ich wollte doch nur... " begann dieser zu antworten. Doch wurde er von Sean sofort unterbrochen. "Setzen Sie sich hier hin, und warten Sie, bis Sie an der Reihe sind." Dabei gab er ihm einen kleinen Schubs, so daß er auf den Stuhl zu sitzen kam. Er beobachte ihn noch einen Moment, aber Mr. Freight schien ganz kleinlaut und friedlich geworden zu sein.

Sean ging zurück zu Shalley. Diese schaute ihn recht erstaunt an. Offenbar hatte sie Sean ein solches Verhalten gar nicht zu getraut. "Vielleicht sollten wir die Untersuchung jetzt fortsetzten." Mit diesen Worten lächelte er die immer noch etwas erstaunt wirkende Klingonin an.

"Naja, das macht die Erfahrung aus jahrelangem Kampfsporttraining", versuchte er Shalley die Situation ein wenig zu erläutern.

"Äh .. aha." Fasziniert sah Shalley zu dem Terraner auf, der ihr zuvor so zurückhaltend und still erschienen war. Ihre Wut auf den Iren verflog; wie er verdattert und geschlagen auf dem Stuhl saß, kam er ihr nur noch erbärmlich vor.

"Wir sind ohnehin gleich fertig", sprach sie gefaßt weiter und wies Wallace mit einer Handbewegung, wieder auf dem Biobett Platz zu nehmen. Dann wandte sie sich wieder an den Japaner: "Bitte warten Sie noch einen Augenblick."

Einen Augenblick lang schwieg sie, als sie den unterbrochenen Scan fortführte. Erst eine Minute später, als sie die Ergebnisse auf einem Padd speicherte, brach es aus ihr heraus. "Ihr Verhalten ehrt Sie!" Sie fuhr zu ihrem Patienten herum. "Ich interessiere mich ebenfalls für Kampfsport! Vielleicht können wir unser Hobby ja mal gemeinsam ausbauen!" Ihre Augen funkelten; sie hatte lange keinen ebenbürtigen Gegner mehr gehabt.

Sie wandte sich erst an Kuno. "Jetzt sind Sie dran. Setzen Sie sich bitte", wies sie ihn an. Während sie wieder nach dem Tricorder griff, sah sie Wallace fragend an und erwartete seine Antwort.

'Das fehlte jetzt noch. Eine Klingonin, die mich zu Brei verarbeiten will.' Bei diesem Gedanken wurde Sean schon ganz mulmig in der Bauchgegend.

"Wir können es gerne mal auf dem Holodeck versuchen." Noch bevor er die Worte richtig ausgesprochen hatte, begann er seine Aussage zu bereuen. 'Ich gegen eine Klingonin. Wenn das mal keine gebrochenen Knochen gibt. Wenigstens ist sie ja medizinisch erfahren und kann dann sofort Erste Hilfe leisten.'

Das komische Gefühl in der Bauchgegend wurde immer noch nicht besser, da ein Klingone im Kampfesrausch wohl kaum auf seinen Gegner Rücksicht nehmen würde. Aber vielleicht war das bei den Frauen ja doch ein wenig anders als bei ihren männlichen Artgenossen.

"Wenn Sie hier nicht mehr so beschäftigt sind, melden Sie sich doch einfach mal bei mir. Als Wissenschaftler werde ich auf diesem Schiff wohl nicht allzuviel zu tun bekommen."

Auch wenn manchen Leuten das sicher viel Spaß machen würde, wenig zu arbeiten. Sean war aber nicht der Typ dafür. Er ging eigentlich ziemlich in seiner Arbeit auf. Wenn er einer interessanten Entdeckung auf der Spur war, konnte er tagelang fast ganz ohne Schaf durcharbeiten.

Eine Frage drängte sich ihm immer wieder auf. 'Was sollen zwei Wissenschaftler auf so einem kleinem Schiff? Da wird es doch wohl kaum genug Arbeit für beide geben.'

"Sehr gerne. Ich werde auf Ihr Angebot zurückkommen", freute sich Shalley über Wallace Zusage, während er sich bereits wieder erhob und sich zum Verlassen der Krankenstation anschickte. "Ich denke, wenn die Aufnahmeuntersuchungen erledigt sind, wird es für mich ebenfalls nicht viel zu tun geben."

--- Quartier 15

Entgeistert hatte der Grilmak erst Nathalie und dann Charly angesehen. Dieser Roboter bedeutete Ärger wo immer er auch auftauchte. Nachdem Nathalie sich sofort in Richtung von Ysara abgesetzt hatte, blieb ihm wohl nicht viel anderes übrig, als sich um diesen Quälgeist zu kümmern.

"Ein Sherry, sagen Sie, Miss Jefferson? Ich weiß zwar nicht, was für ein Getränk das ist, aber wenn Alkohol darin sein sollte, glaube ich, daß es jetzt eine gute Idee wäre."

