Ivory Chronik 3

Schwerkraft? Was ist das?

--- Gänge

"Oh, ich sage so etwas nicht gerne, aber vielleicht ist Miss Twillan geistig ein wenig mitgenommen. Ihr Körper ist nicht in bester Verfassung; wie soll es ihr da geistig gut gehen. Man sollte vielleicht noch ein wenig Nachsicht mit ihr haben, obwohl ich mir vorstellen kann das diese Frau keine einfache Persönlichkeit ist", sagte Megan nachdenklich.

Sie fand die Cardassianerin sehr nett und hilfsbereit. Nicht jeder hätte einer bewusstlosen Fremden geholfen und sie zusammen auf das Schiff beamen lassen. Das konnte nur auf eine nette Person hinweisen, fand Megan.

Megan selbst machte sich keine Sorgen. Bisher war ihr noch keiner über den Weg gelaufen, der ihr schwere Sorgen bereitete oder den sie nicht ausstehen konnte. Natürlich gab es schwierigere Patienten und angenehmere, aber im Allgemeinen ließ es sich mit jedem reden.

Der Ferengi hatte aber schon stark an dieser Auffassung gekratzt, doch Megan hatte es sich mittlerweile angewöhnt, das Leben nicht mehr so schwer zu nehmen, selbst wenn unangenehme Ereignisse geschahen.

'Was ist schon der Verlust einiger Dinge. Das Wichtigste trage ich eh immer bei mir.'

Wenn sie so überlegte, war ihr eigentlich noch nie etwas existenziell Schlimmes passiert; sie hatte früher nur die Angewohnheit, alles schlimmer darzustellen, als es für gewöhnlich war.

Dabei fiel ihr Kalus ein, ihr geliebter Bruder.

Damals, als er die für sie undenkbare – sogar unmögliche! – Entscheidung traf, dachte sie, sie müsste sterben. Doch im Nachhinein war alles in Ordnung gekommen und sie hatte sich nur selbst im Weg gestanden. So waren ihr wichtige Jahre mit ihrem Bruder verloren gegangen.

'Diese Nostalgie ist doch sonst nicht dein Fall, und besonders nicht diese Erkenntnis der Fehler', schmunzelte Megan in sich hinein.

Nach diesem etwas längeren Schweigen lächelte sie aufmunternd der Cardassianerin zu und meinte:

"Ich würde mir also im Moment keine großen Sorgen machen, Miss Nar."

--- Brücke

Pikiert stand Francine an der Konsole, die bei Stalveys und Twillans Verschwinden losgegangen war, und fingerte daran herum. Gerade erst hatte sie es geschafft, sie zum Schweigen zu bringen. Der Computer hatte den Alarm ausgelöst, weil der Turbolift stecken geblieben war, wie sie festgestellt hatte, und es dauerte Minuten, bis sie herausfand, wie man ihn beendete.

"Computer, wer befindet sich in dem beschädigten Lift?", fragte sie interessiert und verzog das Gesicht, als Zinda erklang; und das, obwohl der Computer sich ihr gegenüber verhältnismäßig respektvoll verhielt.

"Oh, Peter Tarson ist darin und einer, den ich nicht kenne. Ich nehme mal an, es ist ein Bewerber auf einen der freien Jobs", mutmaßte die weibliche Stimme. Francines Blick huschte hinüber zu einem der Überwachungsmonitore, als sie sich versicherte, dass Stalvey und Twillan nichts Unzüchtiges auf ihrem Schiff veranstalteten.

Beruhigt glättete der Captain ihren Rock und schritt wieder hinüber zu ihrem Captainschair. Peter konnte sich sehr gut um sich selbst kümmern, und davon abgesehen tat es ihm sicher gut, mal ein paar Minuten in einem Lift zu verbringen.

--- Turbolift

Plötzlich hörte Peter jemanden rufen. Er blickte von dem Text auf und schaute nach oben. "Haben Sie das auch gehört?", fragte er Daniel, der ebenfalls die Ohren gespitzt hatte. Als Antwort nickte er.

Tarson gab ihm das PADD zurück und holte zum wiederholten Mal seinen Tricorder heraus. Ein paar Messungen später klappte er das Gerät wieder zu und rief: "Hallo? Mister Lestat? Sind Sie das?"

Eine unverständliche Antwort kam zurück.

"So wird das nichts", bemerkte der Sicherheitschef trocken. "Warten Sie, ich helfe Ihnen hoch", sagte er zu Daniel, stellte sich an die Wand und formte mit seinen Händen eine Leiter.

"Klettern Sie hoch und öffnen Sie die Deckenluke des Lifts. Dann wird die Kommunikation erheblich einfacher."

Wieder nickte Daniel und begann, mit Hilfe von Peter bis zur Decke des Lifts hochzukraxeln. Oben angekommen versuchte er, die Luke zu öffnen, doch anscheinend war sie verriegelt.

"Ich bekomme sie nicht auf", ertönte es von oben.

"Das darf doch wohl nicht wahr sein", fluchte Peter und versuchte sich irgendwie, den Schweiß aus dem Gesicht zu bekommen. Doch ohne Hände war das ein unmögliches Unterfangen. Stattdessen sagte er: "Computer, deaktiviere die Verriegelung der Deckenluke. Und zwar sofort."

"Nein, mein Schatzi. Das werde ich nicht", konterte Zinda sofort. "Ich will euch noch ein wenig hier behalten. Ihr seid doch gerade erst gekommen. Nein, nein. So einfach entwischt ihr mir nicht."

Langsam ließ Peter Daniel wieder herunter und wischte sich dann mit seinen freien Händen den Schweiß weg.

"Mister Lestat, wenn Sie uns hören können: Der Computer lässt uns nicht raus. Er hat die Deckenluke verriegelt und weiterfahren will er auch nicht. Lösen Sie das Problem schnell!", brüllte Peter so laut er konnte.

