Yingpei - Chronik 8

Trilithium

--- Maschinenraum

Schneller atmend, weil sie durch ihre Behinderung einfach nicht so problemlos vorankam, wie sie das gerne gehabt hätte, erreichte Gianna den Maschinenraum. Er war leer. Nur der Behälter mit dem Trilithium stand auf einem Tisch. Gianna blieb ruckartig im Eingang stehen. Wie hieß dieser Ingenieur denn nun eigentlich? Das hätte dieses... Flittchen ihr ja nun auch noch sagen können.

Na, egal. Sie konnte sich sicher auch so bemerkbar machen. "Hallo?", rief sie laut, während sie sich im Maschinenraum umsah. Seltsam - in einem Maschinenraum war sie noch nie gewesen. Sie fragte sich wirklich, warum sie so etwas noch nicht gemacht hatte. Es sah alles sehr faszinierend und fremdartig aus. Das musste sie sich alles ganz genau ansehen...

Irritiert stoppte Kwhiro den Scan, nachdem er Giannas Begrüßung gehört hatte, und schälte sich aus einer Nische heraus. Er entdeckte die Wissenschaftlerin, die ein kleines Stück eingetreten war und Juna, die sich hinter ihr an der Wand platziert hatte. Der Ingenieur fühlte sich zwar im Moment gestört durch die Anwesenheit der Italienerin, aber zum einen mussten sie hier zusammenarbeiten und zu anderen gab es viele Gründe, sich mit der Wissenschaftlerin 'anzufreunden'.

Er legte den Tricorder weg, ging zu den beiden hinüber und wandte sich an Juna, indem er ihr die gefundene Kapsel zuwarf: "Schau mal bitte, hast du so etwas irgendwo schon mal an Bord gesehen?" Die kleinere der beiden Frauen schaute sich etwas erschrocken um, als die Sklavin angesprochen wurde, während der El-Aurianer sich schon vorstellte: "Willkommen in meinem Reich hier an Bord. Ich bin Kwhiro, der Ingenieur der Yingpei."

Die Italienerin hatte sich zwar erschrocken, als der El-Aurianer die kleine Kapsel so schwungvoll an ihr vorbeiwarf und sie feststellen musste, dass dieses grünhäutige Frauenzimmer hinter ihr stand, aber sie hatte sich schnell wieder im Griff.

"Danke, Kwhiro.", antwortete sie dem weißhaarigen Ingenieur, während sie begann, den Quarantänefeldgenerator aus ihrer Tasche zu ziehen. "Ich bin Gianna Alessi, Wissenschaft." Irgendwie unwirklich, befand sie. Der verflixte Generator wollte nicht so wie sie, er weigerte sich, die Tasche zu verlassen. 'Kein Wunder, wenn ich an seiner Stelle wäre, hätte ich auch keine Lust, aufzustehen und zu arbeiten', durchzuckte es Giannas Hirn, ohne dass sie bemerkte, wie absurd ihre Gedankengänge waren.

Also marschierte sie ein paar Schritte vorwärts, legte die Tasche ab und mit einem energischen "Wirst du wohl!" wurde der Feldgenerator aus seiner Umhüllung befreit.

Gianna drehte sich zu Khwiro um. "Hier ist der Generator. Ich habe allerdings keine Ahnung, ob er funktioniert."

--- Deck 2, Quartier 18

Sherlock öffnete den Deckel der Koffers.

Eine weitere Falle war nicht eingebaut.

Wie er erwartet hatte, musste er nicht erst nach einem Geheimversteck suchen. Wer eine solche Falle in einen Koffer einbaute, musste damit rechnen, dass dieser nach Auslösung des Sicherheitsmechanismus allergenauestens durchsucht würde (so das Opfer den Anschlag denn überhaupt überlebte) - und somit machte dann ein Geheimfach keinen Sinn mehr.

Er konnte es nicht verhindern, dass ihm ein anerkennendes Pfeifen durch die Zähne entwich. Da lag ein schallgedämpftes Gewehr mit Zielfernrohr. Das war das allerneueste in der Militärtechnologie! Normalerweise hätte er nicht mal davon wissen dürfen...

Fast ehrfurchtsvoll nahm er das Gewehr in die Hände.

Wer immer ein solches Gewehr sein Eigen nannte, der war sicher mehr als ein gewöhnlicher Krimineller.

Hinter diesem Koch musste eine mächtige Organisation gestanden haben - oder ein genialer Einzelkopf.

Professor Moriarty? Oder doch Deutsche oder Russen?

Der Android schob diese Gedanken beiseite und legte das Phaserimpulsgewehr mit Lebenszeichenscan-Zielerfassung und phasenverschobenem Partikelstrahl in den Aluminiumkoffer zurück.

Holmes schaute sich weiter um. Der zweite Koffer schien keine Geheimnisse zu bergen. An der Wand im Schlafzimmer bemerkte er eine Nische. Diese hatte eine eindeutig menschliche Form. Hier musste eine Statue gestanden haben - aber was das bedeuten sollte, vermochte er beim besten Willen nicht zu ergründen.

Holmes Aufmerksamkeit wurde nun durch einen Durchgang an der Stirnseite des Schlafzimmer in Beschlag genommen.

Es schien nahe zu liegen, dass dort das Badezimmer zu finden sein würde.

--- vor Koghs Quartier

Automatisch hielt Zesiro vor dem Quartier inne und lauschte. Keine klingonische Oper. Keine ominösen Grunzgeräusche. Hervorragend. Es gab Dinge, die sie über manche Crewmitglieder einfach nicht wissen wollte, und *die* Lektion hatte sie gelernt, als sie noch ein Kind gewesen war und die erste Woche auf dem Schiff ihres Onkels verbrachte. Ihr schauderte.

Dann klopfte sie kräftig, rief "Ich bin's!" und stieß die Tür auf.

--- Koghs Quartier

Kogh war vermutlich das einzige Crewmitglied an Bord des Bird of Prey mit einer echten klingonischen Pritsche. Zesiro grinste, als sie den hünenhaften Klingonen darauf sitzen sah, ein PADD auf seine Knie gelegt. Er fletschte die Zähne und stieß ein kameradschaftliches Knurren aus, als sie eintraten. Offensichtlich war er gerade in diesem Moment seinem Hobby nachgegangen.

Kogh schrieb mit Begeisterung klingonische Haikus.

Der Crewman, der das herausfand, war kurz darauf mit mehreren gebrochenen Rippen in der Krankenstation eingetroffen. Kogh mochte eben keine Kunstbanausen.

Leider knurrte er immer, wenn sie ihn bat, ihr eines vorzulesen.

"Kogh, das ist Hawkeye, unser neuer Arzt. Ich dachte mir, ihr solltet euch kennenlernen, bevor er dich zum ersten Mal zusammenflickt. Wir haben ein paar Fragen."

Mit einem friedfertigen Nicken signalisierte sie, dass Hawkeye an ihr vorbei in das Quartier treten sollte, weil nämlich er derjenige sein würde, der die Fragen stellte.

Die große Kunst, Captain zu  sein, bestand schließlich im Delegieren.

Locker schlenderte Hawkeye ins Quartier und lehnte sich an die Wand. Leicht verblüfft blickte er nach ein paar Augenblicken zu Zesiro, die ihn auffordernd anblickte.

Verdutzt stieß sich Ben mit der stummen Frage in seinen Augen und mit einem Finger auf sich gerichtet von der Wand wieder ab. Ein bestätigendes Nicken seines Captains ließ ihn ein breites Grinsen aufsetzen, während er zu Kogh ging, der ihn argwöhnisch betrachtete.

Im Kopf des Arztes rumorte es. Er sollte einen Klingonen verhören? Was glaubte sie, wer er sei? Direkt verärgern wollte er die Frau aber auch nicht, also biss Hawkeye in den sauren Apfel.

Beiläufig legte er seinen Teller mit dem Besteck auf den Tisch und zückte seinen medizinischen Tricorder. Eine Einstandsuntersuchung wollte er ja sowieso machen, da konnte er auch Smalltalk betreiben.

"Nun dann fangen wir doch mal an...", begleitete er das Piepsen seines Tricorders, "Weißt du was Trilithium ist?"

Der Klingone musterte den Arzt mit einem langgezogenen Blick. Finster schwenkte er seinen Kopf von oben nach unten und wieder zurück. Dabei musterte er sein Gegenüber der Länge nach. Wusste der Henker, wie er es schaffte, den Eindruck zu erwecken, er würde hünenhaft auf den Menschen herabstarren, denn er saß ja und befand sich somit deutlich tiefer als der Mediziner. Er besaß den Blick eines Kämpfers, der es gewohnt war, mit einem ersten Blick sofort Stärken und Schwächen seines Gegenübers einzuschätzen. Was er in diesem Falle war, schien ihn, gelinde gesagt, nicht sonderlich zu beeindrucken.

Der Blick wanderte geringschätzig auf den Tricorder in der Hand von Hawkeye. Keine Waffe. "Ich bin gesund, Doc!" ließ ein kapitaler Bass die Wände vibrieren. Die Stimme eines Titanen, der vom Olymp auf die Erde herabstieg und die armen Menschlein erzittern ließ.

Sein Blick schien zu versuchen, den Arzt zu durchbohren. Von lässig durch die Gegend schlendernden Gestalten schien der Söldner nicht viel zu halten.