Nach Ysaras Hinweis darauf, daß die Replikatoren nur Syntehol herstellten, versuchte er das Getränk trotzdem und stellte fest, daß der Geschmack zwar sehr gut war, aber trotzdem der Alkohol fehlte. Zwar trank KWinh selten alkoholische Getränke, aber dieser Tag, der sich jetzt so langsam seinem Ende zuneigte, schien dafür geeignet. Also beschloß er, für das Abendessen den Replikator seines Quartiers umzuprogrammieren, damit er auch etwas "Anständiges" zu trinken hatte.

KWinh wollte sich gerade daran machen, eine Wartungsklappe an Charlys Seite zu öffnen, als sich dieser zu Wort meldete: "Oh, Mister KWinh, ich glaube nicht, daß das eine gute Idee ist! Wissen Sie, ich habe das gar nicht gern wenn jemand an mir herumfummelt. Das tut mir ganz bestimmt weh und Schmerzen sind nicht gut für mich. Ich glaube, ich werde lieber mal anfangen, dieses Quartier zu säubern, das sieht ja hier aus wie..."

"Ruhe, sonst werde ich dich deaktivieren müssen, um dich zu untersuchen!"

Nach diesen Worten blieb der Roboter stehen und die Wartungsklappe öffnete sich ohne weiteres Zutun des Technikers. Nachdem der Roboter mit Hilfe eines Kabels mit dem Terminal des Quartiers verbunden war, konnte KWinh die Daten einsehen. Viel konnte er jedoch nicht erkennen. Die Programmierung und die internen Datenbanken des Roboters hatten sehr wenig mit allem Anderen zu tun, was ihm bis jetzt untergekommen war und waren zum Teil durch Sicherheitsprogramme streng vor Zugriff geschützt. Ein Werk, daß sich schnell als das von Martengh herausstellen ließ.

Allerdings waren ein paar Einträge über Löschungen in kurzer Vergangenheit und Hinweise auf die gelöschten Daten vorhanden. Der Grilmak gab die Information an Nathalie weiter, die sich gerade angeregt mit Ysara unterhielt, der die Abwechslung zur monotonen Arbeit sehr willkommen zu sein schien. Sie konnte den Zeitpunkt der Löschung auf den Zeitraum kurz bevor sie Charly und Kuno erreicht hatte festlegen.

Die Analyse KWinhs lautete: "Ich würde sagen, daß Charly von einem Computervirus oder etwas Ähnlichem infiziert war. Dieser Virus wurde gelöscht und die alte Programmierung wurde wieder hergestellt. Ich kann zumindest keine Spuren mehr davon entdecken. Es ist mir auch nicht möglich zu sagen, ob der Virus sich selbst gelöscht hat, oder ob das von außen passiert ist, ob also jemand das manuell gemacht hat. Dazu hätte er aber direkten Kontakt zu Charly haben müssen, ähnlich wie ich jetzt."

"Wow, war das schnell! Ich wünschte, jeder würde seine Arbeit so rasch und ohne sich davor drücken zu wollen, ausführen! Danke, KWinh", entfuhr es Nathalie. Sie hatte KWinh kaum beachtet, wie er Charly untersucht hatte.

"Ein Virus? Interessant. Das wirft natürlich weitere Fragen auf. Dem könnten wir natürlich gleich nachgehen, aber da du deine Arbeit anscheinend so flott erledigst, kann es nichts ausmachen, vorher noch etwas zu essen!" Wenn ihr Ysara schon das Du anbot - was sie auch freudig annahm - dann verdiente auch KWinh so von Nathalie angesprochen zu werden.

Nathalie blickte forschend von KWinh zu Ysara, eine Antwort erwartend. Doch plötzlich kam ihr noch ein weiterer Gedanke. "Äh, ich habe euch beide doch hoffentlich nicht gestört, oder?"

War das eigentlich eine dienstliche Angelegenheit, welche die beiden in das Quartier geführt hatte, oder war Nathalie mitten in ein Date geplatzt? In wie viele Fettnäpfchen würde sie an diesem Tag noch treten? Nathalie wünschte sich, daß dieser Tag bald zuende gehen würde...

--- Krankenstation, inzwischen

Clint beobachtete von seiner Position aus die Geschehnisse. 'Diese Terraner und ihre Dominaspielchen', dachte er und wäre er selbst Terraner, hätte er bei diesen Worten wahrscheinlich die Augen verdreht. Ein solch unprofessionelles Verhalten hätte er von diesem Wissenschaftler Wallace nicht erwartet, aber schließlich war dieser ein Terraner.

Mr. Freight saß verwirrt auf einem viel zu kleinen Sitz und war sich keiner Schuld bewußt. Er hatte sich gar nicht gewehrt als Wallace ihn würgte, oder vielmehr an seinem Hals hing, denn er war selbst größer als dieser Schotte, und ließ sich auch ohne Gegenwehr in die Richtung drängen in die ihn Wallace zu drängen versuchte.