Nachdem Daniel nun wieder mit beiden Füßen auf dem Liftboden stand und immer mehr Zweifel daran hegte, ob es eine gute Entscheidung war, hier anzuheuern, wandte er sich an Tarson. "Passiert so etwas öfter mit diesem Computer? Es ist doch recht ungewöhnlich, dass ein Computer so viel Macht über Systeme hat, ohne dass ein direkter Befehl ihn stoppen kann."

Daniel hoffte inständig, dass dieser Lestat es schaffen würde, den Lift schnell frei zu bekommen, als er leises Gemurmel von oben hören konnte. 'Was macht der Kerl da oben? Ich kann kein Wort verstehen. Hat der keinen Kommunikator, mit dem er uns hier erreichen kann?' Daniel war etwas verwirrt über die Methoden hier an Bord.

--- Jeffriesröhre

Lestat konnte nur schwach hören, was Tarson da durch den ziemlich gut schallgedämmten Lift brüllte. 'Was, hab ich das richtig verstanden, der Computer verweigert die Weiterfahrt und die Öffnung der Luke?' Lestat wunderte sich, wieviel Macht Zinda doch hatte.

"Zinda, wieso lässt du den Lift nicht weiterfahren?"

"Hallo Schatz, was willst du denn von dem Lift, wo ich doch hier bin?"

"Zinda, ich habe dich etwas gefragt und möchte jetzt eine Antwort." Lestat war etwas lauter geworden, und hoffte, so dem Computer klarzumachen, dass es ihm sehr ernst war.

"Okay, mein Schatz, ich hab den Lift angehalten, weil ich es genieße, wenn zwei stattliche Männer bei mir sind. Aber warum interessierst du dich dafür?"

"Ganz einfach, weil ich die beiden da rausholen muss – das ist mein Job, Zinda. Tu mir bitte den Gefallen und lass den Lift weiterfahren; wie würde ich sonst dastehen, an meinem ersten Arbeitstag?" Lestat versuchte den Computer wie eine weibliche Person zu sehen und somit auch so zu überzeugen, den Lift frei zu geben.

"Und was tust du für mich, wenn ich den Lift freigebe?", fragte Zinda.

Das wurde so langsam kompliziert, dachte sich Lestat. "Was kann ich denn für dich tun? Dir ein paar neue Speicherbausteine gönnen? Oder einen Generalcheck deiner Systeme durchführen?" Lestat wusste noch nicht genau, auf was Zinda hinauswollte.

"Nein, du Dummerchen, solche Dinge könnte ich mir von jedem organisieren lassen. Du, mein Schatz, sollst zu mir aufs Holodeck kommen."

Lestat war überrumpelt worden. 'Ich soll was?', schoss es ihm durch den Kopf, und er war erleichtert, das nicht laut herausgebrüllt zu haben. Dann überlegte er kurz und dachte daran, wie er wohl dastehen würde, wenn er den Lift nicht in den nächsten paar Minuten wieder flott bekommen würde. "Okay, überredet, du gibst den Lift frei und ich werde nachher, wenn ich mein Quartier bezogen habe und keine weiteren Arbeiten anliegen, zu dir aufs Holodeck kommen."

"Ohhh nein, mein Schatz, du gehst jetzt aufs Holodeck, und dann gebe ich den Lift frei."

"Zinda, ich kann jetzt noch nicht, ich habe meine Verpflichtungen hier an Bord, aber ich verspreche dir, nachher aufs Holodeck zu kommen, und wenn ich es nicht tun sollte, dann beame mich einfach dorthin." Lestat hoffte, der Computer würde nicht öfter solche Zicken machen, sonst würde er wohl entweder die halbe Reise auf dem Holodeck verbringen oder den Computer umbauen müssen!

"In Ordnung", meinte Zinda daraufhin. "Aber du solltest trotzdem deinen süßen Kopf aus dem Turboliftschacht nehmen, sonst lass ich den Lift nämlich nicht los."

Lestat zog seinen Kopf aus dem Schacht und sah dann, wie der Lift an ihm vorbei nach oben davonfuhr. Erleichtert schloss er die Luke und kroch dann zum nächsten Ausgang zu den regulären Gängen der Ivory, die er wenige Sekunden später erreichte.

--- Brücke

Francine runzelte die Stirn, als ein weiterer Alarm losging. "Computer, was ist da jetzt schon wieder los?", beschwerte sie sich.

"Eindringlingsalarm vor der Schleuse", erwiderte Zinda fröhlich. "Da ist jemand in eine von Martenghs Fallen gelaufen. Der Mann war ja so groß und stark, und so intelligent..."

"Schon gut", knurrte Francine. "Auf den Schirm"

Interessiert sah sie dunkelhäutigen, hochgewachsenen Mann an, der wie gelähmt vor ihrer Schleuse stand und auf etwas starrte, was wahrscheinlich diese Falle war, während sich die Türen zur Brücke erneut öffneten.

--- Deck 2, Gänge

Rekelen nickte dankbar. "Vielleicht haben Sie recht und ich reagiere nur über, weil Miss Twillan mich so überrumpelt hat. Ich wusste ja kaum, wie mir geschieht, da waren wir bereits auf der Krankenstation und sie rannte weg." Sie schüttelte den Kopf bei dem Gedanken.

"So, da wären wir" Mit diesen Worten wies sie auf eine Tür, der sie sich näherten. "Ich wünsche Ihnen viel Glück, Miss Phearson. Ich würde mich wirklich freuen, wenn Sie auf der Ivory bleiben würden."

Sie lächelte noch einmal kurz und folgte Megan auf die Brücke.

--- Brücke

"Captain", begann Rekelen und schaute einen Augenblick lang verwundert auf den Hauptschirm, der den Eingangsbereich der Schleuse und einen verwirrt dreinschauenden Terraner zeigte, doch Francine deaktivierte den Schirm im selben Augenblick und sah sie über die Konsole, hinter der sie stand, hinweg fragend an.

