Venture Chronik 62

Gestrandet


--- Deck 3

Etwas außer Atem blickte Yhea dem Japaner hinterher, der sich schnellen Schrittes in Richtung Krankenstation aufmachte, um dort nach dem Rechten zu sehen. Kopfschüttelnd wischte er sich währenddessen seine staubverdreckten, schwarzen Hände an der Hose ab und schritt in Richtung nächster Jeffries-Röhre. Schließlich musste er auf Deck 4, um an die notwendigen Entlüftungssperren zu kommen.

Dabei hasste er es, durch die für ihn irgendwie zu kleinen und schmalen Jeffries-Röhren zu krabbeln, jetzt vor allem noch mehr, da er sich an ihrer eigentlich Decke bewegen musste. Bei der Konstruktion damals war wohl kein Sternenflotten-Ingenieur auf die Idee gekommen, dass solch ein Fall jemals eintreten konnte.

Mit einem Ruck zog er eine Wandverkleidung herunter, die den Blick auf eine weitere dunkle und ungemütliche Röhre freigab. "Auf geht's!", sagte der Romulaner zu sich, klemmte sich die Taschenlampe zwischen die Zähne und kletterte los.

--- Deck 4, Maschinenraum

Scheppernd fiel die Luke zu Boden, bzw. zur Decke, als Yhea sie aus der Verankerung trat und seinen Körper erneut aus der Röhre befreite. Er war froh, endlich am Ziel angekommen zu sein, und die schweißtreibende Fortbewegung für eine kurze Zeit beenden zu können. Sollte sich das nächste Mal doch jemand Anderes durchs Schiff quälen.

Der Schein einer Taschenlampe geisterte durch den großen, dunklen Maschinenraum, während ein lauter Fluch zu hören war. Yhea konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als er Alex erblickte, der beim erloschenen Warpkern stand und an ihm entlang blickte.

"Solch ein Anblick hinterlässt in jedem Technikerherz einen Stich", begrüßte Yhea den Techniker und stelle sich neben ihn.

"Das kannst du laut sagen", antwortete Alex und schüttelte den Kopf. "Aber ich bin froh zu sehen, dass dir nichts passiert ist."

"Ja", nickte Yhea und legte die Hand auf Alex Schulter. "Darüber bin ich auch sehr froh." Er blickte sich kurz um, auf der Suche nach weiteren Leuten, jedoch schienen sie Beide die Einzigen im Maschinenraum zu sein.

"Was ist mit den Anderen, hast du von denen schon etwas gehört?"

Alex schüttelte den Kopf und schaute dann wieder zum Warpkern hoch. "Bisher nicht. Jedoch funktioniert die Kommunikation nicht; besser gesagt, zur Zeit läuft hier gar nichts. Ich habe versucht, irgendwie Energie für die Systeme zu bekommen, doch bisher war alles, was ich versucht habe, erfolglos. Nichts geht hier und ich habe keine Ahnung wieso."

"Eventuell liegt es an einem Dämpfungsfeld", beantwortete Yhea die Frage seines Technikers. "Als wir abgestürzt sind, konnten die Sensoren ein solches Phänomen aufzeichnen. Jedoch kann ich dir darüber nichts Genaueres sagen, denn an eine Auswertung war bisher ja nicht wirklich zu denken. Jedoch hat mich der Captain hier herunter geschickt, um primär erst einmal die Luftversorgung innerhalb des Schiffes zu gewährleisten. Glücklicherweise hat der Planet, auf dem wir "gelandet" sind eine atembare Atmosphäre, so dass wir mit dem magnetischen Notbelüftungssystem arbeiten können."

"Na dann würde ich sagen, legen wir doch direkt los", bemerkte Alex und schritt los. "Bezüglich der Energie können wir uns danach immer noch den Kopf zerbrechen."

--- Krankenstation, Stasisbereich

Der Stasisbereich war eine massive Konstruktion, gerade um in Situationen wie diesen nicht auszufallen. Aber das rechnete nicht den Ausfall des Notstroms ein. Das Stasisfeld war zusammengebrochen. Die integrierten Trägheitsdämpfer hatten ihre Aktivität irgendwann während des Absturzes eingestellt, anschließend musste die Energie endgültig ausgefallen sein, und Cheyenne Morgan war in ihrer Stasiskammer durchgeschüttelt worden, bis sie zu hart aufschlug und innerhalb von Sekunden starb.

Norgaard hatte die Kammer aufgebrochen, weil der Verschlussmechanismus nicht mehr funktionierte und Jordan zu schwach dafür war. Die Ärztin hatte den Kopf der Pilotin vorsichtig gedreht, um den Schädelbruch zu ertasten, und als sie jetzt aufsah, sah er sie fragend an. Sie schüttelte den Kopf, und der MTA seufzte und ging zurück an die Arbeit.

Jordan sah einen Moment lang auf die Frau hinab, die dem Absturz vollkommen hilflos ausgesetzt gewesen war. Einen Moment lang war sie dankbar dafür, dass sie kaum jemanden auf dem Schiff gut kannte. Einer der Helfer fertigte eine Liste der Toten an; als sie einen Blick darauf warf, hatte sie die meisten Namen natürlich erkannt, aber kaum jemand war dabei, mit dem sie je eine private Unterhaltung geführt hatte. Cheyenne Morgan, Francesco Sarinelli, Kuno Isweda... niemand, den sie näher kannte.

Ruben war bisher nicht auf der Krankenstation aufgetaucht. Die Boten, die sie an McCarthy und Alnak geschickt hatte, waren nicht zurückgekehrt.

Sie hoffte, das hieß, dass sie irgendwo beschäftigt waren.

Jordan wollte gerade in die Krankenstation zurückkehren, wo jetzt geordnetes Chaos herrschte und ihre Leute einen Moment lang bestens ohne sie zurechtkamen, als sie eine Bewegung im Augenwinkel ausmachte.

Stirnrunzelnd ging sie ein paar Schritte, um durch die offene Tür sehen zu können, die zu einem der Lagerräume führte. Als sie nichts erkannte, zuckte sie innerlich mit den Schultern und trat in den Raum.

--- Krankenstation, Lager

Die "Bewegung", die sie ausgemacht hatte, stammte von einem im Wind raschelnden Laubbaum, der seinen Schatten über den Boden warf. Die Ärztin schluckte unwillkürlich und blinzelte ins Licht; in der Außenwand prangte ein länglicher Riss. Natürliches Sonnenlicht auf einem Sternenflottenschiff war ein dermaßen surrealer Anblick, dass sie unwillkürlich darauf zuging, um einen Blick nach draußen zu werfen. Einen Moment lang war die Pflicht vergessen.

Jordan runzelte die Stirn, als ein sehr weit entferntes Geräusch an ihr Ohr drang. Kein natürliches Geräusch. Eine Art... Piepen. Von einem Tricorder oder einer anderen Art von Gerät.

Wenn es Geräte gab, die den Aufprall überstanden hatten...

Trotzdem zog sie aus langer Gewohnheit den Handphaser, den sie wie immer am Gürtel trug, und ging langsam auf den Riss in der Wand zu.

Ihre Augen verengten sich, als sie die Wand erreichte und das Geräusch verstummte. Vielleicht rauschten nur ihre Ohren, weil sie den Lärm der Krankenstation noch im Ohr hatte - vielleicht hatte sie im Aufprall einen Tinnitus davongetragen. Sie würde nicht die einzige sein.

Dann erklang das Piepen wieder. Jordans Phaser schoss wieder hoch. Sie schluckte.

"Norgaard!", rief sie kurz entschlossen nach hinten, ohne den Riss aus den Augen zu lassen. "Dallas! Sicherheit! Ins Lager!"

Aber nutzlos - ihre Stimme würde das Chaos da drin nicht durchdringen. Diesmal hörte sie ein Rascheln, und sie fuhr herum.

Dann erschien... etwas in der Öffnung.

Jordan hatte kaum genug Zeit zu reagieren. Sie sah nur... vage menschliche Züge, aber definitiv zu viele Augen... und ein Apparat, der verdammt nach einer Waffe aussah.

"Wir kommen nicht in feindlicher Ab..."

Das Wesen feuerte.

Die Ärztin hechtete ungeschickt zur Seite. Sie schrie wieder in Richtung der Krankenstation und schoss blind zurück - der Phaser funktionierte nicht -, versuchte in Deckung zu gehen...

Ein Energiestrahl explodierte in ihrer Schulter. Überhaupt keine gefährliche Stelle, aber...