Clints geübte Fähigkeit zur Einschätzung eines Charakters hatte ihn nicht getäuscht. Der waschechte Ire mochte wie ein Ungeheuer aussehen und unmögliche Manieren haben, war aber im Großen und Ganzen friedfertig. In dieser Hinsicht verdiente er Clints Respekt im Augenblick mehr, als der ihm bisher sympathisch und ausgeglichen erschienene Wissenschaftler, denn er verzichtete auf Gewaltausübung, obwohl er zweifellos in der Lage dazu gewesen wäre.

Auch der hellhäutige Terraner, dessen Namen Clint immer noch nicht kannte, hatte zwar eine angreifende Haltung eingenommen, wollte dem irischen Riesen aber anscheinend zuerst eine Standpauke in Sachen Benehmen halten, anstatt ihn auf der Stelle anzugreifen. Wahrscheinlich hatte dieses Benehmen wie immer mit terranischem Paarungsverhalten und Imponiergehabe zu tun.

Tatsächlich schien die Ärztin beeindruckt zu sein, wie Clint leicht verächtlich feststellen mußte, aber aus irgendeinem Grund konnte er nicht Negativ über sie denken. Seine Logik schien in letzter Zeit leicht angeschlagen zu sein, zwar hatte er nach dem Kältebad in seiner Kabine wieder die volle Herrschaft über Geist und Körper aber hier handelte es sich um etwas anderes als seine bisherigen Erinnerungsattacken.

Der adoptierte Vulkanier wischte diese Gedanken vorerst beiseite und ging auf den Terraner zu, der nach dem Schotten als Nächster an der Reihe kam.

--- Büro des Doktors, inzwischen

"Fertig", sagte Dr. Rigero schließlich, fuhr sich mit der Hand über die Stirn um den Schweiß abzuwischen und reichte Shania dann das Gerät zurück. Diese wirkte regelrecht erholt und erfrischt. Kein Wunder, war sie ihm auch nur Modell gestanden...

"Danke, Doktorchen. Es war mir ein Vergnügen", antwortete Shania und rutschte vom Tisch, während sie gleichzeitig das Gerät und die beiden restlichen ihr gereichten Bolzen an sich nahm. "So schnell hätte ich allein es sicher nicht geschafft."

Inzwischen hatte der Doktor die Tür wieder entriegelt und die Amerikanerin konnte sein Büro verlassen.

'Ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein großer Richtung Abendessen', dachte sie bei sich, während sie sein Büro verließ.

--- Krankenstation

Fragend sah die große Amerikanerin sich um, konnte aber weder KWinh noch Ysara irgendwo entdecken. Anscheinend waren die beiden inzwischen mit der Krankenstation fertig und waren inzwischen gegangen. Statt dessen untersuchte die Klingonin einige Leute, die sie nicht kannte. Lediglich den blonden Wissenschaftler erkannte sie und nickte ihm zu.

Als sie der fast strafende Blick der Klingonin traf, meinte sie süffisant: "Aber schonen Sie den Doktor noch etwas, er scheint noch immer nicht ganz bei Kräften zu sein." Mit einem Zwinkern und einem Gemurmel, daß sich nach "keine Bolzen", "Nachschub" und "keine Zeit" anhörte, verschwand sie auch schon wieder aus der Krankenstation.

Die Klingonin wandte sich wieder dem Japaner zu, nachdem sie noch einmal in Richtung der Tür gesehen hatte. Miss Twillan war ja ziemlich schnell verschwunden. Ihr Blick wurde wieder mißtrauisch ... vielleicht sollte sie mal nach dem Arzt sehen? Wer wußte schon, was die beiden da drin getan hatten?

"Am Besten setzen Sie sich auf das Biobett ..."

Sie wollte gerade fortfahren, als ihr der Mann auffiel, der hinter ihrem neuen Patienten zum Stehen gekommen war. Er war so unauffällig, daß sie ihn fast übersehen hätte, und recht klein. Schwarzgraue Haarsträhnen ließen seine Haut leicht grün wirken.

Sie trat einen Schritt zur Seite, um nicht Isweda zwischen sich und dem Neuankömmling zu haben, und aktivierte den Tricorder. "Sie sehen nicht gut aus. Ist Ihnen schlecht?"

Clint fragte sich wirklich, was an ihm der Ärztin Sorgen machte. Anscheinend verwechselte sie ihn mit einem Terraner und hielt eins seiner äußeren Merkmale für ein Krankheitsbild. Wie immer, wenn ihm unbedachte Fragen gestellt wurden, wollte er mit einer zynischen Antwort reagieren. Schon mit einer entsprechenden Entgegnung auf der Zunge hielt er jedoch, zu seiner eigenen Überraschung, inne.

Er sah in das hübsche Gesicht welches in einer gar nicht klingonischen Weise ehrliche Besorgnis und ein leichtes, fragendes Lächeln zeigte. 'Vielleicht ist es ein Versuch der Kontaktaufnahme', kam ihm plötzlich der Gedanke. Wieder war er über seine eigenen Gedanken verwundert. Was interessierten ihn solche Überlegungen?

Clint richtete sich auf um der Ärztin eine Antwort zu geben und tat dabei einen Schritt vor.