"Das ist Megan Phearson. Sie wollte sich auf diesem Schiff bewerben. Außerdem sollte ich eine Shania Twillan herbringen, aber die ist schon vorgerannt."

"Miss Twillan ist in der Tat hier eingetroffen", Francines Blick wandte sich erneut einem Schirm zu ihrer Linken zu, den Rekelen von ihrer Position aus nicht erkennen konnte, und wirkte aus irgendeinem Grund befriedigt. "Rekelen, tu mir einen Gefallen und geh zur Schleuse; dort steht ein Mann, der aus irgendeinem Grund versucht hat, unsere Gegensprechanlage auseinander zu nehmen. Mrs Phearson, bringen Sie mir doch bitte einen Tee, bevor wir uns unterhalten."

Die ältliche Frau wies hinüber zum Replikator und wartete nicht, bis die Trill reagierte, während sie sich endlich wieder setzte. "Oh, und Rekelen", fügte sie hinzu, als die Cardassianerin sich zum Gehen wandte. "Nimm nicht den Lift, der steckt fest."

Rekelen warf ihr einen verblüfften Blick zu. Nicht den Turbolift? Ja, aber wie sollte sie denn dann zur Schleuse kommen? Durch die Jeffriesröhren? Nun, ein kurzer Blick sagte ihr, dass das sicher nicht das Problem des Captains war.

"Computer, ähm, Zinda", sprach sie also unschlüssig los. "Kannst du mich von hier aus in den Gang vor der Schleuse beamen?"

"Aber natürlich kann ich das", erwiderte die Stimme schnippisch. Rekelen wartete, doch es geschah nichts.

Verärgert runzelte sie die Stirn. "Dann tu es auch!", brummte sie. Hoffentlich hatte Megan heute einen besseren Tag als sie und wurde eingestellt...

--- Gang, Deck 3

Lestat war gerade aus den Jeffriesröhren gekrochen, als er auch schon wieder die Stimme des Computer hörte: "Also dann, ich verlass mich auf dein Versprechen, mein Süßer. Ich warte auf Holodeck 1 auf dich."

Lestats Gesichtsausdruck sprach Bände, aber er konnte sich nun nicht weiter mit dem Computer befassen. Er wollte Tarson fragen, ob sie gut auf der Brücke angekommen waren; irgendwie traute er Zinda nicht so ganz.

"Lestat an Tarson", sagte er in ein Terminal, welches er im Gang entdeckt hatte. "Sind sie auf der Brücke angekommen? Zinda hatte da ein kleines Problem; ich hoffe, ich konnte es lösen."

Lestat wollte es lieber für sich behalten, wie er nun das Problem mit dem Turbolift gelöst hatte.

--- Turbolift

"Oft?", wiederholte Peter Daniels Worte. "In letzter Zeit viel zu oft trifft es wohl eher."

Er schüttelte resigniert den Kopf. Er würde mit Francine noch mal ein Wörtchen reden müssen. Mit Zinda konnte das nicht so weitergehen. Sie würde noch alle in Gefahr bringen. Er wollte gerade noch mal zu Lestat brüllen, was der dort oben so alles trieb, als sich der Lift plötzlich mit einem Ruck in Bewegung setzte. Verdutzt schauten sich Peter und Daniel an und Tarson zucke mit den Schultern. Er konnte gar nichts mehr sagen, denn schon wenige Sekunden später hielt der Lift wieder an und die Türen öffneten sich. Sofort traten die beiden Passagiere auf die Brücke heraus.

--- Brücke

Megan ging zum Replikator und, unwissend, was für einen Tee sie bestellen sollte, und sagte: "Einen heißen Tee für den Captain, bitte." Kurz darauf stand auch schon eine dampfende Tasse mit altmodischem Muster vor ihr.

Als sie den Tee zum Captain brachte, musste sie verwundert feststellen, dass sie sich ihn – oder eher sie – irgendwie anders vorgestellt hätte. Megan erinnerte sich an den vielsagenden Ausdruck von Lestat, als er ihr viel Spaß beim Captain gewünscht hatte.

Für Megan sah sie wie eine nette alte Dame aus, vielleicht ein wenig altmodisch mit ihren hochgesteckten Haaren. Sie fand, dadurch sah sie älter aus, als sie wahrscheinlich war.

Die Trill reichte ihr den ziemlich heißen Tee. "Passen sie auf, der ist noch ziemlich heiß" – etwas Besseres fiel ihr in dem Moment einfach nicht ein.

"Danke, mein Kind, ich passe schon auf", erwiderte Francine wohlwollend, während sie der Trill mit einer Hand die Tasse abnahm und ihr mit der anderen den Arm tätschelte. Sie neigte dazu, diese Frau sofort zu mögen. Endlich einmal eine Person, die sofort tat, was sie sollte, und dann auch noch von so einem angenehmen Erscheinungsbild – zumindest, was die Größe anging.

"Es tut mir ja so Leid, dass du stehen musst, aber leider gibt es hier keinen zweiten Stuhl", fuhr sie entschuldigend lächelnd fort, machte allerdings auch keine Anstalten, sich selbst von ihrem Captainschair zu erheben. Das Strickzeug lag vergessen auf einer Lehne, während sie an ihrem Tee nippte und, nachdem sie mit dem Geschmack zufrieden war, einen weiteren Schluck nahm.

Als sich die Türen des Turbolifts zischend öffneten, verdüsterte sich ihre Miene unwillkürlich.

"Äh ... ja. Da sind wir", stammelte Peter, als er Francine sah.

Froh über die Unterbrechung von Lestat tippte Peter auf seinen Kommunikator. "Hier Tarson. Ja, wir sind nun auf der Brücke. Vielen Dank. Wenn es geht, hätte ich gerne einen Bericht von Ihnen, sobald Sie Zeit haben. Schicken Sie ihn mir einfach, wenn Sie fertig sind."

