Atlantis - Chronik 30 / Venture - Chronik 54

Crossover Chronik 25

Die Krallen von Sivao

--- Venture, Brücke

Während der Chefingenieur seine Schlussfolgerungen offenbarte, betrat S'Tom schließlich die Brücke. Als Rubens Ruf ihn ereilt hatte, war er auf dem Weg zu Transporterraum 1 gewesen, um dort die Ordnung der Dinge zu kontrollieren. Er hatte die kurze Überprüfung als wichtiger bewertet als die sofortige Anwesenheit auf der Brücke, weswegen er die Attacke der Atlantis nur als unerklärliche Erschütterungen im Turbolift mitbekam.

Die Gedanken des Vulkaniers verweilten kurz bei den Worten seines Vorgesetzten. Dieser hatte offensichtlich bereits gründlichere Studien durchgeführt, und die Manipulationen schienen tiefer zu gehen, als er selbst im Transporterraum angenommen hatte. Eine auf gewisse Weise beeindruckende Leistung, fand er; immerhin waren die Sicherheitsstandards der Venture zwar nicht die eines echten Sternenflottenschiffes, aber auch nicht so weit entfernt davon.

Der ehemalige Borg begab sich in Richtung des Sicherheitschefs und glich an einer Konsole sein Wissensdefizit über die letzten Minuten aus, auf weitere Anweisungen wartend.

Er war leicht überrascht über die offene Kommunikation zwischen den Schiffen, deren Zeuge er inzwischen wurde - ein ausgezeichnetes Indiz dafür, dass bereits eine gesicherte Verbindung zwischen den Schiffen bestand. Bei dem offensichtlichen Ausmaß an Computermanipulation war es faszinierend, dass dies jetzt schon möglich war. Hier musste irgendeine unbekannte Variable beteiligt sein...

Eine sehr aufgeregte weibliche Person auf der entfernten Seite der Komm-Verbindung schaffte es, die meisten von S'Toms Gedankengängen mit ihrer irritierenden Stimmlage zu unterbrechen...

--- Atlantis, unbekannter Raum

Llewella versuchte während der nächsten Minuten, sich in eine halbwegs bequeme Haltung zu manövrieren. Sicherlich war es für jedermann unbequem, sich so entwürdigend an ein Tischbein gefesselt wiederzufinden - aber mit solch langen Knochen war es nicht nur entwürdigend sondern schlicht und einfach unangenehm.

Shelda ignorierte die Schottin jetzt vollkommen, stattdessen unterhielt sie sich mit ihren Männern über den Anschlag auf die Venture, der glücklicherweise nur ein 'Schuss vor den Bug' gewesen war. Innerlich atmete Llewella auf.

Der Bricas genannte hatte gerade das Wort: "Ich fürchte allerdings, dass man dort drüben jetzt mit Macht daran arbeiten wird, den Computer des Schiffes wieder unter Kontrolle zu bekommen. Und Jarl, der etwas dagegen tun könnte, ist verschwunden. Vielleicht sollte ich rüber beamen?"

Die Andorianerin antwortete kurz: "Nein. Wir brauchen Dich hier. Zumindest so lange, bis wir die Systeme der Atlantis komplett unter Kontrolle haben. Wer weiß, was dieser Dummkopf in Theocrates Quartier macht."

Llewella hätte sie über das Schicksal ihres vierten Mannes aufklären können - aber sie schwieg.

Bei den ersten Worten des Griechen war Llewellas Gesicht aschfahl geworden, während die Augen Sheldas unheilvoll zu glitzern begonnen hatten. Sie schoss noch einen bösen Blick zu Llewella, begleitet von einem geknurrten "Wir sprechen uns noch!", dann nickte sie Bricas auffordernd zu.

In den nächsten Sekunden materialisierte der Südländer im Raum. Und Llewella begann zu beten, dass er wusste was er tat...

--- Computerkern

Die Atlantis flog nur einige Meter an der Venture vorbei. Kurz nachdem sie sie passiert hatte feuerte sie zwei gezielte Phaserstöße auf den Schildgenerator der Venture und beschädigte ihn, dadurch dass die Waffen aufs maximale geladen waren, schwer.  Das Schiff wendete für einen weiteren Anflug.

"Ohne Schilde werden sie gezwungen sein den Nebel zu verlassen.", sagte David zu Jean. Er überlegte scharf. "Können wir den Kern von hier ausstoßen? Ich weiß, dass wir dann ohne Schilde dastehen. Jedoch versuchen die Fremden seit Anfang an, die Venture loszuwerden. Ich bezweifle, dass sie das Schiff kapern werden. Es geht hier nur um Pormas." Er schaute Jean aufgeregt an. Der Kanal zur Venture war noch immer offen also konnten sie auch mithören.

--- Venture, Brücke

"Verstanden", kommentierte Chris den Befehl knapp und eilte zu der Konsole. Er versuchte sich an alles, was er einst gelernt hatte, zu erinnern. Doch es war schon extrem lange her, dass er ein Schiff geflogen hatte.

Einen Moment blickte er die Konsole vor sich an, wurde sofort ruhiger und konzentrierte sich vollkommen auf seine Aufgabe. Ohne Zögern gab der Sicherheitler die entsprechenden Befehle für das Manöver ein.

Zuerst sah es auch ganz danach aus, als würde der Computer die Befehle annehmen, das war allerdings ein Irrtum, wie Carter nur Sekunden später feststellen musste. Zwar war er in der Lage, Befehle ein zu geben, doch wurden sie nicht ausgeführt, er konnte den Kurs nicht ändern.

Dann wurde ihm der Zugriff gänzlich verweigert. Die Manipulationen am System waren schon sehr viel fortgeschrittener als angenommen. "Mr. McCarthy", wandte sich Chris an den Captain. "Es ist mir nicht möglich einen anderen Kurs ein zu geben, der Zugriff wird verweigert."

Der Captain war nicht überrascht, auch wenn er auf ein kleines Wunder gehofft hatte. Stattdessen musste er weitere Erschütterungen des Schiffes hinnehmen, als die Venture von den Phasern der Atlantis getroffen wurde.

"Captain, unsere Schildgeneratoren sind beschädigt", meldete Trustman und blickte von der Konsole auf, "Ohne die Schilde sind wir der schädigenden Strahlung des Nebels schutzlos ausgesetzt. Wir sollten die Besatzung in die inneren Bereiche des Schiffs verlegen"

Charles nickte. "Machen Sie es so!"

Während der Afrikaner die Evakuierung der äußeren Sektoren anordnete, meinte der Captain zu dem immer noch auf der Steuerkonsole herum tippenden Carter:

"Versuchen Sie es weiterhin. Sobald wir die Kontrolle zurückgewinnen, müssen wir sofort den Nebel verlassen!"

--- Atlantis, unbekannter Raum

Der Raum materialisierte sich langsam vor Pormas Augen. Bevor sein Blick sich festigen und die Situation erfassen konnte, traf ihn schon die andorianische Faust.

"Du Bastard!", schallte es ihm hinterher, als er durch die schiere Wucht des Schlages auf dem Rücken landete. Er versuchte, sich aufzusetzen und ein paar versöhnliche Worte zu sagen, als ihn schon der Stiefel der wütenden Frau mitten im Gesicht traf.

Ein paar Tritte und wüste Beschimpfungen später hörte das Martyrium plötzlich auf. Aus leicht geschwollenen Augen konnte der Sicherheitschef sich endlich ein Bild von der Lage machen. Aus irgendeinem Grund war Shelda zu Llewella gegangen und versetzte ihr eine Backpfeife.

Erst jetzt bemerkte er, dass sie irgendwas sagte und/oder auf irgendwas reagiert haben musste. Das Rauschen in den Ohren des Südländers übertönte die Worte. Er war sich nur in einem Punkt sicher. Er musste die Andorianerin von der Ärztin weglocken.

"Hey Shelda, begrüßt man so seine große Liebe?", in diesem Augenblick wurde er sich bewusst, dass er wohl nicht mehr wusste, was er tat. Aber die Schmerzen, die sie ihm antun konnte, waren nichts zu dem, was er empfand wenn er sah, wie der Schottin Leid zugefügt wurde.

Mit zwei schnellen Schritten war die Terroristin bei ihm. Er sah Mordlust in ihren Augen. Pormas erinnerte sich an seinen Kadettenkollegen Rick, der dem Südländer einmal prophezeite, dass die Frauen sein Verderben sein würden. Jetzt wusste er, was er damit gemeint hatte.

"Du...", raunte sie ihm gefährlich zu, bevor sie ausholte und ihm eine schallende Ohrfeige verpasste. Bevor der Sicherheitschef sich bewusst wurde, wie ihm geschah, ergriff die Andorianerin ihn am Kragen und presste ihre Lippen auf die seinen, wobei ihre Zunge suchend nach seiner forschte.

Pormas erwiderte den Kuss. Alles andere wäre Selbstmord gewesen.

"Wusst ich's doch...", raunte Shelda ihm zu, diesmal allerdings fast schnurrend, "Selbst so eine rothaarige Hure wie die da", dabei zeigte sie abfällig auf die Schottin, "kann dich nicht verderben... aber trotzdem... zieh dich aus!"

Der letzte Satz war ein Befehl. Da der Südländer zum einen ein bisschen verdutzt aus der Wäsche schaute und zum anderen sich kaum rühren konnte, wurde den Handlangern kurzerhand befohlen ihn zu entkleiden. Der Dritte welcher an der Konsole saß, blickte nur kurz auf. "Aber nicht ganz, das gute Stück hol ich mir selber...", ergänzte die Befehlsgeberin mit einem anzüglichen Lächeln.

Kritisch wurden die Kleider und Ausrüstungsgegenstände von Pormas nach möglichen Peilsendern durchsucht und gescannt. Nachdem sie nichts fanden berieten sich die drei letzten Mitglieder der 'Reiter des Sonnenzorns' miteinander. Während diese sich leise über das weitere Vorgehen stritten, suchte der Sicherheitschef den Blick der Ärztin.

Diese schaute ihn mit einem unergründlichen Blick an. Ihm wurde bewusst, was für einen erbärmlichen Anblick er abgeben musste. Mit zerschundenem Körper, nur mit Boxershorts bekleidet saß ihr Retter zwei Meter von ihr entfernt, kaum fähig sich zu rühren.

Aber nicht nur sein Körper hatte gelitten. Was folgte würde seiner Seele weitaus mehr Schmerzen zufügen.

Er verabscheute sich für das, was er nun tun musste.

"Hey Shelda, du weißt doch jetzt, dass ich keinen Peilsender oder so dabei hab. Ich würde dich doch nie verraten! Und jetzt schick deine Helferlein mal weg, damit wir ein bisschen Spaß haben können!", Pormas war froh Llewellas Gedanken nicht lesen zu können.

Die Andorianerin kam lächelnd auf ihn zu. Der Wahnsinn hatte schon den Weg zu ihren Augen gefunden. "Das habe ich den Beiden auch gesagt... allerdings haben sie noch ein paar Geschenke für dich. Sozusagen als erste Anzahlung, für dein Geschenk auf Bajor..."

Der Südländer schluckte schwer. Er wusste, was jetzt kam.