Die Welt drehte sich und wurde grau. Instinktiv biss Jordan sich auf die Lippe, versuchte das Bewusstsein nicht zu verlieren, aber ihre Glieder waren mit einem Mal wie gelähmt.

Sie spürte noch, wie etwas ihre Arme packte und sie davonzog.

--- Labor

Hisaki antwortete mit dem ihm eigenen, unergründlichen Lächeln und beobachtete interessiert, wie Forge die schwankende Frau an der Taille umfasste und stützte.

Celia Hunter schien dabei die Berührung auf der einen Seite willkommen, auf der anderen aber gleichzeitig unangenehm zu sein. Forge schaute dabei wie immer zu Boden. Aus irgendeinem Grunde schaute ihm der junge Mann nie in die Augen, wenn es nicht sein musste.

Diesem Rätsel nachzugehen hatte der Erste Offizier jetzt leider keine Zeit, da es bei weitem Dringenderes zu tun gab. "Zur Situation: Wir befinden uns auf einem unbekannten Planeten, den wir wegen eines Notruf eines bajoranischen Frachters angeflogen haben.

Dieser Planet ist von einem Dämpfungsfeld umgeben, welches eine sehr negative Auswirkung auf unsere Technik zu haben scheint. Infolgedessen sind wir abgestürzt und liegen nun, wie sie sicher festgestellt haben, mit der Unterseite nach oben auf der Oberfläche."

Hisaki ließ eine kurze Pause, bevor er fortfuhr. Das Folgende war wesentlich schwerer zu verdauen, "Das medizinische Personal, wie auch die Sicherheit sind organisiert und befindet sich schon bei der Bergung der Verletzten... und Opfer."

"Was ist mit Veronica?", platzte es auf Jan heraus und er blickte den Japaner direkt an. Er mied diesen komischen Asiaten wo es nur ging, da es hieß, dass er mit seinem Blick direkt durch die Augen einen Blick auf die Seele der Menschen werfen konnte.

Außerdem war er ein Spürhund, der, wenn er einmal eine Witterung aufnahm, nicht mehr losließ. Insofern war er froh gewesen, als Hisaki befördert worden war und Ruben Sicherheitschef wurde.

Zwar sagte man ihm eine sensationelle Genialität nach, aber dafür konnte man ihm auf sozialer Ebene dermaßen verunsichern, dass er seine Partys weiter ungestört veranstalten konnte.

Aber seine Sorge um Veronica war größer, als die Angst vor dem Japaner.

"Es geht ihr den Umständen entsprechend gut, Mr. Forge. Ihre Beine sind gebrochen, aber es hätte schlimmer kommen können", antwortete Hisaki ihm knapp. Leider war es zu dunkel, um die Augen des jungen Wissenschaftlers zu erkennen.

Ungeachtet der Unterbrechung fuhr Hisaki mit seinem Lagebericht fort, "Der Captain, Mr. Alnak und Dr. Kincaid sind wohlauf. Mr. Alnak formiert zurzeit die Technik um sich und kümmert sich um Replikatorenergie und die Frischluftzufuhr", der Erste Offizier ergänzte mit Blick auf Ruben noch schnell, "Die im Schiff vorhandene Luft reicht für die nächsten acht Stunden. Da wir leider sicherlich einige Hüllenbrüche zu verzeichnen haben, zirkuliert auch jetzt schon, wenn auch wenig, frische Luft im Schiff.

Insofern ist es erfreulich, dass wir auf einem „Klasse M“-Planeten gestrandet sind, da wir so auch ohne Replikator nicht verhungern werden. Insofern ist unser mittelfristiges Überleben als gesichert anzusehen. Das heißt, wir müssen uns jetzt auf die Lösung unserer aktuellen Probleme konzentrieren. Wir brauchen alles an Wärme-, Lichtquellen und Medikamenten, was Sie hier in den Labors haben.

Mr. Wagenvoort und Mr. Forge, wenn sie eine Trage finden und nehmen könnten wäre dies ausgezeichnet. Bis der Durchgang, oder begehbarer Weg zur Krankenstation gefunden ist müssen wir uns eine Art Behelfslager schaffen."

Mit einem kurzen Schwenk durch den nassen Raum, dessen teichartige Beschaffenheit allerlei... Zeug beinhaltete, kommentierte er noch, "Dieser Raum ist scheinbar ungeeignet dafür. Irgendwelche Vorschläge?"

Der Niederländer war froh, dass Hisaki eingetroffen war.

Und froh über die Kunde, die er brachte: Jordan lebte!

Nicht nur weil dieses Schiff derzeit vor allem medizinisches Personal benötigte, sondern auch weil er sich sehr um die Ärztin gesorgt hatte. Sein Herz schlug gleich etwas schneller und seine Motivation erhielt einen weiteren Schub.

"Danke für Ihren Bericht, Sir. Das heißt also, dass wir von dem restlichen Schiff abgeschnitten sind? Ähh, wie sind Sie dann zu uns gekommen?"

Ruben war über diesen scheinbaren Widerspruch in der Schilderung des Japaners gestolpert, aber nachdem der Erste Offizier die Situation unter Hinweis auf seine geringe Körpergröße erklärte, verstand er ihre Lage und beantwortete die Frage seines Vorgesetzten:

"Labor 7 sollte als Lazarett geeignet sein. Der Raum hat eine Grundfläche von 35,12 qm und entspricht, soweit ich das eben beurteilen konnte, hygienischen Mindestanforderungen.

Allerdings würde ich angesichts der hier fehlenden medizinischen Ausstattung empfehlen, unsere Kräfte prioritär zur Wiederherstellung eines Zugangs zum restlichen Schiff zu verwenden, um Schwerverletzten eine stationäre Behandlung zu ermöglichen.

Außerdem ist die in der technischen Abteilung gelagerte Ausrüstung für die Durchführung der Notfallprotokolle zwingend erforderlich"

Der Sicherheitschef machte eine kurze Pause um dem Ersten Offizier eine Erwiderung zu ermöglichen, aber dieser ließ ihn gewähren. So fügte Ruben an die Wissenschaftlerin gewandt hinzu:

"Miss Hunter, wäre es Ihnen möglich, aus den in den Laboratorien vorhandenen Chemikalien einen stabilen Sprengstoff zu synthetisieren? Um den versperrten Bereich sollten lediglich zwei Detonationen erforderlich sein"

'Sprengstoff?'

Irgendwie war der Lakota immer noch nicht ganz klar, was der Sicherheitschef zu ihr gesagt hatte. Sie schüttelte den Kopf, wie um den Schwindel zu vertreiben - und erreichte damit nur, dass sich ihr Kopfschmerz verstärkte.

Plötzlich bemerkte sie, dass Forge sie immer noch um die Taille umfasst hielt. So energisch sie konnte schob sie dessen Arme von sich. "Danke, Mr. Forge, ich kann durchaus alleine stehen", sagte sie mit kühler Stimme. So ganz hatte sie ihm - und sich - die Sache mit dem Kuss noch nicht vergeben. Auch wenn sie ihm für das Licht dankbar war.

Inzwischen hatte Wagenvoorts Frage irgendwie ihren Verstand erreicht. "Einen stabilen Sprengstoff...", murmelte sie. Im Geist ging sie die Chemikalien durch, die möglicherweise vorrätig sein könnten. "Normalerweise replizieren wir die für so etwas notwendigen 'Zutaten'", erläuterte sie den beiden Männern vor ihr.

'Hm - der Stoff sollte für die Benutzer bis zur Zündung halbwegs sicher sein, keine zu große Detonation verursachen und auch keine zu große Druckwelle', überlegte sie dann. 'Wir müssen das Schiff ja nicht noch mehr durcheinander rütteln.'

"Es könnte aber gut sein, dass wir etwas Verwendbares finden. Je nachdem, wie die anderen Labore aussehen..."

Nachdenklich blickte sie von Forges Feuerzeug zu Hisakis Taschenlampe.

"Zunächst hätte ich aber gerne eine vernünftige Lichtquelle."

--- Brücke, später

Ihre Situation nahm Schärfe an und McCarthy konnte die Konturen ihrer Lage langsam überblicken. In der letzten Viertelstunde waren weitere Boten eingetroffen, die ihn über den Sachstand auf den verschiedenen Stationen informiert hatten.