Er unterbrach die Verbindung und schritt auf den Captain zu.

"Wir hatten ein kleines Problem mit dem Computer", berichtete er ihr.

"Das habe ich gemerkt", erwiderte Francine spitz. "Andererseits ist das ja auch nichts Neues mehr. Es ist wohl zu viel verlangt, wenn ich erwarte, dass der Computer zuverlässig funktioniert, bis wir auslaufen? Sonst könnte vielleicht ein aus der Luftschleuse geworfener Sicherheitschef seine Effizienz wieder steigern ..."

Der Captain nahm einen weiteren Schluck und wandte sich Peters kleinwüchsigem Begleiter zu, der neben dem hünenhaften Sicherheitschef gerade noch winziger wirkte. Er war älter als die meisten Bewerber, natürlich dennoch nicht alt genug, um Francines Interesse in irgendeiner Weise zu wecken.

"Sie wollen sich für einen Posten bewerben?", fragte sie mit hochgezogenen Augenbrauen. "Gut; dann warten Sie, bis Sie dran sind. Bis dahin ..." Sie sah sich einen Augenblick lang nachdenklich um und wies schließlich auf das Kommunikationsterminal. "... diese Konsole könnte mal wieder etwas poliert werden, nicht wahr? Natürlich vorausgesetzt, Mr Tarson möchte diese Aufgabe nicht erledigen."

Während sie sprach, hatte Francine immer wieder einen Blick auf einen der Überwachungsschirme geworfen, jedoch nichts Auffälliges im Konferenzraum bemerkt. Lediglich, dass Mrs Twillan sich beruhigt zu haben schien und darin nichts geschah, was nach einer sonst wie gearteten Behandlung aussah ...

Sie wartete kaum die Antwort Daniels ab und lächelte wieder Megan an, die sie wie selbstverständlich zu duzen begann. "Nun, mein Kind. Du scheinst mir ein nettes Mädchen zu sein. Welcher Posten interessiert dich also und was verschlägt dich hierher? Oh, und wenn du auch einen Tee möchtest, bedien dich doch, bitte."

Es hatte nicht mehr viel gefehlt und Peter hätte dieser alten Schachtel so richtig die Meinung gesagt. Doch dafür war jetzt der falsche Zeitpunkt. Außerdem waren zu viele unbeteiligte Personen anwesend. Stattdessen ballte er die Fäuste zusammen, atmete wie schon so oft an diesem Tag tief durch und drehte sich dann zu Daniel um. Er schaute ihn etwas mitleidig an, zuckte mit den Schultern, zog ein Putztuch aus der Tasche hervor und drückte es dem etwas verdutzt dreinschauenden Daniel in die Hand.

"Bitte sehr. Sie werden es brauchen."

Dann begab er sich wieder an seine Konsole, um weiter das Problem mit dem Computer zu bearbeiten. Er würde verdammt noch mal den Computer zur Vernunft bringen. Jetzt sofort und ein für allemal. Und wenn es das letzte war, was er tat. Die Sache im Lift hatte das Fass zum überlaufen gebracht.

Er ließ die Finger knacken und begann mit der Arbeit.

Zuerst suchte er nach alten Speicherbeständen. Denn irgendwann musste der Computer ja mal "normal" gewesen sein. Doch anscheinend hatte sie jemand gelöscht. Und er war ziemlich sicher, dass es Zinda gewesen war. Gut, dann fiel diese Möglichkeit schon mal weg. Doch was blieb ihm jetzt noch? Einfach das ganze System löschen und von vorne anfangen? Unmöglich. Er würde alleine Jahre brauchen, um die grundlegenden Systeme wieder zum laufen zu bekommen. Es war halt nicht möglich, einfach einen Schiffscomputer komplett neu zu programmieren. Und ein neues Betriebssystem kostete Unmengen. Geld, dass Francine bestimmt nicht ausgeben wollte.

Wie bekam man einen intelligenten Computer dazu, nicht mehr intelligent zu sein? Gar nicht. Und am wenigsten Zinda.

Verdammt, es musste doch eine Möglichkeit geben. Irgendeine. Doch im Moment waren ihm die Hände gebunden. Ohne reifliche Überlegung und Recherche konnte er nichts tun. Und am wenigsten hier auf der Brücke, wenn ihm dieser Drache die ganze Zeit über die Schulter guckte. Also musste er sich erst einmal weiter mit den Programmen von Martengh beschäftigen. Wenigstens das sollte er hinbekommen.

--- Gang, Deck 3

Lestat, dem gerade noch die Worte Tarsons durch den Kopf gingen, fragte sich, warum er jetzt über diesen Vorfall auch noch einen Bericht schreiben sollte. Wäre es eine normale Reparatur gewesen, dann wäre der Bericht sicher nicht so sonderlich kompliziert, wie er nun werden würde.

Nach diesen Gedanken machte sich Lestat auf den Weg zu seinem Quartier. Um dort hinzukommen, musste er glücklicherweise nicht den Turbolift nehmen, wie er erleichtert feststellte.

'Ich habe Quartier Nummer 5 ... hmm ... Nummer 3, 2, 4, 5 – ahhh, da ist es. Also schauen wir mal, wie es sich auf diesem Schiff so wohnt. Nachdem ich nun schon einen sehr gesprächigen kleinen Putzroboter kennengelernt habe und mit unserem Schiffscomputer ein Date habe wird mich sicherlich der Schlag treffen, wenn ich die Türe jetzt aufmache.'

Lestat sollte Recht behalten, in dem Moment als er den Türöffner betätigte, traf ihn der Schlag. Jedoch nicht so schlimm, wie er es erwartet hatte – es war nur ein kleiner Stromschlag, den er bekam, in genau der Sekunde, als er das Metall des Schiffes berührte.