"Ob ich weiß, was Trilithium ist?"

Die Quelle der Stimme, die an Donnergrollen erinnerte, richtete sich auf. Fast konnte man meinen, der Klingone müsse sich bücken, um nicht mit dem Kopf an die Raumschiffdecke zu stoßen. Vielleicht musste er das auch tatsächlich.

"Ob ich weiß, was Trilithium ist?"

Der Hühne schaute breitschultrig auf den Arzt herab, als wittere er eine Beleidigung.

"Ich bin Klingone!"

"Ah gut, das beantwortet natürlich vieles, schließlich war mir das noch gar nicht aufgefallen...", antwortete Hawkeye unbeeindruckt. Scheinbar hatte er es mit einer sehr selbstgefälligen, wenn auch nicht unintelligenten Ausgabe eines Klingonen zu tun.

Der Scan ergab keine besonderen Ergebnisse, Kogh erfreute sich bester Gesundheit. Nichts desto trotz scannte er weiter und erfüllte den Raum weiter mit nervigen Piepsgeräuschen.

"Was würdest du sagen, wenn ich dir erzähle, dass wir einen Trilithiumsprengsatz klingonischer Bauweise, markiert mit dem Zeichen einer klingonischen Terroristenvereinigung, gefunden haben. Du hast schon so nett darauf hingewiesen, dass du Klingone bist, was sollte ich daraus also folgern?"

--- Maschinenraum

Etwas enttäuscht beobachtete der Ingenieur die Wissenschaftlerin. Um hilfreich zu sein, musste sie ihren Zustand verbessern... oder sie war sehr an Alkohol gewöhnt, machte aber einen ganz anderen Eindruck für ein geübtes Auge. Sie wusste nicht ob der Generator funktionsfähig war. Das war etwas, was gewissenhaften Leuten nicht passierte, wenn sie ihr Werkzeug anderen zur Verfügung stellten. Trotzdem verkniff er sich einen Kommentar, schließlich kannte er sie noch nicht.

Mit dem Generator in der Hand kehrte er zu dem Behälter zurück und aktivierte ihn. Das Gerät funktionierte zumindest im Moment besser als seine Besitzerin. Nachdem die Einstellungen so waren, wie Zorg es wollte, ging er mit dem Messer in der Hand zu einer Konsole, legte es in eine Halterung und richtete einen festen Scanner darauf aus, um den Chip genauer zu untersuchen.

Als er damit anfangen wollte, fielen ihm die beiden anderen Personen wieder ein. Juna stand abwartend, wo sie auch vorhin schon gestanden hatte, Gianna schaute sich mit großen Augen, die allerdings den Eindruck machten, nicht sehr viel zu erkennen, um - vom leichten Schwanken der Frau mal abgesehen, das diese Einschätzung verstärkte.

Der El-Aurianer nickte seiner Sklavin kurz zu und machte eine Handbewegung in Richtung eines ausklappbaren Metallsitzes: "Biete meinem Gast doch bitte eine Sitzgelegenheit an und auch einen Kaffe... oder was immer sie gerne möchte."

Damit drehte er sich wieder zur Konsole um und betrachtete die übermittelten Werte. Der Inhalt des Chips war gesichert, aber der Ingenieur war sich sicher, dass das kein großes Problem sein würde.

Lässig an der Wand lehnend, drehte die Orionerin nachdenklich den zylindrischen Gegenstand in ihren Händen. Aus den Augenwinkeln verfolgte sie aber weiter das Geschehen im Raum. Anscheinend war Gegenstand, den Gianna aus ihrer Tasche frei kämpfte, wirklich der gewünschte Feldgenerator. Also hatte sie ihren Auftrag erfolgreich ausgeführt.

Junas Herr hatte sich wieder auf dieses Rasiermesser gestürzt. Es schien etwas mit dem Trilithium-Behälter zu tun zu haben. Er würde es ihr schon erklären, wenn er wieder aus der imaginären Konzentrations-Blase, die ihn gerade umgab, herauskam.

Zu Junas Erstaunen unterbrach der El-Aurianer seine Untersuchungen aber schon und wies sie an, sich um seinen Gast zu kümmern. An und für sich war dies eine erfreuliche Sache. Sie diente ihren Gebieter sehr gerne und  freute sich, wenn sie ihre Fertigkeiten aus schöneren Zeiten anwenden konnte. Aber musste dieser Gast unbedingt diese humorlose Wissenschaftlerin sein?

Die Sklavin wurde sich wieder der Kapsel gewahr, die in ihrer grünen Hand lag. "Nein, so etwas ist mir an Bord noch nicht aufgefallen. Was hat es damit auf sich?" Sich seiner Aufmerksamkeit versichernd, warf sie ihm den Behälter zurück.

Sie ließ ihre Schuhe aus der anderen Hand auf den Boden fallen, und schlüpfte, nun schon etwas geschickter, wieder in sie hinein. Nun, ein neuer Auftrag wartete auf Juna. Sie würde ihn vielleicht diesmal nicht so viel Hingabe ausführen, wie es eigentlich sein sollte, aber immerhin gewissenhaft.

Ein paar Schritte seitwärts betätigte sie an der Wand einen kleinen Hebel und mit einem deutlich vernehmbaren Klacken, klappte eine spartanische Sitzfläche aus der Wand. Die Orionerin trat auf Gianna zu: "Darf ich dir einen Sitz anbieten, meine Liebe?", griff der verdutzen Frau, ehe sie wusste wie ihr geschah, von hinten unter die Arme und zog die sich müde wehrende, aber protestierende Terranerin zu dem Klappsitz und ließ sie darauf nieder.

Lächelnd verneigte sich Juna vor der Wissenschaftlerin. "Was darf ich dir zur Erfrischung anbieten, meine Liebe? Eine koffeinhaltige Limonade, Kaffee, einen Raktachino, oder vielleicht ein heißes Handtuch?"

--- Deck 3, Holosuite

Schwer atmend hielt Silvana inne. Sie stand noch immer in Kampfhaltung, nachdem der letzte vernichtende Streich gegen die Übermacht ausgeübt und der letzte Körper zu Boden gesunken war. Ein Tropfen Blut löste sich vom Langschwert an ihrem Arm, und das leise Geräusch als er aufschlug, durchdrang wie ein Knall das Rauschen in ihrem Kopf und ließ Stille Einzug halten. Kalte, leblose Stille.

Der Strudel aus Bildern war ebenso verschwunden, wie der Adrenalinrausch aus Schmerz und Mordgier. Ihre Gedanken begannen sich zu klären.

Die raubtierhafte Frau atmete tief durch und ließ das japanische Schwert achtlos fallen. "Computer, Programm beenden!", wies sie an und sah ihre Umgebung und ihre Opfer ebenso verschwinden wie das Blut an ihrer Kleidung. Lediglich der rote Fleck um die Schnittwunde an ihrem Oberarm wuchs immer noch weiter und erinnerte sie an eine Kleinigkeit, die sich für den nächsten Benutzer der Holosuite noch als wichtig erweisen konnte. "Computer, Sicherheitsprotokolle wieder aktivieren."

Nachdem das Tier in ihr seinen Durst gestillt und sich beruhigt hatte, versuchte die Frau in ihr Zusammenhänge zwischen dem Mann mit den grünen Augen und dem Chaos in ihrem Kopf zu finden. Er hatte gesagt, dass sie kein "Wahrer" war, und trotzdem hatte er sie benutzt. Zudem wollte er etwas loswerden, das man nicht bei ihm finden durfte. Sie kannte ihren Körper genau und hätte jede Veränderung bemerkt. Und sei sie nur so winzig wie ein Einschnitt für einen Chip. Nein, was sie verwahren musste, war nicht greifbarer Natur. Das hatten ihr auch die Scans, die sie danach selbst getätigt hatte, bestätigt.

Doch über die Beschaffenheit ihres Gehirns und der Flut an Bildern mit der sie nichts anfangen konnte und die ihre Konzentration nachhaltig störten, hatte ihr kein Scan Aufschluss geben können. Sie fühlte instinktiv, dass da etwas war, das da nicht hinein gehörte, doch sie hatte keine Ahnung, was es war, geschweige denn, wie sie es wieder los werden konnte.

Vielleicht konnte Jack ihr dabei helfen und wenn nicht... sie bewegte nachdenklich die Schulter und spürte dabei einen heftigen Schmerz... so konnte er ihr zumindest ein wenig zur Hand gehen und sie verarzten. Sie hatte nicht vor, wegen so einer Lappalie einen Arzt zu belästigen. Und wenn Hawkeye inzwischen den Blutwein getrunken hatte, war ohnehin fraglich, ob er ihr eine größere Hilfe sein würde, als sie darüber zu belehren, dass sie ihm bei Deaktivierung der Sicherheitsprotokolle nur Arbeit bescherte.

Im Übrigen beschäftigten alle an Bord wohl gerade das Auftauchen des Trilithiums und die Hinterlassenschaft des Kochs. Doch das musste warten.

Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass die Krankenstation verwaist war, betätigte sie ihren Kommunikator. "Silvana an Collins: Beweg deinen knackigen Arsch auf die Krankenstation. Ich könnte eine helfende Hand gebrauchen. Silvana Ende."