Zwar fehlte ihnen immer eine noch eine dauerhafte Verbindung zu den abgeschnittenen Sektionen im hinteren Schiffsbereich, aber die Informationen die er bisher erhalten hatte gaben ihm etwas Hoffnung:

Ihre Verluste waren noch nicht abschließend erfasst, aber es schienen mindestens vier Fünftel der Crew den Absturz überlebt zu haben, wobei die Krankenstation den Zustand weiterer zehn Prozent laut dem Bericht von Tilek derzeit noch als instabil einstufte.

Die Notfallprotokolle waren mittlerweile in vollem Umfang eingeleitet. Wie jedes Schiff der Sternenflotte war auch bei der Konstruktion der Venture an solche Situationen gedacht worden. Alle lebenswichtigen Funktionen konnten manuell gesteuert werden, es dauerte lediglich einige Zeit.

Vor wenigen Minuten hatten sich die Belüftungsklappen auf der Brücke langsam geöffnet, Alnak musste also trotz der versperrten Wege irgendwie den Maschinenraum erreicht haben.

Sobald das Lüftungsmanöver beendet war, würde er sich der Herstellung weiterer Grundfunktionen widmen. Nachdem der von Miss Kincaid geschickte Vulkanier ihm Bericht erstattet hatte, hatte der Captain ihn in den Maschinenraum geschickt, um Alnak weitere Instruktionen zu überbringen.

Durch die geöffnete Luke war noch immer ein kleiner Ausschnitt der Oberfläche des Planeten zu erkennen: Durch die Reibungshitze des rutschenden Raumschiffs war an einigen Stellen der Sand zu einer glasartigen Masse geschmolzen.

Ein eigenartiger Anblick.

Sobald die Lage an Bord unter Kontrolle war, würde McCarthy einen Erkundungstrupp losschicken. Noch war ungewiss, ob und wann die Venture würde starten können. Sie mussten sich also wohl darauf einstellen, zeitweise auf dem Planeten zurechtzukommen...

--- Quartier 71

S'Tom schlug die Augen auf. Und stellte fest, dass im optischen Spektrum keine Informationen vorlagen. Im den meisten Bereichen des Spektrums lag ungewöhnlich wenig Information vor, nur im thermischen Bereich konnte er aber vage Umrisse erkennen. War das dort sein Bett? Es war keinesfalls die Decke des Quartiers, die sich auf Grund der Gleichgewichtsinformationen seines Ohres dort eigentlich befinden sollte...

Plötzlich erkannte er im um Größenordnungen längerwelligen Bereich starke, ungerichtete Strahlung, wie er sie schon kurz vor dem Absturz beobachtet hatte. Merkwürdigerweise mit gleicher Intensität wie im Orbit.

Bevor er sich solchen Problemen widmete, musste er aber zuerst Klarheit bezüglich der Situation gewinnen. Er konnte offensichtlich wieder relativ klar denken. Aber wieso hatte er die mysteriöse Strahlung erst verzögert entdeckt?

Eine kurze Selbstdiagnose bestätigte dem ehemaligen Borg eingeschränkte, aber vorhandene Funktionstüchtigkeit seines gesamten Körpers. Es stand allerdings bedenklich wenig Energie zur Verfügung - was die Wahrnehmungs-Verzögerung erklärte, er konnte dadurch nicht mehr das ganze Strahlungsspektrum gleichzeitig verarbeiten -, diese aber wenigstens stabil. Seine Implantate und Nanosonden hatten sich der neuen Umgebung inzwischen so weit als möglich angepasst.

Die fehlende Strahlung in den meisten Frequenzbereichen sprach für einen nahezu totalen Ausfall der Energie am Schiff. Dazu sollte es eigentlich nie kommen, die Venture war immerhin ein Sternenflottenschiff... Zusammen mit seinem eigenen Zustand war es naheliegend, dass sich das Schiff in einem starken Dämpfungsfeld befand, das mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der entdeckten Strahlung korrelierte.

Langsam richtete sich der Techniker auf und musste dabei feststellen, wie geschwächt auch die biologischen Teile seines Körpers waren. Seine Implantate verbrauchten anscheinend trotz der Anpassungen und reduzierter Leistung deutlich mehr der chemischen Energie seiner Zellen als üblich.

Er würde im Maschinenraum gebraucht werden, in solch einer Situation mangelte es in Technik und Medizin nie an Arbeit. Über die durch die Schiffslage neu entstandene Türschwelle begab er sich in den Wohnraum seines Quartiers, wo er im ebenfalls neu entstandenen Chaos seinen persönlichen Scanner und Werkzeugkoffer suchte. Der Scanner hatte glücklicherweise noch etwas Energie und war somit schnell gefunden. Die Suche nach dem Werkzeugkoffer hatte er schon aufgegeben, als er schließlich auf dem Weg hinaus darüber stolperte.

--- Gänge, Deck 3

Als S'Tom die Tür überwunden hatte, ohne Energie und ohne Kraft nicht ganz einfach, trafen ihn auf dem Gang viele sensorische Informationen, auch wenn er vermutete, dass er üblicherweise noch weit mehr wahrgenommen hätte. Brandgeruch, Stöhnen (des Schiffsrumpfes oder verletzter Personen? er war sich nicht sicher), viele Schritte, ... und diffuses Licht, was die Navigation erleichterte.

Es begegneten ihm einige Besatzungsmitglieder, etwas hektisch, auf ihre Aufgaben konzentriert. Anscheinend waren Notfallprotokolle für solche Fälle schon umgesetzt (und vor allem existent), was wieder einmal die trotz allem gegebene Verbundenheit der Venture mit der Sternenflotte demonstrierte.

Bevor der Techniker aber im Maschinenraum von Nutzen sein konnte, benötigte er noch etwas anderes.

--- Krankenstation

Üblicherweise hätte S'Tom das Stimmenchaos der Krankenstation automatisch aufgelöst, hätte erkannt, dass sich Jordans Stimmmodulation darunter befand, und dass Inhalt, Tonlage und Lautstärke nicht zu wie auch immer gearteten ärztlichen Tätigkeiten passten.

Üblicherweise.

Aber nicht heute. Für dauerhafte Aufnahme erweiterter sensorischer Informationen stand seinen Implantaten einfach nicht genug Energie zur Verfügung.

Somit suchte der Vulkanier die Krankenpflegerin auf, zu der er von der bei seiner Ankunft angesprochenen Person verwiesen worden war. Diese - Lisa Dallas, wie ein gedanklicher Vergleich mit den bekannten Besatzungsdaten ergab - war anscheinend gerade dabei, einen offenen Bruch zu richten; er hielt sich zurück, bis diese die Verletzung großteils versorgt hatte.

"Ms. Dallas, ich benötige Standardnotrationen", sprach der ehemalige Borg sie an. Ohne sich umzudrehen erwiderte die Pflegerin genervt: "Sehen Sie nicht, dass ich beschäftigt bin? Es gibt hier Leute, denen weit mehr fehlt, als ein voller Magen." "Ms. Dallas, wenn es sich nicht um einen medizinischen Notfall handeln würde, wäre ich nicht hier", antwortete S'Tom ruhig.

Lisa festigte den Verband an ihrem Patienten und wandte sich um. Auf Grund des letzten Satzes hatte sie bereits eine starke Vermutung, wer sie hier angesprochen hatte - es gab nicht viele, die in einer solchen Situation in solch unberührtem Ton sprechen konnten. "Sie sind es...", stellte sie fest, als sie dem Vulkanier in die Augen sehen konnte.

S'Tom ließ einen kurzen Tricorderscan über sich ergehen, während ihm die Amerikanerin erklärte, dass sie eigentlich wirklich keine Zeit für so etwas hatte. Ihre Mimik sagte ihm, dass die Scanergebnisse durchaus gute Gründe für seine Anfrage erkennen ließen.

Es saß nun schon der nächste Patient auf dem Biobett hinter der Krankenpflegerin, zu dem sie sich kurz umsah. Etwas von "keine Zeit" murmelnd, wandte sie sich wieder an den Vulkanier: "Gut, äh, schauen Sie einfach selber mal im Lager nach. Ich brauche Sie hoffentlich nicht daran erinnern, nur so viel als unbedingt nötig zu nehmen." Damit widmete sie sich den inneren Blutungen ihres neuen Patienten.

--- Krankenstation, Lager

S'Toms Okularimplantat brauchte ungewohnt lange, sich an das Sonnenlicht im Lager anzupassen. Ein wirklich eigenartiger Anblick. Seine Nase sagte ihm, dass der Geruch aber noch ungewöhnlicher war. Ozon. So penetrant, dass es mit seinen reduzierten sensorischen Fähigkeiten wahrnehmbar war. Er ging zu dem Riss in der Wand, roch die einströmende Frischluft. Von außen kam das Ozon offenbar nicht, in den restlichen Räumen der Krankenstation hatte er auch nichts bemerkt.