"Mist!!!", fluchte er laut und zog seine Hand blitzschnell zurück. "Funktioniert hier eigentlich gar nichts?"

"Ohh doch, hier funktioniert alles sehr gut, mein Schatz." In diesem Moment schaltete sich Zinda wieder ein, die sich offenbar angesprochen fühlte. "Der Stromschlag war nur eine ganz normale Entladung. Deine Kleidung hat sich durch Reibung elektrisch aufgeladen und da du Gummisohlen hast, hat sich die Spannungsdifferenz erst entladen, als du wieder das Metall des Schiffes berührt hast", belehrte ihn Zinda.

"Danke, Zinda, aber ich bin selbst Techniker, ich denke, auf die Idee wäre ich auch noch gekommen", sagte Lestat schnippisch und betätigte den Türöffner erneut, dieses Mal jedoch richtig und ohne einen Stromschlag.

--- Lestats Quartier

Die Türe zu seinem Quartier öffnete sich und Lestat betrat es vorsichtig. Genau in diesem Moment aktivierte sich sein Replikator und ein Glas Sekt materialisierte. 'Was ist denn das schon wieder ... dieser Computer treibt mich noch in den Wahnsinn!'

Als hätte Zinda seine Gedanken lesen können, ertönte auch schon wieder ihre Stimme. "Hallo, mein Süßer, ich wollte dich nur standesgemäß auf der Ivory begrüßen. Herzlichen Glückwunsch zu deiner Einstellung hier auf meinem Schiff." Die Art, wie Zinda "meinem Schiff" betonte, war für Lestat doch etwas angsteinflößend.

"Zinda ... erstens bin ich noch im Dienst, und da trinke ich grundsätzlich nicht, nicht einmal Syntheol, und zweitens ist die Tatsache, dass ich hier eine Stellung bekommen habe, kein Grund zum Feiern." Lestat hoffte, dass Zinda ihn nun in Ruhe lassen würde.

"Aber mein Süßer, es ist ein sehr guter Grund zum Feiern, immerhin haben wir beiden uns kennengelernt."

Lestat war überwältigt von der penetranten Art des Computers. Er ging zum Replikator und drückte zwei Knöpfe, woraufhin der Sekt wieder entmaterialisierte. "Zinda, nur um eines klarzustellen: Ich werde, weil du mich mehr oder weniger erpresst hast, nachher zu dir aufs Holodeck kommen, aber jetzt will ich erst einmal meine Ruhe haben, ist das klar?" Lestats letzte drei Worte klangen sehr streng, sodass sich dieses Mal sogar der Computer zurückhielt.

Nun betrachtete Lestat erst einmal sein neues Heim. 'Hmm, gar nicht so schlecht hier.' Das Quartier hatte ein kleines Schlaf- und Arbeitszimmer und ein Bad. Lestat trat an den kleinen Arbeitstisch heran und schaltete das Terminal ein. Sofort erschien ein Schriftzug auf dem Display, "IVORY"; darunter war zu lesen, "Vergiss unsere Verabredung nicht, Süßer. Zinda".

'Dieser Computer kann wirklich penetrant sein. Aber vielleicht kann ich seinen Faible für mich ja noch irgendwann ausnutzen.' Lestat tippte noch einmal auf das Display und ein normales Menü erschien. Einige Tastendrücke später schaltete er das Terminal wieder aus und ging zum Replikator.

"Kommunikator; Standardbauart auf der Ivory."

Ein Kommunikator materialisierte vor Lestat. Er entnahm ihn aus dem Ausgabefach und legte ihn neben das Terminal.

"Zinda, tu mir 'nen Gefallen, lade den Kommunikator per Energietransfer auf und programmiere ihn auf meinen Namen. Danke, Kleine." Lestat hoffte, durch seine letzten Worte Zinda dazu zu bewegen, seinem Befehl Folge zu leisten, ohne zuerst eine lange Diskussion vorauszuschicken.

"Aber gerne, mein Süßer, da du mittlerweile ja schon hier registriert bist ist das kein Problem."

Lestat war geradezu erstaunt, wie gut es doch funktionieren konnte, wenn der Computer mal nicht gegen ihn arbeitete.

Einige Sekunden später, nachdem ein grünes Licht auf dem Display des Terminals erschienen war, nahm Lestat den Kommunikator, heftete ihn sich an und aktivierte ihn. Danach verließ er sein Quartier mit dem Ziel, seine restlichen Sachen von der Station zu holen.

--- Konferenzraum

Ihr Blick war starr in die Ferne gerichtet und verlor sich irgendwo da draußen im luftleeren Raum. Shania war nicht mal erstaunt darüber, dass es ihr selbst egal war, ob ihre nächste Reise irgendeinen Zweck erfüllte oder nicht. Ein kalter Schauer jagte über ihren Rücken, doch sie widerstand der Versuchung, die Arme wärmend um sich zu schlingen.

Warum wurde ihr immer alles so schwer gemacht? Warum hatten die Maquis zu ihrer eigenen Sicherheit nicht einfach ihren verdammten Stützpunkt in die Luft gejagt und sie gleich mit?

Sie hatte es einfach nur satt, ständig vor sich selbst davonzulaufen, wie sie es schon ihr Leben lang getan hatte. Mit ihrer guten schulischen Ausbildung hätte sie zur Sternenflotte gehen können, doch sie hatte es vorgezogen, alles hinter sich abzubrechen und einfach ihr Glück auf eigenen Faust zu suchen. Hatte sich unter Druck gesetzt gefühlt und wollte keine Verantwortung tragen.

Aber jetzt nach fast zehn Jahren der Flucht und der Rastlosigkeit wurde es Zeit, die Verantwortung für ihr eigenes Leben zu übernehmen. Das hieß, sich ihm auch zu stellen. Mit der Vergangenheit abzuschließen, um sich der Zukunft zu stellen.

