Yingpei - Chronik 10

Die Hand

--- Labor

Der Franzose betrat das Labor. Doch Mademoiselle Alessi hielt sich derzeit offensichtlich nicht dort auf.

Alles stand ordentlich an seinem Platz.

Eine ihm unbekannte Apparatur in einer Ecke des Raumes war wohl mit der Analyse von was auch immer beschäftigt. Auf mehreren Bildschirmen tanzten Diagramme und Zahlenkolonnen, die dem Franzosen rein gar nichts sagten.

Auf einem Tisch befand sich eine Schale mit einem grünen Rückstand darin. Wohl eine zerstoßene Pflanze. Die Neugierde und damit der Koch in ihm gewannen wieder die Oberhand. Collins hatte ja gemeint, er solle nicht so schnell aufgeben. Und hier waren neue Zutaten - genau das, weshalb er die Reise überhaupt angetreten hatte.

Vielleicht gab dieses grüne Zeug ja ein gutes Gewürz ab... Er unterzog das Pulver einer sensorischen Prüfung. Der Geruch war nicht alkaloid. Keine Warnfarbe. Wenig ölig. Nichts wies auf Gift hin.

Jacques konnte nicht widerstehen. Vorsichtig kostete er eine winzige Messerspitze dieses Gewürzes in spe. Es schmeckte interessant. Leicht nussige Note, mit einem Hauch Ingwer, abgerundet durch Lemonengras und im Abgang etwas erdig.

Könnte gut zu Gagh passen. Der Koch klopfte den Inhalt der Schale auf ein Blatt Papier, das er faltete und in eine Hosentasche packte.

Er würde Alessi fragen müssen, was für ein Gewürz... Ja, wo war sie eigentlich? Weit und breit war keine Spur von ihr zu sehen.

"Mademoiselle?", rief der Koch. "Mademoiselle!"

Nichts.

Keine Antwort.

"Niemand da!", murmelte der Koch frustiert. "Erst er'alte isch den Befehl, hier'erzukommen, und dann ist niemand da. Das ist ja ßum Wändö 'ochge'ön!"

"Befehl bestätigt!", meldete sich laut und deutlich die Stimme das Bordcomputers.

Mit eine lauten metallischen Knacken, gefolgt von einem satten Zischen und Summen, teilte sich eine Wand des Labors in der Mitte horizontal und verschwand in Boden und Zimmerdecke. Sie gab den Blick frei auf einen Nebenraum. Dieser enthielt offensichtlich eine Krankenstation - und eine überraschte Wissenschaftlerin, die auf einer Pritsche sitzend, an eben dieser Wand gelehnt hatte und nun, ihrer Rückenlehne beraubt, rückwärts kopfüber in ihr Labor purzelte.

--- Brücke

Silvana setzte ein schiefes Grinsen auf und fuhr sich mit der Hand durch ihre kastanienbraune Mähne, während sie den Arzt musterte. "Du wirst auch noch lernen, dass ich mich in der Regel für nichts entschuldige was ich tue. Bei Toten stößt man leider auf taube Ohren." Sie zwinkerte Hawkeye zu und fragte sich noch immer, was sie von ihm halten sollte. Er war offenbar verdammt gut in seinem Fach, dem Alkohol sehr zugetan und suchte zu unmöglichen Zeiten das Örtchen auf. Nobody was perfect. Schon gar nicht hier auf der Yingpei.

"Doktorchen, ich frage mich die ganze Zeit von welchem Stern du kommst. Hier nennt man das nämlich nicht "selbstverschuldete Verletzungen", sondern immer noch sichtbare Spuren vom Kampftraining. Der Feind kämpft auch nicht mit Schutzaufsätzen auf den Klingen oder Taschenlampen statt Phasern." Das darauf folgende Schmunzeln ließ ihr Zähneblecken wie das eines verspielten Schmusekätzchens wirken und lenkte von der Gefährlichkeit des Raubtiers ab.

"Im Übrigen war das nur ein kleiner Kratzer und nicht der Rede wert. Mehr Ärger für die Putzcrew, als für mich. - Aber ich kann dir ja bei Gelegenheit trotzdem eine Flasche Blutwein zur Begrüßung rüberreichen. Immerhin wird wohl die meiste Zeit mein Name im Spiel sein, wenn du Arbeit kriegst." Damit wandte sie sich vom Schiffsarzt ab und Classic zu.

"Schon was zu sehen von unseren Freunden? Ich bin immer so aufgeregt vor einem Date." Trotz ihres rauen Lachens konnte sie das erwartungsvolle Pulsieren des Blutes in ihren Ohren hören.

"Wenn jemand dumm genug ist sich mit dir anzulegen, schuldet derjenige mir eine Erklärung, warum ich ihn behandeln sollte...", antwortete Hawkeye Silvana grinsend auf das Angebot, "Aber die Sache mit dem Blutwein hört sich verdammt gut an. Je nachdem, wann diese spannende Geschichte hier, was auch immer uns eigentlich erwartet, bzw. worauf ihr hier wartet, vorüber ist. Ich hoffe aber, das dauert nicht solange, ich habe schon ewig nicht mehr gepennt..."

Ein wenig frustriert drehte Classic sich zu Silva um. Sensorinformationen und die Daten des Flugleitsystems umspielten das Gesicht der Katzenfrau. Entgegen der Gerüchte unter der Crew betrachtete er das Antlitz Silvanas lieber ungetrübt jeglicher Elektronik. In diesem Fall aber, bei dem jederzeit ein unbekannter Angreifer das Schiff unter Feuer nehmen könnte, wollte er auf keinen noch so geringen Vorteil verzichten.

Mit einem innerlichen Schulterzucken schüttelte er diese Gedanken wieder ab. Die geteilte Aufmerksamkeit ließ ihn ein wenig langsamer als sonst sprechen, die Stimme gezeichnet von seiner derzeitigen Stimmung: "Nichts, aber so rein gar nichts ist da draußen. Ich versuche schon seit wir beschleunigten, jedes noch so kleine Rauschen auf unseren Sensoren in irgendeinen Zusammenhang zu bringen. Nichts."

Er überlegte einen kurzen Augenblick, ehe er fortfuhr: "Dann wiederum, wenn es so einfach wäre, ein getarntes Schiff zu orten, würde man nicht von einer Tarnvorrichtung sprechen. Ich bin kein Astrophysiker, was ich versuche, ist pure Mathematik. Ich glaube schlicht, dass wir weder das Sensorsystem noch die entsprechenden Reserven im Computerkern haben, die für eine vollständige Analyse nötig wären.

Wieder tanzte ein neuer Satz Diagramme über Silvanas Wangen, mit dem immer gleichen Ergebnis:

Nichts.

"Argh", stand Hawkeye laut und vernehmlich auf. "Ne, das ist mir doch zu langweilig hier. Wenn ihr irgendwas von mir wollt, findet ihr mich auf der Krankenstation. Oder auch nicht, je nachdem ob ich Hausbesuche mache..."

Ben hatte sich von seinem Aufenthalt auf der Brücke erhofft die Gefahr auf sich zukommen zu sehen, um zu wissen was ihn erwartete. Aber da selbst der Cyborg von nichts wusste, konnte er sich ebenso gut in der Krankenstation vaporisieren lassen.

Dann aber wenigstens mit einem Whisky in der Hand.

"Die Damen, die Herren, ich empfehle mich!", verabschiedete er sich schelmisch grinsend, um dann anschließend lauthals singend die Brücke zu verlassen.

"What should we do with the drunken sailor?
What should we do with the drunken sailor?
What should we do with the drunken sailor, early in the morning..."

--- Quartier 18

"Tja", sagte Jack leise. "Aller Anfang ist schwer!" Er bückte sich und hob den Rest seiner Ausrüstung vom Boden auf. Alles war im Raum verstreut. Dabei fiel sein Blick auf die Waffe in dem Koffer und er fragte sich, warum jemand diese Waffe so extrem sicherte.

Vielleicht sollte die Ladung verhindern, dass Zesiro das Gewehr findet, was aber auch ziemlich sinnlos wäre. Die Explosion wäre nicht unbemerkt geblieben. 'Ist sie jetzt aber auch!', dachte Collins. Niemand schien die Explosion bemerkt zu haben. Er zog seinen Tricorder aus der Tasche.

Die Sensoren wurden angezeigt. Auch ihre Funktionen waren nicht beeinträchtigt. Sie hätten Alarm geben müssen. Der Psychologe untersuchte den Koffer. Definitiv eine Plasmaentladung mit... Collins stutzte. Noch einmal überprüfte er die Einstellungen des Tricorders. Das Ding war in Ordnung. Die Reststrahlung des Plasmas aber nicht.

Der ganze Koffer hatte diese minimale Reststrahlung des Plasmas. Nicht schädlich, aber auch nicht normal. Er nahm die Waffe heraus und sah sie sich genauer an. Sie stammte von der Föderation, war aber scheinbar nicht umgebaut, wie Jack zunächst vermutete.

