Yingpei - Chronik 2

Variationen zu Gagh

--- Profitbrunnen, Bar Gint, Theke

Neugierig hatte Silvana die Situation mit allen ihren Sinnen verfolgt und war ein wenig enttäuscht, weil die Klingonen und Mocks Handlanger einfach so abgezogen waren, ohne Ärger zu machen. Es schien nicht weit her zu sein mit der so viel zitierten Ehre der Klingonen, wenn diese jetzt auch noch damit begannen, Fristen einzuräumen.

Die Aussicht auf späten Ärger tröstete sie nicht sonderlich, da Zesiro wahrscheinlich möglichst schnell ablegen würde. Andererseits hatte sich ihr Problem mit dem Psychologen gerade von selbst erledigt, auch wenn Jack noch nichts davon wußte. Es ging eben doch nichts über einen Barbesuch. Narbo hatte ihr wieder mal Glück gebracht.

Süffisant grinsend bei dem Gedanken, wie der Ferengi es gehasst hätte, ihr Glücksbringer zu sein, folgte sie Jacks Beispiel und ließ sich ihr inzwischen leer gewordenes Glas abermals auffüllen. Mit einem "Auf dein Wohl Jack!", kippte sie das Getränk in ihre Kehle und nahm die flüssige Lava in sich auf, die sich unaufhaltsam ihren Weg durch die Speiseröhre bahnte, um in ihrem Magen schließlich eine kleine Explosion zu veranstalten. Ob daher der Name "grünes Inferno" stammte, den sie bei einem flüchtigen Blick auf die Flasche gesehen hatte?

"Ich wußte ja gar nicht, daß du so gut lügen kannst, ohne mit der Wimper zu zucken, Jack. Bringt wohl der Job so mit sich." Diesmal war ihr Grinsen warm, als sie ihn ansah und sich ihrer gemeinsamen Vergangenheit erinnerte. "Wenn ich dein kleines Geheimnis nicht kennen würde, hätte ich dir deine Unschuld fast abgenommen."

Sie bedachte den Barmann, der sich ihnen inzwischen neugierig die Theke wischend genähert hatte und dessen Geruch ihre Nase beleidigte, mit einem funkelnden Blick, der ihn ans andere Ende der Bar scheuchte. Dort schien er tatsächlich in einer Schublade nach etwas zu kramen, das wie ein rosa Band aussah. Wenn es das war, wofür sie es hielt, würde Zesiro sich sicher freuen...

"Du scheinst deine Arbeit auf interessante Weise mit dem Job eines Auftragsmörders kombiniert zu haben, nach dem, was ich vorhin so mitbekommen habe. Machst den Kerl mit irgendwelchen Bildern seiner Schande fertig, während du ihn mit deiner Kraft einer höheren Gerechtigkeit zuführst und seine trauernden Hinterbliebenen auch noch der Schande preisgibst. Irgendwie scheine ich wohl einen sehr interessanten Teil deiner Entwicklung versäumt zu haben." Nun wirkte sie durch und durch amüsiert und das ernste Gespräch zuvor war vergessen.

"Pokerst du immer so hoch, Jack? Du hattest Glück, daß Mocks Leute dabei waren, und die Klingonen nicht tun konnten, was sie normalerweise tun. Allein das Padd hätte dein Todesurteil bedeutet. Ein Rat unter guten Freunden: Gewöhne dir bloß schnell ab, dich vor deiner Tat zu rechtfertigen, und danach solltest du auch nicht unbedingt deine Zelte in der nächsten Bar aufschlagen, um zu feiern. Selbst Klingonen kann man etwas Grips nicht absprechen."

Silvana konnte sich nicht des Eindrucks erwehren, dass er neu in diesem Metier war. Mit seiner Fähigkeit wäre er der perfekte Killer, dem wohl nur seine humane Ader im Weg stand. Das konnte auf Dauer nicht gut gehen.

"Ich hatte schon fast vergessen, dass dein Körper den Alkohol ignoriert.", grinste Jack, um dann gleich wieder ernster fort zu fahren. "Nein, Auftragskiller wäre wohl ein bisschen übertrieben. Das hier war eine persönliche Sache." Er nahm einen Schluck und verzog das Gesicht.

"Ich habe zuletzt für einen Archäologen gearbeitet, nachdem ich wieder in diese Welt zurück gekommen war. Irgendwo auf einem öden Planeten, weit weg von den Schiffsrouten. Man nahm mich dort gut auf, ich gehörte schon zur Familie." Collins lachte rauh. "Ich habe mich richtig wohl gefühlt dort.

Dann kamen diese ehrenwerten Ausgeburten, und es war fast so wie an dem Tag, an dem ich meine Familie an die Borg verlor. Dieses Universum bringt mir in dieser Beziehung einfach kein Glück!"

Der Terraner nahm einen weiteren Schluck. "Diesmal war ich nicht dabei. Sie wollten ein wenig Spaß und die gesamte Ausrüstung, sie haben beides bekommen. Ich habe mir dann die Zeit genommen, mich bei diesem Gesindel zu bedanken. Kann sein, das ich ein wenig zu weit gegangen bin, aber es hat mir ein wenig von meiner Wut genommen.

Aber du hast Recht, wären wir nicht hier auf dieser Station, wo man sich auch an gewisse Regeln halten sollte, wäre ich wohl schon tot." Der blonde Mann sah in Silvanas Gesicht. "Ich hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass die Typen gleich hier aufkreuzen und dann auch noch Daddy persönlich."

Der Alkohol in Collins Blut tat langsam seine beruhigende Wirkung. "Mein kleines Geheimnis war mir in der Tat ganz nützlich, aber das sind Dinge, die man besser für sich behält." Er lächelte sie an. "Und du? Was treibst du eigentlich jetzt so?"

Daß Jack Rache genommen hatte, ohne sich dabei Sorgen um die anschließenden Konsequenzen und sein leibliches Wohl zu machen, passte eher zu dem Bild, das sie sich irgendwann von dem Psychologen gemacht hatte. Anscheinend hatte er sich doch nicht so sehr verändert, wie sie zuerst angenommen hatte. Auch wenn sie es als eine gute Art Ausgleichssport zum diplomatischen Psychologendasein betrachtete, manchen Leuten zu helfen, indem man das Universum von ihrer Anwesenheit befreite.

"Wie es scheint, hält es uns beide wohl nicht lange an einem Ort.", meinte sie nachdenklich. "Nachdem ich keine Spur von der Privateer entdecken konnte, bin ich wohl in mein altes Leben verfallen. Eine Menge Spaß zu haben und Geld dafür einzustecken." Sie ließ ihre Fingerknöchel knacken, was auch ohne viel Worte zeigte, was sie unter Spaß verstand. "Es finden sich immer ein paar Trottel, die gegen mich wetten. Leider spricht sich jemand wie ich schnell in der Szene herum. Meist weiß einer Bescheid und verdirbt mir das Geschäft.

Und als wäre das nicht genug, waren auch bald die degenerierten Idioten der Föderation hinter mir her. Was ich eigentlich gewöhnt bin", sie grinste, beim Gedanken an die Liste ihrer Verstösse, "aber diesmal scheint der Befehl von höherer Stelle zu kommen, was bedeutet, dass ich sie ständig an den Hacken kleben hatte. Dafür traf ich aber jemanden, mit dem man die Haare vom Arsch eines Klingonen stehlen kann. Zesiro Xa-Le."

Für einen Moment schweiften Silvanas Gedanken zu jenem Tag zurück, an dem sie die Ägypterin das erste Mal in Aktion erlebt hatte. Für einen Menschen war sie erstaunlich gewesen. In ihren Bewegungen, ihrer Reaktionsschnelligkeit und ihrer Skrupellosigkeit. Sie hatte wie eine Tötungsmaschine reagiert, deren Programmierung einzig und allein das Überleben war. Und sie hatte ihre Arbeit verdammt gut gemacht.

Das Klirren der Flaschen, die der Barmann samt Kiste und schlampig gebundener rosa Masche auf den Tisch stellte, holte die Katzenfrau in die Gegenwart zurück, und sie wurde sich bewusst, dass der blonde Hüne an ihrer Seite wohl noch immer auf eine Erklärung wartete. "Um es kurz zu machen, ich arbeite als ihre rechte Hand auf ihrem neuen Kahn. Einem Bird of Prey. Schnuckeliges kleines Teil. Würde dir gefallen. Was sage ich... es wird dir gefallen." Sie stockte für einen Moment und ließ ihre letzten Worte auf Collins einwirken.

"Da wir uns auf die gleiche Art und Weise zu bedanken pflegen, und dir das Pflaster hier offensichtlich zu heiß geworden ist... was hältst du davon mit mir zu gehen? Zesiro sucht noch einen Psychologen für die Yingpei. Eigentlich hatte ich gar nicht damit gerechnet, gerade hier einen zu finden und hab es für eine verrückte Idee gehalten. Aber das Glück war mir wohl hold - vielleicht sollte ich dir etwas von meinem abgeben..."

Eigentlich hatte sie ihm böse sein wollen, weil es sie wegen ihm auf Schleimus 1 verschlagen hatte, und er es nicht für nötig gefunden hatte, zu erklären, wohin zum Teufel er sich bei der Portalspielerei wortlos verpisst hatte, doch nun als sie ihm gegenüber saß, wurde ein ganz anderes Gefühl wach. Erinnerung und ein wenig mehr.

Noch bevor er reagieren konnte, hatte sie seinen Kopf im Nacken gepackt und zu sich herangezogen. Seine Lippen fühlten sich fest und warm an. Mit einem wohligen Knurren vertiefte sie ihren Kuss, bevor sie Jack kurz darauf wieder freigab und ihn mit gelb funkelnden Augen musterte:

"Willkommen an Bord."

--- Profitbrunnen, Gänge

Hätte jemand das Gesicht des El-Aurianers genauer betrachtet, hätte er vermuten können, dass es sich um das eines Gestaltwandlers handelte, denn seine Gesichtszüge änderten sich in der gleichen Geschwindigkeit; wie seine Stimmung. Einerseits wunderte Kwhiro sich, dass seine Drohung bei dem Händler Wirkung gezeigt hatte, andererseits freute er sich, weil es ihn etwas Anstrengung gekostet hatte, grimmig dabei dreinzuschauen. Einerseits war er sauer, weil er den Roboter hinTer sich her ziehen musste, andererseits war er wirklich richtig sauer, weil die Transportplattform eine Metallplatte mit Rädern war.

Innerlich fluchend zerrte Kwhiro die Mülltonne - und er nahm sich fest vor, ausnahmslos diesen Ausdruck für den Schrotthaufen zu benutzen - hinter sich her und versuchte, sich damit bei Laune zu halten, sich auszudenken, wie er mit Hilfe einiger Schläge des Impulsschlüssels das Sprachmodul des Androiden anpassen könnte. Wenn Jacques' Rezeptdatenbank allerdings ebenso defekt sein sollte, wie das Sprachmodul, würde auch noch einiges an Arbeit auf Classic zukommen. Aber der hatte das nicht besser verdient... nach so einem Handel. Grummelnd verdrehte Kwhiro die Augen, als er wieder den seltsamen Singsang hinter sich hörte.

"'eda, Bursch!", wandte sich Jacques an den Lastenträger, der ein defektes Gerät hinter sich herzog.

"Ge'örst Du auch zum Personal? In diesem Fallö sollten wir zusammen'alten, auch wenn isch als Maître de cuisine natürlisch im Rang 'ö'erste'e, als eine normale Lastenträgör.

Mais, mon dieu, das ist mir nischt wichtisch.

Wir sollten uns als Union betrachtön.

Wie 'eißt Du eigentlisch?