Wortlos streifte die Amerikanerin den goldenen Ring von ihrem Finger, den sie, seit John ihn ihr bei ihrer Trauung angesteckt hatte, niemals abgenommen hatte. Er war alles, was sie mit John noch verband, und seit ihrem erneuten Zusammentreffen nichts als ein metallener Reif ohne jede Bedeutung. Selbst die Gravur "Von John für seine Shania" erschien ihr jetzt lächerlich und nichtssagend.

Achtlos ließ sie den Ring einfach vor sich zu Boden fallen wie ein Stück Abfalls, dessen man sich entledigte. Man hörte nicht mal den Aufprall, da er vom Teppichboden völlig verschluckt wurde.

Bill war Shania mit den Blicken bis zum Fenster gefolgt, ohne ein Wort zu sagen. Dass er diese "Persönlichkeit" des Bordcomputers nicht leiden konnte, hatte er schon bei seinem ersten Kontakt am Replikator festgestellt. Bill fragte sich, ob dessen verbale Attacke Ausdruck absoluter Gefühllosigkeit oder des genauen Gegenteils war. Er nahm ein kurzes Aufblitzen wahr und es kam ihm vor, als hätte Shania einen kleinen metallenen Gegenstand fallen lassen.

Bill dachte laut: "Alles egal ... ist das wirklich so einfach?"

Mehr an die junge Frau gewandt fügte er schließlich hinzu: "Warum sind wir dann überhaupt hier? Suchen wir uns doch ein anderes Schiff, es gibt ja noch verschiedene, die eine Crew suchen – ohne charakterlich entgleiste Bordcomputer, ohne Roboter, die ..."

"Also ich muss doch sehr bitten, Meister! Die ..." Bill fiel Zinda energisch ins Wort, ehe sie weitere Äußerungen hinzufügen konnte.

"Tu mir einen Gefallen, du Möchtegernintelligenz: Spar Strom und halt die Klappe. Konferenzraum-Überwachung deaktivieren!"

"Mpf." Der Laut des Unmuts war das letzte, was der Bordcomputer fürs Erste von sich gab. Bill war sich allerdings nicht so sicher, ob sein Befehl angekommen war – schließlich war er noch nicht offiziell autorisiert, eine derartige Aktion einzuleiten. Falls der Bordcomputer es aber trotzdem schluckte, müsste er diesem direkten Befehl Folge leisten. An Francines Überwachungsschirm dachte Bill in diesem Moment nicht.

Bill wandte sich nach einer kurzen Pause wieder an die junge Frau.

"Wissen Sie, warum ich hier bin und nicht auf dem Kreuzer nebenan? Wir haben und schon einmal getroffen – und zwar vorhin auf der Sternenbasis. Wahrscheinlich haben sie mich überhaupt nicht bemerkt oder vielleicht war ich ihnen auch egal. Wenn ich Ihnen jetzt noch erzähle, dass ich Zeuge des kleinen Zwischenfalls an der Schleuse geworden bin, brauche ich den Rest der Geschichte, glaube ich, nicht mehr weiter auszuführen ...

Aber jetzt sind ja alle wohlauf und wir können ja wieder gehen und diesen Haufen Elektroschrott hier hinter sich lassen. Charly und dieser, dieser ... Bordcomputer ... geben ein perfektes Paar ab, finden Sie nicht? Die anderen hier – na ja, egal ...

Ich glaube, sie haben da gerade etwas verloren", fügte er hinzu.

Shania war bei der Rede Stalveys merklich zusammengezuckt und hatte sich verspannt. Trotzdem drehte sie sich nicht zu ihm um, aus Angst, er würde etwas in ihren Augen lesen, was er nicht wissen durfte und was alles nur noch komplizierter machen würde, als es bereits war.

Zuerst hatte sie sein "wir" nur als rein rhetorische Phrase angesehen. Wie die meisten Ärzte oder Krankenschwestern ihre Patienten in der Mehrzahl ansprachen, um ihnen das Gefühl zu geben, nicht ganz richtig im Kopf zu sein und überhaupt erst ärztliche Hilfe zu brauchen, so zumindest die etwas gewagte These der Amerikanerin.

Doch dann hatte sie sein offenes Geständnis, sie auf der Sternenbasis getroffen zu haben und ihr deshalb auf die Ivory gefolgt zu sein, völlig überrumpelt. Offensichtlich hatte er davor den Wunsch gehabt, das nächstgelegene Schiff aufzusuchen und hatte seinen Plan wegen ihr verworfen. Jetzt begriff sie erst sein Interesse an ihrer Person, das nicht von ungefähr kam und nicht mit ihrem eigenartigen Auftritt auf der Brücke zu tun hatte. Es war auch kein Zufall, dass sie sich hier begegnet waren.

Wenn er nun zufällig die gleichen Gefühle für sie hegte wie sie für ihn ... konnte es zwischen zwei Menschen wirklich ein Band geben, das sofort spürbar war? Konnte ein Gefühl so rasch erwachsen? War er wirklich anders als die Männer vor ihm, die sie nur verletzt, ausgenutzt oder enttäuscht hatten?

Für einen Moment der Schwäche gab sie sie sich dem verlockenden Gedanken hin, dass er es wirklich war. Der einfühlsame Mann, der die komplizierte Seele einer Frau genug verstand, um sie nicht nur zu erreichen, sondern sie auch zu befriedigen. Der nicht nur nahm, sondern auch geben gelernt hatte. Der sie all die Wunden, die andere ihr zugefügt haben, vergessen lassen würde.