Es war seltsam, eine Partikelstrahlwaffe neuester Bauart, so neu, dass es sie eigentlich noch gar nicht geben dürfte. 'Vielleicht ein Prototyp', dachte der Terraner. Das erklärte aber nicht, warum das ganze Ding irgendwie phasenverschoben war.

In dem Kopf des Psychologen braute sich etwas zusammen. Fakt war: Alle Ereignisse auf der Yingpei passten irgendwie nicht zusammen. Da war der Koch, das Trilithium und dann der ganze Zauber hier in seinem Quartier. Er konnte es drehen und wenden wie er wollte, nichts passte, außer...

Es könnte mehrere Möglichkeiten geben. Vielleicht eine Art Zeitdehnung oder Raumzeitmanipulation. Das Trilithium könnte eine Energiequelle sein, die man braucht, um so eine Technologie zu betreiben. Unmutig schüttelte Collins den Kopf. Er fing an zu spekulieren, wahrscheinlich weit weg von der Realität, musste aber zugeben, dass dann einige Sachen sehr gut zusammenpassten.

'Wir brauchen Fakten!', dachte Jack und nahm die Waffe. Die Energiepacks waren im Gegensatz zu den Standartpacks erheblich kleiner. Er steckte sich zwei Packs in die Tasche und ging dann zur Tür. 'Wollen doch mal sehen, was unsere Chefin dazu sagt', dachte er und verließ sein Quartier.

--- Deck 2, Gänge

Bewundernd wog der Psychologe die Waffe in der Hand. Sie war sehr leicht und lag gut in der Hand. Nicht so, wie die klobigen Standartwaffen. Collins nahm den Treppenaufgang zum Deck 3 und stand auch schon vor der Brücke.

--- Brücke

Nur kurz überflog der Terraner die Brücke. Classic saß wie immer souverän und scheinbar völlig entspannt vor seinen Kontrollen. Wobei Jack wusste, was der Mann so drauf hatte. Zesiro saß auf dem Captainsthron während Silvana an den Waffenkontrollen stand.

Außerdem saß noch ein Jack nicht bekannter Mann, der aussah, als wenn er gerade einem Piratenfilm entsprungen war, an einer der Konsolen. Mit anderen Worten, die Brücke war voll.

"Ich will auch nicht lange stören", sagte Collins. "Unser Koch hat ein paar Sachen gefunden. Unter anderem dieses Baby hier." Er hielt den beiden Frauen das Gewehr hin. "Ziemlich modernes Teil. Ihr zwei seid Waffenexperten. Ich würde gerne mal wissen, welche Baureihe das ist. Außerdem hat das Ding eine molekulare Phasenverschiebung, die ich mir nicht so recht erklären kann."

'Na ja', dachte er weiter, 'könnte ich schon. Klingt dann aber ziemlich abgehoben.'

"Außerdem würde ich gerne wissen", fuhr Jack fort, "ob in der letzten halben Stunde die Schiffssensoren eine Plasmaentladung oder sonst irgendeine Explosion registriert haben und zwar im Quartier 18, auf Deck 2."

--- Krankenstation

Gut gelaunt und singend betrat Hawkeye die Krankenstation, hielt sich direkt scharf rechts und peilte seinen Rucksack an, der hinter dem Bordarzt-Schreibtisch lag. Lächelnd entnahm er ihr die Flasche schlechten Whisky vom Profitbrunnen und ließ sich zufrieden auf den Stuhl fallen.

Noch zufriedener legte er den Kopf in den Nacken, drehte sich blind mit dem Stuhl und ließ seine Füße polternd auf den Schreibtisch fallen. Der Boden auf der Brücke war auch schon vergleichsweise bequem, aber Polster waren schon besser.

Gerade als er die Flasche mit einem vernehmlich 'plopp' entkorkte und die bernsteinfarbene Flüssigkeit seine Kehle herunterlaufen lassen wollte, öffnete er seine Augen.

Ungläubig weiteten sie sich.

Wie von der Tarantel gestochen fuhr er auf und brüllte,

"VERDAMMT NOCHMAL, WER HAT MEINE WAND GEKLAUT?!"

--- Brücke

Silvana ließ Zesiro den Vortritt sich das "Baby" zu greifen, was sie denn auch mit einem Leuchten in den Augen unverzüglich tat. Die Ägypterin hortete nicht umsonst sämtliche Schiffswaffen dekorativ in ihrem Quartier. Und zurzeit war es auf der Brücke denkbar langweilig und jede Abwechslung war von Herzen willkommen.

Zu Jack gewandt meinte Silvana nachdenklich: "Die Schiffssensoren haben nichts dergleichen gemeldet, sonst wüsste ich davon. Aber Classic kann sie gerne noch mal überprüfen oder in den Logs nachsehen." Sie warf einen flüchtigen Blick auf die Waffe und ihr Gesicht verfinsterte sich, bevor sie wieder den Psychologen fixierte. "Es gefällt mir gar nicht, dass Dinge an Bord vorgehen von denen ich nichts mitbekomme", meinte sie mehr in Gedanken, als an eine Person gewandt.

"Ich nehme an, du fragst nicht ins Blaue hinein nach einer Plasmaentladung oder einer Explosion, wenn du keinen Verdacht hast. Was ist von dem Quartier und dem Koch noch übrig?"

Zesiro sah flüchtig auf, da sie die Frage allerdings auch brennend interessierte. Dann wandte sie sich wieder der Partikelwaffe in ihrer Hand zu. Sie war überwältigend elegant, und zu jedem anderen Zeitpunkt hätte sie alles gegeben, um sich mit einem solchen Spielzeug beschäftigen zu können.

--- Labor / Krankenstation

Zuerst war Jacques vor Schreck erstarrt, als sich, ohne jede Vorwarnung, die Wand geöffnet hatte.

Danach war er für eine Sekunde wie paralysiert stehen geblieben, als Mademoiselle Alessi von ihrer Pritsche gestürzt und reglos liegen geblieben war.

Er war Koch, und kein Arzt. Reglose Personen überforderten ihn ein wenig.

Und gerade, als er der Wissenschaftlerin hatte zu Hilfe eilen wollen, kam dieser Quacksalber herein und erhöhte mittels eines Gebräus, von dem Jacques lieber gar keine näheren Informationen haben wollte, seinen Alkoholpegel erst einmal wieder auf Betriebszutand, bevor er sich über die fehlende Wand aufregte.

"Isch bin kein Ingenieur, Monsieur le docteur", meinte der Franzose, erleichtert darüber, dass sich nun jemand hinzugesellt hatte, der, wenngleich vermutlich inkompetent, so doch zumindest nun eindeutig die Verantwortung für Mademoiselle Alessi übernehmen musste.

Dieser Mann war nun ohne Zweifel zuständig, und schlechter als Jacques konnte er in Medizin eigentlich nicht sein. Zumindest hoffte der Franzose das.

"Bei Fragön ßur Schiffskonstruktion solltön Sie jemand andörs fragön. ßum Beispiel Mademoiselle Alessi,", fuhr er betont trocken fort, "die dort reglos in der Mittö des Raumös liegt, eigentlisch ihrö Patientin sein sollte und einem weniger alko'olfixierten Arzt sicher auch ohne fremde 'ilfe aufgefallön wärö!"

--- Maschinenraum

Junas Hilfe kam bei ihrem Herren an, obwohl sie nicht all zuviel ausmachte. Seine Gedanke klärten sich zwar etwas, aber seine Verwirrung nahm nicht gänzlich ab. Vom Zittern und vor allem vom Hämmern in seinem Kopf ganz zu schweigen. Er konnte zwar nicht klar genug denken, um zu verzweifeln, aber die Art wie er sich an seine Dienerin klammerte war dem sehr ähnlich.

Nach endlosen Sekunden klärte sich der Geist des El-Aurianers ein kleines Stück weiter und die Erinnerungen daran, warum er hier war kamen langsam zurück.. und mit ihnen die Erkenntnis, dass zumindest ein Teil der hämmernden Geräusche daher kam, dass seine Faust immer wieder gegen die Schranktür schlug, die inzwischen eine Beule aufwies. In der Beule erkannte der Ingenieur ein paar Blutspritzer.

Während er noch versuchte, deren Anwesenheit zu verstehen, hatte die Orionerin nach seinem Arm gegriffen um diese davon abzuhalten, weiter zu machen. Die schmerzende Hand lenkte Kwhiro zwar von dem Pochen in seinem Kopf ab, aber seine Versuche die Beule zu vergrößern waren erfolglos. In ihm machte sich langsam die Erkenntnis breit, dass sich sein Arm trotz größter Anstrengungen kaum bewegte, aber Juna dafür umso mehr.

Nachdem der Ingenieur endlich zu dem Schluss kam, dass diese beiden Beobachtungen einen direkten Zusammenhang hatten, stoppte er weitere Versuche. Schweiß rann ihm von der Stirn und wie hinter einem Schleier, konnte er das besorgte Gesicht seiner Geliebten erkennen. Irgendetwas musste passiert sein.