Und nach einer kurzen Bedenkpause: "Ich freue misch, auf eine Seppelin anzu'euern!"

Classic hatte davon gesprochen, dass er "Pilot" auf der Yingpei sei. Das konnte nur bedeuten, dass die Yingpei ein Zeppelin war.

Auf einer Luxuskabine unter beengten Bedingungen hâute cuisine zuzubereiten, auf Reisen in die Ferne - Jaques begann, Freude an seiner neuen Aufgabe zu finden.

Und sicher würde er auch noch herausfinden, wo er hier eigentlich war. Immer diese Filmrisse. Das konnte einen Mann in den Wahnsinn treiben.

Kwhiro tat einen tiefen Luftzug. Jetzt versuchte der Roboter auch noch, mit ihm Freundschaft zu schließen. "Ich bin Kwhiro. Der Ingenieur auf der Yingpei.", raunzte er knapp, nachdem er eigentlich nur den letzten Satz der Maschine verstanden hatte, davor nur bruchstückhaft einige Worte. "Speichere einen Termin zur Wartung deines Sprachinterface. Morgen, 19 Uhr Bordzeit. Dann bringen wir das Problem mit dem Sprachmodul in Ordnung", wies der El-Aurianer Jacques an und drehte sich um, er wollte endlich wieder auf das Schiff.

Es würde sicher interessant sein, was sich seine Sklavin wegen seiner Anweisung, sich Schuhe zu besorgen, hatte einfallen lassen. Es war einfach unfassbar, wie viel Dreck das sogenannte Instandhaltungsteam übersehen konnte. Wahrscheinlich waren sie sehr stolz auf ihre Leistungen. Wenigstens ließen sie die Maschinenräume in Ruhe, seitdem der eine oder andere sich an irgendwelchen stromführenden Leitungen oder lockeren Deckplatten verletzt hatte. Seitdem die Putzcrew Kwhiros Reich mied, gab es dort auch keine solchen Fallen mehr... meistens.

--- Gänge

"Auf zur Krankenstation.", sagte Zesiro mit einem Nicken ins Schiffinnere und wies Hawkeye an, ihr zu folgen. "Ich bin Captain Xa-Le. Ich bin für die Leute hier 'Captain' und 'du'. Das Schiff heißt Yingpei". Sie klopfte liebevoll gegen eine Wand. Sie klapperte zur Antwort hohl.

"Silvana kennst du schon. Sie hat das Kommando über unser Public Relations Personal." Sie grinste und wies hinter sich Richtung Tom und Kogh. "Besatzungsstärke 25 Mann, Heuer hängt ab vom Gewinn, und dein Job ist dafür zu sorgen, dass niemand versehentlich stirbt. Erfahrungen mit Schusswunden sind hilfreich. So weit Fragen?"

'Erfahrung mit Schusswunden...', Hawkeye hätte fast aufgelacht. Der Chirurg hatte mehr Leiber aufgeschnitten als jeder Metzger. "Das klingt fair", antwortete er ruhig und meinte es auch so. Im Vergleich zu anderen Heuern war es wirklich ein gutes Angebot.

Das Schiff an sich gefiel ihm. Es sorgte zumindest dafür, dass man immer aufmerksam blieb. Um so viele Kanten in das Design zu schleifen, musste man schon ein Künstler sein. Oder ein Klingone, dem Komfort ein Fremdwort war.

Also ein x-beliebiger Klingone.

"Dein Schiff ist hübsch... es hat Geschichte, das gefällt mir. Wenn ich aber dafür sorgen soll, dass alle halbwegs überleben, muss ich jeden einmal untersuchen. Es nützt nichts, wenn ich den Patienten zum ersten Mal sehe und erst danach rausfinde, auf was für Zeug er ist.

Ich muss dazu sagen, dass es mir persönlich egal ist, was die Leute schlucken, solange sie mir nicht damit auf die Nerven gehen, und sie ihren Job tun. Ich will schließlich irgendwo lebend ankommen...

Außerdem gebe ich auf Aufzeichnungen anderer Ärzte nichts. Entweder haben sie weniger drauf als ich, dann muss ich vernünftige Diagnosen stellen. Oder sie haben mehr drauf als ich, dann sagen mir deren Akten eh nichts."

So viel auf einmal zu sagen, war Ben gar nicht mehr gewohnt. In den letzten Tagen auf dem Profitbrunnen bestand seine Kommunikation hauptsächlich aus "Hau ab" und "Verpiss dich". In beliebiger Reihenfolge und Häufigkeit. Der Arzt seufzte auf.

"Versteh mich nicht falsch, wenn du das nicht willst, mir auch recht. Aber dann will ich keine Beschwerden, wenn was schief läuft..."

--- Turbolift

Mit einem Seitenblick ließ Zesiro Hawkeye vor ihr in den Turbolift treten. "Herrje, Doc!" Sie schüttelte amüsiert den Kopf. "Wir sind hier nicht alle auf Drogen und feiern den ganzen Tag Orgien. Versuch du mal einen Kopfschuss auf hundert Meter, wenn du besoffen bist. Das kann hier nur Silvana. Und vielleicht Juna." Sie runzelte die Stirn und versuchte sich daran zu erinnern, ob sie Juna je als Scharfschützen eingesetzt hatte. Sie konnte sich nicht erinnern, keine Ahnung, ob die Orionierin das konnte. Sie grinste. "Freu dich auf Juna."

Zufrieden nahm sie am Rande wahr, dass der Turbolift keine Geräusche von sich gab, die er nicht von sich geben sollte. Ausnahmsweise mal ein Teil des Systems, der nahtlos funktionierte, wie er sollte. Klingonische Technologie war eben robust.

"Sieh sie dir von mir aus ruhig alle an", fuhr sie fort. "Solange ich sie gerade nicht für irgendwas Wichtigeres brauche, zumindest. Wenn du sagst, dass es nötig ist, von mir aus."

--- Deck 5, Gänge

"Genau genommen", fuhr sie fort, als sie den Turbolift verließen, und warf einen Blick Richtung Labor, von wo sie allerdings keine Geräusche hörte. "will ich, dass du mit jemand Bestimmtem anfängst. Gianna Alessi. Ist neu an Bord. Hinkt ein bisschen. Sie sagt, das lässt sich nicht behandeln, aber so was will ich vom Arzt hören, nicht vom Patienten."

Im Vorbeigehen nickte sie einem Mitglied der Ladecrew zu. Sah so aus, als ob die Leute langsam vom Landgang zurückkämen.

--- Krankenstation

Bevor Hawkeye antworten konnte, winkte sie ihn durch die nächste Tür und kam in der kleinen Krankenstation zum Stehen, einer wilden Mischung klingonischen Designs mit Sternenflottenausstattung und den außerirdischen Geräten, mit der die letzte Ärztin rumgespielt hatte. Vor ihr hatte das Schiff anderen Nichtklingonen gehört, die ihr Zeug mitgebracht hatten. Sie hatte die Forderungen nach Einzelteilen ihrer wechselnden Mediziner erfüllt, wenn sie ihr logisch erschienen, und insgesamt sah der Raum aus, wie ein orthopädisch sinnvoll angeordnetes Ersatzteillager mit zwei Biobetten in der Mitte. Sie hatte alle möglichen Reaktionen auf die Krankenstation erlebt, inklusive enthusiastischer Neugierde und entsetzter Schreie.

"Et voilà!", sagte sie mit einer umfassenden Geste. "Deine Krankenstation."

--- Profitbrunnen, Bar Gint, Theke

"Wow!", sagte Collins noch ein wenig benommen von Silvanas Wildheit und ihrem Geruch. Es war schon lange her, dass er eine Frau gehabt hatte, und er hatte diesen Kuss sichtlich genossen. Er fragte sich, was passiert wäre, wenn sie alleine gewesen wären. "Ich hatte schon fast vergessen wie es sich anfühlt.", sagte er leise. "Ich könnte mich dran gewöhnen!"

Jack ließ einen 'telekinetischen Finger' von Silvanas Nacken aus an ihrem Rücken hinunter gleiten. "Immer noch das böse Mädchen!", fuhr er dann kopfschüttelnd und mit einem Grinsen fort. "Yingpei heißt das Schiff also. Hm. . . Zesiro Xa-Le sagt mir gar nichts."

Jack war hin und her gerissen. Aber hatte er denn eine Wahl? Wohl kaum! In ein paar Stunden würden diese Klingonen ihn jagen, und wie das ausgehen würde, stand in den Sternen. Die Aussicht auf einen Job und die Zusammenarbeit mit Silvana wirkten da deutlich attraktiver.

"Psychologe also wieder.", sagte der blonde Terraner. "Na ja, durch dich habe ich ja ein paar Referenzen. Ok, ich mach es! Wann wollt ihr abfliegen? Ich hoffe innerhalb der nächsten fünf Stunden!" Er grinste breit.

Silvana hatte Jack die ganze Zeit über hungrig und zugleich unverhohlen neugierig gemustert. Sie nahm ihm nicht ab, daß er die Stunden mit ihr fast vergessen hatte. Das schaffte niemand, der nicht so umnachtet war, dass er Schwester Entenburg für seine Verflossene hielt.

Schon beim Kuss war ihr klar gewesen, dass er gar nicht anders konnte, als ihr Angebot anzunehmen. Seine Reaktion war eindeutig. Als er sich auch noch an ihrem Nacken entlang an ihrem Rücken zu schaffen machte, fragte sie sich, was sich sonst noch Kreatives mit seiner Kraft anstellen ließ. Dabei dachte sie aber weniger an den perfekten Mord, als an ihre eigene Lust. Mit diesem kleinen Trick im Ärmel nahmen sogar langweilige Missionsbesprechungen neue Dimensionen an.

"Jack", fast schnurrend stieß sie das Wort aus, "ich bin nicht das böse Mädchen, sondern das sehr, sehr böse Mädchen. Vergiß das nie." Sie grinste und ließ ihre Hand langsam über seinen muskulösen Oberschenkel wandern, um zu verdeutlichen, dass dieser Titel mehr als Mord, Totschlag und Quälerei beeinhaltete. "Wenn du dieses fliegende Kaff innerhalb der nächsten fünf Stunden hinter dir lassen willst, dann wird es so sein. Sag mir einfach Bescheid."

Zesiro würde ohnehin bereits mit Sehnsucht auf sie warten. Mit ihrer beider Vergehensliste war man entweder gezwungen, nicht lange an einem Ort zu verweilen, oder sie entsprechend zu verlängern.

--- Deck 4, Quartier 17

Das Quartier der Ärztin hatte offensichtlich schon ein paar Besucher gehabt. Schubladen und Staufächer standen offen, und überall lagen Sachen verstreut herum, als Juna eintrat. Langsam ließ sie ihren Blick über das Chaos schweifen. Vielleicht fand sich ja doch noch etwas Brauchbares. Ihre grünen Hände stöberten in einigen Fächern in nähe der Tür. Irgendwo musste die Ärztin doch auch Schuhe haben.

Eigentlich hasste die Orionerin den Gedanken, ihre Füße mit Schuhen einzuschränken. Sie war es gewohnt, barfuß zu gehen, mit den Fußsohlen die Bodenbeschaffenheit genau zu kennen. Aber zurzeit war die Bodenbeschaffenheit an Bord hauptsächlich klebrig und widerlich.