Isweda drehte sich ebenfalls, durch die plötzliche Aufmerksamkeit welche die Klingonin einer, Kuno bis dahin nicht in seiner Nähe vermuteten Person, entgegenbrachte, um und bemerkte die schmächtige Gestalt, die nur knapp hinter Kuno stand.

"Müssen Sie sich denn so anschleichen...", Isweda ließ in recht lauten Worten dem Erschrecken darüber freien Lauf, daß sich jemand von hinten an ihn herangeschlichen und dabei noch seine "Fluchtdistanz" durchbrochen hatte, "...Mann, schweben Sie über den Boden, oder was?"

Ein Griff zur Brust von Isweda sollte, wenn auch rein instinktiv durchgeführt, verdeutlichen, daß es einige Spezies, insbesondere Menschen, nicht mochten, wenn sich jemand nicht bemerkbar machte und sich auf weniger als einen halben Meter von hinten näherte.

Dem grau-grünlichem Gesicht konnte Isweda so etwas wie Verständnis, eventuell sogar Bedauern entnehmen, woraufhin Isweda sich mit einer Hand nach hinten absichernd, an das Biobett lehnte. Eine Bewegung die verdeutlichte, daß er, Kuno, den "Überfall" zunächst verarbeiten mußte, aber nicht aggressiv darauf reagieren würde. Dies alles geschah rein instinktiv und hätte Isweda die Zeit zum Nachdenken gehabt, so hätte er sich vielleicht gefragt, ob dieser Kerl nicht doch so etwas wie einen Angriff beabsichtigt hatte.

Die andere Hand in Richtung des "Eindringling" in seine privateste Sphäre ausgestreckt, auch um zu verdeutlichen, daß er ein weiteres Näherkommen zu diesem Zeitpunkt nicht tolerieren könne, sagte Kuno in wesentlich ruhigerem Ton: Entschuldigen Sie, aber Sie haben mir wirklich einen Mordsschreck eingejagt..." Und schon etwas scherzend fügte Kuno hinzu: "...Sie sollten überlegen, ob Sie nicht Metallplatten unter Ihre Schuhe kleben. Dann hört man Sie wenigstens kommen!"

Clint machte sich Vorwürfe. Er wußte wie es um die Instinkte anderer Spezies bestellt war und wie man sich in deren Gegenwart verhalten mußte um diese nicht auszulösen. Das Verhalten, das er gerade an den Tag gelegt hatte, verstieß gegen seine Prinzipien nie ein unnötiges Risiko einzugehen, und was noch beunruhigender war, war die Tatsache, daß er es nicht mit Absicht getan hatte, sondern aus Unbedachtheit.

War er vielleicht sogar emotional bewegt gewesen? Möglicherweise hatte er sich längst nicht so gut unter Kontrolle wie er es seit dem Kältebad in seinem Quartier gedacht hatte. Auch hatte er seit langem kein vulkanisches Reinigungs- oder Klarheitsritual durchgeführt. Ein Manko, das er bei nächster Gelegenheit nachzuholen gedachte.

Der Terraner hatte sich erstaunlich schnell wieder gefaßt und bemerkt, daß seine Reaktion der Situation nicht angemessen war. Die anschließende Bemerkung des Terraners, er solle sich Metallplatten an die Schuhe kleben, ließ ihn jedoch an dessen Vernunft zweifeln. Ihm fiel jedoch ein, daß Terraner manchmal Scherze benutzten um Spannungen in bestimmten Situationen abzubauen.

Wenn Clint es richtig einschätzte, war dies ein solcher Scherz, weshalb er antwortete: "Ich werde Ihren Vorschlag überdenken, auch wenn er unlogisch ist, Mr. ...?"

--- Quartier 15

"Nein, Sie haben uns nicht gestört", entgegnete KWinh auf Nathalies Frage und fügte dann erklärend hinzu: "Wir sind gerade dabei den Rest der fehlenden Bolzen zu ersetzen."

Der Grilmak fragte sich ernsthaft, wie er Nathalie absagen sollte, ohne sie zu kränken.

"Nachdem das getan ist, treffen wir uns noch mit Miss Twillan, um die Arbeit zu resümieren. Dabei werden wir auch zu Abend essen. Deshalb muß ich Ihr Angebot leider ablehnen. Außerdem habe ich bemerkt, daß Sie für mich das bei Terranern gebräuchliche 'Du' benutzt haben. Ich nehme das gerne an. Der Gebrauch ist mir bekannt und ich freue mich auf diesen Beweis Ihres, äh DEINES Vertrauens. Selbstverständlich, Miss Connor, biete ich das Ihnen auch an."

Ysara sah KWinh erstaunt an. Es schien ihr fast, als wolle er Nathalie loswerden. Dabei war doch wirklich nichts Schlimmes dabei, wenn sie eine Weile hierblieb. Vielleicht, überlegte sie trocken, hatte sie sogar das Verlangen, ihnen zu helfen und ihre Arbeitszeit zu verringern.