--- Schiffsgefängnis

'Aha', dachte der Terraner. Silvana hörte sich ziemlich normal an. Trotzdem war ihre Reaktion im Frachtraum vorhin alles andere als normal. "Oh du Sch... Computer!", er brach das Entschlüsseln ab. Es war jetzt wichtiger, sich Silvana anzusehen und herauszufinden, was los war. Die Akten konnte er später noch durchsehen. "Diesmal hast du Glück gehabt", sagte er zum Computer. "Das nächste mal bist du fällig!"

--- Koghs Quartier

Kogh hatte deutlich darauf hingewiesen: Er war Klingone. Und jeder Mensch, der auch nur einen Funken Selbsterhaltungstrieb in sich trug, wusste, dass man Klingonen lieber nicht in die Enge trieb, ohne heillos überlegen zu sein. Klingonen unter Druck reagierten nur in den allerseltensten Fällen mit Rückzug.

Es war erstaunlich.

Wohl kaum ein Beobachter hätte erwartet, dass es möglich war, eine so riesige Masse von Pranke in einem solchen Tempo zu beschleunigen - aber mit Warp 10 schoss die rechten Hand der Klingonen hervor und schloss sich um den vorderen Teil des Kragens von hawkeyes Hemd.

Dieser fühlte sich unversehens emporgehoben, als Kogh das Gesicht des Arztes zu seinem hochschob. Die Füße des Menschen baumelten in erstaunlicher Höhe in der Luft.

"Aus der Tatsache, dass ich Klingone bin, solltest Du schließen, dass Du mich besser nicht reizen solltest, Quacksalber!", knurrte der Söldner den Arzt mehr an, als dass er mit ihm sprach. "Aber vielleicht ist das ja auch zu viel verlangt von einem qoH, der sich Arzt schimpft und einen Klingonen nicht einmal dann erkennt, wenn er ihn mit einem Tricorder untersucht!", setzte er hämisch - und etwas lauter - hinzu.

Er löste seinen Griff um Hawkeye wieder.

Dann drehte er sich um, ohne sich um das weitere Schicksal des im freien Fall befindlichen Arztes zu kümmern.

Der Klingone schloss die Augen und atmete tief durch. "Nun denn, Medizinmann! Wenn es klingonisch ist, bin ich Experte! Zeige mir die Bombe!"

Zesiro verlagerte leicht das Gewicht, um Kogh auf sich aufmerksam zu machen, und schnitt eine Grimasse. Sie war Kogh gewohnt, aber sie durfte auch nicht vergessen, dass sie den Mann dafür bezahlte, einschüchternd und gewalttätig zu sein.

Okay, sie hatte keine Ahnung, warum Hawkeye dem Mann so einen Unsinn erzählte. Sie wussten keineswegs, dass der Sprengsatz klingonisch war - so wahrscheinlich es auch sein mochte. Aber ihrer Einschätzung nach würde jemand wie dieser Arzt, der manchmal eine verdächtig sternenflottige Haltung annahm, sie nicht missverstanden haben. Also einfach mal sehen, worauf er hinaus wollte.

"Beantworte seine Fragen, Kogh", sagte sie ruhig, aber mit dem Anflug einer Warnung in der Stimme, die Kogh verstehen würde. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass der Arzt versuchen würde, ihrem Söldner zu drohen, und er hatte sich die Reaktion selbst eingebrockt. Kaputtmachen durfte er ihn aber auch nicht. Also meldete sie sich zu Wort, um das Gespräch zurück in seine Bahn zu lenken, lehnte sich wieder an die Wand und wartete darauf, dass Hawkeye fortfuhr.

Trotzdem war ihre Hand automatisch in Richtung ihrer Waffe geglitten, und sie hatte sich geärgert, als sie es bemerkte. So weit kam es schon, dass sie einem ihrer Leute nicht mehr traute, nur weil der verdammte Koch mit klingonischen Kriminellen kollaboriert hatte. Kogh war seit sechs Monaten an Bord. Zesiro spielte mehrmals die Woche mit ihm Karten. Da musste ein bisschen Vertrauen sein; sie war ja nicht hier, um ihn mal vorsorglich aus der Luftschleuse zu werfen.

Einen Moment lang durchzuckte sie ein Anflug von Sorge - hoffentlich hatte Hawkeye ihre Absicht nicht missverstanden.

Es würde jedenfalls nichts schaden, die Hand in der Nähe ihrer Waffe zu behalten...

--- Gänge

Collins flitzte über die Treppenaufgänge hoch auf Deck 3 und war so innerhalb weniger Minuten auf der Krankenstation. Er wusste nicht, wie er Silvana helfen sollte, ausgerechnet auf der Krankenstation. War Hawkeye denn nicht zu erreichen? Oder wollte sie nur. . . "Oh nein, Miss Farnside.", sagte er und bremste vor der Krankenstation ab. Langsam öffnete der Psychologe die Tür und ging hinein.

--- Deck 3, Krankenstation

Eine ruhige, verlassene Krankenstation erwartete den Psychologen. Es war niemand anwesend. Hawkeye schien den Gourmetausflug mit Jacks Steak noch nicht beendet zu haben. Bei 'Gourmet' dachte der blonde Mann gleich an Jacques, der wahrscheinlich gerade in Collins Quartier sein Unwesen trieb. Er nahm sich vor, nachher einmal nach ihm zu sehen.

Silvana war wohl noch auf dem Holodeck und Jack überlegte, ob er schnell hinüber gehen sollte. Aber er entschied sich hier zu bleiben, setzte sich auf eines der Diagnosebetten und wartete.

--- Koghs Quartier

Hawkeye räusperte sich und beugte sich einen Moment lang mit unlesbarer Miene über seinen Tricorder. Zesiro hatte den Eindruck, dass er sich seinen Teil gerade dachte und weise genug war, ihn nicht auszusprechen. Wortlos rieb er sich die Kehle.

"Wie gesagt, wir haben einen Trilitumssprengsatz klingonischer Bauart gefunden", wiederholte er, um zum Thema zurückzukehren. Es sprach für ihn, dass er nicht weiter beeindruckt klang. Jetzt, wo er wieder zu Atem gekommen war. "Du bist der einzige Klingone an Bord. Hast du etwas bemerkt oder gesehen, das uns weiterhelfen könnte?"

Kogh knurrte unwillig, aber er blieb diesmal still stehen und ließ den Arzt weiterscannen. "Ich bin für die Sicherheit an Bord zuständig, Mensch. Wenn ich etwas gesehen hätte, hätte ich es Silvana gesagt." Er grinste abrupt. In seinen Augen blitzte der übliche Schimmer auf, der in Männern aufblitzt, die Silvana treffen und starke Frauen zu schätzen wissen. "Dann wäre der Verräter schon auf dem Weg zur Luftschleuse..."

Unwillkürlich hatte Zesiro das Grinsen des Mannes erwidert und an einen Kogh gedacht, der vor Silvanas Quartier klingonische Haikus rezitierte, in der Hoffnung, dass sie einen Paarungsschrei ausstieß und ihn biss und kratzte.

Jetzt wurde ihre Miene zu Stein. Kogh, der es bemerkt hatte, verstummte abrupt. Sein Blick richtete sich auf sie - halb wachsamer Krieger, halb vorsichtig. Unzusammenhängend nahm Zesiro zur Notiz, ein wie surrealer Anblick ein ängstlicher Klingone war.

Das Bild der Blutflecken vor der Luftschleuse blitzte vor ihren inneren Augen auf.

Hawkeye sah sich stirnrunzelnd von ihr zu Kogh um. Die Atmosphäre im Quartier war eisig. Zesiro presste die Lippen zusammen.

"Melde dich, wenn du hier fertig bist", sagte sie knapp an den Arzt gewandt und verließ ohne ein weiteres Wort das Quartier.

Leicht irritiert hatte Ben die komische Reaktion Zesiros wahrgenommen. Das wäre ihm vollkommen egal, aber der Umstand, dass sie ihn mit einem nur allzu gewaltbereiten Klingonen allein ließ, gab doch einige Punkte Abzug in der Beliebtheitswertung.

Seufzend drehte Hawkeye sich wieder Kogh zu. "Also nochmal auf Anfang. Der fragliche Apparat wird gerade untersucht. Was hier zur Debatte steht, ist ein Präsent einer klingonischen Vereinigung. Die Frage ist, weißt du etwas darüber, oder hast du was läuten hören?"

Der Klingone schaute auf das winzige humanoide Häuflein hinab, das sich vor seinen Füßen kringelte.

"Kommt drauf an, Doc!", brummte er. "Es gibt viele klingonische Vereinigungen. Den hohen Rat, das Militär, eine Rugby-Liga, Bathleth-Vereinigungen, und eine wenig bekannte Ikebana-Faltgruppe mit einem Mandala-Ableger. Sogar einen Tribble-Zucht-Verein soll es geben. Allerdings operiert dieser wohl nur im Untergrund. Den meisten Klingonen wäre er ohnehin zu spießig. Darüberhinaus mag es noch 237.416.322.685 weitere klingonische Gruppierungen geben, offizielle und inoffizielle, legale und illegale."

Bedauernd schaute der Hühne den Arzt an. "Leider kenne ich nicht alle. Hinzu kommen dann noch Gruppen, die nicht reinklingonisch sind, oder in der Klingonen gar in der Minderheit sind. Zählen die auch dazu?"