Doch da meldete sich die Zinda in ihrem Kopf, die sich auch die Stimme der Desillusion nannte, um ihr Wunschdenken möglichst schnell unter ihren dunkelblonden Locken zu vertreiben:

'Ja, sicher ist er dir gefolgt, das bestreitet auch niemand. Du gingst in einer Art und Weise über die Sternbasis, die für ein geübtes Auge wie das seine sicher nicht schwer als depressiv zu erkennen war. Klar macht sich ein Psychologe da Sorgen. Und wenn du auch noch vor der Schleuse eines Schiffes umkippst, wird er sich begeistert die Hände reiben über den ersten Patienten seiner Praxis. Wie viele Schiffe, glaubst du denn, werden einen Psychologen an Bord aufnehmen? – Außerdem könnte er bei dir gleich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Ich meine, er ist auch nur ein gutaussender Mann im besten Alter und ein paar Monate Enthaltsamkeit in der Stasis ...

Hör auf! Verdammt noch mal, hör auf damit!' Nur mit Mühe schaffte es Shania, die Worte nicht laut auszusprechen oder sie gar herauszuschreien. Sie wollte einfach nicht daran denken, dass sie wieder dabei war, auf einen Mann hereinzufallen und alles wieder von vorne losging. Hatte sie doch gerade erst den Mut und die Kraft für einen Neubeginn gefunden.

"Ja, das habe ich tatsächlich", meinte Shania, um auf seinen letzten Hinweis zu sprechen zu kommen, auf dessen Antwort er wohl noch immer wartete. "Aber was ich verloren habe, kann man nicht so einfach wieder aufheben. Ebenso wenig wie die Erinnerung an ein paar verlorene Monate ..."

Endlich wandte sie sich Stalvey zu, doch sie versuchte dabei sachlich zu bleiben, ihn als Arzt zu sehen und nicht an die Offenheit zu denken mit der sie sich eben noch nah gewesen waren. Sehr nah, bis Zinda den Augenblick durch ihre Anwesenheit zerstört hatte.

Es war ihr nicht klar, ob sie es bewusst tat oder weshalb sie sonst die Worte des Psychologen missverstand. "Ja, von mir aus, können wir gerne wieder auf die Brücke gehen. Ich denke nicht, dass ich mit Charlys Anblick noch einmal Probleme haben werde. Vielleicht haben Sie ja die Möglichkeit auf den Captain einzuwirken, damit er sich das bordeigene Logbuch anhört. Denn ich nehme nicht an, dass Francine Monserat meine Warnung sonderlich ernst genommen hat."

'Alles egal ... ist das wirklich so einfach?', klangen die Worte des Psychologen in ihrem Kopf nach, und sie fragte sich, ob sie die Antwort darauf bereits kannte.

--- Brücke

Daniel, der gerade das Putztuch in die Hand gedrückt bekommen hatte, schaute dieses etwas irritiert an und starrte dann Tarson hinterher, der sich mittlerweile wieder an eine Konsole gesetzt hatte.

'Nun ja, wenn ich schon keinen Job bei der Sicherheit bekomme, dann doch wenigstens als Hilfskraft, und wenn ich diesen ganzen Kahn putzen muss, immerhin komm ich so von der Station runter', dachte er sich.

Daniel war zwar nicht gerade glücklich mit dem, was er bisher erreicht hatte, allerdings war er auch nicht ganz unglücklich, immerhin hatte man ihn ja schon mal bis zur Brücke gebracht und nicht wie bei seinen bisherigen Bewerbungsgesprächen schon am Eingang abgewimmelt.

Also nahm Daniel das Tuch und schritt zu der Konsole, die der Captain wohl geputzt haben wollte. Dort angekommen fing er an, die Konsole gründlich zu reinigen und entdeckte dabei, dass die Konsole offensichtlich etwas locker war. Er drückte dagegen, und schon hatte sie sich vollend gelöst. 'Mist, jetzt bin ich hier, endlich mal weiter als bei jedem meiner vorherigen Versuche einen Job zu bekommen, und dann muss ich auch noch gleich was kaputtmachen ... eigentlich kann ich gleich wieder gehen.' In Daniel keimte erneut die Verzweiflung auf.

Daniel hatte seine ursprüngliche Nervosität zurück. Wie schon vor der Schleuse fingen seine Gedanken wieder an zu rasen, als sein Blick jedoch in das Innere der Konsole fiel. 'Was ist denn das?', schoss es ihm durch den Kopf, als er eine Bewegung im Inneren der Konsole wahrnahm.

Irgendetwas hatte sich da bewegt, und da war es wieder. 'Eine Ratte! Eine riesige cardassianische Ratte. Wo kommst du denn her, mein kleiner Nager?' Daniel hatte seine Nervosität für den Moment total vergessen und schaute nur zu der Ratte hinunter, die offensichtlich durch einen Kabelschacht in das Innere der Konsole gelangt war. 'Du hast hier eigentlich nix zu suchen, das sollte dir klar sein.'

Etwas ratlos sah sich Daniel auf der Brücke um, da er nicht genau wusste, was er nun mit dem Tier tun sollte, aber niemand schien bisher bemerkt zu haben, dass er die Konsole auseinandergenommen hatte.

'Hmm ... was mach ich mit dem Vieh jetzt. Ich kann wohl schlecht einfach nur wieder den Deckel draufsetzen und so tun, als wäre nix gewesen.' Daniel überlegte einige Sekunden und schaute dabei der Ratte zu, wie diese sich gemütlich putzte. Als die Ratte mit der Körperpflege fertig war, wollte sie nun offensichtlich in die ihr nahegelegene Datenleitung beißen.

Daniel reagierte, wie er es bei seiner Ausbildung gelernt hatte, ohne noch lange nachzudenken. Er ergriff blitzschnell das Messer, das er immer mit sich führte, und schneller, als der menschliche Verstand seine Bewegung nachvollziehen konnte, spießte er die Ratte auf.

Nun, da die Ratte keine Gefahr für das Schiff mehr darstellte, fing sein Verstand wieder an zu arbeiten. 'Ups. Manchmal hasse ich meine Ausbildung. Blöde antrainierte Reflexe. Was sage ich jetzt nur. Ich kann ja schlecht einfach sagen: Hallo, ich bin ihr neuer Kammerjäger. Die halten mich doch für verrückt, oder denken, ich hätte wieder getrunken.'