Ihre Lippen bewegten sich, aber das was in Kwhiros Hirn davon ankam, ergab keinen Sinn. Er hob die schmerzende Hand, betrachtete sie verständnislos und entdeckte das Blut daran. Wie in einem Reflex murmelte der El-Aurianer: "Doktor...." Als nichts passierte wieder, diesmal lauter: "DOKTOR!"

Die Sklavin reagierte schnell. Es war eine gute Idee, auch wenn ihr Besitzer wohl auf anderen Wegen als sie zu dem Schluss gekommen war. Sie betätigte den Kommunikator: "Medizinischer Notfall im Maschinenraum. Wahrscheinlich Vergiftung... oder das Gegenteil."

Sie unterbrach die Verbindung, um Kwhiros Arm wieder zu packen, dessen Ende inzwischen doch die Beule wieder vergrößert hatte.

--- Wissenschafts-/ Krankenstation, zur gleichen Zeit

Verdattert versuchte Hawkeye zu der Stelle zu blicken, auf die Jacques zeigte. Tatsächlich erblickte er eine Stiefelspitze hinter dem Bett, was den Arzt, schneller als man es ihm zutrauen würde, sofort zu ihr hineilen ließ.

Automatismen bemächtigten sich Ben, der an dem, merkwürdigerweise halb verkohlten, Androiden vorbeistürmte. Mit einer Hand klappte er den Tricorder auf, während er mit der anderen schon den Sensor genommen hatte und anfing zu scannen.

Gianna war augenscheinlich hinterrücks in ihr eigenes Labor gefallen, völlig von der verschwundenen Wand überrascht. Die zierliche Frau lag nun wie ein kleines Kind zusammengekauert genau hinter dem Biobett, so dass sie eben tatsächlich aus Bens Blickwinkel nicht zu sehen gewesen war.

Hawkeye atmete erleichtert auf, als er, abgesehen von einer winzigen Platzwunde am Hinterkopf, keine wirklichen Verletzungen feststellen konnte. Giannas Körper schien diese Gelegenheit einfach dazu zu nutzen, ein bisschen von ihrem Rausch loszuwerden.

Leicht kopfschüttelnd steckte der Arzt den Tricorder weg und nahm Gianna vorsichtig auf seine Arme. Ebenso behutsam legte er sie auf das einzige nicht mit kuriosen Geräten beladene Biobett und aktivierte das Kraftfeld.

Schließlich konnte man nicht wissen, wann der "Spaß", wie Silvana sicher sagen würde, anfing und er wollte ungern riskieren, dass Gianna schon wieder von einem Biobett fiel. So etwas konnte Traumata verursachen.

Der Gedanke an die Raubtierfrau erinnerte Ben daran, dass er seine Erste Hilfe Tasche packen sollte, schließlich lagen solche Pakete nicht unter jedem Stuhl. Gewissenhaft und erstaunt darüber was hier so alles herumlag, packte er alles in seine alte Umhängetasche. Zusammen mit dem Whisky verstand sich.

Fertig ausgerüstet fiel ihm erst jetzt auf, dass der Koch immer noch neben dem Biobett der Italienerin stand. Er wartete scheinbar darauf, dass er irgendwas Medizinisches tat, oder zumindest Gianna aufweckte oder so.

Leicht lächelnd ging er zu ihm, lehnte sich an das Bett seiner einzigen Patientin und sprach den Androiden an.

"Sie wird sterben...", begann er mit todernster Stimme, als der einkommende Notruf den zweiten Teil des Satzes verschluckte. Dieser hätte ungefähr 'in 40 bis 60 Jahren' gelautet.

Aber dazu kam es nicht mehr, da Hawkeye, noch bevor Juna ihren Funkspruch zu Ende gesprochen hatte, aus der Krankenstation verschwunden war.

--- Deck 3, Gänge

'Vergiftung? Gegenteil?', rasten Bens Gedanken, 'Gegenteil von Vergiftung... Entgiftung... Entzug?!?!', laut aufstöhnend rannte der Arzt weiter. Wie viele Abhängige mochte es auf diesem Schiff noch geben?

--- Brücke

Prüfend entlud und lud Zesiro die Waffe, wirbelte sie herum und legte auf einen Punkt am Boden an, alles innerhalb von Sekunden. Perfekte Balance. Sie konnte kaum darauf warten, sie Kwhiro in die Hand zu drücken (davon abgesehen, dass man so eine Waffe ganz einfach nie wieder aus der Hand gab), um herauszufinden, was für Mechanismen sich neben dem sekundären Energielager befanden. Sah aus wie eine der neuen Titanium-Ladefunktionen, von denen sie gelesen hatte, aber sie hatte so eine Ahnung, dass das nicht alles war.

Man konnte natürlich immer abdrücken und es herausfinden. Aber ohne Vorbereitung auf den kleinen roten Knopf drücken war in keinem Zesiro bekanntem Universum eine gute Idee.

Stirnrunzelnd suchte sie die Waffe nach einem Herstellerlabel ab, fand aber keines. Sah aus wie die Entwürfe des nausicaanischen ZF-1, war aber schon mal viel zu leicht, um eins zu sein.

In der Zwischenzeit hatte Classic sich einen Moment für die Analyse der Schiffsprotokolle genommen. Jetzt, da er einen genauen Anhaltspunkt hatte, fiel es ihm auch nicht schwer, die Inkonsistenzen zu finden. Primitiv, aber gut, schloss er.

"Die Schiffssensoren sind völlig in Ordnung, Silva", wandte er sich wieder an die Frau neben sich. "Unser unbekannter Freund hat sich lediglich in die Übertragungswege eingeschlichen. So wie das hier aussieht, werden die Sensordaten durch einen kleinen Prozessor geschleift, der alles Unerwünschte filtert. Gewissermaßen wie eine Überwachungskamera auf Endlosschleife.

Sehr einfach und sehr wirksam, solange man die aufgezeichneten Daten nicht im Detail analysiert. Eine Manipulation des Computerkernes selbst halte ich für äußerst unwahrscheinlich, daher würde ich diese Ge..."

Mitten im Satz brach der Pilot der Yingpei ab und die Ereignisse begannen sich zu überstürzen.

Eine knappe Milliarde Kilometer voraus schälte sich plötzlich ein Sensorkontakt aus dem Nichts. Aus der Warnung, die Classic dem Rest zurufen wollte, wurde nur noch ein übler Fluch aus der Gosse von Omicron. Warnmeldungen huschten über seine virtuelle Sicht als das unbekannte Schiff eine Feuerleitlösung zur Yingpei aufbaute und Sekundenbruchteile später zwei Torpedos auf den Bird of Prey abfeuerte.

Der Pilot reagierte mit einem jahrelang geprägten Instinkt für Gefahren. Ohne Rücksicht riss er das Schiff aus dem Warp-Flug. Eines war klar, wenn die Torpedos das Schiff im Warp-Flug abfangen würden, würden die Yingpei schwerste Schäden davontragen.

Die Trägheitsdämpfer heulten im gleichen Moment auf, als das Warp-Feld zusammenbrach. Alle auftretenden Beharrungskräfte konnten sie nicht mehr kompensieren, krampfhaft hielt Classic sich an der Steuerkonsole fest. Er hoffte nur, dass es niemanden übermäßig unvorbereitet traf. Die Disziplin der Crew unter Gefechtsbedingungen ließ seiner Meinung nach doch gelegentlich zu wünschen übrig.

Gerade eben rechtzeitig war seine Reaktion gekommen. Noch während sich die Schutzschirme aufbauten, rasten die beiden Torpedos dicht vor dem Bug der Yingpei vorbei ohne Schaden anzurichten...

--- Gänge

Hechelnd eilte Hawkeye die Treppe zum Maschinenraum hoch, als auf der letzten Stufe ein gewaltiger Ruck durch das Schiff fuhr. Unkontrolliert mit den Armen rudernd segelte Ben durch die Luft.

'Heute ist ein beschissener Tag...', fuhr es ihm durch den Kopf, bevor er mit gerade diesem auf dem dreckigen Boden aufschlug.

--- Wissenschafts-/ Krankenstation, zeitgleich

Der Franzose war erschüttert. Wie konnte dieser Arzt nur so seelenlos sein. Teilte der Kerl ihm doch kalt lächelnd mit, dass die junge Italienerin dem Tode geweiht war, um dann aus dem Raum zu stürmen.

Mit zitternden Beinen näherte sich der Koch der wie schlafend daliegenden Wissenschaftlerin. In Wirklichkeit lag sie wohl im Koma.

Sein erster Verdacht fiel auf den Säufertod, der hier in verschiedenen Versionen als Getränk im Umlauf war. Vermutlich hatte diese Frau irgendwie Zugang dazu gefunden.

Erst Blindheit, dann Tod. Typische Methanolvergiftung.

Dabei hatte diese Frau doch eindeutig Zugang zu Blutwein allerbester Qualität gehabt. Jacques wusste noch immer nicht, woher. Und nun sollte sie dahinscheiden, und sie würde ihr Geheimnis mit ins Grab nehmen.

Jacques hatte noch nie jemanden beim Sterben begleitet. Austern und Gagh mal ausgenommen. Er wusste überhaupt nicht, wie er sich verhalten sollte.