Genüsslich setzte sich der Riese wieder, nahm mit seinen ausgestreckten Beinen den Raum in Beschlag und schaute wieder auf sein Haiku-Padd. Dabei unterhielt sich weiter mit dem Arzt: "Um welche Gruppe handelt es sich denn? Vielleicht könnte ich Dir dann verraten, ob ich Dir überhaupt etwas verraten kann."

Ohne den Blick vom Display zu wenden ergänzte er: "Und um was für ein Präsent geht es eigentlich? Wer hat es erhalten, und warum?"

--- vor Koghs Quartier

Mit einem zittrigen Atemzug lehnte Zesiro sich gegen die Wand neben der Tür und schloss einen Augenblick lang die Augen.

Sie hatte Martinez vor nicht einmal vierundzwanzig Stunden erschossen. Kein Wunder, dass ihr die Sache noch nachhang. Kein Wunder, dass ihr Söldner ihr vorsichtige Blicke zuwarf. Er wusste immerhin nicht, ob das Thema Martinez sie noch auf die Palme brachte oder nicht. Wirklich. Kein Wunder. Oder das versuchte sie sich zumindest zu sagen.

Gott - was, wenn sie wirklich dabei war den Verstand zu verlieren? Was, wenn Martinez nicht der einzige Verräter an Bord war? Die Ägypterin wusste nicht, was ihr mehr Angst machte. Dass jemand auf ihrem Schiff sie betrogen hatte, dass die Yingpei sich in Gefahr befand - oder dass der Anblick des zweiten Verräters sie so wütend machte, dass sie endgültig überschnappte.

Schon jetzt wallte bei dem bloßen Gedanken daran ein Anfall von reinem, kaltem Hass in ihr hoch und setzte sich in ihren Knochen fest wie Moder, ließ sie schaudern.

Abrupt schlug Zesiro die Augen wieder auf, starrte die Wand an. Ihr war plötzlich ein ziemlich logischer Gedanke gekommen. Sie könnte Collins herzitieren.

Aber nein. Sie hatte den Seelenklempner an Bord geholt, damit er sie erschoss, wenn jede Hoffnung zu spät war. Nicht, um sie zu therapieren. Insgeheim schnaubte sie. Nein, allein die Vorstellung war lächerlich. Sie war ihr ganzes Leben lang alleine mit Problemen fertig geworden. Mit dem Tod ihres Onkels, mit der Sternenflotte, mit Hong...

'Wenn du damit fertiggeworden wärst, bräuchtest du jetzt niemanden, der dich im Notfall erschießt', lästerte eine verräterische Stimme in ihrem Kopf. Zesiro ignorierte sie.

Trotzdem bemerkte sie, dass ihre Hand in die Nähe ihres Kommunikators geglitten war.

Sie hatte sie kaum wieder sinken lassen, als der Kommunikator piepte.

--- Maschinenraum

Zorg betrachtete die Ergebnisse auf einem Bildschirm, vor seinen Augen wechselten sich Diagramme mit längeren Textpassagen ab. Er überflog alles, fand aber erstmal keine genaueren Hinweise. Den Inhalt speicherte der Ingenieur in einem geschützten Bereich des Bordcomputers ab und fand kurz, bevor er schon das Messer vom Scanner nehmen wollte, eine weitere Datei, die in eine andere hineingepackt worden war.

Diese enthielt detaillierte Informationen über die Warpsignatur der Yingpei, den Hinweis, dass der Besitzer des Messers von einem "Freund" auf der Profitbrunnen erwartet wurde, der als Codenamen das klingonische Äquivalent von 'Quacksalber' trug und zuletzt eine Information über den Inhalt des Kanisters. Das Bild das sich zeigte, war die Darstellung eines Moleküls. Der El-Aurianer erkannte die Darstellung, konnte jedoch nichts damit anfangen, zumal da diese Darstellung wesentlich komplexer aussah, als die, die er bisher gesehen hatte.

In Kwhiros Kopf arbeitete es. Mit den Informationen über die Warpsignatur und einem leistungsfähigen Langstreckenscanner konnte jeder die Yingpei finden, wenn er nur ungefähr wusste wo er suchen musste. Das war eine Gefahr und es würde Zeit brauchen, den Antrieb so zu verändern dass die spezifische Signatur genug von der jetzigen abwich.

Zum anderen waren auf der Profitbrunnen gleich mindestens zwei neue Crewmitglieder hinzugekommen, auf die der Codename passen konnte... falls überhaupt jemand davon gemeint war. Silvana war zwar sehr gut darin, potenzielle Gefahren zu 'wittern' aber auch sie war sicher nicht unfehlbar.

Und um die Probleme zu vervollständigen war die Person, die das Molekül untersuchen konnte immer noch unter Alkoholeinfluss, auch neu an Bord und mit viel Phantasie konnte man auch ihr den Codenamen unterjubeln. Das waren eindeutig zu viele Lecks für einen Ingenieur alleine.

Der El-Aurianer drehte sich zu den beiden Frauen um. Juna stand noch neben Gianna, die den Eindruck machte als schwanke sie zwischen den Optionen, Juna an die Gurgel zu gehen oder wegzulaufen. So würde das nichts werden, also winkte er Juna zu sich und wies sie an: "Juna, Gianna sollte sich das Molekül auf dem Bildschirm ansehen und herausbekommen was es darstellt. Dazu sollte sie nüchtern sein, also bring ihr einen 'Entgifter' aus dem Replikator. Das Rezept ist eingespeichert und es hat mir schon öfter geholfen."

Das stimmte, es würde sie wieder munter machen, auch wenn die Chance auf Nebenwirkungen beim Entgiften hoch war. Aber das war im Moment nebensächlich. Leiser, so dass nur Juna es hören konnte als sie neben ihm stand, fügte er hinzu: "Bis ich wieder da bin soll sie sich das Ding auf dem Bildschirm ansehen. Sie geht nicht weg und redet mit niemandem außerhalb dieses Raums. Wenn sie es versucht, verhindere es." Die Sklavin schaute ihn erstaunt an, nickte aber.

Zorg nahm das Messer und bewegte sich in Richtung des Ausgangs, wobei er seinen Kommunikator aktivierte: "Zorg an Zesiro. Captain, ich habe neue Informationen zu dem gefundenen Behälter. Wir sollten _dringend_ reden. Ich schlage mein Quartier vor, bin schon auf dem Weg."

--- vor Koghs Quartier

"Verstanden. Ich komme", antwortete Zesiro. Automatisch setzten ihre Beine sich in Bewegung. Es war von hier bis zu Kwhiros und Junas Quartier nicht weit, aber sie schritt trotzdem forsch aus. Jede Ablenkung war eine gute Ablenkung.

--- Maschinenraum

Die Italienerin war gerade im Begriff gewesen, der grünhäutigen Frau -'Juna', erinnerte sie sich daran, dass diese ... Kurtisane auch einen Namen besaß - zu antworten, als sich der Chefingenieur auch schon wieder an diese wandte.

Ein paar Fragmente der Unterhaltung konnte sie verstehen. Offensichtlich wollte der Mann, dass sie sich etwas ansah. Gianna erhob sich von der spartanischen Sitzgelegenheit, auf die Juna sie genötigt hatte und ging langsam auf den El-Aurianer zu, der noch ein paar leise Worte an seine Begleitung richtete und dann einfach in Richtung der Türe marschierte.

Gianna stand unschlüssig da. Sie überlegte, ob sie nun eher dem Ingenieur folgen und ihn nach genaueren Informationen fragen sollte oder ob sie eher ihrer Neugierde folgen sollte, und sich ansehen, was auch immer dort auf dem Bildschirm schimmerte.

Juna schien ihr ihre Unschlüssigkeit anzusehen, denn sie deutete mit dem Daumen über ihre Schulter in Richtung des Terminals, während sie sich selber zu einem Replikator begab. Gianna seufzte. Sie hasste es, wenn die Leute sie einfach dorthin orderten, wo sie sie gerne hatten. Und sie hasste es noch mehr, dass sie einfach tat, was die Leute wollten. Meistens zumindest. Bisher zumindest. Sie sollte das ändern. Leandra hatte sie auf ihre temperamentvolle Art auch immer gescholten und gemeint, die Menschen würden sie mehr respektieren, wenn sie nicht immer täte, was diese wollten.

Aber was sollte sie hier auch tun. Abgesehen mal davon interessierte es sie wirklich, was dort auf dem Bildschirm erschienen war. Also leistete sie der Aufforderung Junas Folge.

Sie stützte beide Arme auf die Tischplatte und fixierte mit zusammengekniffenen Augen den Bildschirm. Ein komplexes Molekül war dort abgebildet, dessen Gerüst - zumindest auf den ersten Blick - irgendwie seltsam aufgebaut erschien. Das Molekül wirkte irgendwie... unecht.

Die Südländerin ließ ihre Augen im Raum herumwandern und suchte nach einer Sitzgelegenheit. Als sie keine fand, seufzte sie tief und widmete sich wieder dem Terminal. Sie vertiefte sich in die Darstellung, drehte das Molekül auf dem Bildschirm hin und her und versuchte, einen vernünftigen Anhaltspunkt zu finden...

--- Gang vor der Krankenstation

Nachdenklich schritt Silvana den Gang entlang. Sie beeilte sich nicht, wegen der Verletzung auf die Krankenstation zu kommen, da sie immerhin noch den Arm bewegen konnte. Also konnte es wohl kaum so schlimm sein. Und wenn sie eines gelernt hatte, dann Schmerzen zu ertragen. Das bisschen Blutverlust war eher ärgerlich für die Putzcrew, die hinter ihr her wischen musste. Zumindest würde Hawkeye seinen Arbeitsplatz so leichter finden.