Zwischen ein paar Umhängetaschen, bei denen sich Juna über die Größe wunderte - es passte zum Teil nicht mal ein Blaster hinein - wurde sie fündig. Zig verschiedene Schuhe lagen wild durcheinander in einem Fach. Nachdenklich drehte sie einen davon in den Fingern. Er hatte einen langen Spieß am Fersenende. Juna fragte sich, wozu das gut war. Vielleicht, um bei Fußstößen die Wirkung zu verstärken. Andererseits glaubte sie nicht, dass man sich damit gut fortbewegen konnte. Sie warf den Schuh hinter sich und betrachtete das nächste Exemplar. Schon besser, die Sohle war flach und sehr dünn. Probeweise schlüpfte sie hinein. Das Gefühl der eingeschränkten Zehen war befremdlich, aber sie konnte die Beschaffenheit des Bodens damit noch gut fühlen.

Auf der Suche nach dem zweiten Teil des Paares stieß Juna auch auf Stiefel. Silvana trug auch solches Schuhwerk. Juna hatte bemerkt, dass die raubtierhafte Frau darin auch Waffen aufbewahrte. Und an Waffenverstecken mangelte es in der "Kleidung" der Sklavin.

Nachdem sich die Orionerin nun auch die verstreuten Kleiderhaufen bei ihrer Suche vornahm, stieß sie schließlich auf den zweiten flachen Schuh. Noch etwas umständlich streifte sich Juna die beiden Schuhe über die Füße. Sie ging ein paar Schritte, tänzelte ein wenig, wippte von vorne nach hinten, sprang zur Seite, trat gegen eine Wand... Das anschmiegsame Material der Schuhe schränkte sie zum Glück doch nicht so sehr ein, wie sie zunächst befürchtet hatte. Dennoch war es ein befremdliches Gefühl, ihre Füße von diesen Fremdkörpern umschlossen zu spüren.

Juna ließ ein letztes Mal einen Blick über die im Quartier verteilten Habseligkeiten der gefeuerten Ärztin streifen, nahm schließlich noch das Paar Stiefel mit und trat hinaus in den Gang.

--- Deck 4, Gänge

Zunächst noch etwas steif, aber schnell mit fast gewohnt geschmeidigen Bewegungen ging die grünhäutige Frau zum Lift. Mit einem schweren, metallischen Geräusch bewegten sich die Türen. "Deck zwei!" Rumpelnd setzte sich die Kabine auf ihrem Weg nach oben in Bewegung. Auf Deck 2 angekommen, ging die Orionerin direkt auf ihr Quartier zu.

--- Profitbrunnen, Gänge

Mit einem zufriedenen Lächeln schritt der Mann im schwarzen Trench durch die Gänge des Warbirds in Richtung Docks. Es war immer wieder ein Genuss, Kijouh zusammen mit Kwhiro in die Ecke zu treiben. Der Ferengi würde nie über die Grenzen seines Schrotthandels hinaus kommen, dazu war er viel zu weich. Das Latinum deckte vermutlich gerade so seinen Aufwand, billiger hätte er an die beiden Maschinen nicht kommen können.

Sie würden diese Maschinen gründlich durchchecken müssen, insbesondere die Software des Androiden, aber das würde ein lösbares Problem werden. Zumindest dachte Classic das. Man würde sehen, wie es so schön hieß.

"Hier bin ich wieder!", rief Classic seinem Kollegen zu, als er um eine weitere Gangbiegung trat.

"Ah, gut dass du da bist...", brachte der Techniker sogar ein Lächeln zu Stande. Endlich jemand, der ihn von diesem unverständlichen Plappermaul erlösen oder zumindest ablenken konnte. Seine Hände schlossen sich fester um den Tentakel des 2. Roboters, an dem er diesen durch die Gänge zog. Das festere Schließen der Hände tat seine Wirkung, das leichte Zittern ließ nach. "Sag mal, Classic, was hat dich dazu getrieben, diesen Schrotthaufen zu kaufen? Das mit dem Koch verstehe ich ja, ein defektes Sprachmodul ist schnell repariert, aber das da wird länger dauern, schau’ dir nur mal diese Beulen und Löcher an."

Classic schüttelte den Kopf, während er endgültig zu Kwhiro aufschloss: "Ach, das glaube ich gar nicht, diese Maschine ist nicht kaputt zu kriegen... Ich kenne sie von einem Schiff, auf dem ich früher mal war. Ivory hieß es.

Dort war diese Maschine der örtliche Putzroboter. Er ... plappert viel, aber wenigstens war das Schiff sauber. Ich habe noch die alten Kommandocodes von der Kiste, warte mal eben..."

Er aktivierte seinen Transmitter und übertrug eine Statusanfrage im Rahmen der alten Codes an Charly, ohne ihn jedoch vollständig zu aktivieren. Keine Sekunde später kam die erwartete Antwort.

"... ja, sie funktionieren noch. Dem Systemstatus nach sind die meisten Grundfunktionen in Ordnung. Die rechte Lauffläche ist das einzige, was wir in irgendeiner Form wieder zusammenflicken müssen, das sollte aber kein großes Problem sein. Ansonsten ist der Kasten kaum kaputtzukriegen. Die Codes werde ich im Bordcomputer der Yingpei ablegen, damit du jederzeit 'rankommst."

"Touché!", dachte der Android schmerzhaft. Jetzt hatte er den Ingenieur des Zeppelins für einen einfachen Träger gehalten. So ein faux pass war natürlich sehr, sehr unangenehm. Und er hatte keine Gelegenheit gehabt, seinen faux pass auszubügeln, weil ja Classic dazwischengekommen war.

Jacques hatte erhebliche Schwierigkeiten, den Ausführungen der beiden Techniker zu folgen.

Naja, Fachchinesich halt, dass musste ihn nicht kümmern. Er war Koch, und kein Ingenieur.

Zu Khwiro gewandt, meinte er: "Einen Termin morgön, um noinssehn Uhr? Naturlement, Kommen sie in die Küsche, und sie können wartön, was immör sie wollön! Isch legö viel Wert auf intaktös Equipment in der Küsche!"

Er stoppte vor einem Schleusentor, zu dem er der kleinen Gruppe gefolgt war.

Automatisch öffnete sich das erste Tor, und sie traten ein.

--- Krankenstation

Erstaunt schaute Hawkeye sich um. So viele verschiedene Geräte hätte er nicht erwartet. Wie es schien, kamen hier allerhand Spezies vorbei, was er Zesiro direkt mitteilte.

"Hier kommen allerhand verschiedene Leute rein, was?", fragte der Arzt mehr rhetorisch als ernst gemeint. Interessiert schaute er sich ein Gerät an, das wild vor sich hinblinkte. Auf dem ersten Blick schien das handtellergroße Gerät keinerlei Sinn zu machen, da es nur zwei Tasten, aber kein Display hatte.

Auf einen fragenden Blick zum Captain erhielt er nur ein Achselzucken, welches "Du bist der Arzt, was fragst du mich?" zu bedeuten schien. Nachdenklich warf er das Gerät auf eines der Biobetten, damit würde er sich später beschäftigen.

Erfreut stellte er fest, dass auch ein Starfleet Tricorder zur Ausrüstung der Krankenstation gehörte. "Das einzig Ehrliche, was dieser Scheißverein je hervorgebracht hat...", murmelte er vor sich hin, bevor Ben sich auf die Lippen beißen konnte.

Die Erinnerung an den Betrug von Starfleet an die Bevölkerung von Elarge schmerzte ihn immer wieder. Dem Arzt war klar, dass auf diesem Schiff mehr Leute weitaus Schlimmeres zu verbergen hatten als er selber, aber eigentlich war jeder Kommentar über seine Vergangenheit einer zuviel.

Sein alter Tricorder hatte auf Elarge mindestens ein paar hundert, wenn nicht sogar tausend jungen Leuten das Leben gerettet. Er hatte ihn der medizinischen Fakultät überlassen, damit sie ihre Forschung auf etwas Sinnvolleres als Waffen richten konnten.

Umso erfreuter stellte er fest, dass hier einer, wenn auch ein bisschen älteres Modell, verfügbar war. Ben ging um den Schreibtisch des Arztes herum und stellte seinen Rucksack, wie auch den Notfallkoffer, ab.

"Ist ganz hübsch hier", sprach er Zesiro wieder an, "aber bevor ich mich hier häuslich einrichte, schau ich mich mal auf dem Schiff um. Da kann ich direkt mal die ersten Hausbesuche machen. Außerdem kommt es blöd, wenn es einen Notfall gibt und der Arzt sich verläuft..."

Hawkeye steckte den Tricorder in seine Jackentasche und ging wieder zu der Frau am Eingang der Krankenstation. "Bleiben eigentlich nur zwei Fragen. Wo finde ich Gianna, und wo soll ich mich heute Abend zu meinem Einstiegsdrink einfinden?"

Zesiro musste schon wieder grinsen. So bescheiden, wie der Tag angefangen hatte, wurde er doch besser und besser. Sie mochte diesen Kerl. Der Teil von ihr, der ein ziemlich gutes Psychologiediplom in der Tasche hatte, lobte eher ironisch die Eigeninitiative, mit der er sich in die Crew integrieren wollte, und das amüsierte sie nur noch mehr. Das war ein ziemlich schrottiger Teil eines ohnehin überflüssigen Studiums gewesen und sehr lange her.

"Ich sag dir besser erstmal, wo du nach dem Drink hintaumeln musst.", erwiderte sie. "Nämlich Deck 4, Quartier 17. Das Quartier der alten Ärztin. Da, wo sie hingegangen ist, hat sie ihre Sachen nicht mehr gebraucht. Das, was die Crew sich noch nicht geholt hat, kannst du behalten, oder schmeiß das Zeug weg, mir egal." Sie hatte sich selbst nicht im Quartier umgesehen. Nach dem ganzen Drama war sie wirklich nicht in Stimmung gewesen, den Kleiderschrank der Frau durchzusehen. Auch wenn ein Blick auf ihre Unterwäsche ihr vielleicht verraten hätte, was genau den Koch und den Wissenschaftler so sehr an der Vogelscheuche interessiert hatte. Sie hatte ihre Vermutungen gehabt. "Alessi war gerade noch im Labor." Sie wies in die entsprechende Richtung. "Den Gang runter, dann links, nicht zu verfehlen. Oder frag den Computer.

Wenn du es schaffst, ihr Bein anzusehen, ohne dass sie wegrennt, geb ich dir etwas von meinem persönlichen Fusel aus.", fügte sie hinzu. "Such mich einfach auf dem Schiff. Wir sind hier ja nicht bei der Sternenflotte. Die machen da drei Wochen im Voraus einen Termin aus, wenn sie ihren Pseudo-Ethanol trinken wollen, hab ich gehört."

Sie wartete darauf, ob Hawkeye noch weitere Fragen hatte, wandte sich ab und ging. Es wurde Zeit, dass sie die Deckschrubber suchte. Falls sie sich nicht von alleine Richtung Luftschleuse bewegt hatten, tat sich langsam die Frage auf, warum sie nicht da waren und das verdammte Deck schrubbten.

Kurz nachdem Zesiro gegangen war, machte sich auch Hawkeye auf den Weg zu seinem ersten Patienten. Er war sich sicher, noch Zeit genug für eine gründliche Inspektion der Krankenstation zu haben.

Schließlich war das Schiff zum einen klein, und zum anderen kamen die Leute hier, im Gegensatz zu der Sternenflotte, nicht bei jedem Schnupfen angekrochen.

--- Yingpei, Frachtlift

Kwhiro seufzte innerlich, nachdem er den Androiden auf Deck 4 aus dem Frachtlift hinausgeleitet hatte mit den Worten: "Die Küche ist auf diesem Deck, da das Schiff nicht groß ist, findest du sie sicher eigenständig." Er war sich nicht sicher, ob er einen Fluch hörte, nachdem er die Lifttüren abrupt hinter Jacques geschlossen hatte um sich nicht weiter dessen vollkommen unverständliches Geplappere anhören zu müssen.