Tatsächlich schlugen die beiden Terroristen voller Hass auf ihn ein. Während einer den Sicherheitschef von hinten umklammert hielt und der andere seiner Wut freien Lauf lassen konnte.

Hart schlug Pormas auf den Boden auf, als sie von ihm abließen. "Das war natürlich nur die Anzahlung... wir sind dir noch Einiges schuldig!", lachend verließen die Männer das Quartier. Es bestand keinen Zweifel daran, dass in dem Inferno, welches der Grieche angerichtet hatte, auch Angehörige der beiden Männer ums Leben kamen.

Der Südländer spuckte Blut aus, wobei er versuchte, nicht auf die Schmerzen zu achten. Mit verschwommenem Blick sah er rechts von sich Shelda in seinen Sachen wühlen, bis sie fündig wurde. Sein Blaster.

Links von ihm sah er die Ärztin immer noch am Tischbein gefesselt. Die Andorianerin sprach den Verletzten an, "Wusste ich es doch. Du stehst auf die Kleine, oder? Und sie scheinbar auch auf dich... hat mich mein Gespür doch nicht getrogen!"

Ein wahnsinniges Lachen drang aus der Kehle der Terroristin. Alle Versuche von Pormas, sich zu artikulieren, schlugen fehl, bevor er seinen schmerzenden Kiefer unter Kontrolle bekam. Dann wurde er aber auch jäh unterbrochen.

"Versuch gar nicht es abzustreiten!", ein schrilles Lachen entfuhr Shelda, als sie plötzlich den Abzug des Blasters in ihrer Hand zog und knapp über Llewellas Kopf ein Energieblitz entlang zuckte.

"NEEEIIIN!!!", schrie der Südländer aus dem Innersten seiner Seele. Durch sein verschwommenes Blickfeld wurde er sich nicht sofort bewusst, dass der Schuss die Ärztin verfehlt hatte. Die unbeschreibliche Angst um die Schottin hielt ihn im Griff.

"Nimm mich, was hat sie damit zu tun!", Pormas wusste, das er verloren war. Und er wusste auch, dass es auch um Llewella geschehen war, wenn nicht bald Sternenlicht auftauchte. Er brauchte nur noch etwas mehr Zeit...

Der Plan schien zumindest teilweise aufzugehen. "Alles, du elender Bastard!", wild schoss die Andorianerin ein paar Mal über Llewella hinweg, "Ich will dich leiden sehen, bevor ich dich endgültig auslösche!"

Shelda lachte auf, als sie die Tränen auf dem Gesicht des Südländers sah, als sie den baldigen Tod der Ärztin verkündete, "Mal gucken, wann ich treffe! Du sollst so leiden wie ich! Nur durch dich habe ich Alles auf Bajor verloren! Und als ich dich in mein Bett ließ, hab ich dich nicht verstoßen, als ich es heraus fand! Ich bot dir sogar den Platz des Siegers an meiner Seite an! Du wärest das geläuterte, reinigende Feuer gewesen!"

Die Stimme der Andorianerin überschlug sich und ihr Wahnsinn wurde immer offensichtlicher. Völlig überraschend warf diese den Blaster in die Ecke und griff nach dem Katana des Griechen.

"Jetzt schau dir an, wie ich deine Kleine in Stücke schneide!"

Panik machte sich in dem Sicherheitschef breit. Dann plötzlich spürte er es in seinem Magen vibrieren. Der Sender, den er in der Krankenstation verschluckt hatte, kündigte die Nähe des Empfangsgerätes an.

Pormas kämpfte sich mit eisernen Willen wieder auf die Beine, nur von dem Gedanken beseelt, Llewella zu Hilfe zu kommen. Die Andorianerin wollte gerade zum Schlag ausholen, als die Quartiertür sich öffnete.

Nur kurz hielt Shelda inne, bevor sie mit einem Schrei das Katana auf die Ärztin niedersausen ließ.

Nur diesen Moment brauchte der Südländer, um sich schützend vor Llewella in die Klinge zu stürzen.

--- Krankenstation

Einige Sekunden vergingen, in denen Sternenlicht wie gebannt auf das leere Display des Empfangsgerät starrte. Dann erschien ein Punkt darauf, samt Richtungs- und Entfernungsangaben. Er brauchte nur Sekunden, um die ungefähre Gegend einzuschätzen, Mannschaftsquartiere, Deck 3, irgendwo zwischen 30 und 50. Sternenlicht sprintete los.

--- Gänge und Jeffries-Röhren

Auf dem Flur begrüßte ihn das matte Licht der Notbeleuchtung, offensichtlich hatten die Terroristen noch weiter gewütet. Verdutzte und zur Seite springende Besatzungsmitglieder hinter sich lassend, sprintete Sternenlicht mit fast zwei Meter langen Sätzen durch die Gänge zum nächsten Turbolift.

Dieser quittierte den Druck auf die Schaltfläche mit einem entnervenden "Britzeldidat." Außer Funktion. Ein Fauchen entrang sich der Kehle des Sivaoaners, während er schon in Gedanken die Deckpläne durchging. In der Nähe von Quartier 400 durchlief eine Jeffriesröhre das Schiff, da wäre er gleich in der richtigen Gegend.

Er wirbelte herum und eilte erneut durch das Schiff, einen im Weg stehenden Techniker scheuchte er mit einem wütenden Fauchen aus dem Weg. Während er auf allen Vieren die Jeffries-Röhre nach oben kletterte und voller Ungeduld auf das Öffnen der Sicherheitsschleusen wartete, fasste er einen Plan.

Einfach durch die Vordertür in das Quartier einzusteigen, kam nicht in Frage. Vermutlich würden ihm all seine Reflexe nichts helfen, wenn Wachen die Türe deckten...

--- Deck 3

Er blickte wieder auf den Sensor. Quartier 42, ja, das war es, eindeutig. Er hatte Glück, er war keine 20 Meter daneben herausgekommen. Er überlegte einen Augenblick, rief sich die Pläne der Atlantis in das Gedächtnis zurück. Von der Jeffries-Röhre konnte er über die Lüftungsanlagen in das Quartier einsteigen. Wenn er jetzt noch eine Ablenkung hatte...

Er aktivierte den Kommunikator: "Sternenlicht an Jeffrey: Egal, wie Sie es anstellen, öffnen Sie die Tür von Quartier 42 in circa einer Minute, es geht um Leben oder Tod!" Er wartete die Antwort gar nicht erst ab, sondern arbeitete sich durch die engen Lüftungsröhren in Richtung des Quartiers nach vorne. Auf dem Weg blockierte er seinen Kommunikator, nicht auszudenken, wenn er ihn verraten würde.

--- Computerkern

"Den Computerkern ab zu werfen wäre sicherlich keine gute Idee.", antwortete Jean, während sie fieberhaft grübelnd ihr Konsole umklammerte, so als könnte sie dadurch wieder die Kontrolle zurück erlangen. "Wenn unsere Feinde noch da draußen sind und ihn an Bord nehmen würden, dann hätten wie keinerlei Chance, jemals wieder ein funktionierendes System zu bekommen."

Einige Augenblicke vergingen, in denen sich eine eigenartige Stille in dem hohen Raum ausbreitete. Doch dann legte sich ein triumphierendes Grinsen auf das Gesicht der Trill und sie blickte verschmitzt zu David hinüber, der ihr einen fragenden Blick zu warf.

Ohne auf Davids weitere Reaktion zu warten, umrundete sie mit ein paar langen Schritten den Kern und machte sich für einen Moment an den Verriegelungen der Speichermodule zu schaffen.

Die Türverriegelungen, Lebenserhaltungssysteme sowie eine Minimalversorgung der Konsolen wurden vom Kern der Atlantis nur indirekt über einige Hilfs- und Backupsysteme gesteuert, wodurch Jean der Anforderung von Sternenlicht keine direkte Beachtung schenkte. David sollte die Aufgabe an der Hauptkonsole auch ohne einen funktionierenden Hauptkern erfüllen können.

Mit einem heftigen Ruck entsperrte sie den letzten Sicherheitsmechanismus und zog dann mit aller Kraft an einem der großen Speichermodule. Zuerst schien es, als würde sich das wuchtige Teil keinen Zentimeter von seiner Position bewegen, doch nach mehrmaligem ziehen und zerren gab das Material doch nach und die Technikerin taumelte ungeschickt, mit dem Speichermodul im Arm, nach hinten.

Dieselbe Anstrengung vollführte die Trill an den drei anderen Speicherbausteinen des Kerns und stellte dann zufrieden fest, wie der so mächtig wirkenden Computerkern der Atlantis sich mangels nötiger Hardware selbst deaktivierte. Der prüfende Blick auf die Konsolen ringsherum, die nun nur noch eine kryptische Fehlermeldung brachten zauberte ein weiteres Grinsen auf das verschwitzte Gesicht der jungen Frau.

"So, jetzt gibt es nur noch die Hauptkonsole dort, die direkten Zugriff auf das System hat ... alle anderen Eingabemöglichkeiten sind nutzlos!", meldete Jean triumphierend.

David war gerade beim Versuch, die Waffenkontrollen auf seine Konsole zu übertragen. Eigentlich hätte er von dieser Konsole direkten Zugriff haben müssen, jedoch waren seine Versuche erfolglos. Sternenlichts Stimme klang so, als ginge es um Leben und Tod, also wechselte er zu den Türöffnungskontrollen. Geschickt manövrierte er sich durch die einzelnen Untermenüs. Das LCARS war zwar sehr alt, doch glücklicherweise wurde die Menüführung seit Jahrzehnten kaum geändert.

Als er bei der Kontrolle für Quartier 42 angelangt war, bemerkte er, dass er keinen Zugriff hatte. Wie bei den Waffen und bei jedem anderen der verdammten Systeme. "Jeffrey an Sternenlicht..." er wartete einige Augenblicke ohne eine Antwort zu bekommen. "Scheiße...", murmelte er und versuchte die Sicherheitsmechanismen zu umgehen. Erfolglos.

Plötzlich waren alle Sicherheitssperren deaktiviert. David öffnete die Tür.

Das Schiff trieb nun Antriebs- und Wehrlos durch den Nebel. Die Venture war zunächst außer Gefahr.

Er gesellte sich neben die stolz dreinblickende Technikerin und stupste sie an. "Sehr ... interessanter Lösungsansatz", sagte er scherzend.

"Los. Wir aktivieren die Schilde und bringen die Atlantis wieder in eine gesicherte Position. Außerdem wird mir von dem ganzen Geschaukel so langsam schlecht.", sagte er etwas beruhigt.

Sie aktivierten über die Hauptkonsole die Standardbeleuchtung wieder und nahmen die Energie von den Waffen. Die Lebenserhaltung und die Schilde funktionierten nun wieder innerhalb normaler Parameter.

David spürte direkt wie die Luft frischer wurde, als das Belüftungssystem wieder in Betrieb ging. Er war sich im Klaren darüber, dass beide Schiffe im Augenblick eine extrem leichte Beute für jeden Piraten waren. Wenn die Fremden noch ein Schiff inklusive Besatzung besaßen würden diese sicher jetzt aktiv werden. Außerdem konnte man kein Schiff von der Hauptkonsole aus steuern...

"Jeffrey an Venture. Wie sieht es bei Ihnen aus? Wir mussten unseren Computerkern deaktivieren. Schilde und Lebenserhaltung sind stabil."