Kurzfristig nahm eine eben entdeckte Kiste mit Standardnotrationen die Aufmerksamkeit des Technikers in Anspruch. Er packte fünf Päckchen der flüssigen Variante ein, öffnete ein weiteres, und führte den Inhalt seinem Körper zu. In die andere Hand nahm er währenddessen seinen Scanner und versuchte, nützliche Daten über den Ursprung des Ozons zu erhalten.

Es dauerte etwas, bis der Scanner das tat, was er sollte. Währenddessen fühlte der Vulkanier, wie seine körperliche Erschöpfung langsam nachließ; die Notration zeigte erste Wirkungen. Nach 5,6 Minuten hatte er das Ergebnis. Eine Energiewaffe war vor kurzem abgefeuert worden. Genauere Informationen mochte er dem Scanner nicht entlocken, aber das war auch eher nebensächlich - egal wie, wer, oder was, keines der möglichen Szenarien war positiver Natur.

S'Tom fragte fünf Leute in der Nähe des Eingangs in die hinteren Teile der Krankenstation, ob sie kürzlich jemanden hineingehen gesehen hätten. Im Allgemeinen war das Personal zu beschäftigt gewesen (und auch jetzt gestresst), aber anscheinend waren zwei Aushilfskräfte sowie Jordan in den letzten 15 Minuten gesehen worden. Die Aushilfskräfte in dem Getümmel zu identifizieren wäre hoffnungslos, daher versuchte er noch herauszufinden, wo sich Jordan befand. Auf der Station selbst war sie offensichtlich nicht. Und eine kurze Befragung von drei Leuten in Türnähe wusste er auch, dass sie niemand hinaus gehen gesehen hatte.

"Holen Sie Mr. Wagenvoort. Alternativ Mr. Hisaki. Es gibt hier einen Notfall für die Sicherheit, mit einer Wahrscheinlichkeit von 63% Dr. Kincaid betreffend: Es wurde eine Energiewaffe im Lagerraum abgefeuert. Dr. Kincaid wurde ersten Auskünften zu Folge nicht mehr gesehen, seit sie jenen betreten hatte", wandte er sich an eine der aushelfenden Sicherheitskräfte, welche sowieso nur kleinere Hilfstätigkeiten zu verrichten schien. Noch während dieser Sicherheitler die Informationen, leicht verwirrt blickend, verarbeitete, machte sich S'Tom auf den Weg in den Maschinenraum.

--- Maschinenraum

Yhea nickte stumm, griff nach einem herumliegenden Werkzeugkoffer, der bei dem Absturz nicht seinen gesamten Inhalt im Raum verteilt hatte und folgte dem Techniker. Glücklicherweise befanden sich die magnetischen Notentriegelungen auf diesem Deck und zusätzlich noch in einem direkt zu erreichenden Raum, sodass er nicht wieder durch die verfluchten Jeffries-Röhren klettern musste.

Angestrengt schob Alex die beiden Türflügel auseinander, während Yhea die Taschenlampe hielt. Jetzt, wo die Energie ausgefallen war merkte man erst mal, wie idiotisch es eigentlich war, Türen ohne Griffe zu konstruieren. Natürlich sah es designmäßig viel besser aus, jedoch war es immer wieder ein absurder Kraftakt, in Fällen wie solchen von Hand mit der Tür kämpfen zu müssen.

Mit einem erleichternden Stöhnen schaffte es Alex schließlich, den Weg frei zu machen und sie betraten den Raum dahinter.

--- Technikraum

"Nun gut, dann wollen wir doch mal sehen ...", sagte Yhea und ging zu einer Wand die aussah, als wäre sie von irgendeinem antiken Schiff hier eingebaut worden. Kein LCARS, keine Regler, keine Knöpfe, nur etliche große Schalterhebel in roter Warnfarbe, verriegelt mit komplizierten Sicherheitsverschlüssen.

"Ich glaube, da werden wir ein wenig für brauchen", bemerkte Alex und begutachtete die Wand. "Soll ich rechts anfangen und du links?"

"Ja", nickte Yhea und begab sich zum ersten Hebel. "Verschaffen wir der Crew mal ein bisschen frische Luft."

Konzentriert machte er sich daran, die erste Verriegelung zu öffnen, doch dauerte es mehrere Minuten, bis er es geschafft hatte. Zum einen war es wirklich kompliziert; schließlich wollte man ja nicht, dass sich aus Zufall das ganze System im All in Bewegung setzte und zum anderen war es schon eine Weile her, dass sich Yhea das letzte Mal damit beschäftigt hatte.

Kräftig zog er dann an dem roten Hebel, der mit einem Ruck nach unten glitt. Ein lautes Klacken war zu hören, als sich die magnetischen Verschlüsse lösten und den ersten Be- und Entlüftungsschacht öffneten. Er blickte auf das Schild, welches darüber angebracht war. Deck 1, Brücke. Nun gut, der Captain würde sich freuen, dass das mit der Luft nun kein Problem mehr war.

--- Labor

"Gewiss!" Ruben konnte absolut verstehen, dass die Wissenschaftlerin nicht ohne bessere Sicht mit solch flüchtigen Substanzen arbeiten wollte. Ihm selbst war unwohl bei dem Gedanken - vor explodierenden Gegenständen hatte er einen Heidenrespekt!

"Vielleicht kann man die Energiezelle der Taschenlampe an die Deckenbeleuchtung anschließen?"

Bei den Worten versuchte er sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass man über die Deckenbeleuchtung in ihrer derzeitigen Lage leicht stolpern konnte.

"Hat zufällig jemand einen Pozidriv-Schraubendreher dabei?"

Ruhig hatte Hisaki über den Vorschlag nachgedacht. "Ich bin sicher, wir werden auf etwas Vergleichbares stoßen, Mr. Wagenvoort, wobei eine etwas brachialere Methode notfalls auch Erfolg haben könnte, um die Lampe aufzubrechen."

Immer noch in Gedanken, was in welcher Reihenfolge zu tun war, drückte er zuallererst der scheinbar immer noch leicht orientierungslosen Lakota die Taschenlampe in die Hand.

"Wir sollten zuallererst die umliegenden Räume nach Verletzten absuchen und gegebenenfalls Rettungstrupps zusammenstellen. Mit etwas Glück finden wir einen Techniker, der uns mit der Lichtquelle zur Hand gehen kann. Zumal ich mich mit dem Risiko nicht auskenne, was passieren könnte, wenn Mr. Alnak die allgemeine Stromversorgung wiederherstellt, während wir an den Leitungen arbeiten.

Weiter würde ich ihren Vorschlag mit Labor 7 aufgreifen Mr. Wagenvoort, dass wir dort Geräte und Personen sammeln können", schloss der Erste Offizier seine Ausführungen.

 Einen Moment war Ruben verwirrt: 'Er ist ja gar nicht auf den Plan mit der Sprengung eingegangen?! Nun, vielleicht kommt das ja noch. Vermutlich hat er Recht und wir sollten zunächst Kontakt zur Technik aufnehmen und nicht selbst an der Elektrik arbeiten!'

Während er noch diesem Gedanken nachhing, musterte er unbewusst Forge. Der Mann hatte gar nichts mehr gesagt. Vielleicht verunsicherte ihn die Gegenwart des Japaners.

Der Niederländer war in jedem Fall froh, dass der Kerl vorerst verstummt war. Zwar hatte er bisher noch nicht dienstlich mit dem Wissenschaftler zu tun gehabt, aber durch sein Gehabe im Zusammenhang mit Jordans Anfall war er Ruben potentiell unsympathisch geworden.

Natürlich würde das ihre Zusammenarbeit nicht belasten, soweit es den Sicherheitschef anging. Jetzt galt es, die Befehle des Ersten Offiziers auszuführen.

Als er gerade zum Sprechen ansetzen wollte, fiel sein Blick auf die Beschriftung der Materialschränke im Hintergrund: "Ionen-Feldlampe, einfache Ausführung, grau"

Mit einer entschuldigenden Geste schob er sich an dem Japaner vorbei und näherte sich dem besagten Möbelstück. Sein Herz begann etwas schneller zu schlagen, hoffentlich bestückte die Wissenschaft ihre Schränke gewissenhaft. Nicht, dass Forge dafür verantwortlich war...