Während KWinh sprach, sah sie sich um. Dieses Quartier hatte es wirklich schwer getroffen, so schwer, daß der Vergleich mit dem berühmten Schweizer Käse wohl nicht nur angemessen war, sondern auf der Hand lag. Wäre sie ängstlicher gewesen, hätte sie wahrscheinlich jede Sekunde damit gerechnet, daß die Wände in sich zusammenfielen.

"Wenn du natürlich Gesellschaft möchtest", wandte sie sich an Nathalie, "kannst du gerne hier essen und uns beim Arbeiten zuschauen. Ich wette, das würde dir gefallen", setzte sie noch stichelnd hinzu.

Energisch wog sie den Bolzen in der Hand und hielt nach einem neuen Loch Ausschau. Tatsächlich wäre ihr Nathalie als Anstandsdame ganz recht. Es reichte nun wirklich ein Mann pro Tag, den sie sich gewaltsam vom Leib halten mußte. Nicht, daß sie bei Mr. KWinh eine solche Aufdringlichkeit erwartete wie die des Doktors, aber er war ein Mann. Noch energischer als zuvor trieb sie den nächsten Bolzen mit einem hörbaren Knall ins nächste Loch.

Ein heißer Schauer lief durch Nathalies Körper. Sie hoffte bloß, daß dieser Schauer sich noch vor Erreichen ihres Kopfes legen würde. Nathalie war an diesem Tag schon oft genug errötet. Manche Tage waren einfach nur grausam.

Natürlich hatte sie bemerkt, daß sich hinter den freundlichen Worten KWinhs noch etwas anderes verbarg. Seine Körperhaltung hatte ihn verraten. Nathalie spürte, daß ihre Befürchtung wohl doch der Wahrheit entsprach.

Sie wandte sich an Ysara, als der Nachhall des lauten Knalls in ihren Ohren langsam abnahm. "'Gefallen' könnte man das nicht nennen. Ich würde dabei eher ein schlechtes Gewissen bekommen und euch helfen wollen. Allerdings hasse ich es, mir die Hände schmutzig zu machen. Und in deiner Gegenwart geschieht das scheinbar manchmal schneller, als mir lieb ist!", stichelte Nathalie zurück und zwinkerte.

Diese Ysara war ihr sympathischer, als Nathalie zunächst zuzugeben bereit war. Und dennoch, der Gedanke daran, daß KWinh und Ysara lieber ungestört sein wollten, versetzte ihr einen kleinen Stich. Besonders da Nathalie wieder an Kuno und an dieses Fiasko denken mußte, was ursprünglich als ein netter Abend in privater Atmosphäre geplant gewesen war.

"Nein, ich glaube, ich lasse euch beide lieber ungestört...", Nathalie tat so, als suchte sie nach einem passenden Wort und ließ sich diese Gelegenheit nicht entgehen, die beiden noch ein wenig zu necken, "... arbeiten!"

KWinh und Ysara tauschten einen verdutzten Blick aus und Nathalie mußte sich anstrengen, um ein erneutes Grinsen zu unterdrücken. "Komm, Charly, wir haben noch was zu tun!", rief sie dem kleinen Roboter zu, der sich unterdessen um den Tisch gekümmert hatte, auf dem vorhin noch eine kleine Staubschicht zu sehen gewesen war.

"Ach, äh, KWinh?", wandte sich Nathalie noch im Türrahmen dem Grilmak zu, bevor noch Charly die Gelegenheit bekam, einen seiner Vorträge zu starten. "Danke für deine Hilfe!"

"Ja, Sie haben wirklich hervorragende Arbeit geleistet! Ich lasse sonst nicht so schnell jemanden an meine..." Charlys Stimme wurde leiser, als Nathalie ihn plötzlich packte und mit sanfter Gewalt auf den Flur hinausschob. Auf seinen daraufhin einsetzenden Protest achtete sie gar nicht.

KWinh warf Nathalie noch einen ausgesprochen dankbaren Blick zu, den sie mit einem verständnisvollen Nicken quittierte, bevor sich die Tür zum Quartier schloß. Anscheinend war sie nicht die einzige, der Charly auf die Nerven ging.

--- Gang vor den Quartieren

Kaum hatte sich die Türe geschlossen, als Charly sich lauthals über Nathalies Vorgehensweise zu beschweren begann.

Nathalie, die gerade losgehen wollte, hielt inne und unterbrach ihn sofort. "Charly! Ich weiß nicht, wieviel du über menschliche Interaktion weißt, aber so wie es da drinnen", Nathalie deutete mit dem Daumen auf Quartier 15, vor dessen Türe sie noch immer standen, "ablief, hätte es eine große Katastrophe gegeben, wären wir auch nur eine Sekunde länger geblieben!"

Diese geringfügige Übertreibung erschien Nathalie angemessen. Vielleicht würde Charly dann keine weiteren Fragen stellen. Oder noch schlimmer, ihr erneut einen langen Vortrag halten. Doch zu ihrem Bedauern mußte sie feststellen, daß ihre Worte genau das Gegenteil bewirkten.