Dafür ging sie in Gedanken nochmal alle Fakten durch. Neben ihrem Problem, bei dem sie diesmal ein großes Stück weitergekommen war, gab es noch den Hinweis, daß die klingonische Mafia sie am Arsch hatte und das Trilithium, mit dem man herrlich neue Sichtfenster ins Schiff sprengen konnte. Nichts, worum man sich groß Sorgen machen musste. Sie lachte hämisch auf. Zumindest ihr schwarzer Humor ließ sie nie im Stich.

--- Krankenstation

Silvana öffnete die Tür und noch während sie hineinschlüpfte nahm sie schon die Gestalt des großen blonden Terraners auf einem der Betten wahr. Eine Einladung für ihre Sinne und ihren Trieb. Sie atmete tief durch und nahm seine Ausdünstungen wahr, die ihr so vertraut waren.

Für einen Moment passierten Momente ihr Gehirn in dem sie ihn mit schweißnassen geröteten Gesicht heftig atmend vor sich liegen sah und hart in sich spürte, seinen animalischen Trieben mit ihr frönend. Ihr endlich wirklich nahe. Dem Tier auf der Suche nach Befriedigung. Manchmal war es einfach nur schön, alte Freunde wieder zu treffen.

Mit einem Grinsen nickte sie ihm zu, als sie von ihrem Ausflug zurück in die Gegenwart fand. "Wäre nett, wenn du den kleinen Kratzer auf meiner Schulter versorgen könntest. Es ist etwas umständlich, es selbst zu tun."

"Was hast du denn vorgehabt?", fragte Jack zynisch, obwohl er es sich ziemlich genau vorstellen konnte. Silvanas Gesicht sah deutlich entspannter aus als vorhin im Frachtraum. Die Tatsache, das sie sich auf dem Holodeck aufgehalten hatte und wie sie jetzt hier auftauchte, sprach für sich.

"Komm, setzt dich.", er stand auf und deutete auf das Diagnosebett. "Ich sehe mir deinen Kratzer mal an." Während Silva sich setzte, ging der Terraner zu einem Schrank um einen Dermalregenerator zu suchen, den er auch gleich fand. Ohne etwas zu sagen, schnitt er dann mit einem Messer Silvanas Catsuit an deren Oberarm bis zur Verletzung auf.

"Kratzer ist gut.", sagte Jack sinnig. Ein tiefer Schnitt zog sich durch das Muskelgewebe vom Oberarm bis zur Schulter hinauf. Die Blutung hatte inzwischen von allein aufgehört und Jack staunte über die schnelle Regeneration der Wunde. Es konnte noch nicht solange her sein, und doch schien der Heilungsprozess schon angefangen zu haben.

Der Terraner säuberte die Wunde und nahm dann den Dermalregenerator um sie zu schließen. Das Gerät stammte wie vieles hier an Bord aus Föderationsbeständen. Sein Gesicht näherte sich Silvas Kopf. Ihr Körper hatte einen ureigenen animalischen Geruch, der gespickt war mit Pheromonen. Wäre Jack kein Mensch, sondern ein Tier, hätten diese Pheromone wahrscheinlich ihre Wirkung getan.

Er atmete noch mal tief durch und hob dann wieder den Kopf. Die Wunde war verschlossen, Jack legte den Regenerator beiseite. Die Haut über dem angekratzten Muskel war noch gerötet, aber bei der Heilungsfähigkeit von Silvas Gewebe sah Jack keine Probleme. In ein oder zwei Tagen würde sie nichts mehr davon spüren.

'Hätte Arzt werden sollen.', dachte er kurz und fragte sich dann, warum Silvana nicht Hawkeye gerufen hatte, schließlich war es sein Job. Der Psychologe ging um das Diagnosebett, schnappte sich einen Hocker, der da rum stand und setzte sich vor Silvana. Der Geruch ihres Körpers und der Blick in ihre Augen zogen ihn in ihren Bann.

"Was ist los Silva?', fragte er leise. "Ich meine deinen Abgang im Frachtraum vorhin. Was hat dich mit einem Mal so aufgebracht. Ich weiß, ich kenne dich nicht wirklich, jeder hat seine Abgründe und eigentlich geht es mich auch nichts an. Aber, du bist eine Freundin, jemand den ich kenne und dem ich vertraue.

Das du zu 'Trainingszwecken' ab und an mal die Sicherheitsprotokolle auf dem Holzdeck deaktivierst, ist auch ok." Collins machte eine Pause und genoss den Anblick ihres Körpers. 'Verdammte Hormone!', dachte dachte er. "Hat deine Reaktion irgendwas mit dem Trillithium zu tun?"

Silva lächelte ihn an und ihre Augen glühten erfreut auf, bei dem interessierten Blick, der über ihren Körper wanderte. Wenn sie nicht bereits in der Holosuite voll auf ihre Kosten gekommen wäre, hätte sie nichts daran gehindert ihrer Wiedersehensfreude auf ihre Weise Ausdruck zu verleihen. Doch sie musste ohnehin daran denken, dass er bloß ein Terraner war und er nicht über ihre Kondition verfügte. Sex mit ihr konnte zur Zeit durchaus tödlich enden, wenn sie sich nicht unter Kontrolle hatte.

"Ich fürchte das Trillithium ist hier bei weitem nicht das Gefährlichste an Bord, Jack." Sie sah ihn nachdenklich an und entschied trotz ihres Hanges zum Einzelgängertum, dass sie ihm vertrauen konnte. Zudem war er der Einzige an Bord der ihr vielleicht helfen konnte. Aber ein normales Patient-Psychiater Gespräch hatten sie niemals miteinander geführt und es erschien ihr mehr als lächerlich, jetzt damit anzufangen. Also entschied sie sich dafür, auf dem Terrain zu bleiben, das ihr vertraut war.

"Stell dir mal vor, auf einem Schiff existiert ein tödliches Waffensystem, das allein zur Verteidigung von Schiff und Mannschaft eingesetzt wird. Doch jemand manipuliert diese Waffe, indem er dem System Informationsabläufe initiiert, die dort nichts zu suchen haben und welche die Funktionsweise nachhaltig stören. Es ist nichts über die Informationen und ihren Nutzen bekannt. Nur das Wissen um ihre Existenz und die Gefahr, die sie mit sich bringen."

Jack war ihren Ausführungen aufmerksam gefolgt, und sie hatte den Eindruck er ahnte bereits, worum es ging, doch sie hatte nicht vor, ihn zu lange auf die Pointe warten zu lassen. "Die Rede ist von mir. Ich bin diese verdammte Waffe, und wenn wir nicht aus meinem Kopf bekommen, was immer dort zuviel ist, kann es hier ganz schnell unschön werden...

Irgendwelche Ideen, was wir tun können?"

Das war eine ganz neue Situation. Jack versuchte die gesamten Puzzelteile zusammen zu fügen. Da war ein Koch, mit der Betonung auf 'war'. Der hatte für die Sternenflotte gearbeitet. Er hatte Personen verraten, die von der Föderation gesucht wurden. Ein Job, den jeder machen konnte.

Zu simpel, zu einfach! Das passte alles nicht. "Du meinst", begann er zu Silvana gewandt, "Du wurdest in der Vergangenheit irgendwann geistig manipuliert. Dir wurde etwas... eingetrichtert", Collins dachte mehr laut, als das er mit Silvana sprach.

"Jemand hat dich geistig konditioniert. Bei bestimmten Vorfällen oder Wörtern, oder was auch immer, läuft bei dir ein Programm ab. Und das heißt: Töten!" Der Psychologe rieb sich gedankenverloren sein Kinn. "Der Vorfall im Frachtraum hat eine Reaktion ausgelöst. Wahrscheinlich? Nicht wahr? Du hattest dich aber noch so weit unter Kontrolle, dass du aufs Holodeck gehen konntest.

Dort hast du dich abreagiert. Aber was hat dich dazu gebracht? Was hast du gesehen, im Frachtraum?" Diese ganze Sache mit dem Trillithium war dann nur dafür da, um eine Silvana zu aktivieren. Das wiederum konnte unmöglich jemand alleine gewesen sein. Der Koch hatte einen Helfer, der vielleicht noch aktiv war?

"Das aus dem Kopf zu kriegen, wird nicht einfach sein. Theoretisch brauchst du etliche Stunden Psychotherapie" Jack grinste. "Das hätte meine Frau jetzt gesagt. Aber die Zeit haben wir nicht. Erzähl mir, wie du auf diese Theorie kommst und erzähl mir von dem Programm auf der Holosuite. Es gibt vielleicht eine Methode, um es herauszufinden."

Der Terraner musterte sein Gegenüber. Er hatte eine Idee, unkonventionell und für ihn sehr gefährlich. Aber es könnte funktionieren.

Silvana unterdrückte den Wunsch laut aufzuseufzen. Sie hätte von Vornherein wissen müssen, dass Jack mit ihren Informationen nicht viel würde anfangen können. Doch er schien sie zudem gründlich missverstanden zu haben. Sie trug etwas im Kopf und hatte selbst Probleme damit auch nur annähernd zu verstehen worum es ging. Wie sollte sie erwarten, dass ein Außenstehender sie verstand?