Eigentlich sah die Italienerin ganz gesund aus. Vitale Gesichtsfarbe, ruhiger Atem. Nun gut, die nicht behandelte Platzwunde am Kopf störte schon ein bisschen. Hawkeye schien klare Prioritäten zu setzen. Wenn eine Patientin nicht mehr zu retten war, bekam sie gar keine Behandlung. Wäre ja nur Verschwendung.

Dieser 'Arzt' war kein Mensch. Das war eine Medizinmaschine.

Wenn überhaupt.

Vielleicht hatte er ja auch einfach nur nicht gewusst, wie man mit einer Platzwunde umging.

Ein heftiger Ruck ging durch das Schiff und riss Jacques sowohl aus seinen Gedanken als auch von den Beinen. Aus einem Augenwinkel sah Jacques, wie Mademoiselle Alessi von dem heftig aufleuchtenden Kraftfeld des Biobettes unerbittlich zurück auf ihre Lagerstatt gewiesen wurde. Er vermeinte, ein leises Stöhnen zu hören.

Dann prallte er auf dem Boden auf.

--- Maschinenraum, Warpkammer, zeitgleich

'Hoffentlich beeilte sich der Arzt...'. Es war nicht einfach ihren Herrn vor weiteren Selbstbeschädigungen zu beschützen. In seinem Wahn schaffte er es immer wieder eine Hand frei zu bekommen um damit auf seine Umgebung einzuschlagen. Am liebsten hätte sie ihn gefesselt, bis der Doktor eintraf. Unglücklicherweise konnte sie aber nichts Geeignetes dazu entdecken.

Die Orionerin realisierte, dass sie dieses Handgemenge nicht ewig fortsetzen konnte, nicht wenn sie ihn nicht verletzten wollte. Und das stand außer Frage. Sie drückte ihren Gebieter mit aller Kraft zu Boden, mit einer Hand auf seinen Kopf achtend, kniete sich über ihn und schaffte es schließlich endlich die Oberhand zu bekommen und Kwhiros Arme mit ihren Knien festzuklemmen.

Auch jetzt noch wehrte sich der Verwirrte heftig gegen seine Einschränkung. Schweiß tropfte von Junas Oberkörper auf den El-Aurianer hinab. Sie sprach leise und beruhigend auf ihn ein.

Plötzlich erbebte das Schiff. Wie von einem bockigen Selat abgeworfen, flog die Sklavin zur Seite. Schnell rappelte sie sich wieder auf, um zu ihren Herrn zu eilen, der über den Boden geschlittert und von einer Wand abrupt gestoppt worden war.

Sie kniete sich neben ihn, versuchte festzustellen, ob sich sein Zustand durch den Sturz noch weiter verschlechtert hatte. Juna kam nicht dazu etwas festzustellen, da Kwhiros blutende Faust die Wand gefunden hatte und erneut versuchte sich einen Weg hindurch zu bahnen. Der Ringkampf begann von neuem.

--- Brücke

Instinktiv hatte Silvana sich an die Waffenkonsole gekrallt um ihren sicheren Halt nicht zu verlieren und sofort zurückschlagen zu können. Nur harrten ihre Finger wie Klauen über den Kontrollen bereit jederzeit zu zuschlagen. Leider machte ihr Gegner ihr nicht das Vergnügen sich eine Blöße zu geben. Alles hätte sie darum gegeben jetzt an Bord der Privateer zu sein. Doch hier waren ihr die Hände gebunden. Keine Torpedos nur simple Disruptorkanonen.

Hinter sich hörte sie Jack fluchen und sich wieder aufrappeln. Noch bevor er ihr hatte antworten können, hatte ihn der Angriff und Classics darauf folgendes Manöver überrascht und von den Beinen geworfen. Aber Koch und Quartier waren jetzt zweitrangig. Andere Probleme hatten den Vorrang.

Sie wandte sich an den schwarzhaarigen Mann an ihrer Seite. "Classic, kannst du diesen Prozessor von hier aus deaktivieren oder müssen wir ihn manuell unschädlich machen? Ich mag nicht blind sein, falls man uns hier besuchen möchte oder Martinez noch eine andere Schweinerei an Bord angebracht hat, die sich automatisch auslöst, ohne dass wir auch nur Wind davon bekommen."

Für einen Moment dachte sie daran, als sie selbst die Jumpermutter an Bord des gegnerischen Schiffes gebeamt hatte, nachdem sie dessen Schilde für einen Moment deaktiviert hatten. Es kam ihr wie vor einer Ewigkeit vor. Die katzenhafte Frau schluckte und ihre Hände zitterten unmerklich.

"Und werft die verdammte Tarnvorrichtung an", fügte Zesiro mit scharfer Stimme hinzu. In einer fließenden Bewegung war sie aufgestanden, die Waffe vergessen, und an Piersons Seite, um ihm über die Schulter zu sehen.

Aber der Kommunikationsoffizier schüttelte nur den Kopf, um zu signalisieren, dass die Yingpei sich mal wieder zierte.

"Zorg!", schnappte Zesiro in ihren Kommunikator. "Tarnvorrichtung, jetzt!"

Wo war der Mann, wenn man ihn brauchte?

--- Wissenschafts-/Krankenstation

Ihr Schädel brummte. Langsam schlug die Italienerin die Augen auf und wunderte sich, warum sie hier auf dem Biobett lag. Ächzend richtete sie sich auf und wollte ihre Beine aus dem Bett schwingen, als sich das Kraftfeld des Bettes aktivierte.

Gefangen.

In einem Biobett.

Warum?

"Verdammter Mist, wo ist der hirnverbrannte Idiot, der mich hier eingesperrt hat!", entfuhr es ihr, bevor sie über ihre Wortwahl nachdenken konnte. Was sie sicherlich getan hätte, wäre ihr bewusst gewesen, dass jemand - wenn auch nur ein Androide - in der Nähe war...

Besagter Androide richtete sich nun ächzend auf und gelangte so in das Blickfeld der Wissenschaftlerin.

Er wandte sich an die Todgeweihte. "Oh, Mademoiselle Alessi, das freut misch abör, dass sie noch ni...", erschrocken brach er mitten im Satz ab. Er hatte nicht vor, die Italienerin über ihre hoffnungslose Situation aufzuklären.

"Der Monsieur le docteur 'at sie 'ier niedörgelegt, bevor er wegön einös wischtigön Notfallös 'infortgerufön wurdö. Sie waren gestürzt und nischt bei Bewusstsein!", erläuterte die Gestalt mit dem riesigen Brandfleck auf der Brust.

Besser, er wechselte das Thema. "Abör irgendetwas ist passiert. Soebön gab es eine Erschütterung im Schiff!"

Ahnungslos hob er die Schultern.

"Isch weiß nischt, was passiert ist!"

--- Brücke

"So ein verdammter Mist", fluchte Jack laut und rieb sich den Hinterkopf. Der Angriff hatte ihn völlig überrascht. Er war beim Fallen mit dem Kopf gegen eine Strebe gestoßen und hatte nun eine kleine Platzwunde.

Der feindliche Angriff schien aus dem Nichts zu kommen und wahrscheinlich wären sie ohne Classics schnelle Reaktion vielleicht schon alle ins Nirwana gebombt worden.

Dem Terraner ging Classics Analyse noch mal durch den Kopf, während er sich aufrappelte. Ein Chip, der Sensordaten verschleierte. Ok, aber warum zum Henker sind die Waffe und der dazugehörige Koffer phasenverschoben?

Die Lage auf der Brücke war angespannt. Der klingonische Kreuzer schien nicht das hergeben zu wollen, was er sollte. "Ich glaube, die wollen uns gar nicht vernichten. Die wollen etwas, was hier an Bord ist. Das Trilithium vielleicht." Collins wischte sich ein kleines Blutrinnsal weg, das ihm am Hals hinunterlief.

"Dem stimme ich zu", ergriff Classic wieder das Wort. "Wir haben hier einen Angriffskreuzer der Vor'cha Klasse. Alle Waffensysteme des Schiffs sind unter Saft und sie haben uns in der Zielerfassung."

Keine Angst war in seiner Stimme zu hören, lediglich Respekt vor dem Gegner. Ruhig fuhr er fort und brachte wieder ein wenig Ordnung in das Chaos:

"Die Tarnvorrichtung reagiert nicht auf meine Kommando-Impulse, unsere Schilde sind aktiv und auf voller Stärke. Die internen Sensoren habe ich deaktiviert, unser Schiff scannen wir solange mit der Hauptphalanx. Die Prozessoren kann ich nicht umschiffen.

Bisher haben wir keine Kommunikationssignale von der Vor'Cha empfangen. Ob sie alleine sind, kann ich natürlich nicht sagen. Wenigstens schießen sie noch nicht wieder auf uns. Ich wäre nicht unglücklich, nicht gegen diesen Kahn kämpfen zu müssen. Vor'Chas sind üble Zeitgenossen..."

"Und Trilithium ist eine Menge wert", gab Zesiro in einem gereizten Tonfall zurück, der sich nicht gegen Classic richtete, sondern gegen die Situation als solche. Grimmig sah sie auf den Schirm. Keine Chance, das Trilithium gab sie nicht her. "Wir haben's gefunden, wir dürfen es behalten."