Als er die Türen öffnete, war er schlagartig erleichtert. Fünf Lampen waren bevorratet, sogar die angegebene Ausführung passte. Wenigstens würden sie jetzt die Labore nicht mühsam nach Bewusstlosen abtasten müssen.

Mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck griff er sich zwei der Lampen und hielt sie zum Zeichen seines "Jagderfolgs" etwas hoch. Jetzt konnte es losgehen:

"Mr. Forge, Sie schauen bitte in alle Räume auf der linken Seite des Ganges. Durch den Energieausfall sind die magnetischen Siegel ausgefallen, die Türen können also ähh einfach mit etwas Kraft aufgezogen werden. Ich werde die andere Gangseite durcharbeiten..."

Gleichzeitig drückte er dem Wissenschaftler eine Lampe in die Hand.

'Kraft, die du nicht hast, du Waschlappen...', waren Jans Gedanken als er sich widerspruchslos auf den Weg machte. Er war froh von dem Japaner wegzukommen, er war ihm einfach zu unheimlich.

Außerdem kreisten seine Gedanken zwar nicht vollständig, aber immerhin ein bisschen um Veronica. In all der verbrachten Zeit hatten sich doch sehr zarte, freundschaftliche Bande gebildet.

Aber wenn der Erste Offizier meinte, es ginge ihr soweit gut, glaubte er es ihm auch, schließlich war seine Integrität gerade das, was er fürchtete.

Seufzend machte er sich daran, die Türen nacheinander aufzustemmen. Vielleicht fand er ja was zu Essen, denn langsam, wie nach jeder guten Knutscherei, meldete sich sein Magen.

 --- Maschinenraum, etwas später

Verschwitzt und verstaubt waren Alex und Yhea nach der Entriegelung aller Lüftungskanäle wieder in den Maschinenraum zurückgekehrt und hatten sich kurz eine Verschnaufpause gegönnt, als ein Lichtschein von der Tür ihre Aufmerksamkeit erregte.

"Wer da?", rief der Chefingenieur dem Unbekannten entgegen, der mit wackelnder Taschenlampe auf sie zu kam.

"Tilek, Sir", schallte ihnen entgegen und wenige Sekunden später war der Vulkanier auch schon bei ihnen. "Ich bin von Miss Jordan und dem Captain zu Ihnen geschickt worden mit den Anweisungen, dass die Kommunikation, die Replikatoren und die Transporter schnellstmöglich wieder funktionieren sollen"

"Gleich drei Sachen auf einmal?", entfuhr es Alex, während Yhea nur den Kopf schüttelte und seinen Arm um Tileks Schulter legte. "Würden Sie mir einen Gefallen tun und dem Captain und Miss Jordan sagen, dass ich mein Möglichstes tun werde?" 'Auch wenn ich bezweifle, dass wir hier viel tun können', fügte er in Gedanken hinzu, während Tilek wieder den Maschinenraum verließ.

"Ich glaube, unsere Pause ist damit wohl vorbei", sagte Yhea und ging zum Hauptterminal, welches dunkel vor ihm lag. "Ich glaube, es wird wohl nichts bringen, wenn ich die Hand auflege?", witzelte er und schaute sich nach einem Tricorder um, als erneut ein Licht beim Eingang zu sehen war.

"Was machen Sie denn schon wieder hier, Tilek?", rief er in Richtung Tür, wurde jedoch überrascht, als drei Personen sich durch den Eingang quetschten und zu ihnen herüber kamen.

"Lasst mich raten", begrüßte er die drei, als er ihren Gesichtsausdruck sah. "Ihr seid von irgendwem geschickt worden, dass ich irgendwas zum Laufen bringen soll?"

Ein gemeinsames Nicken der Techniker gab ihm die Bestätigung, dass er mal wieder recht gehabt hatte.

"In Ordnung. Wenn es die Kommunikation, Replikatoren oder Transporter sein sollen, dann könnt ihr euch die Luft sparen. Daran arbeiten wir gerade."

Die drei Botschaftsüberbringer schauten sich kurz gegenseitig an, zuckten mit den Schultern und wollten den Maschinenraum wieder verlassen, doch Yhea hielt sie auf.

"Nicht so schnell. Wenn ihr nichts zu tun habt, dann geht runter zur Shuttlerampe und versucht, dort die Energiesysteme eines der Runabouts zu aktivieren. Vielleicht schaffen wir es damit, zumindest ein wenig Replikatorkapazität zu bekommen."

Mit einem Nicken verabschiedete er die drei und drehte sich wieder zu Alex um. "Dann würde ich sagen, machen wir weiter."

--- Maschinenraum, noch etwas später

Flüche und Beine waren aus der kleinen Wartungsöffnung oberhalb der Hauptkonsole zu hören und sehen, wobei sehen bei der schwachen Beleuchtung, die aus der Öffnung schien, eindeutig übertrieben war.

"Wieso muss ich auch immer die Lampe erwischen, die eine kaputte Energiezelle hat", ärgerte sich Yhea und schlug die Lampe ein weiteres Mal an die Wand, um ihr zu zeigen, wo der Hammer hing und vor allem sie dazu zu bewegen, noch ein paar weitere Minuten zu leuchten. Doch diesmal schien sie ihm die Aufforderung krumm zu nehmen, denn anstatt wieder heller zu leuchten wie bei den ersten paar Malen, ging sie nun komplett aus.

"Verdammt noch mal", fluchte er wieder und pfefferte die Lampe mit Schwung aus der Luke, wo sie scheppernd irgendwo aufschlug. "Ein Königreich für einen Kaffee", stöhnte er, während er sich aus der Wartungsöffnung schälte und nach Alex Ausschau hielt, der an einem der Notenergiegeneratoren arbeitete. Schwach erkannte er einen Lichtschein am anderen Ende des Maschinenraums und gerade, als er sich vom eigentlichen Boden wieder zur Decke herabhangeln wollte, da hörte er vom Eingang ein Geräusch.

Waren die drei Techniker von eben etwa schon wieder zurück? Er bezweifelte es, schließlich war die Aufgabe ziemlich komplex und außerdem unter den gegebenen Umständen äußerst schwierig.

"Immer herein, wenn es Kaffee oder Licht gibt", rief er dem oder der Unbekannten entgegen, wobei er definitiv hoffe, dass es Ersteres gab. Schließlich war Licht derzeit wirklich das kleinere Problem und Alex im Notfall die Lampe zu stibitzen sollte nicht sehr schwer sein.

--- Labor

Seitdem Celia die Taschenlampe in der Hand hatte, fühlte sie sich wesentlich besser. Sie erinnerte sich an die Aufgabe, die Wagenvoort ihr gestellt hatte. Und versuchte, sich zu erinnern, wo Chemikalien lagern könnten, aus denen ein Sprengstoff hergestellt werden konnte.

Und zwar welche, die möglichst wenig Sauerstoff verbrauchten, wenn sie explodierten. Wer wusste schon, wie weit der Romulaner mit der Frischluft war.

Der Nebenraum. Theoretisch müssten dort Stickstoffverbindungen vorhanden sein, mit denen sich vielleicht etwas anfangen ließe.

Wortlos wandte sie sich von den drei Männern ab und hinkte auf die Türe zum Nebenraum zu, die nicht ganz verschlossen war. Der Spalt war jedoch nicht groß genug, als dass sich die Lakota hätte durchzwängen können. Sie leuchtete durch den Spalt.

Im schwachen Licht der Taschenlampe meinte sie, jemanden auf dem 'Boden' liegen zu sehen. Am Ende des Lichtkegels konnte man auch einen Schatten erkennen, aber es war nicht ersichtlich, ob es ein menschlicher Schatten war oder schlicht und einfach nur ein umgefallenes Gerät.

Celia stemmte sich gegen die Tür und bemühte sich, sie weiter aufzuschieben. Ein quietschendes Knirschen, das ihr durch Mark und Bein ging, quittierte ihre Versuche. Noch einmal setzte sie ihre ganze Kraft ein. Das Schott bewegte sich kaum - dafür wurde der Lakota schwarz vor Augen, als ihre verletzte Hüfte sich lautstark meldete und Schmerzwellen durch ihren Körper jagte.

Sie lehnte sich gegen die Wand, stützte ihre Hände auf den Oberschenkeln ab und versuchte, den Schmerz in einen Winkel ihres Bewusstseins zurückzudrängen.

"Kann hier mal jemand mit anpacken?", brachte sie heraus, als sie wieder halbwegs klar denken konnte. "Da drin liegt jemand..."