--- Quartier 42

Als Sternenlicht die Situation im Quartier überblickte, handelte er ohne noch groß darüber nachzudenken. Wieder einmal hatte der Plan den Kontakt mit dem Feind nicht überlebt. So leise er konnte öffnete er das Gitter vor der Lüftungsanlage. Wenn der Mann am Computer ihn nur nicht sofort bemerkte. Immerhin saß er mit dem Rücken zu ihm, warf aber immer wieder Blicke über die Schulter in Richtung Shelda.

Shelda schien in ihrem Wahnsinn nicht zu bemerken, wie sich keine drei Meter hinter ihr ein zu allem entschlossener Sivaoaner absolut lautlos von der Öffnung an der Decke auf den Boden hinab gleiten ließ. Dann ließ er seinen Instinkten freien Lauf.

Fast gleichzeitig mit Pormas sprang auch Sternenlicht. Krallen blitzen, ein Schrei drang durch den Raum, der urplötzlich abbrach. Ein Katana flog durch die Luft. Blut und Gehirn flogen durch die Luft. Der Mann am Computer schnellte hoch, als er sah wie Sternenlichts Pranken das Gesicht der Andorianerin in einen Trümmerhaufen verwandelte.

Sternenlicht nahm seine Umgebung wie in Zeitlupe wahr, registrierte, wie dieser Mann nach einem Phaser griff. Über sechs Meter trennten die beiden, aus dem Stand war das selbst für ihn weit. Mit aller Kraft stieß er sich ab, seine Krallen bohrten sich dabei tief in den Bauch von Shelda und in einen Oberschenkel von Pormas, auf denen er gelandet war. 70 Kilogramm Kampfgewicht schnellten gleich einer Kanonenkugel durch den Raum.

Verzweifelt versuchte der Techniker der Bewegung des Katzenwesens zu folgen, ein Phaserstrahl zog eine Spur der Verwüstung mehr als einen Meter hinter ihm her. Mit voller Wucht prallte Sternenlicht in den Terroristen. Ohne auch nur einen Sekundenbruchteil zu zögern zerfetzte Sternenlicht die Kehle von Bricas, der mit einem letzten Röcheln zu Boden ging.

Den Schwung der Bewegung ausnutzend rollte Sternenlicht sich ab und wirbelte herum. Suchend blickte er sich nach weiteren Feinden um, die er bisher nicht hatte sehen können.

Mit flach angelegten Ohren, gesträubtem und blutverschmiertem Fell und wild schlagendem Schweif stand das Katzenwesen da. Gleich einem namenlosen Rächer.

Die letzten Minuten waren die schlimmsten gewesen, die Llewella in ihrem Leben erlebt hatte. Jeder einzelne Schlag, den die Andorianerin Pormas versetzt hatte, war gewesen, als hätte sie ihn selbst einstecken müssen.   Mit Tränen in den Augen hatte sie Shelda irgendetwas entgegengebrüllt - und schließlich dafür eine Ohrfeige eingesteckt, die ihren Kopf gegen das Tischbein prallen ließ.

Sie hatte versucht, sich loszureißen, aber das verdammte Material der Fessel hielt allen Versuchen stand und schnitt höchstens tiefer in die Haut ihrer Handgelenke.

Als die Ärztin in Llewella erkannt hatte, dass Pormas jetzt wirklich mit seinen Kräften am Ende war, hatte sie grenzenlose Angst erfasst. Angst um ihr Leben. Angst um Pormas Leben. Und Angst davor, was diese Wahnsinnige ihm vor dem Ende noch antun würde...

Anfangs hatte sie ihre aufkommende Hysterie noch unterdrücken können, hatte immer noch gehofft, dass Pormas noch ein As im Ärmel hatte.

Aber dann hatte die Andorianerin angefangen, auf Llewella zu schießen und sie hatte nur noch versucht, sich klein zu machen, um den Blitzstrahlen zu entgehen. Ihre Welt hatte sich in ohrenbetäubenden Lärm und furchtbare Angst aufgelöst.

Dann hatten die Schüsse aufgehört. Nur um von etwas noch schlimmerem abgelöst zu werden.

Die Andorianerin, die das Katana erhob.

Und Pormas, der sich schützend vor sie warf.

Den angreifenden Sivaoaner hatte Llewella nur schemenhaft wahrgenommen.

Verzweifelt versuchte sie nun, ihre Tränen wegzublinzeln. Wie durch einen Schleier starrte sie auf Pormas, der reglos halb auf ihren Beinen lag. "Pormas!", flüsterte sie erstickt. "... bitte..."

"Lle... Llewella...", brachte der Angesprochene unter Schmerzen raus. Er hatte nicht erwartet die Augen noch einmal aufzumachen. Anstatt dem endgültigen Schmerz im Rücken fühlte sich nun sein Oberschenkel an wie Feuer.

Aber das war ihm egal. Mit einem versonnenen Lächeln blickte er in das sorgenvolle, aber dennoch schöne Gesicht der Ärztin. Er genoss es, auf ihrem Schoß zu liegen und sie anzugucken.

"Dir... geht’s gut?", ein Nicken der Ärztin ließ ihn sichtlich entspannen. Er wusste nicht, ob es mit ihm zu Ende ging, aber es war ihm egal. Er hatte seine Versprechen eingelöst. Ihr ging es gut und er war lebend zu ihr zurückgekehrt.

Wobei 'lebend' freilich etwas freier definiert war.

Irritiert erkannte er, dass die Schottin weinte. Mühsam hob er seinen Arm und versuchte ihr die Tränen wegzuwischen. "Bitte weine nicht... selbst wenn...", er sprach den Satz nicht aus, als er sah, dass die sonst so resolute und gefasste Ärztin ein heftiges Schluchzen unterdrücken musste, "ist doch nicht schlimm... um mich..."

Er schenkte Llewella ein warmes Lächeln, "Ich habe in diesem Leben eh nichts mehr... für das es sich zu Leben lohnt... nur zwei Freunde, die ohne mich besser dran sind..."

Pormas hoffte das Sternenlicht seine Worte hörte. Er schuldete ihm seinen tiefsten Dank. Dafür, dass er ihm vertraute und vor allem für die Rettung der Ärztin.

"Also wein n.. ni.. nicht...", der Südländer versuchte noch den Satz zu Ende zu bringen, während er sich immer leichter fühlte, als immer mehr Blut aus seinem zerfetzten Oberschenkel den Weg aus seinem geschwächten Körper fand.

'Nicht schlimm um dich...Verdammter, großmäuliger ... sturer Grieche!', immer noch weinend wünschte sich die Schottin, sie könnte Pormas in den Arm nehmen und festhalten.

Langsam versiegten Llewellas Tränen und bildeten silbrig glänzende Spuren in ihrem Gesicht. Sie fühlte sich furchtbar, leer und ausgelaugt und sie hatte grässliche Kopfschmerzen ... das hier war nicht nur ein Sturmwind gewesen....

Als die Rothaarige wieder klar sehen konnte, nahm sie das erste Mal die Verwüstung des Quartiers bewusst wahr. Überall war Blut, auf dem Boden, an den Wänden. Obwohl die Schottin eigentlich über einen robusten Magen verfügte, wurde ihr jetzt schlagartig übel.

Sie wollte nicht mehr hinsehen, wollte all das Blut und die beiden Leichen nicht mehr sehen müssen. Sie spürte, wie die Tränen wiederkommen wollten und rang sie nieder.

Ihr Blick folgte der Spur der Verwüstung, die ein Phaserschuss hinterlassen hatte. Und fand Sternenlicht, der hoch aufgerichtet dastand, auch er mit Blut besudelt. Er also war das As im Ärmel des Griechen gewesen.

"Danke, Sternenlicht!", sagte sie leise, mit einer Stimme, die ihr immer noch nicht wieder richtig gehorchte.

Dann fiel ihr Blick wieder auf den ruhig daliegenden Südländer. Er war furchtbar zugerichtet. Llewella wurde plötzlich ganz ruhig, als sie den verletzten Oberschenkel bemerkte. Die Ärztin in ihr übernahm und drängte die Frau in den Hintergrund.

Pormas' Haut war sehr blass, er atmete unregelmäßig und sein Gesicht war schweißbedeckt.  Er musste in die Krankenstation, diese Oberschenkelverletzung musste chirurgisch versorgt werden, bevor der daraus resultierende Blutverlust - zusammen mit dem vorher schon erlittenen - den Südländer besiegte.

Dazu würde es nicht kommen. Das würde sie nicht zulassen.

Mit jetzt gefasster Stimme wandte sie sich an den Sivaoaner: "Sternenlicht, du musst uns helfen. Pormas muss auf die Krankenstation!"

--- Venture, Brücke

Bevor McCarthy antwortete, schaute er sich kurz zu Alnak, S'Tom und Wagenvoort um. Die drei Genies hatten vor Kurzem den Versuch abgebrochen, die infizierten Systeme zu reinigen und bereiteten mittlerweile den kompletten Neustart aller Computersysteme vor.

Die Strahlung des Nebels begann langsam, sich auf die Besatzung auszuwirken. Charles bemerkte selbst die immer ausgeprägteren Schwindelgefühle und bemühte sich redlich, nicht zu wanken.

Mühsam stützte er sich an der Rückenlehne des Pilotensessels ab und versuchte gleichzeitig, die aufkommende Übelkeit zu ignorieren.

Er wusste, dass dies nur die ersten Anzeichen waren.

In den nächsten zwanzig Minuten würden die Symptome sich verstärken und weitere hinzutreten: Erbrechen, Kopfschmerzen, große Müdigkeit und ein metallischer Geschmack im Mund.

Und nicht viel später würden die ersten Personen zusammenbrechen.

Er hoffte, dass die Krankenstation den Andrang würde bewältigen können.

Nachdem Trustman die Evakuierung der äußeren Sektoren eingeleitet hatte, waren die entsprechenden Notfallprozeduren von Cailin in die Wege geleitet worden.

"Venture an Jeffrey. Wir arbeiten noch daran, ein Fortschritt ist aber erkennbar", antwortete der Captain schließlich auf die noch immer im Raum stehende Frage des Psychologen.

Die Stimme der jungen Frau konnte McCarthy keiner bekannten Person zuordnen, aber die Auskunft reichte ihm vorerst aus. Die Fremden mochten   gefährlich sein, aber die Venture würden sie vorerst nicht vernichten.

Jedenfalls nicht, solange man sie nicht in die Enge trieb.

--- Atlantis, Computerkern

Jean war sichtlich erstaunt wie reibungslos die Hilfs- und Backupsysteme nach dem Absturz des Hauptrechners eingesprungen waren. Doch so ganz traute sie dem schnellen Frieden nicht, den David prophezeit hatte. Da die Atlantis, wie Jean vermutete, lange nicht gewartete worden war, wäre es durchaus möglich, dass durch den Verlust des Hauptrechners auch über kurz oder lang die jetzt noch funktionierenden Systeme betroffen sein könnten. Bei Komponenten wie Türen oder dem Licht wäre dies sicherlich nicht schlimm - bei der Lebenserhaltung sah dies allerdings schon anders aus.