Es ging kein Weg daran vorbei, sie brauchten die verdammte Tarnvorrichtung.

"Collins, du bist gerade befördert worden", sagte sie ohne sich umzudrehen. "Du bist jetzt Ingenieur. Gratuliere. Runter mit dir in den Maschinenraum, und bring meine Tarnvorrichtung zum laufen! Mir ist scheißegal wie!"

"Klar!", antwortete Collins knapp und fragte sich, ob das nun wirklich eine Beförderung war. Aber es nutzte nichts, einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden. Er machte sich auf dem Weg zum Maschinenraum.

Silvana hätte gelächelt bei dem Gedanken, dass Collins wie in alten Zeiten wieder zum Techniker mutiert war, doch sie dachte noch immer über Classics Worte nach. Im Gegensatz zu ihm wollte sie einen Kampf, auch wenn der Gegner weitaus besser bewaffnet war. Neben den Photonentorpedos gab es auch noch zwei schwere Kanonen und mehrere leichte. Auch die Hüllenpanzerung war eine nicht zu unterschätzende Hürde. Doch die Manövrierfähigkeit ließ zu wünschen übrig.

Die der Yingpei war aber auch nicht besser, wenn man einen gezielten Treffer landen wollte. Und um die Blechbüchse der Klingonen zu knacken, würden sehr viele Treffer von Nöten sein. Wahrscheinlich mit den Nebeneffekt, dass die Yingpei sich in ihre Bestandteile auflöste, weil ein gewisser Cheftechniker mal wieder einem seiner Triebe frönte.

Das Lächeln der Katzenfrau war trocken. Das Ganze entbehrte nicht einer gewissen Ironie.

Trotzdem wollte sie nicht mit heruntergelassenen Hosen erwischt werden und machte kurzerhand die Waffen scharf und nahm das gegnerische Ziel ins Visier. Wenn sie eines gelernt hatte, dann das Gegner sich viel kooperativer zeigten, wenn sie merkten, dass man sich nicht einschüchtern ließ.

Und wenn ein etwas betagter Bird of Prey, sich einem Schiff der Vor'cha Klasse ohne zögern stellte, dann würde der gegnerische Captain zu Recht annehmen, daß die anderen verrückt und unberechenbar waren. Was durchaus der einzige Vorteil sein konnte, denn sie hatten.

--- Wissenschafts-/Krankenstation

'Der erwartete Angriff!' Gianna schluckte, ihr Gesicht wurde plötzlich fahl und ihr fiel nicht einmal auf, dass sie sich gerade eben sehr seltsam benommen hatte.

„Wir wurden angegriffen…“, flüsterte sie, dann stach ihr plötzlich der angekohlte Fleck auf der Brust des Androiden ins Auge. Mit offenem Mund und aufgerissenen Augen starrte sie den Koch an, der unbeeindruckt von der 'Brandwunde' da stand und sich mit ihr unterhielt. Die Italienerin schluckte erneut, den Hals trocken.

Dann wandte sie sich an den Koch. „Würden Sie mich bitte hier herauslassen, Signor Jacques? Wir sollten uns nützlich machen, nachdem der Arzt schon nicht hier ist. Wer weiß, was alles noch passieren wird."

Auch wenn sie nicht wirklich wusste, inwieweit sie bei medizinischen Problemen nützlich sein würde…

--- Deck 3, Gänge

Der Psychologe spurtete zur Treppe und fand dort den Doc bewusstlos liegend. Collins fühlte seinen Puls und stellte erleichtert fest, dass er noch lebte. Außer einer Platzwunde am Kopf schien ihm nichts zu fehlen.

Doch Jack hatte keine Zeit, um sich weiter um Hawkeye zu kümmern. Die Tarnvorrichtung hatte Priorität. Er nahm seinen Kommunikator und stellte ihn auf Sammelruf. "Der Doc braucht Hilfe, Treppe zwischen Deck 3 und Deck 2! Wäre schön, wenn sich jemand mal um ihn kümmert." Dann lief er weiter.

--- Wissenschafts-/ Krankenstation

"Mademoiselle, mir ist abör nischt bekannt, wie die Méchanique diesör Aparatür..."

Die Interkom-Verbindung unterbrach ihn, als Collins Meldung erstattete. Dann herrschte wieder Ruhe.

Gianna erklärte dem Franzosen kurz die drei Tasten, die zu drücken waren. Das Kraftfeld flackerte kurz auf, und die Italienerin war wieder frei.

Jacques wandte sich an die Wissenschaftlerin. "Kommön Sie mit, ßu Monsieur le docteur ßwischen dän Decks. Isch 'abe keinö Ahnung von médicine, isch könnte ihn allönfalls fachgerescht tranchierön!"

Auf dem Weg aus dem Labor sah Jacques eine Flasche mit Hochprozentigem auf dem Tisch des Arztes stehen. Er wusste nicht, was da alles drin war, und eigentlich konnte er auch gut drauf verzichten, es zu genau zu wissen.

"Red Shirts Choice" stand auf dem Etikett.

Jacques nahm die Flasche eilends mit.

"Mehr wird ihm nischt fehlön!", meinte er zu Gianna.

'Fachgerecht tranchieren?' Gianna konnte ihr Entsetzen bei diesem Ausspruch des Androiden nur schlecht verbergen. Als sie ihre Beine über die Kante des Biobettes schwang, warf sie ihm einen scheelen Seitenblick zu.

Scheinbar hatte er wirklich einen schlechten Start mit dem Doc gehabt, wenn er so eine schlechte Meinung von ihm hatte. Sie war verwundert, hatte sie doch unter dem Eindruck gestanden, er habe Ben erst in jenem Moment kennen gelernt, als auch sie den Koch das erste Mal getroffen hatte.

Dennoch schien Jacques einen gänzlich anderen Eindruck von dem Mediziner erhalten zu haben als sie selber. Die Italienerin fragte sich, woran das lag.

"Ich kann dem Mann aber doch auch nicht helfen", murmelte sie unschlüssig vor sich hin und blickte dem entschwindenden Rücken des Androiden hinterher. 'Was, wenn er schlimm verletzt ist? Wer soll ihm dann helfen? Wer soll uns dann helfen?', beinahe schon war die Wissenschaftlerin im Begriff, sich in ihre Hilflosigkeit hereinzusteigern, als ihr wieder einmal Leandras burschikose Stimme in den Ohren klang. "Stell dich nicht so an, Loretta!", fauchte diese sie an.

Die Südländerin stand unwillkürlich aufrechter da als noch vor wenigen Sekunden, so wie sie es schon unzählige Male getan hatte, als Leandra leibhaftig anwesend war. Gianna seufzte tief, dann eilte sie sich, zu dem Androiden aufzuschließen, der ein beträchtliches Tempo vorlegte.

--- Brücke

Nur am Rande hatte Classic die kurze Diskussion auf der Brücke registriert. Seine Aufmerksamkeit hatte sich umgehend wieder auf den klingonischen Schlachtkreuzer konzentriert.

Kurz, nachdem Collins von der Brücke verschwunden war, wurden die Unbekannten anscheinend mit ihren Scans der Yingpei fertig. Zumindest, wenn man von den aktiven Emissionen ausging, die soeben wieder deutlich gesunken waren.

Gerade, als der Pilot dies Zesiro sagen wollte, hörte man ein Firpen aus dem Hintergrund. Wenig überraschend meldete Sam: "Der Kreuzer ruft uns, Captain."

Zesiro atmete tief durch, bevor sie antwortete. Es half nichts, wenn sie sich bei Verhandlungen nicht unter Kontrolle hatte. Deutlich ruhiger als zuvor antwortete der Captain der Yingpei: "Auf den Schirm."

Eine Kommandosequenz später ersetzte das Symbol des klingonischen Reiches die taktische Anzeige, die zwischenzeitlich den Hauptschirm eingenommen hatte. Offenbar wollte das Gegenüber nicht, dass man sein Gesicht sah. Die Stimme jedoch klang klar aus den Lautsprechern der Brücke, und sie gehörte eindeutig einem Klingonen:

"Aaahh, Miss Xa-Le, es freut mich, endlich Ihre Bekanntschaft zu machen. Ich muss zugeben, dass Sie mich in einer etwas... verlegenen Situation antreffen. Ein Frachtgut, ist mir abhanden gekommen, aber einer meiner ... "Mitarbeiter" ... war geistesgegenwärtig genug, es zu mir zurück zu schaffen. Wir haben den Transportbehälter bereits an Bord Ihres Schiffes lokalisiert. Sie haben doch sicher nichts dagegen, ihn an uns zurück zugeben. Würden Sie bitte Ihre Schilde senken?"

Die Stimme troff förmlich vor Hohn und ließ keinen Zweifel an den wahren Hintergründen der Situation.

Gespannte Stille, nur von den regelmäßigen Signalen diverser Konsolen unterbrochen, trat auf der Brücke ein, als der Klingone auf eine Antwort wartete.