Hisaki vernahm den Ruf der Wissenschaftlerin als erster, gerade als er Ruben folgen wollte. Schnell eilte er zu ihr hin und schaffte es zusammen mit der Indianerin, die protestierende Tür aufzustemmen.

--- Deck 4, Gänge

Als Ruben die Wissenschaftlerin gehört hatte, hatte er für einen Moment seinen Versuch unterbrochen, eine der schweren Labortüren aufzupressen.

Doch unmittelbar darauf vernahm er das Geräusch klackender Stiefel: Hisaki musste ihr zur Hilfe gekommen sein. Kurz suchte er den Blickkontakt mit Forge, aber der junge Mann war schon ein Stück entfernt dabei, das mittlerweile dritte Schott zur Seite zu schieben.

Viereinhalb Sekunden später beschloss Wagenvoort, dass Kuzhumo oder Celia sich sicher melden würden, wenn sie weitere Hilfe benötigten und setzte seine Arbeit fort.

Mit aller Kraft drückte er seinen schlaksigen Körper gegen das glatte Metall, bis seine Fingerknöchel begannen weiß hervorzutreten und die Adern sich deutlich auf seinen blassen Unterarmen abzeichneten.

Die Gesichtszüge des Niederländers waren zusammengepresst und langsam begann er rot anzulaufen, nachdem er unbewusst aufgehört hatte zu atmen.

Quälende Sekunden vergingen, ehe das Schott schließlich nachgab und sich einen winzigen Spalt aufschieben ließ. Sein Körper entspannte sich schlagartig und er gönnte seiner Lunge einen Atemzug frische Luft.

Der Druck entwich aus seinem Kopf.

'Weiter!', forderte er sich selbst auf. Es galt, den inneren Schweinehund zu besiegen. Es gab eine Redewendung auf der Erde, genauer gesagt in Deutschland: "Der Geist ist willig, doch das Fleisch ist schwach"

Der Gedanke daran ließ ihn kurz lächeln.

Wie so oft hatten die Deutschen keine Ahnung.

'Das Fleisch ist willig, doch der Geist ist schwach!', rezitierte er für sich die Erkenntnis etlicher Bücher, die er in seiner langen Leidenszeit gelesen hatte, während er seine Hände in den entstandenen Spalt schob und erneut mit aller Kraft gegen das Schott drückte.

Stück für Stück gab dieses nach, bis die Öffnung groß genug war, um den Niederländer hindurchschlüpfen zu lassen.

--- Deck 4, Labor 5

Nachdem der Niederländer das Labor durch den schmalen Türspalt betreten hatte, ließ er den Lichtkegel seiner Lampe durch den Raum wandern. Er wagte nicht zu atmen, wissend, dass der Lichtstrahl jederzeit das verzerrte Gesicht eines Toten erleuchten konnte.

Es vergingen einige Sekunden, bis er das ganze Labor systematisch abgetastet hatte. Er hatte ein Suchmuster benutzt, dass eine lückenlose Überprüfung in relativ kurzer Zeit möglich machte, ohne in die Gefahr zu kommen, etwas zu übersehen.

Doch außer verstreuter Ausrüstung war nichts zu sehen, als er aus dem Gang ein Geräusch hörte. Es klang nach einer Stimme, die er aber nicht verstehen konnte.

Nach einer Sekunde ertönte sie erneut:

"...ter .ag....ort"

Die Bruchstücke reichten aus, um seinen Namen zu verstehen. Wer es wohl war? Und was er wollte? Augenblicklich stieg ein leichtes Kribbeln in seinem Nacken auf, während er sich beeilte, den Raum wieder durch die Türöffnung zu verlassen.

--- Deck 4, Gänge, vor Labor 5

"Ja?!", echote er in die Dunkelheit zurück.

Eine verbale Antwort blieb aus, aber nach einem Moment konnte er ausmachen, dass sich ein schwaches Licht ihm näherte. Untermalt wurde dies von dem Klackern von schweren Stiefeln, wahrscheinlich also jemand von der Sicherheit.

Vielleicht war der versperrte Gang ja mittlerweile geräumt worden...

Neugierig wartete Ruben, bis er schließlich Renold Kister erkennen konnte, der schnaufend vor ihm zum Stehen kam. Der Fähnrich war auch nicht mehr der Jüngste, aber er gönnte sich keine Ruhepause, sondern begann direkt mit seinem Bericht.

Wagenvoorts Nackenhaare stellten sich alarmiert auf, als er vom Verschwinden von Jordan und den Spuren von Energiewaffengebrauch hörte.

"Vielen Dank, Fähnrich. Kommen Sie erstmal zu Atem und informieren Sie dann Hisaki, der sich in dem Labor dort vorne befinden sollte, und suchen Sie dann die Brücke auf, um den Captain zu informieren. Ich werde mich sofort zum Ort des Verbrechens begeben!"

Noch während der letzten Worte hatte er sich in Bewegung gesetzt.

In der derzeitigen Situation die Ärztin zu verlieren war katastrophal für das ganze Schiff und die Sorge um Jordan traf ihn dazu noch persönlich.

Der Schein der Taschenlampe huschte über den Boden. Seine Schritte wurden schneller und schneller und nicht nur einmal war er kurz davor zu stolpern.

Er musste Jordan finden...

--- Labor, Hinterzimmer

Kuzhumo beugte sich über den leblosen Körper, der auf dem nassen Boden lag. Schnell erkannte er das sehr kleine reglose Besatzungsmitglied.

Es war Gorm.

Der Japaner klappte nach ein paar Sekunden den Tricorder zu, der nur das offensichtliche bestätigte.

"Er ist tot, Celia...", flüsterte der 1. Offizier leise zu der Wissenschaftlerin. Er wusste das sie sehr angeschlagen war und einen ihrer engsten Mitarbeiter tot auf dem Boden zu finden trug sicherlich nicht zu einer schnellen Erholung bei.

Celia ließ sich schwer gegen die Wand des Nebenraumes sacken. Die Taschenlampe entglitt ihren Fingern und fiel mit einem dumpfen Klang zu Boden. Ihr schwacher Schein flackerte ein wenig, verlosch jedoch nicht.

Die Lakota wusste weder, welcher Geist derjenige war, der für den Ferengi zuständig war, noch ob Ferengi überhaupt Geister hatten. 'Wir sollten seinen Körper ins Freie bringen können, damit seine Seele nicht weiter im Schiff gefangen bleibt', dachte die indianische Wissenschaftlerin, machte sich aber sofort klar, dass dies wohl momentan unmöglich wäre.

Sie richtete sich wieder auf, hob ächzend die Taschenlampe vom Boden und hinkte die wenigen Schritte bis zu Hisaki. Ihre Hand schloss sich fester um die Stablampe. Sie hatte Gorm kaum gekannt. Sie hatten häufig zusammengearbeitet, das schon, aber gekannt hatte sie den zwergenwüchsigen Ferengi nicht wirklich.

"Sir", wandte sie sich mit gezwungener Ruhe an den Asiaten, "Wir sollten daran arbeiten, die Toten von Bord zu bringen und zu beerdigen. Je länger sie im Schiff bleiben, desto eher bekommen wir furchtbare hygienische Zustände, nachdem die Energie zunächst für andere Dinge benötigt werden wird."

"Da haben Sie recht Ms. Hunter. Ich werden alles Nötige veranlassen, sobald wir...", Hisaki seufzte, was eigentlich gar nicht seine Art war, "einen Überblick über die derzeitige Situation haben."

Der Erste Offizier wusste um den Glauben der Lakota vor ihm und hoffte, ihr damit ein bisschen Mut zuzusprechen, "Wir sind auf einem Planeten der Klasse M gelandet, der Vegetation aufweist. Sobald wir unsere Umgebung gesichert haben, werden wir... sie der Erde übergeben."

Kuzhumo hatte reichlich wenig Ahnung über die indianische Kultur, falls man das überhaupt verallgemeinern konnte. Aber er hoffte, mit der Aussicht auf einen grünen Planeten Celia ein wenig beruhigen zu können. Der Asiat nahm sich vor bei der nächsten Gelegenheit dem spirituellen Hintergrund seines Gegenübers nachzugehen.

Bis dahin hoffte er die leicht verstörte Frau bei Kräften zu halten. Fürsorglich legte er Celia die Hand auf ihre Schulter und blickte ihr tief in die Augen, "Ich weiß, es ist eine sehr schwere Situation für Sie ist, aber glauben Sie mir... wir werden es zusammen schaffen."