Hoffentlich war es möglich, das Sprachmodul zu reparieren, bevor die Lust, es mit einem Hammer zu versuchen, zu groß wurde. Die Reparatur des Putzroboters sollte einfacher werden, erst recht nachdem Classic die Codes einspeisen wollte. Er hatte sich nach dem Betreten des Schiffes von der Gruppe getrennt, wollte wohl die Treppen benutzen.

--- Yingpei, Maschinenraum

Nachdem er den Roboter durch den vorderen Teil des Maschinenraums, in dem die Kontrollkonsolen untergebracht waren, nach hinten gezogen hatte und ihn dort stehen ließ, setzte der El-Aurianer sich erst einmal in seinen Sessel und warf einen Blick auf die Konsolen. Natürlich hatte sich nichts geändert, seitdem der das Schiff verlassen hatte. Schließlich war es angedockt. Die Hände des Ingenieurs glitten über die Tasten der Konsole, die er aus einer Armlehne seines Sessels geklappt hatte, woraufhin dieser mit einem Ruck zurückfuhr und die weiteren Konsolen sich an die Wand des ehemaligen kleinen "Büros" aufreihten, dessen Wände zum Maschinenraum er gleich zu Anfang seiner Arbeit hier rausgerissen hatte, um mehr Platz zu haben. 'Verdammt!'

Wieder bewegten sich Kwhiros Hände über die Konsole, wieder bewegte sich sein Sessel, diesmal in einem Halbkreis direkt zum Durchgang der zur Tarnvorrichtung, dem Warpkern und den weiteren Teilen des Maschinenraums führte. 'VERDAMMT!!!'

Er drückte auf zwei Steine seines Armbands, einen um Juna zu rufen, den anderen, um ihr seine Position mitzuteilen. Ein weiteres angespanntes Seufzen und langsame Bewegungen seiner Finger auf der Konsole. Der Sessel bewegte sich wieder zurück zu seiner Ausgangsposition und fuhr die Rückenlehne etwas runter. Die zusätzlichen Konsolen trennten sich wieder von der Wand und versammelten sich in Reichweite um den Sessel. Kwhiro begann, nach geeigneten Ersatzteilen zu suchen, die sich im Lager des Schiffes sicher finden würden, da sich die Teile die er für den Putzroboter brauchen würde, nicht wesentlich von denen unterschieden, die als Überbleibsel vergangener "Transporte" übriggeblieben waren.

Schon nach kurzer Zeit fand der Techniker als Antwort auf seine Suche mehrere Kochrezepte. Das Zittern seiner Hände wurde schlimmer, jetzt, wo er alleine war. Die Anleitung zum Bau einer Destillationsvorrichtung der Breen, mit der man angeblich aus alltäglichen Lebensmitteln ein schmackhaftes hochprozentiges Getränk herstellen konnte, speicherte er sich ab, war aber ebenfalls nicht das wonach er suchte. Kwhiro knurrte und schlug mit der Faust auf die Armlehne des Sessels. Er wusste, dass das Zittern keinen physischen Hintergrund hatte, alleine der Gedanke daran, in absehbarer Zeit auf seine kleinen chemischen Helfer verzichten zu müssen, ließ ihn mehr als nervös werden. Das Wissen darum, dass sein Körper eine echte Abhängigkeit nicht lange zulassen würde, half ihm nicht.

Der neue Wissenschaftler war hoffentlich fähig. Dass er brauchbare Drogen herstellen konnte, war keine Frage - das hier war ein Piratenschiff, und die Herstellung von Medikamenten oder ähnlichem Unsinn war nicht das, womit man sich hier beschäftigte. Auf dem Bildschirm einer mobilen Konsole suchte der El-Aurianer nach einem Eintrag im Crewregister, ob es bereits einen neuen, eben solchen Wissenschaftler an Bord gab. Ein Name tauchte auf. Gut. Eine Frau. Egal. Er würde sie sehr bald besuchen. An einer zweiten mobilen Konsole lief eine Diagnose des Warpkerns, die er eigentlich nicht hatte starten wollen. Eine dritte Konsole schloss gerade den Scan der Schiffsumgebung ab. Wie zum Teufel war er in dieses Menu gerutscht?

Mit einem lauteren Knurren als zuvor schwang sich der glatzköpfige Mann aus dem Sessel, betrachtete seine schweißnassen Hände und schob die mobilen Konsolen zur Seite, um auf und ab zu gehen, während er auf seine Sklavin wartete. Wo bleib sie nur? Wahrscheinlich konnte sie schneller als der Computer sagen, wo die benötigten Teile für den Roboter lagen, ganz zu schweigen davon, dass sie seine Hände und seinen Kopf beruhigen würde. Wenn er nicht klar denken konnte würde nichts aus der Reparatur werden. 'Wo bleibt sie nur?'

Ein Tritt gegen eine mobile Konsole ließ diese Aufflackern und die Ansicht zwischen den Außenkameras wechseln, die die Hülle der Yingpei zeigten. Mit leicht rasselndem Atem und geweiteten Augen starrte der Chefingenieur auf die wechselnden Bilder. Ein schönes Schiff war es, aber die Hülle hatte Kratzer, Rußflecken, alle möglichen Kampfspuren, die, wenn überhaupt, nur notdürftig geflickt worden waren. Warum war ihm das nicht früher aufgefallen? So konnte das nicht bleiben. Das ursprüngliche grün war kaum noch zu sehen. Das musste geändert werden! Die grüne Farbe hatte er eh nie gemocht. Sie passte nicht zur stolzen Form des Schiffes. Weiß! Ja, weiß war eine passende Farbe. Ob es an Bord genügend davon gab, um das Schiff zu lackieren? Oder vielleicht lieber gelb... und Markierungen auf den Flügeln, so ähnlich wie auf den Flaggen der Piraten auf dem antiken El-Aurian. Ein paar stolze Zeichen auf den mächtigen Flügeln. Gelb war keine stolze Farbe. Es müsste eine dunkle Farbe sein. Er sollte mit Zesiro darüber reden.

Der Atem des Technikers ging schwerer, und seine Gedanken fingen an, sich damit zu beschäftigen, ob es hilfreich sein könnte, Raupenantriebe an den Landestützen zu befestigen für den Fall der Fälle... er setzte seinen Weg hin und her durch den Maschinenraum fort, wobei er nicht nur entfernt an ein eingekerkertes Raubtier erinnerte.

--- Labor

Gianna veränderte die Einstellungen an einem Gerät, um mit ihrer Analyse fortzufahren. Inzwischen war das einzelne Acala-Blatt - mehr hatte sie nicht einzusetzen gewagt - vorbereitet und hatte seinen Weg ins Innere des eigentlichen Analysators gefunden.

Gespannt beobachtete die Italienerin die Anzeigen auf dem Display. Immer wieder einmal änderte sie die eine oder andere Einstellung und vergaß darüber vollkommen, wo sie sich befand. Sie ging förmlich in ihrer Arbeit auf und war inzwischen wieder recht guter Laune, so dass sie sogar begann, ein italienisches Volkslied vor sich hin zu summen.

--- vor dem Labor

Mit drei lauten Schlägen gegen die Tür meldete sich Hawkeye an und trat ein.

"Hallo?"

--- Labor

"Madonna, kann man hier nicht mal in Ruhe arbeiten!", fuhr Gianna auf, nur um in der nächsten Sekunde entsetzt daran erinnert zu werden, dass sie sich hier nicht in ihrem Labor auf Terra befand, wo sie der Chef war. Die Röte stieg ihr ins Gesicht, als sie etwas unbeholfen herumfuhr und den Neuankömmling anstarrte.

Ihre Augen wurden groß, als sie das blutbefleckte Shirt des Mannes bemerkte. Außerdem hatte er eine Fahne. "W-wer sind Sie?", stotterte die Südländerin. "W-was wollen Sie?"

Erstaunt hob Hawkeye eine Augenbraue. Ihr barscher Ausruf und die darauf folgende Reaktion passten so gar nicht zusammen. Ohne ein Wort ging der Arzt lächelnd auf sie zu. Wie erwartet, wich sie die drei Zentimeter zurück, bis sie mit ihrem Gesäß an den Tisch stieß.

Ben blieb stehen, hob die Arme und ging selber wieder in den Eingang des Labors zurück. "Mein Name ist Hawkeye...", stellte er sich vor, was, auch wie erwartet, nicht sonderlich zur Beruhigung der jungen Frau führte. "Entschuldige meine Aufmachung, aber ich saß in einer Bar, als sich ein paar Leute anfingen zu prügeln und ich sie wieder zusammenflicken musste..."

Entschuldigend lächelnd, immer noch die Hände erhoben, musterte er das Gesicht der Wissenschaftlerin und beobachtete ihr Minenspiel. Der Amerikaner wusste nach wenigen Augenblicken, dass diese Frau nicht auf so ein Schiff gehörte.

"Zusammengeflickt...?" Mit schwankender Stimme wiederholte Gianna die Worte des Mannes. Ihr Blick wollte immer wieder den Fußboden fixieren, aber sie gab sich Mühe, den schlaksigen Mann anzusehen.

"Dann sind Sie ... bist du ... der neue Arzt?" Gianna wusste nicht, wie sie den Mann ansprechen sollte. Hawkeye - was war das schon für ein Name? Hörte sich wirklich merkwürdig an. Und sie fand diese Art, jeden zu duzen, ebenfalls wirklich merkwürdig. Aber sie sollte sich wohl besser anpassen, wenn sie tatsächlich vorhatte, an Bord dieses Schiffes zu bleiben. Und zumindest vorläufig blieb ihr keine andere Wahl. Auf den Profitbrunnen zurück wollte sie nicht. Und Harm konnte sie auch nicht brauchen...

Die Captain war wohl eine von der schnellentschlossenen Sorte. Zumindest wenn man betrachtete, in welchem Tempo sie neue Mannschaftsmitglieder rekrutierte.

War der Mann durch Zufall hier bei ihr gelandet? Aufgrund ihrer gestrigen Studien der Schiffspläne wusste sie, dass Krankenstation und Labor auf einem Deck, sogar einigermaßen in der Nähe, lagen. Was ja auch irgendwie Sinn machte.

Oder hatte die Captain ihn ihr auf den Hals gehetzt? Auch das konnte sie sich irgendwie vorstellen.

Der Italienerin fiel nur eine Möglichkeit ein, den Mann loszuwerden. "Es tut mir leid, aber ich bin ... beschäftigt!", beschied sie ihm und wünschte sich dabei, ihre Stimme klänge nicht so unsicher. Daran musste sie einfach arbeiten. Wieder einmal wünschte sie sich, so wie Leandra zu sein...

Sie wandte dem Mann den Rücken zu und beugte sich wieder über ihr Analysegerät, in der Hoffnung, dass er verschwand...

Hawkeye seufzte. Die kurzhaarige Frau tat ihm leid. Er hasste es, wenn so was passierte. Denn so was passierte immer, kurz bevor er sich irgendwas aufbürdete, um was ihn niemand gebeten hatte.

Ben schlenderte in das Labor rein und lehnte sich auf der anderen Seite des Tisches, an dem Gianna arbeitete, an. Als diese mit einen unsicheren Seitenblick zu ihm rüberschaute, guckte er betont desinteressiert in die Luft, pfeifend und immer noch die Arme erhoben.

Als keine Reaktion erfolgte, sprach er sie an.

"Weißt Du... im Gegensatz zu den meisten Anderen auf diesem Schiff bin ich nicht gefährlich... ich bin höchstens eine Gefahr für mich selber." Der Arzt nahm seine Arme runter und trat an Gianna heran. "Ich frage nicht nach deiner Vergangenheit, wie du es bei mir auch nicht tust und es bei tunlichst niemandem hier machen solltest.