--- Maschinenraum

Es war ein wenig irritierend, was Collins auf den ersten Blick sah, als er im Maschinenraum ankam. Ein Menschenknäuel aus grüner und weißer Haut rekelte, nein balgte, nein, sie schienen sich ernsthaft zu prügeln.

"Was, bei allen Planeten, treibt ihr hier?" fragte Collins und bemerkte gleichzeitig, dass die grünhäutige Schönheit echte Probleme mit Zorg hatte. Der Ingenieur hatte einen wirren Blick und schien mit schier unmenschlichen Kräften um sich schlagen zu wollen.

Jack konzentrierte sich kurz und 'fixierte' Zorg telekinetisch an die Wand. "Ich habe keine Zeit, mich lange auf ihn zu konzentrieren. Wir brauchen die Tarnvorrichtung! Kannst du ihn irgendwie beruhigen?", fragte er Juna, die sich jetzt aufgerappelt hatte und ein wenig irritiert aussah.

"Oh, das hier?" Collins deutete auf seinen Kopf und dann auf Kwhiro. "Das kommt davon, wenn man als Kind zu lange in der Sonne spielt."

Juna sah beeindruckt von dem großen Blonden zu ihrem Herren. Eine erstaunliche Kraft. Sie unterbrach sich aber rasch dabei ihre Gedanken dahin abschweifen zu lassen, was sich damit alles Interessantes anstellen ließe. Es gab gerade Wichtigeres.

Sie hatte gerade Hilfe bekommen, Kwhiro war gebändigt. Aber das nütze ihnen nicht viel, sie mussten ihn wieder zu Sinnen bekommen, Collins würde alleine die Tarnvorrichtung nie in Gang bekommen. Wo blieb der Arzt? Ach, da war was. Am Rande hatte sie den Ruf von Jack gehört, dass der Arzt auf der Treppe bewusstlos lag. Ihre Gedanken rasten.

"Ich kann ihn nicht beruhigen. Ich habe es vorhin probiert. Bisher funktionierte es immer. Er muss was Neues ausprobiert haben."

Die Orionerin überlegte ob sie es mit einer weiteren Dosis ihrer Pheromone versuchen sollte, entschied sich aber dagegen. Wenn nun auch Collins nicht mehr bei Sinnen war, ständen sie noch schlimmer da als jetzt. Der Arzt musste her.

"Kannst du ihn noch einen Moment halten, Jack? Ich geh den Arzt aufsammeln."

Juna wartete die Antwort nicht mehr ab. Es fiel ihr zwar schwer ihren Gebieter in dieser Situation zu verlassen, aber es war für sein und ihr aller Wohl wichtig.

--- Deck 2, Gänge

Sie rannte den Gang hinunter zur Treppe und sah die zusammen gekrümmte Gestalt Hawkeyes teils auf dem Deck, teils auf dem Treppenabsatz liegen. Seine Augen waren halb geschlossen, er stöhnte leise.

Das hatte ihr noch gefehlt, der Mann, der Kwhiro helfen sollte, war selbst außer Gefecht. Sie schnappte den Doktor am Kragen und zog ihn hoch. "Hey, aufwachen! Jetzt wird nicht geschlafen!" Juna verpasste ihm rechts und links eine Ohrfeige. Der Mann öffnete verwirrt seine Augen. Gerade als sie ihm noch einen Schlag verpassen wollte, hob er seine Hand und griff nach ihrem Handgelenk.

"Los, du musst Kwhiro helfen, oder wir sind alle tot!", schrie sie den Arzt an.

"Keine Sorge, ich bin kein Klingone! Ich steh auch nicht aufs Sterben, auch wenn der Tag noch so gut ist!", blaffte Hawkeye zurück. Trotzdem brauchte er noch zwei Sekunden um sich zu orientieren. Die Orionerin hatte eine beeindruckende Kraft und Ben wurde sich bewusst, dass nur Junas guter Wille und nicht etwa seine Hand die dritte Ohrfeige verhindert hatte.

Was für eine Frau! Leidenschaftlich und stark! Er musste sie dringend einmal näher untersuchen...

"Okay Kleine, dann mal los", wand er sich grinsend aus dem Griff der grünhäutigen Frau und eilte wieder die Treppe, diesmal aber darauf bedacht immer einen Halt zu haben, hoch.

"Ich hoffe Kwhiro ist krankenversichert, Hausbesuche sind nicht billig..."

--- Maschinenraum

Schlitternd kam Hawkeye zum Stehen und musste sich erst einmal in dem ihm unbekannten Raum zurechtfinden. Er kannte nicht viele Maschinenräume, aber wie eine Mischung aus Schrottplatz, Bastelecke und Borgkubus sollten sie in der Regel wohl nicht aussehen.

Schon erblickte er den Revolverhelden aus der Kantine und den scheinbar an die Wand geklebten El-Aurianer. Erst auf den zweiten Blick in die verzerrten Gesichter, das des Telekineten vor Anstrengung und das des Ingenieurs vor Schmerz, konnte sich Ben einen Reim daraus machen.

Mit sicheren Schritten ging er zu Kwhiro und scannte ihn schnell. Die biochemische Struktur in seinem Köper schien Hawkeye irgendwie merkwürdig, aber das Drängen der Umstehenden und die aufkommende Gewissheit, dass Kwhiro schnellstmöglich für ein etwaiges Weiterleben benötigt wurde, erstickten weiterführende Überlegungen im Keim.

Der Ingenieur hatte eindeutig Entzugserscheinungen und/oder eine Art allergische Reaktion auf seine bisherigen Mittelchen. Solche Reaktionen konnten, wenn sie auch extrem selten waren, passieren, außerdem wusste man auch nicht, was der Mann so alles zu sich genommen hatte.

"Mit Kwhiros Blut könnte man einen ganzen Chemiebaukasten füllen...", murmelte Hawkeye vor sich hin und traf eine Entscheidung, "Da wir eh am Arsch sind wenn er nicht aufwacht, probier ich es mal mit einer schönen Mischung von Aufputschmitteln und Anti-Depressiva. Entweder er fällt tot um, wenn ich mich irre, oder aber er ist aufgekratzt und voller Tatendrang. Zumindest wäre das bei den meisten Menschen der Fall."

Mit diesen Worten injizierte Ben dem Mann das Serum mit einem Zischen. Dass vor ihm kein Mensch, sondern ein Mitglied einer der langlebigsten und unbekanntesten Rassen der Galaxie stand, ahnte er nicht.

Es vergingen einige Herzschläge bis die Wirkung der Injektion anfing einzusetzen. Kwhiro entspannt sich und seine Mundwinkel bewegten sich nach oben. Er fühlte sich ausgeruht und kam zu dem Schluss, dass es besser wäre endlich aufzustehen. Erst recht da sich Leute im Maschinenraum befanden.

Langsam kam er zu der Erkenntnis, dass etwas nicht stimmte. Er lag gar nicht auf dem Boden, sondern irgendwie eher an der Wand. Collins geübter Blick erkannte die Situation und er ließ den El-Aurianer frei. Dieser starrte die weiteren Anwesenden für einige Momente ungläubig an, während seine Füße sein Körpergewicht wieder aufnahmen.

Der Ingenieur nahm die Warnmeldungen auf den Displays wahr und auch die blinkende Anzeige, dass die Tarnvorrichtung angefordert, aber nicht in Betrieb war. Die Erinnerung an die Warpsignatur und den bevorstehenden Kampf kehrte zurück. Er hatte diesen wohl verschlafen und der Arzt hatte ihn mit irgendeinem Medikament geweckt.

Leichtigkeit überkam Zorg. Die Klarheit, die gerade seinen Kopf durchströmt hatte, dehnte sich noch weiter aus, ein Lächeln legte sich auf seine Lippen. Er fühlte sich gut und es wurde immer besser. Zeit zum Handeln.

Eine El-Aurianische Hand legte sich auf die Schulter Hawkeyes und ein El-Aurianischer Mund flüsterte: "Wir müssen nachher dringend über deine Behandlungsmethoden reden. Ich mag sie... Freund."

Während er noch überlegte was zuerst zu tun war, verschwanden einige Details aus dem Raum. Vielmehr aus seiner Wahrnehmung. Abdeckungen oder Schalter waren nicht mehr zu erkennen, Kwhiro sah den Maschinenraum als Ganzes und als Ansammlung von Farben und skelettartigen Konturen, durch die die Aggregate als weitere Farben erschienen.

Dort wo die Tarnvorrichtung war, war es blau und kalt, so konnte sie nicht funktionieren. Seine Hände glitten über die warme rote Fläche, die für die anderen Anwesenden ein Bedienfeld war. Die eben noch blaue Maschine pulsierte inzwischen grün. Zorgs Hände schlossen sich um einen recht großen Hebel und zogen daran. Die Maschinen erglühten in einem satten, dunklen Grün, was zur Folge hatte, dass Juna, Collins und Hawkeye erkennen konnten dass die Anzeige der Tarnvorrichtung sich änderte... die Yingpei verschwand aus dem sichtbaren Raum.