--- Holodeck 1

Die Kriegerin war sichtlich verwirrt, als sich mit einem Mal plötzlich Pormas Quartier um sie herum in Luft auflöste - begleitet von einem schrillen Summen, das gegen Ende ebenso erstarb wie das Licht. Auch die Eingabekonsole war plötzlich verschwunden und für einen Augenblick waren sie alle von gähnender Leere umgeben. Doch noch bevor bei April die Orientierungslosigkeit einsetzte aktivierte sich die spärliche Notfallbeleuchtung des Holodecks und gab dem Raum einen fast unheimlichen Touch - fast schon wie auf einem Bird of Pray.

Bevor die Halbbajoranerin irgendeine Frage stellen konnte hallte erneut Jeffreys Stimme aus den Lautsprechern.

Die Stimme des Terraners hörte sich irgendwie leiser und "verwischter" an als die Male zuvor. April war bei weitem kein Computergenie und war deshalb sichtlich erstaunt, dass die Kommunikation unter dem Abschalten des Kerns nicht auch betroffen war. Sie vermutete, dass Sternenlichts Shuttle dafür verantwortlich war, würde darauf aber mit Sicherheit nichts wetten.

--- Quartier 42

Sternenlicht war die letzten Sekunden regungslos auf der Stelle verharrt. Mit aller Kraft arbeitete er daran, seine Instinkte wieder zurück in einen Käfig zu drängen. Der Geruch des Blutes, der in seine Nase drang half dabei genauso wenig, wie der Anblick seiner zerschundenen Freunde.

Nur langsam drang die Stimme Llewellas zu ihm durch. Und die schweren Verletzungen von Pormas. Er erkannte erst jetzt, dass er daran auch nicht ganz unschuldig war. Ein Knurren drang aus seiner Kehle, als er dies sah.

Sternenlichts sprach sehr langsam und betont, als er sich an die Ärztin wandte. "Llewella, ich werde jetzt deine Fesseln lösen und versuchen, euch auf die Krankenstation zu beamen. Bewege dich bitte nicht, noch habe ich meine Instinkte nicht wieder unter Kontrolle...", wie zur Unterstreichung dieser Tatsache schlug sein Schweif einige Male hektisch hin und her.

Langsam, als ob er sich zu jedem Schritt zwingen müsste, trat er an den Tisch, an den Llewella gefesselt war und ging in die Hocke. Vorsichtig durchtrennte er das Plastikband mit einer seiner Krallen, stand wieder auf und machte zwei Schritte zurück.

Vorsichtig nahm Llewella ihre Hände nach vorne. Sie zwang sich, nicht zu ächzen, als die Blutzirkulation mit schmerzhaftem Kribbeln wieder einsetzte.

Mühsam versuchte sie, den schweren Südländer von sich herunterzuschieben. Ihre Kraft reichte gerade aus, ihn so weit anzuheben, dass sie ihre Beine unter ihm herausziehen konnte. Ohne auf ihre blutenden Handgelenke oder schmerzenden Schultern zu achten, erhob sie sich und ging schwankend ins Badezimmer des Quartiers, wo normalerweise ein Notfall-Medikit zu finden sein sollte. Tatsächlich fand sie es auch an Ort und Stelle, und es war sogar halbwegs vollständig, was sie bei dem Zustand des Quartiers eigentlich nicht erwartet gehabt hatte.

Llewella kniete sich neben Pormas und legte ihm einen Druckverband an. Wieder einmal hatte der Südländer unverschämtes Glück gehabt, denn Sternenlichts Krallen hatten die Oberschenkelarterie nur knapp verfehlt. Die massiven Schäden des Gewebes reichten aber auch so für einen ordentlichen Blutverlust aus.

Llewella mühte sich, ihre Fassung zu behalten, als sie den Verband fixierte. Sie musste jetzt einfach die Ruhe bewahren, sie konnte sich keinen Zusammenbruch erlauben. Der Grieche brauchte eine tatkräftige Ärztin, keine Zaudernde.

Sternenlich schloss die Lider, rief sich Erinnerungen an Sonnenstrahl vor sein geistiges Auge, dachte an die schönen Zeiten, die sie gemeinsam erlebt hatten, überging bewusst das Ende. Langsam, ganz langsam beruhigte sich sein Atem, glättete sich sein Fell.

Er blickte sich im Zimmer um, betrachtete Llewella bei der Arbeit. Als hätte jemand einen Schalter umgelegt, erwachte in Sternenlicht die Aktivität. Er aktivierte seinen Kommunikator.

"Jeffrey, Sternenlicht spricht. Bitte erfassen Sie umgehend mein Kommunikatorsignal und beamen Sie davon ausgehend zwei Personen in die Krankenstation. So schnell wie möglich, Mr. Theocrates ist schwer verletzt." Der Mann aus der Vergangenheit antwortete mit einem kurzen, präzisen "Verstanden". Gleichzeitig warf er Llewella seinen Kommunikator zu.

Die Schottin fing den geworfenen Kommunikator auf und steckte ihn sich an ihr Oberteil, das inzwischen nicht nur kaffeegetränkt, sondern auch blutbespritzt war. Dann wandte sie sich wieder Pormas zu.

Mit vorsichtigen Fingern tastete sie sein zerschundenes Gesicht ab. Die groteske Schwellung seiner linken Gesichtshälfte und leichte Krepitation ließen sie vermuten, dass das Jochbein zumindest angebrochen war. Das gleiche galt vermutlich für ein paar seiner Rippen.

Sternenlicht begab sich zurück an die Konsole, vor der Bricas noch vor Minuten gesessen war. Auf dem Display sah er ein Diagramm der beiden Schiffe, auf dem sich fünf Punkte befanden: Zwei im Quartier in dem auch er sich befand, einen weiteren in Pormas Quartier zwei weitere die sich auf Deck 6 der Atlantis bewegten. Die Venture schien verwaist. Der fünfte Kontakt musste von  dem stammen, auf den Sternenlicht durch Zufall gestoßen war. Er kam genau aus der Zimmerecke, in die sein erster Schlag ein Stück technisches Gerät befördert hatte.

Er versuchte, einen Überblick über die Funktionen aufzurufen, die die Terroristen sich hier verschafft hatten. In dem Moment in dem er das Display berührte, erschien ein Schriftzug "System gesperrt, bitte warten..." Er tippte auf den Interkom daneben. Wenigstens der funktionierte:

"Sternenlicht an Holodeck 1. Wir haben soeben den Anführer und einen Handlanger der Terroristen ausgeschaltet. Mr. Theocrates und Dr. Campbell leben, sind aber bis auf weiteres nicht einsatzbereit."

Interessiert beobachtete er, wie in einer Ecke des Displays ein Fenster erschien: "Kommunikation: Sternenlicht an Holodeck 1, Wir..." Unberührt sprach er weiter:

"Ich kann die letzten beiden Terroristen hier auf einem Display beobachten, das Terminal scheint aber vom Computerkern aus gesperrt worden zu sein, ich kann euch nicht helfen. Geht davon aus, dass sie den Kampfstoff bei sich haben. Setzt keinerlei Energiewaffen ein, die Terroristen haben Selbstmordimplantate, die bei Waffenfeuer explodieren.

Sie kommen in einer halben Minute vor eurem Holodeck vorbei. Zeigt ihnen, was es heißt, sich mit der Atlantis anzulegen!"

Alles weitere konnte an dieser Front warten, beschloss Sternenlicht und schaltete den Kommunikationskanal weiter auf die Venture: "Sternenlicht an McCarthy. Hier ist die Situation wieder unter Kontrolle. Wir haben das Hauptquartier der Terroristen ausgehoben und unser Computerkern ist wieder unter Kontrolle. Die letzten beiden Terroristen werden gerade gejagt.

Schaut, dass ihr so schnell wie möglich das System komplett zurücksetzt. Ich brauche euch vermutlich nicht zu sagen, was die Strahlung des Nebels sonst in den nächsten 30 Minuten mit euch macht."

Gebannt verfolgte er auf dem Display, wie die beiden Punkte den Eingang von Holodeck 1 erreichten. Im Hintergrund hörte er das vertraute Geräusch des Transporters, als Llewella und Pormas aus dem Quartier verschwanden.

Hier blieb noch eine Aufgabe für ihn, aber die hatte noch eine Minute Zeit...

--- Venture, Brücke

Schwer atmend blickte der Captain der Venture sich um.

Mittlerweile hatte er sich in seinen Kommandosessel setzen müssen, er konnte sich einfach nicht mehr auf den Beinen halten. Den meisten anderen Brückenoffizieren schien es ähnlich zu gehen, Wagenvoort hatte sich zwischenzeitlich mehrmals erbrochen und verharrte derzeit nur noch regungslos auf dem Boden sitzend.

Die Brücke wurde nur von der Notbeleuchtung erhellt, nachdem sie die Neustartsequenz initiiert hatten. Die fahlen Lichtstrahlen malten zerfranste Schatten auf den Teppich, in denen Ruben kämpfende Klingonen zu erkennen glaubte.

Er wusste, dass dies reine Einbildung war, aber die Konzentration auf diese Phantasien half ihm, die beißenden Magenkrämpfe zu verdrängen. Er fühlte sich wie ein Seil, an dessen Seiten mit aller Kraft gezerrt wurde und das kurz davor war zu reißen.

Er war verschwitzt und doch fror er wie in einer eisigen Winternacht.

Nur S'Tom wirkte noch dienstfähig, während er wortlos weiterarbeitete.

Carter saß noch immer an der Pilotenkonsole. Seine Hände ruhten aber kraftlos auf den Bedienfeldern, warteten auf Arbeit.

"Venture an Sternenlicht...", einen Moment überlegte McCarthy, was er hatte sagen wollen. Die Müdigkeit lastete auf ihm und es fiel ihm schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. "Wir arbeiten noch daran, ein...ein Fortschritt ist aber erkennbar"

Ein leichtes Lächeln legte sich auf sein Gesicht:

Er hatte die gleichen Worte schon an Jeffrey gerichtet. Es schien eine ganze Ewigkeit her zu sein, aber Charles wusste, dass er erst vor wenigen Minuten mit dem Zeitreisenden gesprochen hatte.

--- Krankenstation

Erleichtert stellte Llewella fest, dass der Transport funktioniert hatte. Ihre Krankenstation. Nur am Rande nahm sie wahr, dass ein Teil der Einrichtung ziemlich demoliert war. Ihre Sorge galt allein dem Mann, der vor ihr auf dem Boden lag.

Nachdem der Rothaarigen klar war, dass sie den schweren Sicherheitschef nicht würde bewegen können, erhob sie sich und eilte zu dem Raum, in dem normalerweise ihre Helfer Kaffeepause machten. Sie hoffte schwer, dass Jordan Kincaid ihr tatsächlich ein paar Leute da gelassen hatte.

Und wirklich, da saßen Eliza Raili und Susan Linton und tranken Kaffee, als wäre nichts passiert. Für sie war ja auch nichts passiert. Dank der autarken Systeme der Krankenstation hatten sie nicht einmal von dem Computerproblem der Atlantis etwas mitbekommen. Entgeistert ob ihres Aussehens blickten sie ihre Chefin an, doch Llewella ließ ihnen keine Zeit für irgendwelche Bemerkungen.