"Eine Katastrophe? Gütiger Sternenstaub! Sagen Sie bloß, wir waren in Gefahr? Daß ich das nicht gleich erkannt habe! Meinen Sie etwa, dieser KWinh hat etwas mit meiner letztlichen..." Hier fiel es Charly scheinbar schwer, das nächste Wort auszusprechen. Wie seltsam. Gehörte das etwa zu seiner Programmierung?

"...Fehlfunktion zu tun? Nicht auszudenken! Und ich habe ihm auch noch erlaubt, Zugriff auf meine intimsten Dateien zu nehmen...", plapperte Charly.

Nathalie unterbrach ihn erneut. "Äh, nein, nein, so ist es nicht. 'So' eine Katastrophe habe ich eigentlich nicht gemeint. Aber ich werde dir das Morgen erklären. Sag mal, solltest du nicht die Lagerräume bis heute Abend fertig haben?", fragte Nathalie unschuldig.

Mit einem "Oh, Schreck! Monserat wird mich sicher durch die Luftschleuse...", rollte Charly schnell den Gang hinab und Nathalie hörte nicht mehr, wie er den Satz beendete. Sie seufzte nur erleichtert, da sie den plappernden Roboter endlich wieder losgeworden war.

Nathalies Magen meldete sich wieder knurrend. 'Jetzt aber!', dachte Nathalie grimmig und machte sich auf den Weg zur Mannschaftsmesse. 'Wenn jetzt noch jemand versucht, mich von meinem wohlverdienten Abendessen abzuhalten, den werde ich eigenhändig zerstückeln und dem nächsten Seleht zum Fraß vorwerfen!'

--- Quartier 15

Verwundert hatte KWinh Nathalie nachgesehen. Auch nachdem sich die Tür geschlossen hatte, schaute er noch ein paar Augenblicke in diese Richtung. Er hoffte, sie nicht gekränkt zu haben, aber das Abendessen, zu dem er Ysara und Shania eingeladen hatte, sollte nur für sie drei sein. Schließlich hatten ihm nur diese beiden Frauen bei seiner nervtötenden Arbeit geholfen.

"Miss Jefferson, Sie haben auf mein Angebot nicht geantwortet, deshalb nehme ich an, daß Sie lieber bei dem gewohnten "Sie" bleiben wollen. Das stellt für mich kein Problem dar. Ich lasse Ihnen noch ein paar Bolzen da, damit Sie auf jeden Fall für Sie ausreichen. Wenn Sie fertig sind, geben Sie mir bitte Bescheid, dann können wir einen Zeitpunkt für das Essen ausmachen. Ich habe so langsam großen Hunger."

Mit diesen Worten legte der Techniker einige Bolzen auf dem Tisch ab und verließ das Quartier noch bevor Ysara ihm klar machen konnte, daß er ihre beiden Namen verwechselt hatte.

--- Deck 3, Gänge

Ein Blick auf sein Padd verriet dem Grilmak, daß außer seinem nur noch Quartier Nummer 5 betroffen war. Es gehörte Isweda. Dieser seltsame Terraner hatte es bis jetzt erfolgreich vermieden, ihm in irgendeiner Weise zur Hand zu gehen.

Auch die beiden anderen Techniker, dessen Namen er bei der Durchsicht der Daten entdeckt hatte, ließen sich nicht blicken. Aber egal, diese Sache war bald erledigt und der gemütliche Teil dieses Tages konnte beginnen.

--- Quartier 5

Da niemand auf seine Signale hingeöffnet hatte, verschaffte sich KWinh Zugang mit Hilfe seiner Befugnisse für Notfälle. Auf dem Boden waren ein paar kleine Scherben zu sehen, die wohl einmal zu einem Glas gehört hatten. Dieser Isweda schien nicht viel auf seine Sicherheit zu geben, sonst hätte er sie entfernt und die Gefahr von Schnittwunden beseitigt.

KWinh brachte die fehlenden Bolzen an und begab sich in Richtung der Tür, als ihm auffiel, daß er immer noch nichts von Miss Twillan gehört hatte. Er betätigte seinen Communicator:

"KWinh an Miss Twillan! Miss Jefferson und ich sind hier fast fertig. Wie weit sind Sie auf der Krankenstation?"

--- Gang vor der Mannschaftsmesse

Shania gestikulierte gerade wild mit einem Mann, der scheinbar als Wartungstechniker neu eingestellt worden war und sich vorzugsweise um die reibungslose Funktion der Transporter kümmern sollte, als sich ihr Communicator meldete.

Zum einen war sie froh, weil er weder so gut Standard sprach, daß sie ihn verstehen konnte, noch besaß er bereits seinen Communicator. Witzigerweise war er auch Terraner, schien seiner dunklen Hautfarbe zu schließen, aber nicht aus ihrer Gegend zu kommen. Seine beiden Koffer und eine Nummer, die er immer wieder sagte, deuteten darauf hin, daß er auf der Suche nach seinem Quartier sein mußte.