Dies änderte sich genauso schnell wieder, als Kwhiro ein Stück von dem sich zurückbewegenden Hebel mitgezogen wurde. Die Sicherungsschaltung hielt immer noch nicht durch. An jedem anderen Tag hätte er gedacht: 'Warum müssen diese verdammten Klingonen eine so filigrane Maschine wie die Tarnvorrichtung mit so einer klobigen mechanischen Steuerung versorgen?'

Heute aber dachte er: 'Jemand muss den blauen Arm festhalten...' Er stemmte sich gegen den Hebel und stöhnte ein gepresstes "Herkommen" zwischen den Zähnen hindurch.

Der Schädel des Terraners brummte, was aber nicht von der Anstrengung kam, den El-Aurianer an die Wand zu nageln, als vielmehr von der Beule, die er sich auf der Brücke geholt hatte.

Collins blickte nachdenklich zu Kwhiro, der hilflos an einem Hebel hing, der zur Tarnvorrichtung gehörte. "Was für eine bescheidene Technik!", sagte er und hing sich dann mit dem Ingenieur an den Hebel, der sich gleich ein wenig weiter nach unten bewegte, aber noch nicht weit genug.

Gleichzeitig versuchte Jack das Innenleben der Maschine zu 'sondieren', um die Blockade irgendwie zu lösen. Aber ihnen lief die Zeit davon. "Na, wäre doch schön, wenn wir uns alle mal um den Hebel kuscheln könnten, oder? Kommt schon!", rief er Hawkeye und Juna zu.

--- Brücke

Zesiro warf Pierson einen scharfen Blick zu. Der hob abwehrend die Hände, um zu signalisieren, dass er nicht im Traum daran dachte, die Schilde zu senken und einen Transport zu erlauben, solange sie es nicht befahl.

Wäre ja noch schöner.

Wo blieb die verdammte Tarnvorrichtung?

Angespannt stand sie auf.

"Ach ja, Ihr Mitarbeiter", erwiderte sie im Plauderton. "An den kann ich mich erinnern. Der ist tot." Was eigentlich schade war, denn desto länger sie darüber nachdachte, umso mehr wünschte sie sich, sie hätte Martinez nicht umgebracht. Dann könnte sie das jetzt machen. Langsam und schmerzhaft. Mit einem stumpfen Küchenmesser. "Und wenn wir schon dabei sind. Wer sind Sie überhaupt?"

Zesiro warf Silvana einen nervösen Blick zu. Ihre Rechte Hand sah düster zurück, ihre Hand stetig in der Nähe der Waffenkontrolle.

Die Stimme lachte leise. "Ich dachte, das hätten Sie mittlerweile herausgefunden."

"Ja, schon", behauptete Zesiro locker. Mehr oder weniger... Klingonisches Schiff, klingonische Symbole... Sah ganz danach aus, als hätten sie es mit der 'Hand' zu tun. Gar nicht gut. "Sehen Sie, das Problem ist nur, dass mir Ihr Name nichts gesagt hat. Sie sind kein sehr... wichtiger Mann, was?" Zeitgleich schwankte sie ein wenig. Oh, verdammt. Vielleicht war sie doch noch etwas betrunkener, als sie gedacht hatte. Vielleicht hätte sie das nicht so sagen sollen.

Das antwortende Schweigen war wohl kein gutes Zeichen.

"Senken Sie Ihre Schilde", sagte die Stimme leiser und bedrohlicher.

"Mal überlegen...", erwiderte Zesiro und machte eine Kunstpause. "Hm, nein, ich denke nicht."

Das war IHR Trilithium.

"Unterschätzen Sie uns mal nicht", fuhr sie frohgemutes fort. Und sie hoffte wirklich, dass diese Tarnvorrichtung bald ansprang. "Wir sind schwer bewaffnet. So ähnlich wie ein junger, hungriger, angriffslustiger Löwe..."

Pierson schlug förmlich auf den Button, der die Verbindung unterbrach. "Tarnvorrichtung läuft!" In der Tat leuchtete das Tarnvorrichtungslämpchen auf.

"Ha!", rief Zesiro triumphierend.

"...nicht mehr", meldete Pierson. Das Licht flackerte und ging aus.

Zesiro verdrehte die Augen. Sie würde Kwhiro den Hals umdrehen. Ins All pusten! Gleich hinter Martinez her!

"Okay, okay", sagte sie. "Wir senken die Schilde." Sie warf Pierson einen entsetzten Blick zu, als er Anstalten machte, sich der Konsole zuzuwenden. 'Bist du wahnsinnig!', sagte sie lautlos. Rasch sah sie zu Classic, der nur mit gehobenen Augenbrauen zurücksah. Wenigstens einer hier an Bord war kompetent.

Silvana warf Pierson einen mörderischen Blick zu.

"Gleich", fuhr Zesiro fort. "Dauert eine Minute. Altes Schiff und so weiter."

Dann signalisierte sie Pierson, die Verbindung zu unterbrechen, und fuhr zu Silvana und Classic herum. "Wo bleibt meine verdammte Tarnvorrichtung?", schnappte sie. "Und was ist das für ein Kerl? Haben wir Hinweise? Irgendwelche?" Fahrig strich sie sich durch die Haare.

Langsam wurde sie wirklich nervös.

---Maschinenraum

Die Orionerin hatte sich erleichtert über die schnelle Heilung ihres Herrn an Hawkeyes Brust geschmiegt und sich mit einem nicht zu flüchtigen Kuss bei ihm bedankt. Durch Collins Ruf wurde sie sich erst bewusst, dass er und Kwhiro angestrengt an einem Hebel zogen, dessen Lage wohl in direktem Zusammenhang mit der Funktionsfähigkeit der Tarnvorrichtung zu stehen schien.

Rasch sprang sie den beiden zu Hilfe. Eng an die Männer gedrängt stehend, zog sie mit beiden Händen an dem Hebel, der nicht mehr sehr viel Platz für die vielen Hände bot.

Die körperliche Anstrengung zusammen mit dem Geruch nach Schweiß, der Teils sehr nahen Präsenz dreier Männer, die sich ständig überlappenden Hände, machten es Juna sehr schwer sich zu konzentrieren.

Sie bemühte sich an etwas anderes zu denken. "Wieso hast du eigentlich keinen Hydraulik-Arm für dieses Ding montiert?", wollte die grünhäutige Frau mit einem leicht aggressiven Unterton von Kwhiro wissen.

Stöhnend vor Anstrengung zog Ben wie verrückt an diesem bekloppten Hebel. War das tatsächlich Kwhiros Ernst gewesen? Selbst auf Elarge kannte man fortschrittlichere Technologien... wie zum Beispiel einen Flaschenzug.

Aber er konnte dem Maschinisten, der Begriff Ingenieur schien dem Arzt in dieser Situation eher unangebracht, nicht wirklich böse sein. Auch wenn er durch seine Drogenabhängigkeit fast alle umgebracht hatte, war es die Bezahlung durch Juna schon wert gewesen.

Blieb nur zu hoffen, dass er sich mal richtig in Schwierigkeiten brachte. Die Belohnung durch die Orionerin würde dann hoffentlich ebenso steigen.

Leicht schüttelte Ben den Kopf um sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Tatsächlich schafften sie es mit vereinten Anstrengungen den Hebel nach unten zu ziehen. Je mehr er sich aber neigte, desto lauter wurde die daneben stehende Apparatur, bei der es sich vermutlich um die Tarnvorrichtung handelte.

Mit einem Ruck gab der Hebel plötzlich nach und der Personenhaufen der an ihm hing, purzelte durcheinander. Geistesgegenwärtig hielt sich Hawkeye an Juna fest, während der Cowboy und der Maschinist sich mit ihren Körpern auf den Hebel warfen, der sofort wieder nach unten schnalzte.

--- Brücke

Silvana haderte mit sich. Sie hatte gute Lust denen im Maschinenraum mal gehörig Dampf unterm Hintern zu machen, andererseits konnte sie ihre Hände nicht von der Konsole nehmen. Es war als hätten ihre Hände ihren eigenen Willen. Und im Moment lagen sie auf der Lauer.

Die Entscheidung wurde ihr abgenommen, als Pierson plötzlich rief: "Die Tarnanlage läuft..." Er schien förmlich die lauernden Blicke auf sich zu spüren und fühlte sich genötigt hinzuzufügen "und läuft... und läuft..."

Die Brückenbesatzung atmete auf und Silvana hatte Zeit sich um andere Angelegenheiten zu kümmern, während sie den Gegner weiterhin nicht aus den Augen ließ.

"Ich denke nicht, dass wir etwas über unseren Gegner in den Datenbanken finden werden. Die Hand lebt davon unerkannt zu bleiben." Sie erinnerte sich an die Zeit, als sie auf der Straße gelebt hatte. Die Hand schien es schon ewig zu geben und so gab es auch einige Fakten, die sich durch die Zeit hielten und an denen mehr als nur ein Fünkchen Wahrheit war.