"Ich brauche Sie beide, sofort!", mit diesen Worten hatte sie sich auch schon wieder umgedreht.

Als sie Pormas schlussendlich auf dem Biobett hatten, war die Schottin dankbar dafür, dass der Südländer nicht bei Bewusstsein war, denn besonders vorsichtig hatten die drei Frauen nicht sein können. "Miss Linton, Sie assistieren mir!".

Susan Linton traute die Schottin in dieser Angelegenheit doch mehr zu, denn sie hatte einmal Medizin studiert, aber ein Jahr vor dem Abschluss alles hingeworfen. Warum, wusste Llewella nicht. Es interessierte sie momentan auch nicht im Geringsten.

Der Tricorder, den die Ärztin nun zur Hand nahm, bestätigte die vorher gestellten Diagnosen: Bruch des linken Jochbogens und einiger Rippen sowie zahlreiche Quetschungen und Prellungen an Gesicht, Brustkorb und Bauch. Wenn die Blutergüsse sich verfärbten, würde der Südländer interessant aussehen.

Wieder wollten der Schottin die Tränen kommen, aber sie hielt sie angestrengt zurück. Sie blickte auf ihre Hände mit den langen, schlanken Fingern. "Chirurgenhände", hatte Seumas immer gesagt und nicht verstanden, warum Llewella sich lieber der Allgemeinmedizin als Spezialgebiet zuwandte als der Chirurgie. Seumas Gesicht erschien vor ihrem inneren Auge, aber es war nur schemenhaft und verschwommen. Stattdessen wurde es von Pormas‘ Gesicht verdrängt.

"Dr. Campbell, ist alles in Ordnung?", fragte Miss Linton und berührte die Schottin am Arm.

Nichts war in Ordnung.

"Aye, Susan, es geht schon!", antwortete Llewella ihrer Mitarbeiterin und atmete tief durch. Es half nichts, dieses Bein musste versorgt werden... Llewella kratzte ihre letzte Konzentration zusammen und machte sich an die Arbeit.

--- Krankenstation, einige Zeit später

Völlig erledigt stand Llewella neben Pormas Bett. Das Bein war behandelt und der Zustand des Südländers relativ stabil. Die letzten Blutkonserven mit der Aufschrift 'Pormas Theocrates' waren aufgebraucht.

Die Schottin betrachtete das zerschlagene Gesicht des Griechen und strich ihm vorsichtig eine Haarsträhne aus der Stirn. Sie merkte, wie die Tränen nun endgültig emporsteigen wollten.

"Doc, am Besten ruhen Sie sich jetzt auch einmal aus!", forderte Susan Linton sie auf. Als sie den besorgten Blick sah, den die Schottin ihrem Patienten zuwarf, meinte sie: "Ich bleibe hier und wecke Sie, wenn wir Sie brauchen."

Llewella nickte müde. Sich hinzulegen erschien ihr eine gute Idee. Aber nicht in ihrem Bereitschaftsraum. Sie streifte ihre Schuhe ab und legte sich zusammengerollt auf das Biobett, das neben dem von Pormas stand.

Sie schloss die Augen - und bereute es sofort. Vor ihrem inneren Auge begannen sich die Geschehnisse der letzten Stunde zu wiederholen. Die Schottin konnte die aufsteigenden Tränen nicht mehr kontrollieren, als sie aufs Neue erlebte, wie die Andorianerin Pormas zusetzte.

Unkontrollierte Schluchzer schüttelten die Ärztin, als sich die Anspannung und Angst der letzten Stunden entlud. Sie merkte nicht, dass Miss Linton ihr eine leichte Decke überlegte, wie sie es zuvor bei Pormas getan hatte.

Sie merkte auch nicht, dass ihre Mitarbeiterin zunächst ratlos neben dem Bett stand und entsetzt ihre Chefin betrachtete, die doch sonst jede Situation unter Kontrolle hatte.

Schließlich griff Susan zu einem Hypospray und injizierte der Schottin eine Dosis eines kurzwirksamen Beruhigungsmittels. Langsam ebbten Llewellas heftige Schluchzer ab, als sie in einen unruhigen Schlaf fiel...

Von all dem bekam Pormas nichts mit. Er war wieder weit weg.

Im Nichts.

--- ???

Der Südländer saß wieder vor den zwei Ausgängen. Ein letztes Mal, das wusste er. Es war seine endgültige Wahl und es gab kein zurück.

Der Eine versprach das Vergessen, aber auch das Ende seiner Existenz.

Der Andere versprach den Schmerz, aber auch die Möglichkeit auf Leben. Ein richtiges Leben, wie er es sich in seiner Kindheit immer vorgestellt hatte. Und an dem er früher mal auch so nah dran war.

Nachdenklich stützte der Sicherheitschef sein Kinn auf seine Hand. Er war ratlos. Wie sollte er sich entscheiden? Er wusste mit einer Gewissheit, die man nur auf der Schwelle des Todes haben konnte, dass es gut ausgehen würde. Der Fluch, der ihn all die Jahre verfolgt hatte, war nun vergangen. Es würden keine Menschen mehr wegen ihm und dieser Sache sterben.

Warum sollte er zurückkehren und die Menschen die ihm Nahe standen wieder diesem Risiko seiner Anwesenheit aussetzen?

Sollte er nicht lieber vergessen?

Pormas stand auf und schüttelte den Kopf. Es war nicht an ihm, ein Urteil über sich selbst zu fällen. Er würde sich einem Gericht stellen. Und er wusste auch genau, wer der Richter sein sollte. Und der Ankläger.

Er wählte den Schmerz.

Das Leben... vielleicht würde es folgen.

Vielleicht...

--- Atlantis, Krankenstation

Der Südländer schlug die Augen auf und blickte in Susan Lintons relativ erschrockenes Gesicht, ohne es aber zu erkennen. Da er so aussah, wie er sich fühlte, hatte sie auch allen Grund dazu.

Nur langsam fassten sich die verschwommenen Schemen zu Bildern zusammen und er erkannte die Krankenpflegerin. 'Die konnte mich echt gut pflegen und lange', schoss es Pormas direkt durch den Kopf, als er an ihre letzte Begegnung dachte.

Als er sich seines Gedankens bewusst wurde, stöhnte er auf. Er fragte sich, ob der einzige Grund, warum er noch lebte der war, dass sein schlechter Humor einfach nicht tot zu kriegen war.

Susan schien das Stöhnen missverstanden zu haben und rückte mit einem Hypospray an. "Weg damit!", schnauzte er sie schärfer als beabsichtigt an, "In den letzten Stunden wurde ich mit soviel Zeug vollgepumpt, sei es Gift, Gegengift, Schmerzmittel, Schlafmittel oder Aufbaumittel, dass ich zusammen mit den Substanzen, die sich sowieso in meinem Blut befinden sicherlich bei der nächsten Injektion tot umkippe!"

Erschrocken ging die Krankenpflegerin einen Schritt zurück. Hinter ihr erkannte er erst jetzt Llewella. Mit verweintem Gesicht schien sie in einen unruhigen Schlaf gefallen zu sein.

"Was ist mit ihr?", drang er wieder auf Susan ein, "WAS IST MIT IHR???", wurde er energisch, als sie nicht sofort antwortete. Fast panisch erzählte sie ihm von der Not-OP und dem nicht enden wollenden Schluchzen der Ärztin.

Pormas fühlte sich leer. Was hatte er ihr angetan? Nur wegen ihm hatte sie die Hölle als Geisel von Shelda erleben müssen. Zwar wusste er, dass die Ärztin es verwinden würde, schließlich war sie mit einer der charakterstärksten Menschen die er kannte, aber es erfüllte ihn mit tiefen Schuldgefühlen und Trauer, sie so zu sehen.

Instinktiv versuchte er aufzustehen um zu ihr rüber zu gehen, als er mit einem Schmerzensschrei wieder auf das Bett zurückfuhr. Gerade noch rechtzeitig konnte er der heraneilenden Krankpflegerin das Hypospray aus der Hand schlagen, welches sich polternd an der nächsten Wand wieder fand.

Susan war schockiert. Zwar kannte sie den Sicherheitschef nicht so gut (wie gut konnte man Jemanden in einer Nacht schon kennen lernen?) aber seine Kräfte, insbesondere wenn er verletzt UND wütend war, waren berühmt berüchtigt.

Er lag schließlich nicht zum ersten Mal halbtot auf der Krankenstation.

Unentschlossen stand sie noch ein paar Meter weiter von ihm entfernt, unschlüssig was sie tun sollte. Mit versöhnlichem Tonfall sprach Pormas sie an, "Entschuldigung...", er musste tief durchatmen um sich zu beruhigen, "aber bitte schieb mein Biobett näher an das ihre, außer du willst riskieren, dass ich noch mal versuche aufzustehen... denn das würde ich."

Den letzten Halbsatz sprach er so ernst aus, wie er ihn meinte, und es zeigte Wirkung. Widerstrebend, aber froh den Sicherheitschef damit ruhig zu stellen, aktivierte sie die Kontrollen und schob sein Biobett direkt neben das der Ärztin.

Mit einem Wink gab er der Krankenpflegerin zu verstehen, dass sie sich zurückziehen sollte. Zögernd machte sie es auch, blieb aber trotzdem in Sichtweite.

Nachdenklich betrachtete Pormas Llewellas unruhig zuckendes Gesicht. Gedankenverloren versuchte er die mittlerweile getrockneten Tränen aus dem Gesicht zu wischen. Unter seiner Berührung schien sie sich zu entspannen. Als der Südländer das merkte, begann er leise ein altes terranisches Kinderlied zu singen.

Er war über sich selbst erstaunt, aber irgendwie erschien ihm das richtig. Er hatte nicht einmal große Angst davor, dass sie aufwachen und es mitbekommen könnte.

Naja, ein bisschen schon.

Der Sicherheitschef spürte selber, wie die Müdigkeit ihn zu übermannen drohte und schloss als Tribut daran die Augen. Er hörte aber trotzdem nicht auf zu singen und ihre Wange weiter zu streicheln, obwohl schon längst alle Tränen fortgewischt waren...

--- Venture, Brücke

Der Vulkanier stand in einem Abstand von exakt achtzig Zentimetern neben Ruben. Genau jene Entfernung, die Angehörige dieses Volkes nur selten unterschritten, weil sie die entstehende größere Intimität als unangebracht bewerteten.

Dennoch reichte es, um den Niederländer nervös zu machen. Vulkanier machten ihn eh unruhig, aber umso mehr, wenn sie ihn ungerührt anstarrten.

Dann erinnerte er sich errötend, dass er selber den Wissenschaftler gerufen hatte. Hatte er in dem ganzen Chaos fast vergessen.

Kein Wunder, dass S'Tom ihn so fixierte.

"Ähh, wir haben noch Probleme, wieder Herr über die Schiffssysteme zu werden. Ein metamorpher Computervirus hat den Großteil der Subsysteme infiziert. Uns ist es bisher gelungen, die vitalen Bereiche der Software zu schützen, aber der Rest..."

Einen Moment schüttelte Wagenvoort den Kopf.

Wie sollten Sie das alles schaffen?

18 Minuten 48 Sekunden seit Ausfall der Schilde. Nachdem sich alle Versuche, das Navigationssystem der Venture zu isolieren oder zu überlisten, als zwecklos herausgestellt hatten, war der Beschluss zum kompletten Neustart gefasst worden. Eine riskante Prozedur, aber die einzige verbleibende Option.