Ich will Dir nur helfen. Aber du musst es wollen."

Langsam, um die Frau nicht zu erschrecken, streckte er ihr die rechte Hand entgegen, während seine Augen die ihren suchten. "Ich bin Ben..."

--- Deck 2, Gänge

Plötzlich spürte Juna einen leichten Druckimpuls an ihrem Halsband und blieb stehen. Die Sklavin berührte einen Schmuckstein an ihrem Halsband, worauf in Armlänge vor ihr ein kleines holografisches Modell der Yingpei in der Luft erschien, in dem es auf Höhe des Maschinenraums blinkte.

Schnell lief die Orionerin auf die Tür von Quartier 23 zu, die sich vorausschauend für sie öffnete (Allerdings hatte es der Zutrittsscanner der Tür dabei auch leicht, da er ihre Identität über einen Chip, der auch im Halsband untergebracht war, bestimmen konnte.).

Juna stellte neben der Tür die Stiefel ins Quartier und lief in freudiger Erwartung den Gang hinab Richtung Maschinenraum. Ihr Herr wollte sie sehen. Ob ihm wohl die Schuhe gefallen würden, die sie auf seinen Vorschlag hin aufgetrieben hatte? 

--- Maschinenraum

Schnell glitt sie zwischen den sich öffnenden Türflügeln des Maschinenraums hindurch, ihr Blick erfasste Khwiro. "Hier bin ich, Herr! Was kann ich für dich tun? Schau mal, ich trage Schuhe..."

Beim Näherkommen bemerkte sie besorgt den wirren Blick im schweißnassen Gesicht ihres Herrn. Grüne Arme schlossen sich sanft, aber bestimmt um den bebenden Körper des El-Aurianers. Juna führte ihren Herrn zu seinem Sessel und drückte ihn sanft hinein.

Geschmeidig setze sie sich auf Kwhiros Schoß und begann seinen Kopf und Nacken zu massieren. Ihre Lippen näherten sich seinem Mund, sie gab dem leichten Prickeln in ihrem Hinterkopf nach und ließ einen Schwall ihrer Pheromone durch Kwhiros Lippen strömen.

Der Atem des El-Aurianers beruhigte sich langsam, und er seufzte zufrieden. Noch ein paar Sekunden lang genoss er die Massage und öffnete dann die Augen. "Ich danke dir. Es ist mir unbegreiflich, wie das so einfach außer Kontrolle geraten konnte." Die nicht mehr zitternde Hand bewegte sich langsam über den Rücken seiner Sklavin, und der Kopf erinnerte sich daran, was er eigentlich vorhatte... und beharrte darauf, die Sache mit der Lackierung nicht ganz vergessen zu wollen.

"Ich brauche Ersatzteile, um die Lauffläche dieses Schrotthaufens da hinten zu reparieren.", deutete der Techniker flüchtig in Richtung des deaktivierten Charly, "Du hast da doch sicher was in deinem Lager, oder?"

Die Orionerin nahm eine der Konsolen und rief einige ihrer Bestandslisten auf, um sie zu durchforsten. Kwhiro schaute ihr dabei zu, und während sein Blick etwas abschweifte und sie genau musterte, fiel ihm ein, dass Grün nicht in allen Fällen eine schlechte Farbe war. Nachdem seine Augen sich losreißen konnten, kam der Blick schließlich bei ihren Füßen an und entdeckte die Schuhe. Es war ein ungewohntes Bild, und mit Sicherheit würden sie passender aussehende finden, aber fürs Erste waren diese ausreichend.

"Da!", deutete der Techniker auf eine Anzeige, "Diese Teile sehen passend aus. Einen Motor und drei Glieder für die Lauffläche brauche ich." Mit einem Kuss atmete er noch mal tief Junas Pheromone ein und gab ihr einen Klaps auf den Hintern. "Kannst du die Teile sofort holen?"

Jeder andere hätte jetzt zumindest gebrochene Finger, aber sie küsste ihren Gebieter leidenschaftlich. "Ja, Herr. Und wenn der Lagerbestand noch mit der Inventarliste übereinstimmt, dürfte das sogar recht schnell gehen."

--- Deck 5, Gänge

Beschwingt verließ sie den Maschinenraum und ging zurück zum Lift. Die Orionerin verließ den Lift auf Deck 5 und betrat den Frachtraum.

--- Deck 4, Gänge

Jacques ging neugierig durch die Gänge.

Alles hier in diesem tollen Luftschiff sah sehr futuristisch aus. Er fühlte sich in einen Roman von Jules Vernes versetzt.

Doch der Starkoch war irritiert. Das hier sah alles so unglaublich wenig nach dem Luxus aus, den er in einem Zeppelin erwartet hätte... Kaum Wandverkleidungen, keine Teppiche, von Gemälden ganz zu schweigen! Die Beleuchtung war entweder so, dass ihre Quelle gar nicht zu sehen war, oder sie kam aus nackten Glühbirnen (oder was immer dort drinnen auch leuchtete). Von Kandelabern und Kronleuchtern keine Spur!

Der Franzose war extrem irritiert. Was war hier los? War er etwa auf einem Militär-Zeppelin gelandet? Er hätte schwören können, dass diese Geräte schon seit 10 Jahren nicht mehr im militärischen Einsatz waren, aber was war das dann hier?

Zur rechten sah er eine Tür: "Nahrungsmittellagerung"

Der Franzose ging auf die Tür zu und suchte von weitem nach der Türklinke - um erschrocken zwei Schritte zurückzuspringen, als die Tür sich plötzlich vor ihm teilte und links und rechts zur Seite glitt.

Augenblicklich schloss sie sich wieder.

"Alors!", dachte sich der Koch, "Hier muss man also schnell sein!" Langsam näherte er sich wieder der Tür, und als sie sich öffnete, sprintete er schnell hindurch, in den Raum dahinter hinein. Sofort schloss die Tür hinter ihm wieder.

--- Deck 4, Lagerraum für Lebendnahrung

"Merde, das ist hier aber gefährlich!", dachte er.

Er sah sich um. In mehreren Kisten waren vereiste Nahrungsmittel aufgehoben.

In Regalen waren verschiedene Gewürze untergebracht, und jemand hatte sogar einen hydroponischen Garten angelegt. Aber Jacques war verwirrt. Einige dieser Zutaten hatte er noch nie gesehen!

Was waren das für seltsame Pflanzen, woher kamen diese Gewürze?

Er war es natürlich gewohnt, zu improvisieren, aber das hier schien seine Kenntnisse ein wenig zu übersteigen. Das musste ein Forschungs-Zeppelin sein, der die letzten noch unzugänglichen Winkel des Planeten aus der Luft heraus erforschte.

Er würde eben doch nach Rezepten fragen müssen.

--- Labor

Diesmal hatte Gianna es geschafft, nicht wieder zurückzuweichen, als der Mann erneut auf sie zugetreten war. Offensichtlich waren seine Manieren ähnlich unordentlich wie sein Äußeres. Wäre dem nicht so, hätte er ihren Fingerzeig bestimmt verstanden. Oder zumindest ihre Frage beantwortet.

Was hatte er damit gemeint, er wolle ihr helfen? Misstrauisch blickte sie in das Gesicht mit dem Dreitagebart. Was für ein Interesse konnte er schon an ihr haben?

Nachdem er aber offensichtlich nicht beabsichtigte, sie die nächste Zeit in Ruhe zu lassen, reichte sie ihm widerstrebend ihre Hand. "Gianna...", murmelte sie.

Ein offenes Lächeln legte sich auf die Lippen des Arztes, als er ihre Hand ergriff. Die Sorge um sie wuchs dabei immer mehr, vor allem, als er ihre leicht verengten Pupillen bemerkte. Ben musste kein Genie sein, um einen, zumindest indirekten, Zusammenhang mit dem im Hintergrund laufendem Analysator zu herzustellen. Die Anzeige konnte er mit einem kurzen Blick insoweit lesen, als dass der Automat irgendwas Pflanzliches analysierte.

'Droge oder Schmerzmittel', geisterte es durch das Bewusstsein Hawkeyes. Er ließ ihre Hand los und lächelte sie immer noch an. Dass sie seine Hilfe brauchen würde, stand außer Frage.

Er hasste es, wenn so was passierte. Entweder hassten ihn die Leute dafür, dass er sich ihrer annahm, oder sie freuten sich. Aber eines blieb immer konstant.

Sie starben.

Nun gut, das brachte ein Krieg mit sich, aber es hinterließ mit der Zeit tiefe Wunden, wenn man die Namen seiner Freunde auf einer langen Liste wiederfand. Fand man neue Freunde, standen auch sie irgendwann auf der Liste. So etwas fand nie ein Ende.

Hawkeye verdrängte die Gedanken und konzentrierte sich wieder auf die Frau vor ihm.

"Freut mich dich kennen zu lernen, Gianna.", sprach er sie wieder, ohne sich etwas von seinen Überlegungen oder Beobachtungen anmerken zu lassen, an, "Ich muss ehrlicherweise sagen, dass ich nicht ganz zufällig hier bin. Der Captain meinte, du hättest ein kleines Problem.", ganz nebenbei holte er den Tricorder aus seiner Tasche und scannte die Frau vor ihm ab.

'Also doch', durchfuhr es Gianna, als sie hörte, dass der Mediziner tatsächlich auf Geheiß der Captain bei ihr aufgetaucht war. Ihr stieg die Röte ins Gesicht. Einesteils entsprang diese Röte der Tatsache, dass da ein völlig fremder, nach Alkohol riechender Mensch - auch wenn er auf den ersten Eindruck nicht gerade unsympathisch war - vor ihr stand und ihren Körper scannte. Ein anderer Teil jedoch, und irgendwie der Größere, hatte seine Ursache darin, dass die Captain einfach den Arzt vorbeigeschickt hatte, obwohl sie ihr gesagt hatte, dass das nicht notwendig war.

"Ich habe kein Problem!", versuchte sie es mit einer Antwort ähnlich derer, die sie vorhin schon Zesiro gegeben hatte. "Die Ursache des Hinkens ist schon eine Weile her, und ich habe keine Probleme damit, wenn ich mich nicht gerade massiv überanstrenge."

Was sie gestern getan hatte, indem sie diese verdammten Kisten umhergeschleift hatte. Aber das brauchte der Arzt - Ben, versuchte sie sich zu ermahnen - ja nun nicht gerade zu wissen.

Gianna fragte sich unbehaglich, was dieser medizinische Tricorder dem Mann alles sagen würde. Würde er ihm nur von ihrer Verletzung berichten, oder lag quasi ihre gesamte jüngere Krankengeschichte unverhüllt vor ihm?

Die Italienerin wurde blass, als ihr einfiel, dass der Tricorder möglicherweise auch erkannte, dass sie momentan unter der Wirkung eines opioid-ähnlichen Stoffes stand. Das passte ihr gar nicht.

Unwillkürlich ergriff sie Bens Handgelenk, um den Tricorder von sich fernzuhalten.

--- Deck 4, Gänge

Vorwurfsvoll schaute Jacques diese Mördertür an, die sich wieder unmittelbar geschlossen hatte, nachdem er hindurchgerannt war. Warum blieb das verdammte Ding nicht 30 Sekunden auf, wenn es sich schon automatisch öffnete? Na, der Bordingenieur würde wohl noch einiges tun müssen...

"Mannschaftsmesse" stand auf der nächsten Tür.

--- Mannschaftsmesse

Der Franzose nahm erneut Anlauf und stürmte durch die Tür. Die Manschaftsmesse übertraf seine schlimmsten Befürchtungen. Das Mobiliar war vor allem - bruchsicher. Alles war aus Edelstahl gefertigt, und es war solide in den Boden verankert. Hatte jemand befürchtet, man könne vorhaben, die Einrichtung durch die Gegend zu schleudern? Oder war das auf Zeppelinen vielleicht üblich, falls die Reise mal etwas holpriger wurde?