Noch einmal wies ihm Shania den Weg in Richtung der Quartiere, doch er sah sie nur ratlos und verständnislos an. Entweder erwartete er eine Führung oder es war die plumpeste Art von Anmache, die sie bisher auf diesem Schiff erlebt hatte. KWinh ausgeschlossen, dessen verstohlene Blicke einem die Gänsehaut über den Rücken jagte und der einem gleich in die Funktion seines Zauberstabes einweihen wollte...

"KWinh, der Doc.. ich meine, ich bin schon lange auf der Krankenstation fertig. Und es hat mich nicht im Geringsten angestrengt. Eigentlich fühle ich mich sogar recht erholt." Sie grinste bei dem Gedanken, wie der arme Doc bei der für ihn ungewohnten Arbeit geschwitzt hatte. Die Bolzen und der Schußautomat waren eben erheblich schwerer als ein Hypospray.

"Ich bin grade auf dem Weg in mein Quartier, aber wenn Sie noch eine dringende Arbeit für mich haben..."

--- Quartier 6

KWinh, der inzwischen den Weg in sein Quartier zurückgelegt hatte, antwortete: "Nein, es steht nichts Dringendes mehr an. Ich werde mich bald an die Bereitung des Abendessens machen. Ich würde sagen, wir treffen uns in 30 Minuten in meinem Quartier."

Nachdem Shania das bestätigt hatte, informierte der Grilmak auch noch Miss Jefferson und machte sich daran, die restlichen Bolzen anzubringen. Als er damit fertig war, brachte er das Werkzeug in den Maschinenraum zurück und nahm seine Robe und seinen Stab mit in sein Quartier. Dort verband er ein Padd mit dem Replikator, um diesem die notwendigen Daten einzugeben, einschließlich alkoholhaltiger Getränke. Die würden an diesem Abend bestimmt besser sein, als diese Sachen mit Syntehol.

Der Techniker ging zu seinem Koffer, um sich umzuziehen. Bald mußte die erste der beiden Frauen wohl ankommen, oder beide, wenn sie pünktlich waren. Er wollte nicht den ganzen Abend über seinen Sicherheitsoverall anbehalten, also zog er auch diesen aus. Ja, ein einfacher Anzug in Weiß würde angemessen sein. Also nahm er einen aus dem Koffer, da der Replikator bestimmt nicht mit der Mode von Grilmak vertraut war.

Da noch immer niemand da war, begann KWinh, den Tisch zu decken und schließlich die Teile des Menus zu replizieren, die nicht heiß gegessen werden würden. Im Geist vermerkte er sich, daß er dringend eine Küche, oder zumindest etwas Ähnliches einbauen wollte. Diese replizierten Sachen waren zwar ganz gut, aber nie so gut, wie selbstgemacht.

--- Gang vor der Mannschaftsmesse

Ärgerlich bemerkte Shania, daß der Kerl noch immer auf dem Gang herumstand und sie mit großen Augen anstierte. Anscheinend gab es in der Gegend in der er aufgewachsen war nur kleine Frauen.

Statt endlich das Weite zu suchen, hatte er doch tatsächlich die Frechheit besessen das ganze Gespräch über zu warten und zu lauschen. Dabei ging es ihn doch gar nichts an was sie mit dem Grilmak zu besprechen hatte! Daß er von dem Gespräch gar kein Wort verstehen konnte, interessierte sie dabei nicht im Mindesten.

Seufzend fixierte sie ihn und durch ihre einschüchterne Größe, wirkte er plötzlich etwas kleiner als zuvor. Trotzdem schien seine ganze Hoffnung sein Quartier noch heute zu finden an ihr zu liegen und er würde ihr wohl bis in ihr Quartier folgen, wenn sie erst mal losging. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als ihm zu helfen. Dabei wollte sie doch unbedingt pünktlich sein.

"Das ist ja mal wieder typisch. Alle machen sich schon fürs Essen fein und ich kann hier irgendwelche Dummköpfe zu ihrem Quartier bringen", murrte sie in sich hinein und erntete dafür einen interessierten und entschuldigenden Gesichtsausdruck von dem Terraner, der ihr damit zu verstehen geben wollte, daß er kein Wort davon verstanden hatte und es ihm leid tat.

Sofort setzte sie ein strahlendes Lächeln auf, daß er sofort entgegnete und seine Gestalt streckte sich unwillkürlich. "Und jetzt suchen wir dein Quartier, du Sohn einer talaxianischen Pelzfliege. Und wehe dir, wenn ich auch noch Monserat belästigen muß, weil du dümmer bist als die Föderation erlaubt."

Der Nachkömmling einer Pelzfliege lächelte sie weiter freundlich an, als sie sich in Bewegung setzte, dankbar endlich Hilfe zu erhalten.

Hätte Shania schon jetzt gewußt, daß ihre schlimmsten Befürchtungen wahr würden und sie wirklich Monserat belästigen mußte, der ebenfalls so erfreut wie sie über die Störung war, da sie nach längerer Suche noch immer nicht mit ihm klar kam, dann wäre ihr das süffisante Lächeln wohl vergangen...