"Da bist du leider auf dem Holzweg, Jack. Das Töten ist bisher die einzige Möglichkeit, die ich herausgefunden habe, um meine Reaktionen wieder unter Kontrolle zu bringen und niemand umzubringen, nur weil er mich zur falschen Zeit nach einem Date fragt. Trotzdem stammt es einzig und allein von meiner tierischen Seite." Sie zwinkerte ihm verheißungsvoll zu, während ihre Hand auf seinen Oberschenkel wanderte. "Niemand hat mich abgerichtet wie ein Hund auf Kommando zu reagieren. Ich reagiere nicht auf irgendwelche Reizwörter, wenn es das ist, was du vermutest."

Auf Jacks Gesicht zeichnete sich Verwirrung ab, offensichtlich versuchte er, seine gerade gescheiterte Vermutung durch eine neue zu ersetzen. Doch das würde ihm nur mit ihrer Hilfe und mehr Fakten gelingen.

"Ich begreife selbst nicht, was passiert ist, Jack und was in mir vorgeht. Alles, was ich weiß, ist, wie meine Fähigkeit mich zu konzentrieren und ebenso mich zu  kontrollieren sich immer mehr in einem Strudel verliert. Etwas scheint die Kontrollen meiner menschlichen Seite zu stören, die meine tierischen Seiten beherrscht. Es hat mich einige Mühe gekostet, auf dem Schwarzmarkt einen holografischen Brainmaster 2000 zu bekommen." Sie lehnte sich zurück und schloss die Augen. Falls Jack je von diesem Teil gehört hatte, würde sie sich was anhören können. Immerhin war das Risiko, sich das Gehirn bei der Anwendung zu schrotten, nicht von der Hand zu weisen. Allerdings war sie schon genervt genug, hier lange Reden halten zu müssen, was so ganz gegen ihre Art war.

"Bevor du mir jetzt Vorhaltungen machst, wie unverantwortlich es von mir war, ihn zu benutzen... Ich hab damit zumindest herausgefunden, wann und wie es geschehen ist, aber nicht was." Dann erzählte sie dem erschütternd lauschenden Jack von ihrer heutigen Sitzung, Fintra 3, dem grünäugigen Mann und seinen geheimnisvollen Worten. Nur von dem Gefühl, sich nach dem Gebrauch des Stuhls endlich als Einheit empfunden zu haben, erzählte sie ihm nicht.

Vielleicht hatte der Stuhl ein Tor in ihr aufgestoßen, dass besser niemals hätte geöffnet werden dürfen. Doch nun, wo es offen war, konnte sie nur daran denken, wieder hindurch zu treten und sich erneut dem Tod zu stellen. Ihm näher zu sein, als die Haut am eigenen Körper und seinen kalten Atem im Nacken zu fühlen, um sich danach lebendiger als je zuvor zu fühlen.

"Also was hältst du davon?" Sie öffnete die gelben Augen und ihr Blick hing gespannt an Jacks Miene.

'Brainmaster 2000', Collins ließ sich schnaubend nach hinten fallen. Natürlich hatte er mal was davon gehört. Aber irgendwie war es bisher nur wirklich etwas für Wesen, die ihre Hirnaktivitäten nicht mehr brauchten.

Mit einem sehr resignierten Blick fixierte Jack Silvana. Irgendwie schienen sie sich ja zu mögen. Aber, irgendwie waren sie auch zu verschieden. Silvana musste ihren Genen folgen, sie hatte kaum keine andere Wahl. Jack schon, er konnte wählen, er konnte sogar gegen den Willen seiner Gene wählen. Aber er wusste schon, das es in diesem Fall aussichtslos war.

"Ich hoffe, du weißt, das du dir damit nicht unbedingt einen Gefallen machst", sagte er leise. "Das Programm scheint ja einige Knoten in deiner Psyche zu lösen. In deiner genetisch veränderten, deiner tierischen Psyche! Ich habe aber keine Ahnung, wie sich das auf deine Gesamtpsyche auswirkt."

Der Psychologe überlegte, wie er Silvana am effektivsten helfen konnte. Er kannte einige, die dieses Programm nutzten. Es wahren Menschen, die kaum noch an dem normalen Leben teilnahmen. Junkies! Wenn sie nicht schon gestorben waren, harrten sie in der perspektivlosen Welt aus, die der Stuhl ihnen vorgaukelte. Das war zumindest Collins Meinung.

Aber wie immer schien die Praxis andere Regeln zu haben. Silvana verhielt sich ziemlich normal, im Moment zumindest. Trotzdem sie dieses Programm genutzt hatte. Collins stand ziemlich auf dem Schlauch. Er brauchte mehr Informationen!

Zu gerne wäre der Terraner noch geblieben, um sich noch mit Silvana zu unterhalten. Aber zunächst musste er mehr über dieses Programm in Erfahrung bringen. "Vielleicht kann ich dir weiterhelfen, aber ich muss mich selber erst mal schlauer machen", sagte er langsam.

Collins stand auf und wandte sich zur Tür. "Wir kennen uns schon relativ lange", sagte er ruhig. "Es scheint aber, dass ich mich in einigen Sachen getäuscht habe. Ist aber egal, ich werde mal sehen, wie ich dir helfen kann. Gib mir ein bisschen Zeit.", sagte er irgendwie resigniert, und ging.

Jacks Reaktion verwirrte Silvana, und sie sah gedankenverloren auf die bereits geschlossene Tür, hinter welcher der Psychologe verschwunden war. Früher war er so voll Tatendrang gewesen, und nichts schien daran etwas ändern zu können. Mit einem Lächeln dachte sie an ihre gemeinsame Zeit, als sie das letzte Mal auf Tour gewesen waren. Sie hatten sich in allen Belangen ergänzt und hatten ein spitzenmäßiges Team abgegeben. Bis er einfach wortlos aus ihrem Leben verschwunden war...

Ihr Gesicht verdunkelte sich, als sie daran dachte und an ihre vielen vergeblichen Versuche, ihn mit Kargan zu finden. Dabei war sie gerade dabei gewesen, viel mehr Gefühle für Jack zu entwickeln, als gut für sie war, und er hatte sie verlassen, ohne einen Gedanken an sie zu verschwenden.

Nun war er einfach so gegangen und ihr schien, als hätte allein die Tatsache, dass sie den Brainmaster benutzte, ihn verletzt, als hätte sie ihn hintergangen. Wie anders sollte sie seine Worte: "Es scheint aber, dass ich mich in einigen Sachen getäuscht habe", zusammen mit seiner unerklärlichen Resignation deuten? Hätte sie sich jetzt allein auf ihn verlassen sollen, obwohl er sie bereits einmal im Stich gelassen hatte?

Er meinte, sie zu kennen, und sie hatte ihn enttäuscht. Doch kannte er sie wirklich? Hatte er auch nur im Mindesten eine Ahnung davon, was es für das Tier in ihr bedeutete, die Kontrolle über sich zu verlieren... oder zu lieben?

Das Piepen ihres Kommunikators riss sie aus den Gedanken. Sie betätigte ihn träge und ohne jede Eile.

--- Maschinenraum

Im Menü des winzigen Replikators fand die Orionerin schnell den von Kwhiro georderten 'Entgifter'. Er erwies sich als grünlich bräunlich trübe Flüssigkeit, die in einem Saftglas serviert wurde.

So vor dem Replikator stehend, wurde Juna bewusst, dass sie schon eine ganze Weile nichts mehr gegessen und Hunger hatte. Das Essen in der Mannschaftsmesse hatte sie ja sausen lassen. Sie nahm das Glas aus der Ausgabenische - in dem kleinem Gerät konnte immer nur ein Gericht oder Getränk auf einmal materialisieren -  und bestellte sich eine Standard-Notfall-Ration.

Den Fehler, neugierig an dem Glas zu schnuppern, beging sie kein zweites mal. Als sie Kwhiro das erste mal dieses Getränk besorgte, hätte die grünhäutige Frau das Glas vor Ekel beinahe fallen lassen.

Vorsichtig trug Juna den 'Entgifter' zu der in den Anblick des Displays gefesselten Terranerin. Sie stellte es neben ihr auf die Konsole. "Dieses Getränk hat meinem Herrn schon öfters geholfen, wieder einen klaren Kopf zu bekommen, wenn er seine Sinne berauscht hatte. Er denkt, es könnte auch dir helfen."

Nach einer kurzen Pause und einem kleinen Kampf mit sich selbst, meinte die Lageristin noch: "Ich rate dir ernsthaft nicht an dem Mittel zu riechen, meine L... Gianna, sondern am besten Nase zuhalten und runter damit, dann wirkts am schnellsten."

Der Orionerin war nicht entgangen, dass sich die Wissenschaftlerin nur schwer auf den Beinen halten konnte. Suchend sah sie sich um. Der Notsitz, auf den sie sie vorher geschleppt hatte, war zu weit weg, als dass die Frau von da aus hätte arbeiten können. Der Arbeitssessel ihres Herrn stand außer Frage. Aber da gabs doch mal....

Nachdenklich biss Juna in ihre SNR und schlenderte ans andere Ende des Maschinenraums, in dem der verbeulte Putzroboter zwischen ein paar Ersatzteilen herumlag. Dahinter stand der höhenverstellbare rollbare Hocker, den der Ingenieur vor allem benutzte, wenn er an Stellen mit ungünstiger Arbeitshöhe etwas zu reparieren hatte.