Nach anfänglicher Mitarbeit auf der Brücke hatte sich Yhea zum Computerkern begeben - die finalen Vorbereitungen und der Neustart selbst konnten nur dort in die Wege geleitet werden. Ruben und S'Tom unterstützten die Bemühungen weiterhin von der Brücke aus - so weit als beim derzeitigen Systemzustand möglich - und arbeiteten vor allem, um das inzwischen identifizierte, anpassungsfähige Computervirus von dem Vorhaben abzulenken und in flüchtige Speicher einzudämmen.

Wie und wo die Terroristen so etwas herbekommen haben konnten, konnte sich der Vulkanier nicht wirklich erklären. Der Code war ein Meisterwerk an Programmierung, Systeme assimilierend und sich dabei weiterentwickelnd. Gar nicht so unterschiedlich von seinem eigenen früheren Wir...

Er nahm sich 2,3 Sekunden, um mit Meditations- und Atemtechniken seine Gedanken wieder unter Kontrolle zu bekommen. Die Strahlung des Nebels hatte auch auf ihn Auswirkungen, wenn auch weniger stark und durch Willensstärke auch weniger offensichtlich als zum Beispiel bei dem bis noch vor kurzem neben ihm gearbeitet habenden Sicherheitschef, der für einen der Situation nicht zuträglichen, äußerst penetranten Geruch auf der Brücke gesorgt hatte.

Vor 2 Minuten 34 Sekunden war es Alnak gelungen, den Neustart erfolgreich einzuleiten. 2 Minuten und 41 Sekunden hieß es also warten, bis die Speicher komplett geleert und die sicheren Notfall-Backups neu eingespielt wären, und die Venture wieder "erwachen" würde, wie es wohl einige Menschen ausgedrückt hätten. Jedoch nur mit einer geschätzten Wahrscheinlichkeit von 42%.

S'Tom war seiner Einschätzung nach die letzte verbleibende handlungsfähige Person auf der Brücke. Der Captain, Carter und Wagenvoort befanden sich alle am Rande der Bewusstlosigkeit in diversen Sesseln oder, im Falle des letzteren, am Boden sitzend. Er selbst arbeitete an einigen manuellen Kontrollen, um die Lebenserhaltung möglichst ausfallslos weiter betreiben zu können.

28 Sekunden. Der Techniker musste immer wieder kürzeste Meditationspausen einlegen, um einen fokussierten Geist zu behalten. Bedenklich war, dass die Länge der nötigen Pausen langsam anstieg, und die nötigen Intervalle gleichzeitig marginal kürzer wurden.

10 Sekunden. Absolute Finsternis erfüllte den Raum, und die Lebenserhaltung setzte aus. 5... 4... 3... 2... 1...

0.

Nichts geschah.

-1... -2...

Plötzlich registrierte S'Tom wieder emittierte Strahlung im sichtbaren Bereich. Lebenserhaltung, Navigation, Kommunikation, Sensoren... Alle Systeme, die nicht physisch zerstört worden waren, schienen auf den ersten, 100 Millisekunden dauernden Blick wieder funktionsfähig.

Wieder einmal war der wünschenswertere, wenn auch unwahrscheinlichere Ausgang einer Prozedur eingetreten. Was natürlich nicht hieß, dass die Berechnungen des Vulkaniers falsch waren. In etwa 58 von 100 parallelen Universen waren die Venture und ihre Crew nun so gut wie verloren...

In diesem Universum war jedenfalls zumindest ein Problem gelöst; es hatte sich jedoch erwartungsgemäß nichts am Zustand der Crew geändert. Das Schiff musste schnellstens aus dem Nebel geflogen werden. Die ehemalige Drohne begab sich zu einer geeigneten Konsole und ließ die Navigationskontrollen transferieren. Währenddessen tippte er auf seinen Kommunikator: "S'Tom an Alnak. Es sieht hier so aus, als wäre das Problem mit dem Virus gelöst."

Er setzte einen Kurs zum nächstgelegenen Rand des Nebels und beschleunigte das Schiff auf volle Impulskraft. 2 Minuten 3 Sekunden später, in denen er sich bereits gänzlich mit geistigen Übungen beschäftigen musste, orderte er noch einen vollen Stopp - die Venture befand sich wieder in der Leere des Weltraums...

... und der Vulkanier glitt langsam die Konsole entlang zu Boden. Der Moment der Erleichterung in Bezug auf die nun aller Wahrscheinlichkeit nach überstandene Krise hatte seinen geistigen Fokus für eine Millisekunde gestört, was seinem Gehirn schließlich die auf Grund der Strahlung schon lange erwünschte Abschaltung ermöglichte.

--- Atlantis, Computerkern

David beobachtete Jean, die in Gedanken noch immer mitten im Raum stand. Nun ja. Sollte sie sich überlegen wie sie den Kern so schnell wie möglich wieder einsatzbereit bekam. Er hatte alle Hände voll zu tun, die Funktion der vitalen Systeme über seiner Konsole zu überwachen und zu regeln. Zum Glück stand Energie genug für alle Systeme bereit. Somit stellte David die Beleuchtung wieder her.

Im Augenblick gab es keine Möglichkeit die Crew über alle Vorfälle zu informieren da jegliche Kommunikation, mit Ausnahme der über Sternenlichts Shuttle, unmöglich war.

David schaute kurz auf. Die Antwort hatte ziemlich lange auf sich warten lassen, was jedoch auch nicht nach dem Angriff der Atlantis wohl auch verständlich war.

"Verstanden.", bestätigte er den Erhalt der Mitteilung. Er leitete manuell Energie in einen der Transporter. Anschließend machte er eine Sensorabtastung des Quartiers 42. Verdutzt schaute er auf seine Anzeigen und bemerkte die Leichen. Anscheinend waren zumindest zwei der Probleme gelöst. Der Terraner erfasste den Kommunikator und beamte die beiden anscheinend verletzten Personen auf die Krankenstation. Es wäre wahrscheinlich sinnvoll gewesen, Jordan zu benachrichtigen, jedoch fehlten ihm die Möglichkeiten hierzu.

David nickte zufrieden und begab sich ein weiteres Mal zu Jean. "Es scheint alles in Ordnung zu sein. Jedoch würde ich mich wohler fühlen, wenn wir den Kern wiederhätten".

--- Krankenstation

Sehr langsam tauchte die Schottin aus bleischwerem und dennoch nicht sehr erholsamem Schlaf auf. Hinter ihren geschlossenen Lidern spürte sie Helligkeit. Sie weigerte sich, vollends aufzuwachen und ihre Augen zu öffnen.

Irgendetwas war anders. Obwohl sie nicht gut geschlafen hatte, obwohl ihr Kopf immer noch brummte und ihre Handgelenke schmerzten, fühlte sie sich entspannter. Beinahe wieder normal.

Irgendetwas Warmes berührte sie sanft an der Wange. Immer wieder.

Irgendjemand ... sang leise vor sich hin.

Es war Pormas' Stimme. In seiner Stimme lagen Ruhe, Müdigkeit und irgendetwas Undefinierbares...

Langsam und ein wenig widerstrebend öffnete Llewella ihre Augen einen Spalt. Eine kurze Weile genoss sie einfach nur die streichelnde Hand des Südländers auf ihrer Haut. Dann wurde ihr auf einmal bewusst, wie derangiert sie aussehen musste mit ihren verweinten Augen und dem wirren Haar. Endlich trat ihr Humor wieder ein wenig zu Tage. 'Wir müssen ein seltsames Bild abgeben - zerschunden, zerzaust und verheult.'

Mit leiser Stimme, nur etwas lauter als ein Flüstern, sagte sie weich: "Hallo, Pormas."

Der Angesprochene fuhr erschreckt aus seinem tranceartigen Zustand auf. Verunsichert zog er seine Hand zurück. "Hallo Llewella...", antwortete er ebenso leise.

Der Südländer fühlte sich einfach nur schlapp und konnte sich kaum rühren. Aber seine Innenwelt war ein brausendes Meer an Gefühlen. Verträumt blickte er ihr lange in die Augen, während keiner von Beiden etwas sagte. Er genoss einfach nur, dass es ihr, den Umständen entsprechend, gut ging.

Nach einer scheinbaren Unendlichkeit, in der er sich in ihren Augen verlor, nahm er seinen Mut zusammen und sprach die Ärztin wieder an, "Es tut mir leid... für Alles was du durchmachen musstest wegen mir."

Pormas spürte wie seine Augen feucht wurden. Er versuchte seine Stimme unter Kontrolle zu halten, aber er hatte einfach nicht mehr die Kraft, "Ich danke dir dafür, dass du mir mein Leben... schon wieder... gerettet hast... aber warum?"

Einzelne Tränen kullerten seine nicht so ramponierte Wange runter, "Ich versteh dich nicht... nach dem was ich dir erzählt habe und dem was du dir denken kannst, was noch kommt, was ich alles verbrochen habe... und dann warst du noch die Geisel eines der dunkelsten Kapitel meines Lebens... spätestens jetzt müsstest du doch begreifen was für ein Monster ich bin?"

Der Südländer legte sanft seine Hand auf Llewellas Mund, als sie gerade etwas entgegnen wollte. So froh er auch war bei ihr zu sein, genauso verwirrt war er aber auch über ihre Handlungen.

"Wieso?"

Die Schottin musste nicht lang überlegen. "Du bist kein Monster.", erwiderte sie sanft, aber bestimmt. "Und ich möchte eigentlich auch nicht, dass Du so von dir sprichst..." Sie wünschte sich auch, er könnte einen Weg aus seinen Selbstvorwürfen finden.

Llewella merkte, dass Pormas Beherrschung kurz vor dem Zusammenbrechen war. Sie nahm seine Hand und drückte sie.

"Hey", lächelte sie ihn dann an. "Ich habe nur meine Arbeit gemacht. Aber du ... du bist mir zu Hilfe gekommen, obwohl du wissen musstest, was dich erwartet. Und erzähl mir nicht, dass alles nur Sternenlicht zu verdanken war. Ohne dein Ablenkungsmanöver hätte auch Sternenlicht sich schwer getan, mich da rauszuholen..."

Der Sicherheitschef genoss die Berührung ihrer Hand und schloss die Augen, um die Tränen zu unterdrücken. Mit belegter Stimme antwortete er ihr, "Das war ein kalkuliertes Risiko. Wir mussten nur wissen, wo du warst. Sternenlicht hätte dich so oder so da rausgeholt. Ich hab einfach einen Peilsender verschluckt und war mir sicher, dass Shelda nicht widerstehen konnte, mich zu sich zu beamen... der Plan hätte ebenso gut funktioniert, wenn sie mich direkt erschossen hätte..."

Vorsichtig öffnete Pormas wieder seine Augen. Er ahnte, was Llewella ihm entgegnen wollte, aber er kam ihr zuvor, "Glaub mir doch, es wäre nicht schlimm gewesen...", er kniff seine Lider wieder zusammen, als er merkte, dass die Tränen sich erneut ihren Weg suchten, "...ich wäre froh gewesen, wenn mich das Katana erwischt hätte... du hättest mich in halbwegs guter Erinnerung behalten..."