Eine Tür an der Stirnseite der Mannschaftsmesse erregte seine Aufmerksamkeit.

Sie war offen.

--- Küche

Wie er vermutet hatte, befand sich dahinter die Küche. Einige ihm unbekannte Gerätschaften hingen an der Wand. Allerdings gab es hier sehr viele Möglichkeiten zum Grillen und andere Zubereitungsmöglichkeiten über offenem Feuer.

Wer immer diese Küche auch eingerichtet hatte, vom dünsten, blanchieren, der Herstellung von schaumigen Speisen, Desserts oder Teigmänteln schien er nicht viel zu halten.

Der Koch hatte genug gesehen. Keine Menschenseele an Bord, und keine Spur von hâute cuisine! Er würde jetzt herausfinden, wo er war, und dann würde er von diesem gottverdammten Geisterschiff wieder abmustern!

--- Deck 4, Gänge

Nachdem Zesiro einen Blick auf die Luftschleuse geworfen hatte, musste sie sich ernsthaft fragen, warum sie sich über ihre Deckschrubber gewundert hatte. Sicher, der Boden war mittlerweile wirklich blitzblank, aber bis es so weit war, hatte es fast einen Tag gedauert.

Das Problem war natürlich G'Isch.

Kopfschüttelnd erinnerte die Captain sich daran, wie der Vulkanier mit dem Gehirn einer Erbse eines Tages auf der Yingpei auftauchte, weil er falsch abgebogen war, fest überzeugt davon, immer noch auf dem Schiff des Händlers zu sein, der bei ihr angedockt hatte. Anfangs hatte sie ihn einfach bei nächster Gelegenheit von Bord werfen wollen, aber als sich herausstellte, dass er keinen Sold verlangte und meistens sogar wusste, an welchem Ende man einen Besen hielt, hatte sie den Plan verworfen. G'Isch war das einzige Mitglied ihrer Crew, das ausschließlich die Aufgabe hatte, zu putzen (für etwas anderes taugte er nicht), und das führte dazu, dass die Herren und Damen von der Lade- und Wartungscrew eine Information wie "Luftschleuse putzen, jetzt" immer weiterreichten, in der Hoffnung, dass sie G'Isch schon irgendwann erreichen würde.

Wenn man Glück hatte, entdeckte der Vulkanier dann mehrere Stunden später die richtige Abzweigung, und wenn man noch mehr Glück hatte, erinnerte er sich dann sogar noch daran, warum er dort war. Irgendwann sollte sie wirklich etwas gegen das Problem unternehmen. G'Isch genetisch aufwerten lassen oder so.

Aber wenigstens war die Luftschleuse jetzt sauber und erinnerte sie nicht mehr konstant an ihren gestrigen Aussetzer. Wo blieb verdammt noch mal Silva mit dem Psychologen?

--- Küche

Als Zesiro die Mannschaftsmesse passierte, öffnete sich die Tür, und sie erhaschte einen Blick auf eine Bewegung. Interessiert kam sie zum Stehen. Classic hatte sie via Komm über seine und Kwhiros Rückkehr informiert und ihr mitgeteilt, dass Zorg noch ein paar Reparaturen an dem Androiden vornehmen würde, den sie gefunden hatten, doch sie war sich nicht bewusst gewesen, dass er schon durchs Schiff lief und - wie es aussah - seine Küche in Augenschein nahm.

Seit ihrer Zeit an der Universität hatte sie keinen Androiden gesehen - sie waren nicht gerade billig. Mit der künstlichen fahlen Haut und den blonden Haaren sah er jedenfalls wie ein typischer, fast menschlicher Vertreter seiner Art aus, und er hatte keine offensichtlichen Schäden.

Hoffentlich konnte er kochen.

Zesiro räusperte sich, um auf sich aufmerksam zu machen.

"Gefällt dir die Küche?"

Jacques war so verärgert in Gedanken versunken gewesen, dass er gar nicht bemerkt hatte, wie sich jemand genähert hatte.

Unwillkürlich zuckte er zusammen und drehte sich um, als er die Stimme hinter sich hörte.

Er erblickte eine dunkelhäutige Frau.

"Isch solltö 'ier Koch werdön, mais das 'ier ist eine Compósition aus Grillplatz und Bouchery! Als Cuisine ist das nischt benützbar!"

Er hatte für Kaiser und Präsidenten gekocht. Er hatte fünf Michellin-Sterne. Millionäre buchten Monate im Voraus, damit sie einen Platz bei ihm bekamen, und dann konnten sie sich noch glücklich schätzen, wenn sie überhaupt einen ergattern konnten! Voller Verzweiflung warf er theatralisch die Hände in die Luft und rief: "So kann isch nischt arbeitön! So kann isch nischt arbeitön!"

Plötzlich wurde er wieder gewahr, dass er nicht alleine war. Er fing sich wieder, atmete tief durch und wandte sich wieder an die Unbekannte. "Isch werdö umge'end absagön, das 'ier ist intolérable! Wie findö isch die Brücke? Isch muss misch beim capitain abmeldön."

Er stutze kurz, und lächelte dann flüchtig: "Mein Namö ist Jaques, Mademoiselle. Aus welscher Kolonie kommön sie denn eigentlisch?"

Zesiros Augenbrauen hatten sich bei jedem Wort weiter gehoben. Classics Bemerkung über Reparaturen erhielt ganz neue Dimensionen. Und der Akzent tat ihr in der Seele weh. Hätte der Hersteller von... Jacques ihn nicht einfach gleich Französisch anstatt Standard sprechen lassen können? Dann würde das alles sauber übersetzt.

Aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass Zorg von einem Androiden mit so viel... Persönlichkeit sehr begeistert sein würde, also musste sie ihm wahrscheinlich nicht mal Feuer unterm Hintern machen, damit er sich darum kümmerte. Und bis dahin brauchten sie einen Koch.

"Freut mich sehr. Ich bin Zesiro Xa-Le aus Port Said in Ägypten", erwiderte sie freundlich. Sie bot Jacques ihre Hand an. "Und", fügte sie trockener hinzu. "ich bin der Captain dieses Schiffs."

--- Deck 5, Frachtraum

Aus einer Halterung neben der Frachtraumtür nahm Juna ein PADD mit der Inventarliste. Sie schlug darin die Position der von Kwhiro gewünschten Teile nach. Juna schlenderte durch die schmalen Gassen der hohen Container-Stapel und hielt dabei immer die Nummern auf den Kisten im Blick.

In der Nähe der Laderampe fielen ihr ein paar neue Kisten ins Auge. Sie würde sich um sie kümmern, sobald die Yingpei wieder aufbrach.

'Die nächste Kistenreihe müsste es eigentlich sein...' Juna erinnerte sich hier die kleineren Ersatzteile verstauen haben zu lassen. Sie las die Nummern der Kisten, blickte noch mal auf die Inventarliste auf dem PADD. Ungünstigerweise war es natürlich eine Kiste in der Mitte des Stapels und die Lade-Crew schien sich mal wieder verkrümelt zu haben. Irgendwie schienen sie sich nicht gern zusammen mit der Orionerin in einem Raum aufhalten zu wollen. Das mochte daran liegen, dass sie sie dauernd beim Kartenspielen unterbrach und zur Arbeit anhielt.

Seufzend holte sich Juna eine Antigrav-Einheit und machte sich daran, die Kisten umzustapeln, um an die Kiste mit den Ersatzteilen heran zu kommen.

'Immerhin machst du damit etwas Nützliches für deinen Herrn...'. Kwhiro schien ihre Dienste und ihre Fähigkeiten zu schätzen. Im Gegensatz zu diesem barbarischen Terraner, der ihre Familie ermordet und ihr Leben zerstört hatte. Bei den Gedanken an Etóile brodelte wieder Hass in ihr auf. Sie hatte ihn töten wollen, so wie er ihr die Liebsten nahm. Nur der Gedanke, dass sie ihm als die favorisierte Kämpferin nahe genug kommen könnte, um ihn umzubringen, trieb sie an, am Leben zu bleiben und die Beste zu werden.

Leider wurde nichts daraus, nachdem er sie an den El-Aurianer verloren hatte, aber Juna war sich sicher, soviel Glück würde der Terraner nicht wieder haben. Wenn sie das nächste mal auf ihn treffen würde, würde zumindest Etóile dies nicht überleben.

Krachend ließ die Orionerin die gesuchte Kiste auf dem Frachtraumboden aufsetzen. Sie öffnete den Deckel und stöberte zwischen den verschiedenen Ersatzteilen. Der gewünschte Servomotor war schnell gefunden, allerdings war sie sich angesichts der Fülle von verschiedenen Teilen nicht mehr sicher, welche Art Glieder ihr Gebieter benötigte.

Sie aktivierte den Kommunikator, den sie mangels großer Stoffflächen nicht an ihrem Oberteil trug, sondern mit einem Armband um ihr linkes Handgelenk befestigt hatte. "Juna an Zorg. Was für eine Art von Gliedern meintest du? Ich habe hier ziemlich viele verschiedene Sorten zur Auswahl."

--- Maschinenraum

Mit einem leichten, fast nur angedeuteten Lächeln tippte der Techniker auf den Kommunikator. "Auf der Innenseite sollte am Anfang der Materialnummer ein 'K7' oder 'K8' stehen. Das ist Sternenflottenstandard. Ich hoffe dass du mir deinen süßen Geruch nicht allzu lange vorenthalten willst. Ende." Er lehnte sich in seinen Sessel zurück und schloss die Augen für einen Moment. Er konnte es immer noch nicht glauben, dass sie seine Sklavin war. Es gab kein rationales Problem mit der Tatsache, nur ein gefühlsmäßiges. Diese Frau, die in der Lage war, ihn innerhalb von Sekunden zu töten und dabei keine Waffe außer ihren Händen zu benutzen, nannte ihn ihren Herren und kniete vor ihm.

Und nicht nur dass sie das tat, sie tat es aus eigenem Antrieb, hatte sich in seinen Besitz gegeben wie einen Werkzeugkoffer. Im Gegensatz zu Werkzeug allerdings war ihre Haut viel weicher und auch der Rest viel angenehmer, wenn es darum ging, einen schönen Abend zu verbringen. Das Befehlen fiel ihm inzwischen leichter, als noch am Anfang, als er in ihr eher eine gleichberechtigte Partnerin gesehen hatte und damit regelmäßig ihre Ehre angekratzt hatte. Die Entwicklung des Ganzen war spannend, und davon abgesehen schaffte sie es immer wieder, seine Entzüge leichter zu machen, seine Konzentration zu verbessern oder ihm einfach nur ein gutes Gefühl zu verschaffen, wenn er bei einem Streit in irgendeiner Bar wusste, dass sie in seiner Nähe stand.

Mit einem Kopfschütteln verdrängte Kwhiro die Gedanken und nahm sich einige Werkzeuge, mit denen er sich daran machte, die defekte Lauffläche des Roboters auseinander zu bauen. Zesiro würde bestimmt in absehbarer Zeit daran interessiert sein, was mit ihrem Latinum passiert war  und ob der Einkauf brauchbar war. Mit einem Seufzer dachte er wieder ans Putzteam, das der Roboter auf Vordermann bringen sollte. Naja, schlimmer als der Vulkanier konnte auch der Roboter nicht sein. Wobei der Gedanke an den Kochandroiden seine Sicherheit in dieser Sache etwas bröckeln lies. Denkende Maschinen waren in Ordnung, aber solche, die ein Eigenleben entwickelten, waren dem El-Aurianer sehr suspekt. Mit dem guten Gefühl, dass es schon ein großer Zufall wäre, eine solche 'eingefangen' zu haben, baute er das defekte Glied der Lauffläche aus.