--- Quartier 10, inzwischen

Nachdem KWinh ihr den Termin zum Essen mitgeteilt hatte, ließ Ysara sich entspannt auf ihr Bett fallen. Sie hatte sich gerade selbst melden wollen, um mitzuteilen, daß sie die Arbeit in dem lädierten Quartier beendet hatte und sich alle Bolzen an Ort und Stelle befanden. Ihr war tatsächlich entfallen, daß sie versprochen hatte sich zu melden und so war sie zuerst hinüber in ihr Quartier gegangen, um sich ein Glas Wasser zu replizieren. So wie sie den Sicherheitschef einschätzte, riskierte sie nur Unruhe, wenn sie weiter den Replikator eines unbewohnten Quartiers nutzte.

Es tat gut, einen Augenblick die Beine auszustrecken. Sie war es wirklich nicht gewohnt, so lange Zeit in unbequemen Positionen zu verbringen, herumzulaufen und noch nebenbei einen aufdringlichen Arzt zu Boden zu werfen.

Ein wenig irritiert dachte sie an den Arzt zurück. Hatte sie voreilig reagiert? Schließlich hatte er ihr nichts getan. Sie erinnerte sich an seine Hand, die sich auf unerwünscht vertraute Weise auf ihre Schulter legte. Ihr schauderte. Wahrscheinlich wäre er noch weiter gegangen, wenn sie ihm nicht sofort klargemacht hätte, wo seine Grenzen lagen. Zumindest hoffte sie, daß er seine Grenzen jetzt kannte.

Ihre Gedanken führten sie weiter zurück, zu jenem Fähnrich, dessen Amoklauf Schuld an ihrer Entlassung aus der Sternenflotte trug. Auch er hatte sich aufdringlich verhalten. Sie schloß die Augen und verbiß sich ein leises Grinsen, obwohl es niemand hätte sehen können. Natürlich hatte das in keinster Weise damit zu tun, daß sie ihm später die falschen Medikamente verabreichte. Bestimmt nicht. Wäre sie solcher Absichten fähig, hätte sie die Aufnahmetests der Akademie gar nicht überstehen können.

Sie streckte sich, um die Verspannung in ihren Schultern zu vertreiben, und setzte sich wieder auf. Außer der großen Tragetasche, in der sie ihr weniges Habe aufbewahrte, befand sich nichts Persönliches in ihrem Quartier. Sie konnte unmöglich in ihren verdreckten Kleidern zu diesem Abendessen erscheinen, also mußte sie sich wohl oder übel umziehen.

Es gab da nicht viel zu überlegen, da sie nur die nötigsten Kleidungsstücke mit sich führte. Bei Gelegenheit würde sie welche replizieren.

Seufzend erhob sie sich und begann sich umzuziehen. Ein nettes, langes Kleid in einem schlichten Blau. Nichts, was Männer auf falsche Gedanken bringen würde. Etwas mißtrauisch dachte sie an Mr. KWinh. Er schien ja sehr höflich zu sein.

Nachdem sie sich ein wenig frisch gemacht hatte, warf sie einen Blick auf ihr Chronometer. Es konnte nichts schaden, schon hinüber in KWinhs Quartier zu gehen. Vielleicht konnte sie ihm zur Hand gehen.

--- Gang vor den Quartieren

Im Gang blieb sie einen Augenblick stehen, als ihr einfiel, daß sie keine Ahnung hatte, welches Quartier ihr Ziel war. "Computer, welches Quartier bewohnt Mr. KWinh?"

"KWinh bewohnt Quartier 6", erwiderte der Computer.

Sie runzelte die Stirn. Die Stimme hatte tatsächlich etwas genervt geklungen. Kopfschüttelnd schritt sie hinüber zur entsprechenden Tür und aktivierte den Türsummer.

--- Quartier 6

KWinh gab den Befehl zum Öffnen der Tür und Ysara trat herein. Er bewunderte kurz ihr Kleid und fragte sich, ob sein schlichter Anzug vielleicht etwas zu schlicht gewählt war, verwarf den Gedanken aber gleich wieder. Er bat sie an den Tisch und sie nahm sein Angebot zu einem Glas grilmakischen Weines an, trotz des Hinweises, daß darin echter Alkohol enthalten wäre.

"Sie sehen ganz bezaubernd aus, Miss Jefferson. Ich finde Ihr Kleid für diesen Anlaß perfekt gewählt. Ich denke, mit dem Essen warten wir noch auf Miss Twillan, aber probieren Sie ruhig von diesen Vorspeisen."

Im Laufe der Zeit hatte der Grilmak diese Art von mehr oder weniger unverbindlichen Komplimenten gelernt und lieb gewonnen. Auf seiner Welt gab es wenig Vergleichbares, um ein höfliches Interesse auszudrücken. Der Blick von Miss Jefferson verriet allerdings wenig darüber, ob auch sie das zu schätzen wußte. Also setzte auch KWinh sich an den Tisch und nahm sich ein Stück Brot um dabei auf das Eintreffen der letzten Person noch ausstehenden Person zu warten.

Shania...

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