Die Selbstbeherrschung des Südländers brach zusammen. Er konnte sich nicht gegen die Tränen und das Schluchzen wehren. Er hatte seit Jahren nicht mehr offen über seine Gefühle gesprochen. Selbst Helen gegenüber hatte er sich immer einen gewissen Raum offen gehalten. Aber die Erlebnisse der letzten Stunden hatten alle Mauern niedergerissen.

So konnte er sich auch nicht dagegen wehren, etwas zu sagen, was er sonst nie zugeben würde, "Ich habe Angst...", offenbarte er der Ärztin, "vor dem was jetzt kommt... wie du mich ansehen wirst, wenn du erst das ganze Ausmaß meiner Schuld kennst..."

"Aye, das kann ich verstehen.", sehr nachdenklich geworden hielt die Schottin nach wie vor die Hand des Südländers. Mit plötzlicher Klarheit erkannte sie, dass in Pormas Schleusen gebrochen waren, die jahrelang fest gehalten hatten. Sie fragte sich, wie lange er schon mit seinen Erinnerungen lebte, oder besser gesagt, wie lange er diese tief in sich eingeschlossen hatte, in der Hoffnung, dass sie nie den Weg an die Oberfläche finden würden.

"Ich habe auch Angst, Pormas.", gestand sie ihm mit rauer Stimme. "Angst vor dem, was du mir erzählen wirst...", Llewella ahnte, dass da noch mehr Geschichten wie die von der bajoranischen Sekte waren.

'Angst davor, dass ich meinen Glauben an dich verliere...'

Sie schloss kurz die Augen. Sie war hin- und hergerissen von dem Wunsch, den Griechen in die Arme zu schließen und ihn zu trösten und der Angst, dass sie sich dabei selbst verlieren könnte. Sie fragte sich, was seine Geständnisse aus ihr machen würden... Aber sie hatte es versprochen. Außerdem... Wenn er es hatte schaffen können, mit dem zu leben, was er getan hatte - dann sollte sie es wohl schaffen, damit zu leben, es nur gehört zu haben. Und sie wollte diesen Mann wieder lächeln sehen.

Llewella blickte den Südländer direkt an und schenkte ihm ein schwaches, dennoch aufmunterndes Lächeln.

Dankbar erwiderte Pormas ihr Lächeln. Langsam bekam er sich wieder unter Kontrolle und sein Schluchzen hörte auf. Er musste langsam einen klaren Kopf bekommen.

Durch dieses Eingeständnis der Schottin war ihm endgültig klar, dass sie es ehrlich mit ihm meinte und tatsächlich hören wollte, was er zu sagen hatte. Und nach den jetzigen Erlebnissen musste ihr klar sein, was sie zu hören bekommen würde.

"Ich hab dir schon soviel abverlangt, aber um einen Gefallen muss ich dich noch bitten.", flehend blickte er in ihre Augen, "Du und Sternenlicht seid meine einzigen... Freunde... die ich habe. Ich will, dass ihr über mich richtet... und ich werde mich eurem Urteil bedingungslos unterwerfen. Egal, was es ist.

Sonst kann ich keinen Frieden finden..."

'Die einzigen Freunde', die Schottin unterdrückte ein Seufzen, weil sie nicht wollte, dass Pormas es missverstand. 'Das ganze Schiff voller Leute und er bezeichnet uns beide als seine einzigen Freunde...'

"Über dich... richten?", ihre Stimme stockte, als ihr klar wurde, was der Südländer da gesagt hatte. Zunächst war sie nur erschrocken, aber dann wurde ihr bewusst, dass es wahrscheinlich tatsächlich darauf hinauslaufen würde. Genau davor hatte Llewella ja Angst: Ein negatives Urteil über ihn zu fällen.

Wieder vergingen einige Sekunden, in denen die Rothaarige Pormas forschend ins Gesicht blickte. Sie sah den Schmerz in seinen Augen, Schmerz und Hoffnungslosigkeit. Llewella erkannte, dass ihre Antwort sehr wichtig für ihn war.

Sie umschloss seine Hand mit beiden Händen, als wolle sie ihm damit Zuversicht signalisieren. Dann gab sie ihm in leisem, aber festem Ton ihre Antwort:

"Aye, wenn du ... es so willst."

Hoffnung stahl sich in die Augen des Südländers. "Danke dir...", sprach er mit leiser werdender Stimme. Er drückte noch einmal fest mit seiner Hand die der Ärztin. Er konnte es kaum fassen, dass sie das für ihn tun würde. Sie war... sein Hoffnungsschimmer.

Pormas war froh. Er konnte seine Gefühle und Gedanken nicht mehr ordnen. Er wusste nur, dass etwas längst Überfälliges passieren würde. Er würde Verantwortung für seine Taten übernehmen.

Mit geschlossenen Augen murmelte er noch leise vor sich hin, "Dass du das für mich tust... ich kann es dir nie vergelten..."

So wie den Südländer die Müdigkeit übermannte, wollten auch der Schottin die Augen wieder zufallen. Die letzten Stunden forderten ihren Tribut - von beiden.

Llewella spürte seine Hand in den ihren und obwohl sie sich so erledigt fühlte, wünschte sie sich, dieser stille Moment würde nicht vorübergehen.

Pormas Hand entspannte sich, als er endlich einschlief. "Schlaf schön...", murmelte die Rothaarige noch schläfrig, als sie ebenfalls in diesmal erholsame Dunkelheit sank, die Hand des Griechen immer festhaltend, als wolle sie sie nicht mehr loslassen...

--- Holodeck1

Auch Sternenlichts Stimme war eindeutig nur gedämpft durch die Lautsprecher zu hören, doch die Kriegerin schenke dem nun keine weitere Beachtung mehr. Stattdessen warf sie O'Connor einen bedeutungsvollen Blick zu, welcher diesen mit einem kurzen Nicken bestätigte. Schwungvoll riss sie ihr Bat'leH vom Rücken und stürmte sofort zur Tür hinaus - ungeachtet dessen ob ihr jemand der beiden Männer folgte. Ihr Adrenalinspiegel hatte sich in der letzten halbe Stunde weitestgehend beruhigt, was nicht zuletzt daran lag, dass sie alle drei von den Ereignissen fast überrumpelt worden waren. Dies änderte sich jedoch innerhalb einiger Augenblicke wieder rapide, wobei die Halbbajoranerin fast froh darüber war. Das Adrenalin wirkte wie ein Aufputschmittel, das ihre Sinne und Reflexe auf natürliche Art und Weise schärfte und zur Hochleistung trieb.

--- vor Holodeck 1

Aprils Blick huschte wie der eines Raubtieres nach Rechts und Links den Gang hinunter. Da sie nicht wusste, aus welcher Richtung die Terroristen kamen, lief sie einige Schritte den Weg nach rechts und ging hinter einer Weggabelung in Deckung.

Die Kriegerin musste nicht lange warten. Die Stiefel der beiden Männer waren schon einige Sekunden vorher zu hören, noch ehe sie um die Gangbiegung kamen. Für einen Moment überlegte die junge Frau, ob sie die Beiden nicht an sich vorbei laufen lassen sollte, um ihnen dann in den Rücken zu fallen, entschied sich jedoch dagegen. Sie hatte es mit Kriminellen zu tun, die wahrscheinlich selbst keine Sekunde gezögert hätten sie von hinten ab zu stechen, doch das war eine Art, seinen Gegner zu besiegen die April von Grund auf verabscheute. Obwohl die Erfolgsrate dadurch um einiges höher gewesen wäre.

Mit einem langen Satz sprang April plötzlich aus ihrer Deckung und ließ den vorderen der beiden Männer in die Rückseite ihres Schwertes laufen. Seine Geschwindigkeit wurde mit einem Mal auf Null herunter gebremst, wodurch die Kriegerin noch nicht einmal kräftig zuschlagen musste, um den Kerl von den Beinen zu reißen. Mit einem lauten Poltern schlug er rückwärts auf den Boden und blieb fürs erste regungslos liegen. Der Koffer, den er bei sich hatte, wurde einige Meter in Richtung der Holodecktür geschleudert und kam kurz vor dieser zum Liegen.

Der zweite Mann hatte einige Sekunden mehr Zeit zu reagieren und konnte somit noch rechtzeitig abbremsen und Aprils Schlag gegen ihn entgegnen, indem er sich geistesgegenwärtig auf den Boden fallen ließ und auf die Seite abrollte. Das Bat'leH glitt ins Leere, was der Kriegerin einige wertvolle Sekunden kostete, in der sie versuchte ihr Gleichgewicht wieder zu erlangen. Während sie sich um die eigene Achse drehte und zu einem neuen Angriff ansetzte war ihr Gegner schon wieder auf die Beine gekommen, hatte einen Dolch gezogen und fletschte fast schon die Zähne.

Erst jetzt bemerkte sie, dass sie einen Bajoraner vor sich hatte und für einen Moment hatte sie fast ein wenig Skrupel, erneut zuzuschlagen. Doch der Fremde ließ ihr keine Chance, sich tiefsinnigere Gedanken darüber zu machen, sondern stürmte wütend nach vorne um auf sie ein zu stechen. Mit einem Satz zurück wich sie ihrem Gegner aus und fing den Dolch mit der Klinge ihres Schwertes ab. Instinktiv riss sie das Bat'leH nach rechts wodurch dem Bajoraner der Griff seiner Waffe regelrecht aus der Hand gerissen wurde.

Doch es blieb keine Atempause - blitzschnell wich nun ihr Gegner zurück, um aus Aprils Einflussbereich zu kommen. Die Kriegerin folgte ihm mit einem Sprung, schlug mit der ausladenden Bewegung ihres Schwertes nach seinem Arm und hinterließ dort eine tiefe Schnittwunde, die sofort zu bluten begann. Mit schmerzverzerrtem Gesicht zog der Mann, einen Schrei ausstoßend, seinen Arm an den Oberkörper und hielt ihn mit der zweiten Hand fest. Das Weiß, das kurz auf seinem Arm aufblitzte, ließ April vermuten, dass sie wohl bis zum Knochen vorgedrungen war.

Eine kurze Pause entstand, in der beide sich wie lauernde Raubtiere abwartend beobachteten.

"Wenn Sie sich ergeben, dann haben ... ", weiter kam April nicht. Als sie einige Tage später an diesen Kampf zurück denken musste, stellte sie mit erstaunen fest, wie gut doch die Reaktion des Fremden gewesen war – etwas, was sie bei einem Bajoraner mit Sicherheit nicht vermutet hätte.

Blitzschnell hatte sich der Fremde umgedreht und nach dem Koffer seines Partners gegriffen, der bis dato unbeachtet am Boden gelegen hatte. Alle Alarmglocken in Aprils Unterbewusstsein schrillten wild durcheinander, als sich ihr Gegner an dem Verschluss zu schaffen machte.

Nein, sie würde nicht zulassen, dass diese Biester noch mal ihren Virus freisetzten. Mit aller Kraft, die sie in den Beinen besaß stieß sich April vom Boden ab und sprang dem Feind entgegen. Erschrocken über den Vorstoß der Halbbajoranerin ließ der Terrorist für einen Moment von dem Schloss ab und richtete sich auf. Ein Fehler, der sein letzter gewesen war ...