"In der Hand steigt man nur auf indem man sozusagen als Beweis für die eigenen Fähigkeiten einen Finger bricht. Nur die Schwachen versuchen sich am kleinen Finger. Mit dem Tod des Daumens bricht die Macht und geht auf den Killer über. Ohne Daumen kann die Hand nicht greifen... Versagt die Hand... wird sie abgehackt." Mehr brauchte sie nicht zu sagen. Dieses System sprach Bände. Der Gegner würde nicht einfach aufgeben.

"Kampf oder Täuschung", fasste die Katzenfrau ihre Beobachtungen zusammen. "Können wir sie mit replizierten Trilithium aufs Kreuz legen? Zumindest für eine Weile?"

"Ich fürchte", antwortete Classic, "das kann uns nur unsere neue Wissenschaftlerin beantworten. Derweil sollten wir aber schnell zu einem Ergebnis kommen."

Wie als Bestätigung seiner Aussage strichen einige Disruptorimpulse quer über den Hauptschirm. Das Feuer ging an der Yingpei vorbei. In dem Moment als die Tarnung sich stabilisierte, hatte Classic einen zufälligen Kursvektor gesetzt.

Dies war eine der Situationen, in denen Classic sehr dankbar über die Reihe von Befehlssequenzen war, die er für solche Fälle in mühsamer Kleinarbeit vorbereitet hatte.

In diesem Fall blinkte der Primärmodus "FULL EMCON" in seiner Wahrnehmung. Trotz der Tarnung hatte er einen Großteil der Schiffssysteme auf einen Bruchteil ihrer Standardwerte reduziert. Kein Tarnsystem der Welt konnte alle aktiven Emissionen eines Schiffes verdecken. Insbesondere bei den Erfindern der Tarnvorrichtung war er hier sehr vorsichtig. Vor allem, wenn sie noch nicht einmal eine Lichtsekunde voraus im All standen und - offensichtlich - unter voller Kampfbereitschaft waren.

Eine kurze Aktivierung der Impulstriebwerke hatte sie in den letzten Sekunden mehr als 5.000 Kilometer von ihrer ursprünglichen Position entfernt. Erneut gab er einen kurzen, schwachen Impuls, erneut änderte sich ihr Kursvektor um einen zufälligen Betrag.

Offensichtlich waren seine Vorsichtsmaßnahmen nicht unbegründet. Erneut stob Waffenfeuer durchs All, das Beschussmuster zeigte ganz deutlich, dass der Gegner zumindest eine ungefähre Idee des ersten Ausweichmanövers der getarnten Yingpei hatte.

"Wir sind unter voller Emissionskontrolle, damit kann ich uns eine ganze Weile verstecken. Wenn wir nicht gerade Pech haben. Ich habe keine Ahnung, wie gut die aktuellen klingonischen Sensoren unsere Reststrahlung anpeilen können."

Erneut aktivierten sich die Impulstriebwerke für einige Sekunden, eine weitere Salve strich backbord achtern vorbei, diesmal etwas weiter als vorher.

"Ob ich uns unter Warp hier raus bringen kann, ohne dass wir einen Schuss abbekommen, kann ich nicht sagen. Und ohne Schilde will ich dieses Risiko nicht eingehen. Schließlich können wir unter Warp kaum manövrieren."

Der Computermensch schwieg einen Moment, während er zum wiederholten Male die aktuellen Sensordaten betrachtete. "Vielleicht aber haben wir eine andere Chance..." Er zögerte kurz, eher er fortfuhr:

"Ich bin mir nicht sicher, ob das klappen kann... Wenn ein Gefühl mich nicht trügt, kann ich unser Waffenfeuer zwischen den einzelnen Schildphasen durchlenken. Es sieht so aus, als gäbe es eine gewisse Regelmäßigkeit, die wir vielleicht ausnutzen können um den Kahn zumindest halbwegs manövrierunfähig zu schießen...

Wenn wir mit der Yingpei zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind und Silva mit der richtigen Waffenkonfiguration an die richtige Stelle schießt..."

--- Gänge zwischen Deck 2 und Deck 3

Der Franzose sprach über die Schulter zu der, ihm hinterher hastenden Italienerin. "Angriff? Wer 'at uns angegriffen? Isch war...", unsicher unterbrach er seinen Satz, 'Ich war in einem schizophrenen Schub und lebte in meinem eigenen Wahnsystem' klang nicht nach einem Satz, der auf einem Piratenschiff gerne gehört wurde.

"Isch war ver'indört!", fiel ihm auf die Schnelle keine andere Fortsetzung ein.

Die beiden zur Hilfe Gerufenen hatten nun die Stelle erreicht, an der Hawkeye hätte sein sollen. Aber er war nirgends zu erkennen. Stattdessen hörte Jacques ein angestrengtes Stöhnen aus einem Raum ganz in der Nähe.

--- Maschinenraum

Der Franzose hastete in den Raum - und prallte zurück, als wäre er gegen eine unsichtbare Mauer gerannt. Die halbe Crew klammerte sich in an einen großen Hebel und war teilweise, fast wie zu einem Knäuel verknotet, umgestürzt.

"Sacre dieu!", entfuhr es ihm!

"Dies 'ier ist ein Maschinenraum! Was immör diesör Aufßug hier beßweckön soll - warum 'aben Sie nischt einfach 'inter der nächstbestön Konsolö fünf Kärtschön umgösteckt?"

--- Brücke

Silvas Augen leuchteten intensiv auf, als die Aussicht auf einen Kampf durch Classics Worte zum Greifen nah kam. Ihr Gegner unterstrich die Worte des Navigators durch eine suchende Salve in den leeren Raum, den Classic mit einem weiteren Flugmanöver konterte. So schnell, dass es fast schien, er hätte den Zeitpunkt des Beschusses vorhergesehen. Bewunderung stieg in Silvana hoch, wurde jedoch schnell zur Seite gekehrt.

Es wurde Zeit, dass die Katze den Spieß umdrehte, von ihrem Baum kam und dem Hund mal ordentlich in den Arsch trat.

Hastig wandte sich die Katzenfrau an ihren Captain. "Wenn Classic das mit den Schildphasen hinkriegt... und ich bin mir sicher, er schafft das... Meine Disruptoren sind scharf und einsatzbereit. Brechen wir der Hand ihre Finger." Ihre Stimme zitterte leicht vor Erregung, als sie auf den Befehl des Captains wartete.

Zesiro presste die Lippen aufeinander und versuchte nachzudenken. Sie mochte zwar nach wie vor leicht betrunken sein, aber jetzt war es wirklich Zeit, auszunüchtern.

Martinez hatte nicht nur Trilithium auf ihrem Schiff geschmuggelt. Wäre es nur das, wäre es ihr eigentlich egal. Sie hätte es ihn sogar behalten lassen, denn er war ein Crewmitglied, und Zesiro bestahl ihre Crew nicht. Dass er sie an die Hand verkauft hatte, war eine andere Sache, aber auch nicht weiter schlimm - jetzt, wo er tot war.

Aber die Hand war nicht nur an diesem Trilithium interessiert. Martinez hatte vorgehabt, ihr Latinum zu stehlen und mit der Ärztin durchzubrennen. Hatte er die Sprengsätze auf der Yingpei installiert, weil er dazu beauftragt worden war? Oder hatte er versucht, die Hand zu verlassen, und es hinstellen wollen, als sei er in der Explosion umgekommen? Hatte er den technologischen Schnickschnack in seinem Quartier der Hand gestohlen und dann der Sternenflotte aushändigen wollen? Alles verdammt wahrscheinlich. Immerhin hatte sie ihn erschossen, weil er für die Sternenflotte arbeitete, nicht wegen der Hand.

Stirnrunzelnd sah Zesiro zurück auf den Schirm. Die Frage war, ob sie die Hand los wären, wenn sie dieses Schiff zerschossen, oder ob sie sich damit nur zur Zielscheibe für weitere Angriffe machten... Ha. Als würde die Hand sie in Ruhe lassen, wenn sie eines ihrer Schiffe zerschoss.

Es sah aus, als ob sie dabei war, sich einen mächtigen Feind zu machen. Und noch dazu hatte sie der Sternenflotte einen Disruptorprototyp unter der Nase weggeschnappt.

Zesiro grinste. Klang nach Spaß.

Sie nickte ruckartig. "Macht es so." Grimmig fuhr sie fort. "Schießt auf Waffen und Antrieb. Wenn sie dabei kaputt geht - Pech. Mir wäre es aber viel lieber, wenn wir später rüberbeamen und uns ein wenig umsehen könnten."

Zorg würde sich sicher über eine neue Tarnvorrichtung freuen, falls Silvana sie ganz ließ. Sie hätte schon vor langer Zeit eine neue gekauft (beziehungsweise die nötigen Finanzmittel 'organisiert', um sich eine zu kaufen), wenn es möglich wäre, eine auf dem Schwarzmarkt zu bekommen. Aber es war schon reines Glück gewesen, dass die Yingpei eine besaß, als sie sie bei einem cardassianischen Schiffshändler fand. Und das hier war eine einmalige Gelegenheit. Wenn sie sich schon Feinde machte, dann konnte sie es auch durchziehen.

Vorausgesetzt, sie überlebten.

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