--- Frachtraum

Froh über den Hinweis, wonach sie genau zu suchen hatte, sah sich Juna nun die eingeprägten Nummern auf den verschiedenen Raupen-Gliedern an. Nach ein paar Fehlgriffen fand sie endlich das, dessen Materialnummer mit der Zeichenfolge 'K7' anfing. Nun hatte sie ein Muster und fischte zwei weitere Glieder mit der gleichen Form aus der Kiste. Sorgfältig vergewisserte sich die Sklavin noch, dass auch diese Teile die richtige Kennzeichnung aufwiesen und schloss zufrieden die Kiste mit den Ersatzteilen.

Jetzt musste sich nur noch ein geeignetes Transportbehältnis finden... Die grünhäutige Frau richtete sich auf und ließ nachdenklich ihren Blick rings durch den Frachtraum schweifen. Wo hatte sie neulich noch mal die Umhängetasche liegen lassen?

Da! Aus den Augenwinkeln machte sie eine Bewegung aus.

"Hey! Ich habe dich genau gesehen, Pete. Komm sofort her und hilf mir bei den Kisten!"

Zwischen den Kistenstapeln kam ein hochgewachsener Terraner auf sie zu. Man sah seinem Körper an, dass er bei seiner Arbeit im Lade- und Frachtbereich nicht so schnell zu Antigrav-Einheiten griff, sondern eher direkt mit den Händen anpackte.

Juna ließ ihren Blick über seinen Körper gleiten, wohl wissend, dass auch er ungeniert auskostete, was ihr kaum verhüllter Leib an optischen Reizen zu bieten hatte.

"Was hast du für ein Problem, Juna?"

Pete blieb ein paar Schritte  vor der Orionerin stehen und hob schließlich seinen Blick zu ihrem Gesicht. Sie tat langsam einen kleinen Schritt auf ihn zu. Mit einer angedeuteten Bewegung ihres Kopfes wies sie auf die von ihr zur Seite gestellten Kisten. "Die Ersatzteile waren schlecht verstaut. Ich musste einige Kisten umstellen, um überhaupt an sie heran zu kommen. In einem Krisenfall wäre das fatal."

Sie streckte ihre Hand aus und fuhr langsam mit ihren Fingerspitzen über seine Brust hinab. Auch durch den Stoff waren seine Muskeln gut zu spüren.

"Könntest du die Kisten in diesem Bereich so umorganisieren, dass im Notfall die Ersatzteile schnell zu erreichen sind, Pete? Auch bei den größeren Bauteilen, wie Schildgeneratoren und Impulsspulen, solltest du überprüfen, ob sie schnell zur Verfügung stehen können, ohne dass die ganze Fracht erst ins All geblasen werden muss, um an sie heran zu kommen."

Junas schmiegte sich an den verlockenden Körper des Menschen. 'Er ist ja so lecker...', dachte sie sehnsüchtig. Wie, um dies auch noch bestätigt haben zu wollen, gab sie Pete einen leidenschaftlichen Kuss. Und sie war praktisch immer hungrig.

Nur mit Mühe gelang es der Sklavin, sich zusammen zu nehmen und von dem Mann los zu reißen. Immerhin hatte ihren Herrn versprochen, dass allein er darüber bestimmte, wem sie sich völlig hingeben durfte. Sie trat ein paar Schritte zurück, strich ihr Haar nach hinten und sah ihn mit einem nun wieder festen Blick an.

"Klar, was ich von dir will, Pete?"

"Ja... die Ersatzteile umstellen... Ich geh mal noch den Rest der Ladecrew informieren."

Der Terraner hatte es plötzlich recht eilig, hinter der nächsten Containerwand zu verschwinden.

"Pete?!"

Sein Kopf tauchte hinter einer Ecke auf, er hatte inzwischen einen rötlichen Schimmer dazu bekommen. "Ja?" Seine Stimme klang verlegen und darüber ärgerlich.

"Hast du hier irgendwo eine Tasche herumliegen sehen?"

Nachdenklich kratze sich Pete am Kopf. "Ja, ich glaub bei Jupp."

"Ah, gut. Ach, Pete... Ich glaub das brauchst du." Die Orionerin warf dem Lagerarbeiter das PADD zu. "Aktualisiere dann gleich, wo ihr die Sachen dann verstaut habt."

Ein "Ja, Juna...", und brummelnd verschwand der Mensch nun endgültig aus ihrem Sichtfeld.

'Also bei Jupp...', dachte Juna, klemmte sich den Servomotor unter den einen Arm und balancierte die Raupenglieder gestapelt zwischen dem anderen Arm und Kinn und ging schließlich in den hinteren Bereich des Lagerraums. Dort hatte sie einen alten Container in eine Art Gehege umgewandelt, in das sie nach einem Planetenaufenthalt einen halben Baum angeschleppt hatte. Freudig kreischend kam ein kleiner schwarz bepelzter Primat ans Gitter. Wenn er auf den Hinterbeinen stand und die Arme hob, war er gut einen Meter groß.

Juna kniete vor dem Gitter, legte die Ersatzteile beiseite, streckte ihren Arm durch das Gitter und kraulte das Tier zärtlich. "Wie geht es dir, Jupp?" fragte sie leise. Schnatternd streckte der Kleine seine Hand durchs Gitter.

Sie hatte den Affen vor ein paar Monaten in einer verschlossenen Kiste entdeckt, nachdem sie ein  paar Tage nach dem Abflug von einem Handelsposten ein leises Wimmern daraus vernahm. Sie befreite das schmutzige, zitternde und hungrige Tier und versorgte es, empört darüber dass ein lebendiges Wesen wie ein selbstdichtender Schaftbolzen behandelt wurde.

Die Orionerin griff nach einer kleinen Box neben dem Container und bemerkte auf dessen Deckel die gesuchte Tasche. Sie legte sie zur Seite, öffnete die Box, entnahm ihr eine violette stachelige Frucht und legte sie Jupp in die kleine Hand. "Ich komme dich später noch einmal besuchen. Jetzt muss ich erst noch diese Teile zu Kwhiro bringen. Du kannst ja solange Pete ein paar Tipps geben."

Lächelnd strich sie dem Affen über den Kopf, zog dann ihren Arm zurück und packte die Ersatzteile in die Tasche. Schwungvoll warf sich Juna die Tasche über Schulter, winkte Jupp noch einmal zu und machte sich auf zum Maschinenraum.

--- Profitbrunnen, Gänge, kurz vor der Andockschleuse der Yingpei

Collins hatte es sich in der Bar nicht lange überlegt und war gleich mit Silvana mitgegangen. In der rechten Hand trug er einen Rucksack mit seinen persönlichen Sachen, den sie eben aus einem Schließfach geholt hatten. Auf seiner linken Schulter thronte eine Kiste edelsten Getränkes mit rosa Schleifen.

'Natürlich kannst du nicht nein sagen, bei so einem Angebot', dachte der zukünftige Psychologe und betrachtete neugierig Silvanas 'Rückseite'. Sie lief ein kleines Stück vor ihm. Was blieb ihm aber auch anders übrig? Er musste hier auf jeden Fall erst mal weg. Und so schlecht sah das, was vor ihm lag, ja schließlich auch nicht aus.

Dass er nun wieder als Psychologe arbeiten würde, machte Jack nichts weiter aus. So wie er die Wesen kannte, die auf so einem Schiff arbeiteten, würde sich wieder kaum jemand auf seine Couch legen. Außer Silvana vielleicht. Aber dann aus einem anderen Grund. Er grinste stumm.

Eigentlich kannte Silva ihn gar nicht. Wusste nicht, wo er her kam und was er gemacht hatte. Vielleicht würde er es ihr mal in einer stillen Stunde erzählen. Aber gerade das war es ja, was diese Jobs so gut machte. Man war anonym, keiner fragte nach der Vergangenheit, und solange man seinen Job machte, gab es keinen Ärger. 'Und das ist gut so!', dachte Collins, als sie an der Andockschleuse ankamen.

--- Labor

Unwillkürlich hob Hawkeye seine rechte Augenbraue und schaute die Frau vor ihm fragend an. Diese schien sich auch nicht mehr sicher zu sein, was sie da tat und ließ ihre Hand sinken. Ben steckte den Tricorder in seine Tasche und lehnte sich an den gegenüberliegenden Tisch an. Das, was er gesehen hatte, gefiel ihm gar nicht und bestätigte nur, dass Gianna mehr erlebt hatte, als man ihr wünschte.

"Gianna...", sprach er die Italienerin sanft an, "Du musst dir keine Gedanken über dein... Schmerzmittel machen." Bei dem erschrockenen Blick der Wissenschaftlerin lächelte er und erhob beschwichtigend seine Hand, "Ein Blick in die Augen verrät mehr als du denkst... aber so wie dein Hüftgelenk krumm und schief zusammengewachsen ist, wundert es mich, dass du nichts Schlimmeres nimmst."

Das Lächeln wich einem betrübten Blick, den Ben zu Boden wandte. Ungute Erinnerungen an Elarge kamen in ihm hoch, als er daran dachte, wie viele junge Menschen mit solch schlecht verheilten Knochen bei ihm auf dem Operationstisch gelandet waren. Sie waren bei früheren Verletzungen in andere Lazeretts gekommen und wieder an die Front geschickt worden, sobald sie humpeln konnten. Dadurch, dass sie sich kaum schnell bewegen konnten, wurden sie daraufhin entweder direkt erschossen, oder sie kamen mit Glück auf den Tisch des ehemaligen Sternenflottenarztes.

Mit verhärmtem Blick sah er wieder auf. "Ich frage nicht warum, ich frage nicht wieso. Ich will dir nur helfen. Oder ist ein körperlich schmerzfreies Leben nicht wenigstens etwas?"

Unter gesenkten Wimpern hatte die Italienerin den Arzt beobachtet. Sein Gesicht, das vorher freundlich, beinahe voller Anteilnahme gewesen war, wirkte nun wie eine Maske, die dunklen Augen blickten bitter.

Der Teil in Gianna, der immer noch wie Loretta Bertoli dachte und fühlte, wollte diesem Mann vertrauen und ihm berichten, wo sie sich diesen Bruch zugezogen hatte und warum er 'schief und krumm' zusammengewachsen war. Unwillkürlich hatte sie schon die Lippen geöffnet, als sie sich gerade noch zurückhalten konnte.

Sie durfte ihm nichts erzählen. Abgesehen davon, dass er selbst darauf hingewiesen hatte, dass sie es ihm  nicht erzählen sollte. Sie würde sich an seine Worte halten.

Die Südländerin lachte bitter auf. "Helfen?"

Halb wandte sie sich ab und blickte zu Boden. Sekundenlang suchte sie nach den richtigen Worten. "Das ... Schmerzmittel bekam ich von den Leuten, die mir halfen. Ich weiß nicht, was es enthält, das versuchte ich gerade herauszufinden."

Wie immer, wenn sie sich auf einem Gebiet bewegte, das ihr durch ihren Beruf vertraut war, wurde ihre Stimme sicherer, gewann an Ruhe und Selbstbewusstsein. "Mir ist bereits aufgefallen, dass das Mittel die Pupillen verengt. Normalerweise komme ich ohne es gut zurecht. Gestern habe ich aber den ganzen Nachmittag gearbeitet - das war wohl etwas zu viel."

Bei den letzten Worten war ihre Stimme wieder leiser geworden. Immer noch hielt sie ihren Kopf gesenkt, blickte aber aus den Augenwinkeln zu Hawkeye hinüber. Und fragte sich, was sie von ihm halten sollte.