Die Sklavin schnappte sich den Hocker und kehrte zu der Wissenschaftlerin zurück. Sie verspeiste den Rest ihrer SNR und leckte die Krümel von ihren Fingerspitzen. Schließlich justierte sie den Hocker auf eine für Gianna passende Höhe und bot ihn ihr an.

"Was ist das eigentlich?" Juna deutete auf die Darstellung auf dem Display. Es musste ja etwas ziemlich wichtiges sein, wenn ihr Herr darüber nicht über Kommunikator sprechen wollte und ihr auftrug, für eine Kontaktsperre bei Gianna zu achten.

Beinahe automatisch hatte sich die Wissenschaftlerin auf dem Hocker niedergelassen, den Blick weiterhin auf das Display gerichtet. Während ihr Gehirn, das immer noch nicht ganz wieder auf der Höhe seiner Leistungsfähigkeit angelangt war, sich bemühte, unwichtige Gedanken von wichtigen zu trennen, wanderte ihre Hand geistesabwesend in Richtung des Getränks, das die Grünhäutige ihr hingestellt hatte.

Sie befolgte den Rat der Frau und kippte das Zeug auf einen Sitz hinunter. Mit einem entsetzten Würgen knallte sie das Glas anschließend auf die Konsole. "Pfui Teufel, was ist das für ein Zeug?", stöhnte sie, während sie das Gefühl hatte, ihr Innerstes würde nach oben gekehrt. Ein paar Sekunden fürchtete sie, sich übergeben zu müssen, aber das Gefühl verebbte rasch.

Gianna schüttelte sich und warf Juna einen grantigen Blick zu. Im selben Augenblick fiel ihr ein, dass die Frau ihr eine Frage gestellt hatte. Mehr um ihre Gedanken zu sortieren, als um Juna tatsächlich Antwort zu geben, begann sie in ruhigem Tonfall zu erklären.

"Ganz sicher bin ich mir da auch noch nicht.", sie kehrte wieder zur allerersten Darstellung auf dem Bildschirm zurück. "Es ist jedenfalls kein Trilithium. Aber etwas ähnliches... Das Grundgerüst ist das Gleiche..."

--- vor Kwhiros Quartier

Zesiro und Kwhiro erreichten das Quartier gleichzeitig. Die Captain nickte dem Mann zu und fiel mit ihm auf den letzten Metern in Gleichschritt.

"Ich hoffe, du hast gute Neuigkeiten", bemerkte sie lakonisch, während er sein Quartier entriegelte. "Ich könnte gerade welche gebrauchen."

--- Kwhiros Quartier

"Wenn ichs mir richtig überlege... ja... ich habe auch gute Neuigkeiten. Aber die anderen sind in der Überzahl.", antwortete Zorg nachdem er Zesiro hineingelassen und ihr einen Platz angeboten hatte. Er überlegte, welche Reihenfolge für die Nachrichten wohl am besten war, hatte aber Probleme, sich zu konzentrieren und beschloss, das durch den Replikator zu ändern.

Das, was der Ingenieur replizieren ließ, war eine gute Nachricht. Es war ihm gelungen, das Rezept eines Getränks seiner Heimat einzuprogrammieren. Der Replikator schaffte es inzwischen sogar, den richtigen Alkohol zu synthetisieren und die blauen Blitze des Originals, die auf der Netzhaut erzeugt wurden, waren mit dem neuen Rezept schöner, nämlich rot.

Diesen eigentlich starken Effekt würden ungeübte Konsumenten aber kaum wahrnehmen, denn der kurze Blackout, den sie hatten, war stärker. Er entnahm die beiden Gläser aus dem Replikator, nahm aus seinem einen kräftigen Schluck und genoss die Hitze, die sich in ihm ausbreitete. Mit dem anderen Glas ging er zu Zesiro, die sich inzwischen gesetzt hatte und ihn auffordernd und nicht sehr geduldig ansah.

"Nun ja...", setzte Kwhiro an und drehte sich um ein paar Schritte in dem durch die Einbauten zu klein gewordenen Quartier, wodurch Zesiros Hand, die das ihr angebotene Glas hatte nehmen wollen, ins Leere griff. "... der Behälter ist definitv klingonisch. In der Kontrolleinheit gab es einige Informationen auszulesen. Unter anderem die Darstellung eines Moleküls. Eventuell vom Inhalt... der Behälter ist noch verschlossen, aber die Wissenschaftlerin sieht sich die Darstellung gerade an."

Nach einem weiteren Schluck fühlte sich der El-Aurianer besser und konnte klarer denken. Als ihm auffiehl, daß er immer noch beide Gläser in Händen hatte, bewegte er sich wieder auf die dunkelhaarige Frau zu.

"Der Behälter ist mit einem Code gesichert, aber ich konnte trotzdem auslesen, daß der Besitzer auf der Profitbrunnen einen Kontakt namens 'Quacksalber' treffen sollte. Die Tatsache daß die Bezeichnung auf mehrere neue Crewmitglieder zutrifft macht mir etwas Sorgen.", erzählte er weiter, drückte Zesiro das Glas in die Hand.

Es wäre auch für Leute, die sie nicht kannten, leicht aus ihrem Gesicht zu lesen gewesen, dass ihr das eben Gesagte ganz und gar nicht gefiehl, obwohl sie auf den ersten Blick eher den Inhalt des Glases betrachtete. "Ich habe das Rezept perfektioniert und ihm den Namen 'Dschingtonnigg' gegeben. In Standard heißt das 'Intergalaktischer frommer Gurgler'."

Obwohl sich Zorg sicher war, daß die Captain das Getränk zu schätzen wusste, konnte er ihr doch den schlimmsten Punkt nicht vorenthalten: "Das Schlimmste aber ist, dass es beim ersten Versuch, den Behälter zu öffnen, eine Explosion gegeben hat. Eine Kleine nur, aber im Maschinenraum. Stell dir das mal vor! Wer auch immer das gemacht hat, versucht, das Schiff kaputtzumachen!"

Etwas hektisch fuhr sich der Ingenieur mit der Hand über den Kopf und seine Augen verengten sich, als er über diesen Punkt weiter nachdachte: "Wer auch immer das war... wenn er nicht schon tot ist, wird er langsam und schmerzvoll sterben, wenn ich ihn habe. Die restlichen Sprengsätze kann ich lokalisieren und werde nachher anfangen, sie zu entfernen." Den letzten Punkt fügte er fast gleichgültig hinzu, drehte sich wieder um und ließ seine Augen durch den Raum wandern, ohne ein festes Ziel.

--- Brücke

Classic saß bereits seit geraumer Zeit mit geschlossenen Augen auf dem Pilotensessel. Silvanas Aufgabenstellung war vage, gewissermaßen die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Nun, darüber war er sich im klaren, war er vermutlich der einzige, der diese Nadel in kurzer Zeit zu finden vermochte.

Sein Geist glitt durch die Datenmatrix des Computerkerns. Persönliche Bereiche waren ihm auch hier versperrt. Zumindest, soweit es die jetzige Besatzung betraf. Ohne explizite Genehmigung von Silva oder Zesiro konnte er dies nicht.

Seit er auf der Yingpei war, war er darüber noch nicht einmal unglücklich. Auf seinen früheren Schiffen hatte er uneingeschränkten Zugriff, teils freiwillig, teils hatte er ihn sich einfach genommen. So aber konnte er zum ersten Mal das wirkliche Vertrauen der Crew erlangen. Etwas, was für ihn heute von unschätzbarem Wert war.

Unmengen von Daten rotierten vor ihm, während er nach Anomalien in den Protokollen suchte. Es dauerte einige Zeit, aber dann wurde er fündig, gleich zwei mal. Überrascht blickte er auf die Daten, die da aus dem Gitter hervorgehoben wurden. Er blinzelte kurz, dann war er wieder in der realen Welt.

"Classic an Silvana, ich habe hier etwas gefunden. Kannst Du bei nächster Gelegenheit kurz auf die Brücke kommen, allein?"

--- Krankenstation

"Ich bin so allein, wie ich es nur sein kann." Diesmal war es an ihr resigniert zu seufzen. "Ich bin auf dem Weg zu dir, Classic. Silvana Ende." Damit unterbrach sie die Verbindung und schwang ihre Beine vom Bett.

Es war ein Fehler gewesen zu versuchen an der Vergangenheit anzusetzen. Jack und sie waren sich fremd geworden.

--- Deck 3, Gänge

Den Lift ließ Jack links liegen. Statt dessen nutzte er den Treppenaufstieg um auf Deck zwei zu kommen.

--- Deck 2

Die kurze Überlegung, in sein Quartier zu gehen, widerstand der Psychologe und öffnete die Tür seines Büros.

--- Brücke

Irritiert blickte Classic auf das blinkende Symbol, welches die beendete Kom-Verbindung signalisierte. Derartige Anwandlungen seitens Silvana waren ihm bisher noch nicht untergekommen. Er machte sich eine gedankliche Notiz, Silvana bei nächster Gelegenheit mal wieder zu einem Drink einzuladen.