Mit rasender Geschwindigkeit ließ sie ihr klingonisches Schwert nach unten sausen und traf den Gegner mit der vollen Seite der Klinge in die Brust. Die Knochen des Brustkorbes zerbarsten unter der Wucht des Einschlages und April hatte immer noch genügend Schwung, dass sie samt dem Mann auf den Boden fiel.

Einige Momente vergingen, in der die Kriegerin in das entsetzte Gesicht des Fremden blickte - ihr Gesicht 20 Zentimeter von seinem entfernt und nur getrennt durch ihr Bat'leH dessen Klinge zur Hälfte im Oberkörper des Toten versank. Übelkeit breitete sich in Aprils Magen aus, als sie begann, ihre Gedanken wieder zu ordnen und klar realisierte, was passiert war.

Sie wollte eben aufstehen, als sie plötzlich einen Schlag auf den Hinterkopf verspürte und noch bevor sie sich dieser Tatsache bewusst werden konnte, hatte sich schon eine tiefe Dunkelheit um ihren Geist gelegt...

--- Computerkern

"Naja ... wenn wir die bösen Jungs los sind, dann bau in die Dinger gerne wieder ein.", antwortete sie dem Terraner mit einem Wink in Richtung des Datenspeichers und gesellte sich dann zu David an die Hauptkonsole, um ihm ein bisschen über die Schulter zu blicken. "Und mit ein bisschen Glück ist auch der Datenverlust nicht sonderlich groß ..."

"Xen an O'Connor. Sagen Sie bescheid, wenn wir den Computer wieder zum Laufen bringen sollen."

--- Lagerraum 1

Zufrieden verschränkte Jordan die Hände hinter dem Rücken und sah zu, wie eine weitere Prozession von etwa zwanzig Crewmen sich frisch geimpft auf den Weg zurück in den Feierabend machte. Dr. Campbells Krankenpflegerteam hatte die Notfallpläne der Atlantis für Impfungen der ganzen Crew zwar noch nie zuvor in der Hand gehabt, aber die Britin hatte mehr als einmal in ihrem Leben Aufgaben wie diese organisiert.

Sie wollte gar nicht wissen, womit sich Dr. Campbell gerade herumschlug, wenn sie eine dermaßen typische Kommandoaufgabe einem Gast überließ. Aber dann wiederum hatte Jordan auch mehr als einmal in ihrem Leben Notfälle gehandhabt und konnte sich ein Dutzend unterschiedlicher Erklärungen vorstellen.

Irgendwie würde sie überhaupt nicht wundern, wenn mittlerweile alles vorbei war, die Notwendigkeit von Impfungen gebannt, und man hatte nur vergessen, es ihr mitzuteilen [SCNR *gg*]. Wenn es so war, musste sie zugeben, dass es sie gerade nicht interessierte. Es wäre unverantwortlich, die eine Hälfte der Crew zu impfen und die andere nicht - nicht bei einer überstürzten Aktion wie dieser, bei der vielleicht nicht alle Personalkarteien sofort aktualisiert wurden -, und solange sie auf der Atlantis festsaß, konnte sie der Kollegin die Arbeit auch abnehmen.

Das nächste Dutzend Crewmen traf aus ihren jeweiligen Quartieren ein, und Campbells Pflegerschwarm machte sich an die Arbeit. Dankend akzeptierte Jordan ein neues Multi-Hypospray und machte sich fast gut gelaunt zurück an die Arbeit.

Innerlich schüttelte sie den Kopf. Das hatte sie davon, wenn sie sich über zu wenig Arbeit beschwerte... aber wem machte sie schon etwas vor. Patienten waren einfach. Sie wollten keinen Gesprächspartner, sie wollten Götter in Weiß, die sie mal eben heilten. Und sie mochte keinen Doktortitel mehr besitzen, aber ihren Fähigkeiten konnte sie trotzdem noch vertrauen.

In der meditativen Routine, mit der sie einträchtig die letzte Gruppe durcharbeiteten, hätte sie vielleicht vor sich hingesummt, wäre sie der Typ gewesen, der summt, wenn andere Leute zuhören können. Es hätte vielleicht Kai Victors Geschimpfe hinter ihr ausgeblendet. Beim zweiten Zufallstransport war er nicht auf, sondern in einem Frachtcontainer gelandet.

Und bisher hatte noch niemand Gelegenheit gehabt, ihn aufzubrechen.

--- vor Holodeck 1

Julian war April nur kurze Zeit später mit den Anderen im Schlepptau gefolgt; schließlich war sie eine Frau und sie alleine gegen zwei Männer kämpfen zu lassen ... das war zum einen nicht fair und zum anderen wollte er selbst auch etwas vom Siegerkuchen abhaben. Schließlich wollte er sich nicht sagen lassen, er hätte nur faul in der Gegend herum gestanden, während der Rest der Besatzung ihr Leben riskiert hatte, um das Schiff zu retten.

Doch als sie gerade auf den Flur hinaus getreten waren, da bot sich ihnen ein ... na ja, man konnte sagen interessantes Bild. April lag zusammengekrümmt und bewusstlos auf dem Boden, unter ihr die mit einem Bat'leH gespickte Leiche eines Bajoraners. Neben den Beiden kniete schwer blutend in einer größer werdenden Blutlache ein weiterer Bajoraner, der sich mit zitternden Fingern und hasserfülltem Blick an dem Verschluss eines Koffers zu schaffen machte. Als er sie entdeckte, huschte ein blutrünstiges Lächeln über sein Gesicht, während er den Koffer mit einem Klacken öffnete.

Geistesgegenwärtig wollte sich der Captain auf den Mann stürzen, um ihn von dem, was er da tat abzuhalten, denn mit ziemlicher Sicherheit war es nichts Gutes, was dieser im Sinn hatte. Jedoch kam er nicht wirklich weit, als der Bajoraner plötzlich von einem Messer in der Kehle getroffen wurde und röchelnd zusammenbrach. Überrascht blickte er auf den ihm seltsam bekannten Griff, der aus dem Hals heraus ragte, als hinter ihm ein hämisches Kichern ertönte.

Der Captain brauchte sich gar nicht herum zu drehen um zu erkennen, wer da so dreckig lachte. Vor allem nicht, als Narbo neben ihn trat und sich kurz bückte, um sein Messer aus dem toten Attentäter zu ziehen.

"Igitt", heuchelte dieser und wischte das Messer an der Hose des Toten ab. "Warum muss das Ganze immer eine solche Sauerei ergeben."

Mit einen breiten Grinsen, welches gleich klar machte, was er wirklich gemeint hatte, steckte er das Messer wieder in seinen Stiefel und schritt Richtung Turbolift, verfolgt von den Blicken der Anwesenden.

Julian brauchte noch ein paar Sekunden, bis er sich von der grotesken Situation erholt hatte und zeigte dann auf den geöffneten Koffer mit dem mysteriösen Inhalt.

"Miss Jacobsen, bitte kümmern Sie sich darum, dass dieser Koffer so schnell wie möglich zur Untersuchung ins Labor kommt. Ich möchte jedwede Möglichkeit einer weiteren Verseuchung verhindern, dass sich so etwas nicht wiederholt."

Schnell tippte er dann noch auf seinen Kommunikator, um ein Notfallteam für die weiterhin bewusstlose April zu rufen; nicht dass sie schwerer verletzt war, als es den Anschein hatte. Jedoch musste er feststellen, dass er keine Verbindung zu der Krankenstation aufbauen konnte. Auch Dr. Campbell antwortete nicht. Verwundert kratzte er sich am Kopf, während er der Sicherheitlerin nachschaute, die mit dem Koffer bewaffnet den Flur hinunter verschwand.

Gerade als er es ein weiteres Mal mit der Krankenstation versuchen wollte, da tönte die Stimme von Xen aus seinem Kommunikator.

Überrascht über die Frage der Technikerin öffnete er den Kanal und antwortete mit ruhiger Stimme: "Also wenn es Ihnen nichts ausmachen würde, dann jetzt direkt auf der Stelle. Denn ich habe hier ein verletztes Besatzungsmitglied und es wäre sehr hilfreich, wenn wir entweder ein Notfall-Team hier hin beordern oder sie in die Krankenstation beamen könnten. Aber nicht, das es eilig wäre."

Auf diesen doch etwas ärgerlich klingenden Schluss bekam er von der Technikerin nur noch ein kurzes "Verstanden Captain", bevor sie die Verbindung schloss und Julian in der stillen Ruhe auf dem Gang ließ. Es dauerte jedoch nicht lange, da verschwand April summend im Transporterstrahl und so machte sich der Captain zufrieden zur Brücke auf.

Auf dem Weg dorthin erledigte er dann noch schnell ein paar notwendige Gespräche. Zum Beispiel gab er der Putzmannschaft den Auftrag zur Reinigung des Flures und dem Schadenskontrollteam die Instandsetzung von Pormas Quartier. Schließlich sollte das Schiff in einem vernünftigen Zustand sein, trotz seines Alters. Danach befahl er der Technik nach Wiederherstellung der Systeme, der Venture Hilfe anzubieten und alles Notwendige zu tun, um beide Schiffe wieder schnellstens geflickt zu bekommen. Abschließend informierte er dann noch die komplette Crew über alles, was passiert war; schließlich hatte sich Vieles im Geheimen abgespielt und kaum Jemand wusste so richtig Bescheid, trotz brodelnder Gerüchteküche.

Zeitgleich mit der Beendigung der Ansprache erreichte er sein Quartier, trat ein und ließ sich dann gleich müde und geschafft auf die große Couch fallen. Diese Ruhe hatte er sich jetzt redlich verdient.

--- Quartier 42

Sternenlicht hatte für ein oder zwei Minuten die Augen geschlossen. Vor Jahren hatte er einmal mentale Übungen von einem Vulkanier gelernt, mit denen er jetzt seine Instinkte zusehends weiter unter Kontrolle brachte. Es war nicht auszudenken, wenn er in diesem Zustand jemandem über den Weg lief, der unvorsichtig war.

Nachdem er sich wieder ruhig im Zimmer umblicken konnte, ohne dass seine Ohren innerhalb einer Sekunde flach anlagen, öffnete er wieder die Augen. Es war an der Zeit, die Überreste der beiden Terroristen zu beseitigen. Bevor die Bomben, von denen Pormas Llewella erzählt hatte, hochgingen.

Er rief einen Reinigungsroboter her, dem er exakte Instruktionen an die Reinigungsroboter gab. Insbesondere, was die Verwendung energetischer Systeme betraf.

Jetzt galt es nur noch, aufzuräumen. Da wäre ein ausführlicher Bericht an den Captain und die exakte Dokumentation dieses Quartiers. Einige erste Aufnahmen hatte er schon angefertigt. Vielleicht konnten sie so im Nachhinein noch ein paar weitere Details herausfinden.

Bis dahin aber...

--- Quartier 433

Dies war einer der wenigen Tage, an denen Sternenlicht kein Problem mit einer Schalldusche hatte. Sein blutverschmiertes Fell auf die traditionelle Methode zu reinigen, versuchte er dann, wenn möglich, doch zu vermeiden.

Und als nächstes würde er sich eine sprichwörtliche Mütze voll Schlaf gönnen.

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