Der Erste Offizier sagte dies mit seiner beruhigenden Stimme nicht als Motivation.

Sondern als Feststellung.

Ein leichtes Lächeln umspielte die Mundwinkel des Japaners, "Sie glauben doch nicht, nach all den Schlachten in der Leere des Alls, die wir geschlagen haben, dass wir ausgerechnet auf einem Planeten scheitern?"

--- Maschinenraum

"Mir ist bewusst, dass Sie Ersteres selbst in solchen Situationen vorziehen würden; ich kann Ihnen dennoch nur mit Zweiterem dienen", antwortete S'Tom seinem Vorgesetzten. Eine solche Liebe zu Kaffee hatte er in seiner ganzen Zeit auf der Erde nicht erlebt, und Menschen konsumierten im galaktischen Durchschnitt pro Kopf am Meisten dieses Getränks...

Sich auf seinen behelfsmäßigen Stock stützend - ein Polyduranid-Stab von für den Zweck geeigneten Maßen, den er in einem der vielen Trümmerhaufen am Weg hierher gefunden hatte; und er musste Kräfte schonen, wo er nur konnte - betrat er endgültig den Maschinenraum.

Es war ein beschwerlicher Weg gewesen; Jeffries-Röhren waren wahrlich nicht für die Benützung ohne künstliche Schwerkraft geeignet. Der Vulkanier hatte seinem Körper eine zweite Notration zuführen müssen; er hoffte, dass diese doppelte Dosis nun für mehrere Stunden reichen würde, immerhin waren sie so ausgelegt, die vielen enthaltenen Nährstoffe nur relativ langsam freizugeben.

Neben Yhea angekommen, stellte er die Tasche, die er auf dem Rücken mitgeführt hatte, ab, und packte nebst seinem Werkzeugkoffer drei kleine Lampen aus, die er in einem Schrank an einem der Jeffries-Knotenpunkte gefunden hatte.

Überrascht blickte der Romulaner auf die ganzen Utensilien, die S'Tom mit sich herum geschleppt hatte. Irgendwie passte der Anblick eines gebeugten und sich auf einen Stock stützenden Vulkanier, der einen Berg an Ausrüstung schleppte nicht so wirklich zusammen. Vor allem, da er ihm heute noch blasser vorkam als sonst, und das wollte schon was heißen.

"Glauben Sie mir S'Tom, so langsam würde ich fast alles machen, um an eine schöne Tasse Kaffee zu kommen", sagte er und nahm eine der Lampen in die Hand. "Aber dies hier wird mir vielleicht dabei helfen können, schneller die Replikatoren wieder flott zu bekommen. Und vermutlich gibt es keine bessere Motivation für mich."

Ein breites Grinsen erschien auf seinem Gesicht, während er die Lampe einschaltete und sich wieder zur Hauptkonsole wandte.

"Wenn wir es nur endlich schaffen würden, irgendwo vernünftig Energie aufzutreiben. Bei allem, was mehr Energie verbraucht als eine Lampe oder ein Tricorder verschwindet sie einfach so im Nirgendwo. Irgendwie ist dieses Dämpfungsfeld daran beteiligt, doch ohne den Computer sehe ich keine Möglichkeit, dafür eine Lösung zu finden."

 --- Außenhülle der Venture, acht Stunden später

Sämtliche Bemühungen des Sicherheitschefs waren vergeblich gewesen: Jordan war nicht mehr auf der Venture und es gab keine Spur zu ihrem Verbleib. Ohne technische Hilfsmittel war ihm als einziger Hinweis eine Fußspur im Sand geblieben, die der Wind aber schon wenige Meter vom Schiffsrumpf entfernt verwischt hatte.

Auch die Befragung des Personals der Krankenstation war erfolglos geblieben. Klar war nur, dass die von S'Tom wahrgenommenen Energiereste nicht von einem ihrer Phaser stammen konnten - weiterhin waren alle ihre Energiewaffen nutzlos.

Jetzt stand Ruben mit McCarthy, Hisaki und drei mit Schwertern bewaffneten Sicherheitlern als Eskorte auf dem Schiffsrumpf und blickte in die Ferne. Der Horizont war leer, nur selten war ein Baum zu sehen. Der Captain hatte die Venture nach dem Verschwinden der Ärztin vorerst befestigen lassen, sobald die angespannte Situation es zuließ.

Solange sie sich nicht wirksam verteidigen konnten, mussten alle Hüllenrisse und sonstigen Zugänge, sowie die kritischen Schiffsbereiche bewacht werden. Ruben hatte an seine Sicherheitler Hieb- und Stichwaffen verteilen lassen, die an Bord für vergleichbare Fälle bevorratet waren.

Der Japaner hatte in den letzten Stunden auf der Krankenstation als Arzt ausgeholfen, nachdem auch Cailin nicht mehr zur Verfügung stand.

Die Verletzten waren vorerst geborgen und weitestgehend versorgt, alle Brände gelöscht und auch die Toten gezählt. Fast ein Viertel der Besatzung hatte den Aufprall nicht überlegt oder war inzwischen den Verletzungen erlegen, ein weiteres Viertel war so schwer verletzt, dass es vorerst in stationärer Behandlung bleiben musste.

"Hisaki, Sie bleiben vorerst als Arzt in Bereitschaft, bis das medizinische Personal die Lage gänzlich unter Kontrolle hat. Und stellen Sie eine Beerdigungseinheit zusammen"

McCarthy versuchte seiner Stimme nicht allzu sehr anmerken zu lassen, wie sehr es ihm missfiel, die sterblichen Überreste all der Männer und Frauen, die so tapfer bis zum Schluss gedient hatten, auf diesem öden Felsbrocken zu begraben.

Doch sie hatten keine Wahl. Selbst wenn die Schiffsenergie schon wieder hergestellt worden wäre, hätte ihnen die Kühlkapazität für die Masse der Leichen gefehlt.

Dazu war die Venture der unbarmherzigen Sonne ausgesetzt und die Temperatur an Bord würde noch weiter steigen. Nein, die Toten mussten begraben werden, daran führte kein Weg vorbei.

Wenigstens hatten sie einen Weg gefunden, die schiffsinterne Kommunikation provisorisch wiederherzustellen: Zwar funktionierte das normale Netz aufgrund des Dämpfungsfeldes immer noch nicht, aber Alnak war auf die Idee gekommen, achtfach abgeschirmte Duraniumkabel durch die Gänge verlegen zu lassen.

So konnten zumindest die wichtigsten Schiffsbereiche mit Sprechfunk verbunden werden.

"Anschließend werden wir ein Suchkommando losschicken. Wir müssen Miss Kincaid finden und ergründen, ob dort draußen eine Gefahr auf uns lauert..."

Mit leicht zusammengekniffenen Augen blickte Hisaki in den Horizont, so dass seine ohnehin schmalen Augen zu winzigen Schlitzen wurden. Die letzten Stunden hatte er wie in Trance verbracht und zum wiederholten Male in den letzten Wochen spürte er sein Alter vehement.

Den sorgenvollen Blick von Charles hatte er wohl bemerkt, als dieser den Asiat im Sonnenlicht erblickte. Beide sind auf diesen Umstand nicht weiter eingegangen, da es zum einen weder Zeit noch Ort waren und zum anderen die Umstehenden nur auf etwas aufmerksam gemacht hätte, was keiner mitbekommen sollte. Hisaki war sich bewusst, dass er als unerschütterlicher Fels in der Brandung eine ähnliche Bedeutung für die Crew hatte, wie der Captain als Sinnbild der hehren Ideale, die sie verfolgten.

Bis jetzt fiel es nur dem Captain auf, nicht zuletzt, da dieser von seinem Schwur, sich fern von der Medizin zu halten, wusste. Dieser war tatsächlich der Einzige, der seine Gedanken kannte, bzw. zum jetzigen Zeitpunkt erahnen konnte.

Kuzhumo stand stramm wie eh und je auf der Hülle, nur seine Augen verrieten die innerliche Leere, die ihn zu verschlingen drohte. Soviele junge Menschen hatten den Tod gefunden. So viele Notfälle auf einmal und keine Chance, sie alle zu retten.

Deswegen hasste er diesen Beruf.

Deswegen hasste er diese Mission.

Junge Menschen, die Alles aufgegeben haben, um Gutes zu tun... als Verräter auf einem einsamen Felsklotz in der Leere des Raums gestorben.

Hisaki schüttelte den Kopf, um diese Gedanken, die ins Nichts führten, zu vertreiben. Es gab Dringenderes zur Zeit, als sein Chi im Gleichgewicht zu halten.