Er wandte sich zu Sam: "Laß uns bitte einen Augenblick allein. Ich werde Dir bescheid sagen, wenn ich Dich hier wieder brauche." Sam nickte kurz und verließ die Brücke, es war durchaus nicht das erste Mal, dass er von der Brücke verbannt wurde. Schließlich war die Yingpei nicht gerade mit Konferenzräumen übersäht.

--- Deck 2, Büro des Psychologen

Ein muffiger Geruch schlug ihm entgegen. Collins drehte sich kurz und überflog die Einrichtung. Zwei Sofa, ein Sessel und eine Replikatorkonsole. Halt ein klingonisches Schiff. Aber wenigstens war eine Replikatorkonsole vorhanden.

Jack replizierte sich einen starken Kaffee und fing an, in den Datenbanken des Schiffes herumzuschnüffeln.

--- Kwhiros Quartier

Zesiros Augen verengten sich. "Großartig", sagte sie trocken. "Ganz großartig."

Innerlich rekapitulierte sie. Die ganze Angelegenheit ließ die Ägypterin sauer aufstoßen. Eine Bombe auf *ihrem* Schiff. Eine Explosion in *ihrem* Maschinenraum. Ein Verräter in *ihrer* Crew. Und das wirklich Schlimme daran war, dass sich das alles wochen- oder monatelang unter ihrer Nase abgespielt hatte. Das war bitter. Das es passiert war, und dass sie es nicht bemerkt hatte.

Zesiro zwang sich, sich wieder auf das Thema zu konzentrieren. "Was kannst du mir noch sagen? Sind die Sprengsätze selbst gebaut oder professionell? Standarddesign oder kreativ zusammengebaut?" Das einzige, was schlimmer wäre als Sabotage, war professionelle Sabotage. "Bei Allah, was für ein Scheißtag."

Mit einer Grimasse hob sie das Glas, prostete Kwhiro zu und kippte den Gurgler runter.

Sterne explodierten vor ihren Augen.

Einen Augenblick lang war die Welt schön. Und so bunt!

Zesiro schwankte auf ihrem Stuhl. Mit glasigen Augen starrte sie ins Leere, und man konnte förmlich dabei zusehen, wie unterschiedliche Nervenbahnen in ihrem Gehirn abgetötet wurden, nur um sich neu zusammenzusetzen.

Dann kehrte langsam Leben zurück in ihr Gesicht. Sie schüttelte den Kopf, um ihn zu klären, und hielt Kwhiro das Glas hin.

"Junge, war das gut!", sagte sie heiser. "Mehr davon."

Erfreut nahm Kwhiro das Glas, und stellte es zusammen mit seinem inzwischen ebenfalls leeren Trinkgefäß, in den Replikator. Den Ersatz teilte er wieder auf. Als er gerade anfangen wollte, Zesiro von der wochenlangen Arbeit zu erzählen, die es gemacht hatte, das so aus dem Replikator rauszukitzeln, besann er sich darauf, dass es im Moment Wichtigeres gab.

Nach ein paar neuen Sternen setzte der Ingenieur seinen Bericht fort: "Die Sprengsätze sind klein und nicht sehr professionell. Nichts, wofür ich länger als  fünf Minuten brauchen würde... kaufen kann man sowas höchstens auf dem Schwarzmarkt. Definitiv ein Eigenbau." Dass darin Trilithium verbaut worden war, behielt er erstmal für sich. Nicht, dass Zesiro noch auf die Idee kam, das Zeug einzukassieren und zu verkaufen.

"Der letzte Punkt wird dir auch nicht gefallen. In den Informationen fand ich die Warpsignatur der Yingpei. Damit ist das Schiff schon von weitem für jeden eindeutig zu orten. Das halte ich für gefährlich." Zesiros Ausdruck, der sich aus den Symptomen des Gurglers herauskristallisierte, schien ihm Recht zu geben.

Ohne auf eine Erwiderung zu warten fuhr Zorg fort: "Die Signatur ist aktuell, also wenn ich richtig rechne, seit den letzten Modifikationen höchstens 3 Wochen alt. Wenn ich sie ändere wird sie keinem mehr nützlich sein... aber wenn wir sie beibehalten, werden wir sicher bald rausfinden, wer daran Interesse zeigt... vielleicht... lass mich mal überlegen... ich könnte den Antrieb so modifizieren, dass ich das umschalten könnte. Das wäre eh nicht verbotener als sowieso schon."

Da beide Gläser schon wieder leer waren, replizierte Kwhiro noch zwei weitere, setzte sich zu Zesiro und gab ihr eines. "Ich werde das Rezept in den Schiffscomputer eingeben und mit einer Sperre versehen. Die Gefahr ist zu groß dass jemand auf die Idee kommt, Eis reinzutun. Die Auswirkungen können sehr seltsam sein. Zumindest bei El-Aurianern sind sie das."

Besorgt sah der Ingenieur seiner Captain in die Augen. Sie wirkte müde und überarbeitet. Das gefiel ihm nicht, denn er mochte die dunkelhaarige Frau, die keine dummen Fragen stellte und ihmn an Bord viele Freiheiten ließ. Von den unterhaltsamen Anlässen in der Messe, an denen er sogar Silvana schätzen gelernt hatte, ganz zu schweigen.

"Hey, sobald ich die Sprengsätze habe und die Warpsignatur geändert habe, droht uns keine akute Gefahr mehr. Jedenfalls nicht mehr als sonst auch. Du solltest dich mal entspannen. Wenigstens für nen Tag oder so."

Zesiro kommentierte den Kommentar nur mit einem langen - und resignierten - Blick. "Scherzkeks", murmelte sie. Entspannen. Sie hatte so eine Ahnung, dass sie nicht einmal schlafen würde, bis sie ihre Antworten hatte. Im Gegenteil, mit dem Gurgler im Blut und den schlechten Nachrichten im Ohr war sie so nervös und sauer und energiegeladen, als sei Martinez von den Toten auferstanden und hätte ihr ein Hummelnest hinten rein geschoben.

Diesmal vorgewarnt, trank sie den zweiten Gurgler in kleinen Schlücken und dachte nach, während die Welt um sie herum angenehm schwankte. Eins musste man Zorg lassen; er wusste, wie man in einvernehmlichem Schweigen trank.

Der Mann hatte recht. Es wäre vernünftig, die Signatur zu ändern und die Gefahr zu minimieren, von den Klingonen gefunden zu werden. Sie wusste nicht, was diese Leute von ihr wollten oder ob sie es auf die Yingpei, sie selbst oder jemanden aus ihrer Crew abgesehen hatten, aber wenn Sprengsätze im Spiel waren, dann wollten sie vermutlich kein Kaffeekränzchen abhalten.

Aber wenn sie das machten, dann fanden sie all das vielleicht nie heraus. Sie fanden nicht heraus, ob Martinez und seine Freundin allein gearbeitet hatten. Ob es noch jemanden an Bord gab, der sie - sie! - verraten hatte. Zesiro glaubte ehrlich nicht, dass Hawkeye viel von Kogh erfahren würde, auch wenn es den Versuch natürlich wert war, oder dass Jack noch etwas in Martinez' Quartier finden würde.

Und sie musste zugeben, dass die Vorstellung, im Dunkeln zu bleiben, sie praktisch innerlich zerfraß.

"Wie ist der Status der Tarnvorrichtung?", fragte sie langsam, aber im Prinzip war der Entschluss schon gefasst. Classic bekam sowieso zu selten Gelegenheit, zu beweisen, was für ein verdammt guter Pilot er war.

Zorg schaute sein Glas an. Die Tarnvorrichtung war sein "wunder Punkt". Er hatte jedes einzelne wichtige Aggregat auf diesem Schiff in Schuss gebracht und die meisten davon in irgendeiner Art und Weise verbessert... bis auf die verfluchte Tarnung. Die wollte nicht dauerhaft funktionieren, obwohl theoretisch alles in Ordnung war. Er hatte sogar Baupläne studiert.

"Unverändert, Captain.", war daher auch seine Antwort. Das innere Nagen betäubte er kurzfristig mit einem weiteren Schluck des Gurglers. Zesiros Augen sahen so ähnlich aus, wie sich sein Kopf inzwischen anfühlte. Es reichte, was den Gurgler anging, wenn sie beide in absehbarer Zeit noch etwas konstruktives tun wollten. Gegen normalen Alkohol sprach aber nichts.

"Was tun wir nun? Ein romulanisches Ale zum Verdünnen und dann die Warpsignatur ändern?"

"Nein.", erwiderte Zesiro nach kurzem Nachdenken. Abrupt fasste sie den Entschluss. Sie würde herausfinden, wer sie verfolgte, und so schnell wie möglich so viel von dem Problem zu lösen, wie sie konnte.

Sie stand auf. Und schwankte. Es dauerte einen Moment, bis sie wieder annähernd gerade stehen konnte. Glücklicherweise konnte sie noch klar genug denken, dass sie sich keine Sorgen über ihr Urteilsvermögen machte.

Glaubte sie.

"Wir behalten die alte Signatur", fuhr sie erklärend fort. "Ich will wissen, wer uns verfolgt. Kümmer du dich darum, dass du die Signatur kurzfristig ändern kannst, falls wir müssen. Und dass die verdammte Tarnvorrichtung eine Weile lang funktioniert, wenn wir sie brauchen. Ich..." Sie schwankte wieder ein wenig. "Ich gehe auf die Brücke. Ich muss mich mit meinem Piloten unterhalten."

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