--- Küche

Die Gesichtszüge des Franzosen entglitten. Fassungslos starrte die Ägypterin an.

"Touché!", dachte er schmerzerfüllt. Da hatte er ja wohl voll ins Fettnäpchen getreten. Er suchte angestrengt nach irgendeinem Loch im Boden, in das er versinken konnte, doch zu seinem grenzenlosen Bedauern fand er keines.

Aber egal. Nicht nur, dass er hier eine Feuerstelle als Küche unterhalten sollte, nein, hier stand ihm nun auch eine Untertanin des britischen Empire gegenüber! Engländer! Die aßen gekochtes Lammfleisch an Pfefferminzsoße!

Nun gut, das erklärte wenigstens diesen Schlachtraum. Diese verdammten Anglaises mochten ihr Steak ja bekanntlich mehr roh als gebraten.

Aber das sollte nicht sein Problem sein.

"Tüt mir leid, Capitain, mais ich werdö nischt an'euern!", sagte er mit fester Stimme. "Isch 'abö misch 'ier umgeschaut, und 'ier würdö isch nur Perlön vor die Säue werfön!" Perlen französischer Kochkunst vor britische Säue, um genau zu sein.

Aber vielleicht würde er wenigstens herausfinden… "Wenn sie mir vielleischt noch sagen könntön, wie der Flug'afen 'ier eigentlisch 'eißt?"

Na, das konnte ja heiter werden. Bei Gelegenheit würde Zesiro Zorg und Classic zur Rede stellen, um herauszufinden, was zur Hölle sie sich bei diesem 'Koch' gedacht hatten. Wären die zwei nicht schon so lange an Bord, wäre sie jetzt schon wütend auf dem Weg zu ihnen. So aber gewährte sie ihnen die Möglichkeit, sich zu erklären. Immerhin ließ sie sie auch ihr Latinum ausgeben. Und sie hatte sowieso die düstere Vorahnung, dass die Antwort "Wir haben nichts besseres finden können" lauten würde.

Außerdem hatte sie jetzt erst einmal etwas Wichtigeres zu tun. Sie musste diesen Androiden davon überzeugen, dass er auf ihrem Luxusliner eine schillernde Karriere vor sich hatte.

"Ich wäre wirklich sehr enttäuscht, wenn Sie nicht bei uns anheuern würden.", erwiderte sie langsam und überlegt. "Die... Scheichs an Bord verdienen einen Koch Ihres Kalibers. Ganz Ägypten schwärmt von Ihren... Froschschenkeln." Die Ägypterin verbrauchte hier praktisch ihr gesamtes Wissen über französische Kultur. "Die Yingpei ist ein Forschungsschiff. Wir segeln in die... unbekannte Ferne Richtung... Asien und ernähren uns von exotischen Früchten." Sie fragte sich, ob er den Gaghtank schon entdeckt hatte. Hoffentlich hatte er nicht versucht, das Ungeziefer zu bekämpfen. "Nur Sie können die... fremdartigen Zutaten in Gerichte verwandeln, die den Scheichs würdig ist. Wir brauchen Sie!", schloss sie nachdrücklich.

Während ihrer Rede war ihr Gesicht betont ausdruckslos geblieben. Angestrengt hielt sie jede Art von Grimasse, Grinsen und Augenverdrehen zurück.

Jacques war etwas verwirrt.

Dass die Ägypterin jede hochgestellte Persönlichkeit als "Scheich" titulierte, konnte er ja noch nachvollziehen. Und dass ein Forschungsschiff einen guten Koch brauchen konnte, um fremden Stammeshäuptlingen und Paschas mit guten Mahlzeiten zu imponieren, war auch nicht von der Hand zu weisen.

Aber welche fremden Würdenträger mochten gerade an Bord sein? Und in welcher Mission?

Das Interieur jedenfalls war wohl kaum dazu angetan, höheren Ansprüchen zu genügen. Nun gut, um so wichtiger mochte es sein, die Gaumen mit erlesenen Créationen zu verwöhnen.

Das war natürlich ein guter Grund, einen der führenden Köche, wenn nicht den führenden Koch Frankreichs, dem die gefürchtetsten Restaurantkritiker huldigend zu Füßen lagen, um die Mitarbeit bei einer so wichtigen Mission zu bitten. Nun gut, vielleicht würde er sich unter diesen Umständen ja doch breitschlagen lassen.

Und nach dieser Reise würde er mit neuen, exotischen Zutaten, sowie noch dagewesenen Zubereitungsmethoden eine nouvelle cuisine kreieren, er würde die Kochkunst zu noch nie dagewesenen Höhen führen, und er würde bis in alle Ewigkeit auf dem Koch-Olymp zur Rechten ganymeds sitzen! Ja, das sollte seine Reise werden, hier würde er Unsterblichkeit erlangen!

Selig lächelnd wandte er sich an die Kapitänin.

"Nun gut, abör isch fürschte, manschö der Zutatön, die isch 'ier vorgefundön 'abe, sind ein wänig sehr exotisch. 'ätten sie vielleischt zur Anregung ein paar...", wie hatte der Steuermann Rezepte noch mal genannt? Ah ja! "...Ein paar common du côtes"?

Mit verengten Augen sah Zesiro den Androiden an, bis sie dahinter kam, was er von ihr wollte. Der Translator übersetzte jedenfalls nur Nonsens. "Ah!", sagte sie dann. "Rezepte. Klar. Mitkom... Folgen Sie mir." Sie winkte ihn trotzdem mit ungefähr so viel Grazie mit sich, wie sie verwendet hätte, um G'Isch in Richtung einer verstopften Toilette zu schicken.

An der nächsten Computerkonsole angekommen, wandte sie sich wieder Jacques zu.

"Computer, Rezepte für Gagh ausgeben. In Französisch." Auf dem Schirm erschienen Gagh-Rezepte.

Zesiro wandte sich an Jacques. "Du... Sie sprechen einfach den Computer an und sagen ihm, was Sie wollen..." Sie zögerte, als ihr klar wurde, dass der verrückte Android das wahrscheinlich nicht verarbeiten konnte. Sie würde wirklich ein ernstes Wort mit Zorg reden müssen. "Die... freundliche Dame vom Amt, die auf unserer Brücke sitzt, gibt Ihnen alle Rezepte aus, die Sie brauchen."

"Danke, mon capitan!", der Androide beugte sich über das Terminal, auf dem der Zentralcomputer die Rezepte abbildete.

"Danke, mon capitan!", der Koch beugte sich über die Rezeptbücher, die ihm Madmoiselle Computeur, das nette Fräulein aus dem Archiv, per Rohrpost zukommen hatte lassen.

"Gagh, soso...", murmelte er vor sich hin.

Irgendwie waren die Rezepte seltsam.

So gab es ein Gericht, das hieß:

"Gagh in der Schüssel

Zutaten: Gagh

Zubereitung: Man nehme frischen Gagh und lege ihn in eine Schüssel"

Was war das denn für ein Rezept?

Aber es ging weiter:

"Gagh im Glas

Zutaten: Gagh

Zubereitung: Man nehme frischen Gagh und lege ihn in ein Glas"

"Gagh in der Schale

Zutaten: Gagh

Zubereitung: Man nehme frischen Gagh und lege ihn in eine Schale"

"Gagh auf der Platte

Zutaten: Gagh

Zubereitung: Man nehme frischen Gagh und lege ihn auf eine Platte.

Vorsicht, Fluchtgefahr!"

Was um alles in der Welt wohl "Gagh" war? Sonderlich viele Varianten der Zubereitung schien es wohl kaum zu geben.

Aber hier, mal was Neues:

"Blutwein

Zutaten: Gagh

Zubereitung: Man stecke Gagh in den Entsafter. Drei Wochen reifen lassen. Bei Zimmertemperatur servieren!"

Jacques runzelte die Stirn. "Mon capitan, könntön sie mir vielleischt zeigön, wo sie den Gagh lagörn?"

Er brannte darauf, zu erfahren, wie diese exotische Zutat wohl aussah.

--- Labor

Ben musste sich stark zusammenreißen, die so verletzliche Frau vor ihm nicht in den Arm zu nehmen, ihr über den Kopf zu streicheln und ihr ein 'Ist doch nicht so schlimm' zu zuraunen. Innerlich verkrampfte der Arzt. Er hasste seine emotionale Seite, die ganz wunderbar mit seinem unbeugsamen Gewissen an seinem Verderben arbeitete.

Sein Mitgefühl und hippokratisches Pflichtbewusstsein hatten ihm die schlimmsten Jahre seines Lebens eingebracht. Allein der Alkohol gab ihm die Kraft des, wenigstens zeitweisen, Vergessens und Verdrängens, um weiter zu machen. Weiter damit zu machen, Leuten zu helfen, die Hilfe brauchten und diese manchmal gar nicht wollten. Weiter damit zu machen, rastlos herumzureisen, von inneren Dämonen getrieben, nicht fähig, sich emotional zu binden oder länger an einem Ort zu bleiben.

Weiter damit zu machen, zu versuchen, dem Tod immer wieder ein Schnippchen zu schlagen, bis er dann doch unausweichlich kam. Weiter damit zu machen, zu versuchen, als Einzelkämpfer in einem grausamen Universum die Schmerzen zu lindern.

Und genau diese Erkenntnis, einen aussichtlosen Kampf zu kämpfen und doch nicht aufhören zu können, gab ihm die Gewissheit, dass es für ihn in diesem Leben kein Happy End geben würde.

Das einzige, was ihm die Kraft gab, weiter zu machen, war der Alkohol.

Und vielleicht das Lächeln einer hübschen, schüchternen Frau, nachdem er ihr wenigstens ein bisschen geholfen hatte.

"Wenn du ja sagst, kann ich dir helfen, dass du so gut wie keine Schmerzen mehr hast. Und vor allem kannst du wieder so laufen und dein Bein so belasten wie... vorher." Ben passte auf, Gianna nicht zu nahe zu treten. Er wollte ihr einfach nur helfen. Was ihr zugestoßen war, ging nur sie was an. "Ich kann dich nicht zwingen, sondern nur bitten..."

'Keine Schmerzen mehr?', verlockend war dieser Satz auf jeden Fall. Gianna war ihr Leben lang nie wirklich krank gewesen, und deshalb machte sie dieses Handicap erst recht wahnsinnig. In einem geordneten terranischen Leben wäre es unproblematisch gewesen - aber sie hatte auf Gintrar gemerkt, was jemand wert war, der sich nur eingeschränkt bewegen konnte, so verhältnismäßig unzivilisiert, wie der Planet noch war.

Und hier?

Sie wusste nicht, was sie auf der Yingpei erwartete. Nach den Worten des Captains konnte das Leben auch hier gefährlich sein...

Sehr langsam hob sie ihren Blick vom Boden, bis sie direkt in das Gesicht ihres Gegenübers blickte.

Gianna stellte fest, dass die Gegenwart des Mannes vor ihr sie nicht mehr so stark beunruhigte, wie noch vor einigen Minuten. Aber sie wusste nichts von ihm... Und würde sicher auch nichts erfahren, selbst wenn sie fragte. Was sie sicherlich nicht vor hatte.

"Das hört sich nicht schlecht an", ein zaghaftes Lächeln umspielte ihren Mund. "Aber... verzeih mir, wenn ...", die Italienerin nahm ihre Unterlippe zwischen die Zähne. Wie konnte sie sagen, was sie jetzt sagen wollte? Sagen musste?

Gianna schluckte und nahm ihren Mut zusammen. "Ich weiß nicht, was Du kannst." Ihr Blick drohte wieder, den Boden zu suchen. "Verzeih mir, wenn ich das Angebot erst einmal abweise.“

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