"Wir sollten ebenfalls ein paar Wissenschaftler mitschicken, um nach Wasser und Nahrung zu suchen. Die Bestattungsteams... sind schon eingeteilt. Ich würde das Feld dort", der Japaner zeigte auf ein Gebiet, was gut einsehbar zur Linken des Schiffes lag, "nehmen..."

Die Worte verklangen im Wind, während einige Sekunden niemand mehr etwas sagte.

--- Höhlensystem

Ein kühler Windhauch strich durch den Gang; auf ihrer Haut unter der klammen Uniform fühlte er sich eisig an. Jordan fröstelte, während sie sich automatisch in Richtung des Luftzugs umsah und ihren Phaser hob. Aber natürlich hatte sich niemand genähert, und noch immer ragten nichts als die Umrisse reglosen Felsgesteins aus der Dunkelheit hervor. Trotzdem erneuerte die Ärztin ihren Griff um den Phaser, strengte die Augen an und ging vorsichtig in die Richtung weiter. Vielleicht kam der Luftzug von draußen.

Außer dem entfernten Rieseln von Grundwasser hing nur das Geräusch ihres klopfenden Herzens in der Luft. Gott, sie war müde - sie hatte keine Ahnung, wieviel Zeit vergangen war, seit sie die Augen geöffnet und sich in völliger Dunkelheit wiedergefunden hatte. Ihre Uniform schmutzig und zerkratzt. Keine Spur ihrer Angreifer in Sicht. Phaser, Tricorder und Kommunikator unangetastet. Zitternde Muskeln und ein Schwindelgefühl, das entweder auf eine Gehirnerschütterung oder auf eine Droge hinwies. Sie tippte auf letzteres.

Es verschaffte Jordan ein Gefühl von Sicherheit, die Protokolle von Starfleet verinnerlicht zu haben. Sie wusste, wie man sich in einer Gefahrensituation verhielt, auf fremdem Terrain, wie man die Waffe bereithielt. Die verdammte Waffe funktionierte zwar nicht, aber he. Notfalls, dachte sie zynisch, konnte sie sie werfen.

Sie fuhr herum, als sie über etwas stolperte, das nachgiebiger war als ein Stein. Rasch zog sie mit der Linken ihren Tricorder. Sie musste nicht einmal einen Scan anstoßen, der Lichtschein des Displays reichte aus, um zu erkennen, was sie vor sich hatte. Ein totes Alien eben der Spezies, die sie aus der Venture entführt hatte. Es war das fünfte oder sechste.

Die Ärztin presste die Lippen aufeinander und setzte ihren Weg fort. Sie wusste bereits, dass ein Scan ihr nichts verraten würde, was ihr jetzt half. Sie konnte nicht einmal mit Sicherheit sagen, ob es sich um ihre Entführer handelte - so weit sie feststellen konnte, modifizierte eine Chemikalie in der Luft den Verwesungsprozess rapide. Sie hoffte nur, dass das, was die Aliens getötet hatte, sich nicht mehr hier befand.

Woran sie gestorben waren, war nicht schwer festzustellen. In den ersten beiden Fällen hatte sie minutenlang suchen müssen, bis sie die abgerissenen Gliedmaßen alle fand.

"Kincaid an Venture", versuchte sie zum ungefähr hundertsten Mal, das Schiff zu erreichen. Ihre Stimme hallte von allen Seiten zu ihr zurück.

Keine Antwort.

Verbissen setzte sie ihren Weg fort. Stunden mussten vergangen sein, wenn sie ihren Selbstscans traute - über Wasserrinnsale war sie ab und zu gestolpert, aber mittlerweile wurde Hunger ein Problem.

Das tote Alien blieb hinter ihr zurück. Den nutzlosen Phaser fest umfasst, sah Jordan sich nicht mehr nach ihm um. Sie versuchte, nicht daran zu denken, dass die Außerirdischen haargenau wie die Spezies aussahen, an deren Völkermord sie einst im Gammaquadranten beteiligt gewesen war.

--- außerhalb der Venture

Hunter kniete im heißen Sand und musterte die Überreste der Fußspur, die Jordans Entführer hinterlassen haben musste. Hinter ihr, den Rücken zur Venture, standen zwei Sicherheitler, die aufmerksam ihre Umgebung musterten.

Die Lakota hatte eigenmächtig entschieden, dass sie die Spur selbst betrachten wollte. Sie hatte sich die beiden Sicherheitsmänner geschnappt und war mit ihnen aus dem Riss in der Wand der Krankenstation geklettert.

Es war warm, dennoch wehte ein leichter Wind, der ihr den Sand ins Gesicht blies. Die Spur war wirklich ziemlich verschwunden, aber die Indianerin neigte sich weiter zum Boden hin und betrachtete sie aus verschiedenen Blickwinkeln.

Dabei fiel ihr etwas auf.

Schwerfällig und mit schmerzverzerrtem Gesicht erhob sie sich. Inzwischen war ihre rechte Körperhälfte - Schultern, Arm, Hüfte und Oberschenkel - blau verfärbt und schmerzten bei jeder noch so kleinen Bewegung. Die Wunde über dem Auge war verkrustet, die Haut darum spannte stark. Aber glücklicherweise hatten wenigstens die Kopfschmerzen nachgelassen.

Kurzfristig hatte Celia überlegt, ob sie Hisaki deswegen ansprechen sollte, aber sich dann dagegen entschieden. Der Mann hatte auch so schon genug zu tun - und seine Augen ließen sie vermuten, dass er es hasste. So lange sie sich noch auf den Beinen halten konnte und in der Lage war, ihre Aufgaben zu verrichten, würde sie sich nicht an ihn wenden.

Jahrelange Selbstdisziplin führte dazu, dass sie den beiden Sicherheitlern ein nahezu unbewegtes Gesicht zeigte, als sie sich zu ihnen umdrehte.

Sie hinkte zurück zur Venture und kletterte mühselig durch den Riss in der Außenhaut zurück ins Lager der Krankenstation. Die beiden Bewaffneten folgten ihr und es war ihnen deutlich anzusehen, wie froh sie waren, dass die Lakota wieder im Schiff war.

Doch sie wollte sich nicht lange hier aufhalten: Langsamen Schrittes verließ Celia die Krankenstation, um den Captain aufzusuchen.

--- Außenhülle der Venture

"Einverstanden", erwiderte Charles schließlich, fügte dann mit einem leichten Seufzen hinzu, "Die Körper sollen mindestens eineinhalb Meter tief vergraben werden"

Er wollte nicht riskieren, dass irgendwelche Tiere die Leichen in Sichtweite des Schiffes wieder ausgruben. Den Schmerz hätten viele Besatzungsmitglieder nicht ertragen...

Und McCarthy selbst auch nicht. Nein, sie würden ihre Toten ehrenvoll bestatten und betrauern. Und wenn er persönlich mit einer Schaufel bewaffnet ausrücken musste!

"Die Zeremonie wird morgen Nachmittag stattfinden", entschied der Captain dann, während er seinen Blick von dem gewählten Stück Land erhob, um dem Japaner tief in die Augen zu blicken.

Noch bevor dieser etwas erwidern konnte, wurden Sie von der Meldung des Eskortenführers unterbrochen: "Sir, es kommt jemand aus dem Schiff"

Für einen Moment spannte Wagenvoort bei den Worten unwillkürlich die Muskeln an, doch dann erkannte er die Wissenschaftlerin und sackte wieder in sich zusammen.

Die letzten Sekunden hatte er schweigend das Stück Boden betrachtet, auf dem soviele ihrer Freunde und Kameraden bestattet werden würden.

Die Erkenntnis des Verlusts hatte seinen Verstand noch nicht erreicht, so als wenn er bald aus einem schlechten Traum aufwachen würde und alles wieder beim Alten war.

Aber es würde nie wieder so sein...

Als Hunter die drei Männer erreichte, war sie ein wenig blass um die Nase und ihre stoische Selbstbeherrschung hatte leichte Risse bekommen. In Erwartung eines bösen Blicks ob ihrer Eigenmächtigkeit wandte sie sich an den Captain.

"Sir, ich habe eine Vermutung, in welcher Richtung wir der Spur folgen müssen."

"Fahren Sie fort!"

Einen Moment versuchte Charles, das Geheimnis im Gesicht der Indianerin abzulesen, aber außer dem Schock des Absturzes und den Belastungen der letzten Stunden konnte er nichts in ihrer blassen Miene erkennen.

 

zurück zum Index