Daniel war wieder nervös. Er hatte zwar eben eine Beschädigung des Schiffes abgewendet, allerdings hatte er auch gerade schon seinen ersten Mord an Bord begangen. Auch wenn es nur eine cardassianische Ratte war – was sollte der Captain oder dieser Tarson von ihm denken? In seinen Unterlagen stand, dass er in einer Eingreiftruppe war und dann metzelte er hier gleich zu Anfang herum – die mussten ja den Eindruck bekommen, dass er ein Killer war.

'Hätte ich doch nur 'nen Phaser gehabt, dann hätt' ich das blöde Vieh einfach betäuben können.' Daniel war noch nicht ganz sicher, was er jetzt tun sollte. 'Ich werd zu diesem Tarson gehen, der scheint mir recht umgänglich zu sein.' Gedacht, getan. Daniel drehte sich von der offenen Konsole mit der toten Ratte weg und schritt unauffällig zu Tarson, um ihm mitzuteilen, was soeben vorgefallen war.

"Mister Tarson, ich glaube, Sie sollten sich das mal ansehen." Daniel deutete auf die offene Konsole. Und ehe Tarson noch etwas wegen der Beschädigung sagen konnte, fügte er schnell noch hinzu: "Ich meine, das was in der Konsole ist."

Peter folgte Daniels Arm mit seinem Blick und schlug die Hände vors Gesicht. Das konnte ja wohl nicht wahr sein. Nein, nicht nur, dass er die ganze Zeit von Martenghs Programmen traktiert wurde, von Francine gequält und von Zinda verarscht wurde; nein, jetzt fing Daniel auch noch an, das Schiff zu zerlegen. Langsam stand Peter auf, schaute den Menschen böse an und schritt zu der "speziellen" Konsole. Auf dem Weg dorthin blickte er zu Francine, die sich immer noch schleimerisch mit dieser Frau da unterhielt. Und auf dem Hauptbildschirm war der Konferenzraum mit dieser Shania und ihrem Helfer zu sehen.

'Was treiben die denn da?', fragte er sich, doch dann war er auch schon bei der Konsole. Beinahe uninteressiert bückte er sich und schaute in das Innere der Konsole. Sofort erkannte er, was dieser Typ gemeint hatte. Denn mittendrin lag eine cardassianische Ratte, die gemütlich vor sich hin blutete.

'Und deswegen ruft der mich?', fragte sich Peter beinahe amüsiert. Diese Viecher gab es auf beinahe jedem Schiff und jeder Station. Gut, dieses Exemplar dort hatte schon eine anständige Größe erreicht, doch besonders aufregend war es trotzdem nicht.

Er warf noch einen genaueren Blick auf das tote Geschöpf und schaute dann wieder Daniel an.

"Ich muss schon sagen, dass ist ein sauberer Schnitt, den Sie der Ratte da verpasst haben. Hut ab. Aber sind Sie sicher, dass Sie noch zu mir in die Sicherheit kommen wollen? Mit ihren chirurgischen Fähigkeiten wären sie beinahe besser auf der Krankenstation aufgehoben", witzelte Peter und ging zurück zu seiner Konsole. Während dem Gehen drehte er sich noch mal um.

"Ach, und vergessen Sie nicht, das Ergebnis Ihrer Sezierversuche zu entfernen. Und damit meine ich auch die Körperflüssigkeiten."

--- Brücke, weiter vorne

Megan wusste nicht so recht, wie sie beginnen sollte.

"Irgendwie ist das alles sehr kompliziert, wie und warum ich hier bin." Sie machte eine Pause "Also, ich habe Medizin studiert und dieses Studium auch abgeschlossen und würde mich gerne um einen Platz in der Krankenstation bewerben. Ich hab auch bereits ein Jahr praktiziert und auch eigentlich einige Referenzen, aber da ist leider im Moment schwer ranzukommen."

Megan seufzte, ihre Wut gegenüber dem Ferengihändler hatte sich in Trauer über ihre Sachen verwandelt, und sie musste sich zusammenreißen, dass sie nicht auf einmal weinen musste. Sie fuhr mit etwas zitternder Stimme fort. "Ich weiß nicht, wie mir das passieren konnte. Ich bin mit einem Ferengi gekommen, habe für die Reise bezahlt und ihm sogar noch auf dem Schiff geholfen, und trotzdem ist er mit den meisten meiner Sachen über alle Berge."

"Ich weiß echt nicht, wie man jemanden so etwas antun kann", murmelte Megan in sich hinein, dann wurde sie wieder etwas lauter. "Auf jeden Fall möchte ich einen Posten auf ihrem Schiff und von dieser Station runterkommen, egal, wohin sie fliegen oder was ich tun muss. Allerdings habe ich gerade schon ihre Krankenstation mit Miss Nar und Miss Twillan besucht; es schien, als ob zurzeit keine medizinische Hilfe anwesend wäre?" Megan beendete den Satz fragend und sah hoffnungsvoll zu Captain Monserat.

--- Deck 4, Gang vor der Schleuse

In ihrer sorgfältigen Art sah Rekelen noch einmal an sich hinab, bevor sie dem Eindringling gegenüber trat. Saboteure waren doch in der Regel gewalttätig, und sie besaß nicht einmal einen Phaser. Sie seufzte. Das hatte sich Francine Monserat ja hervorragend ausgedacht. Dass sie gerne Baran spielte, hieß doch nicht, dass sie sich gegen einen aggressiven Terraner verteidigen konnte...

Seufzend betätigte sie den Schalter neben der Schleuse, die sich zischend zu öffnen begann, und nahm die Verteidigungsstellung eines Defensivspielers ein, um im Zweifelsfall immerhin ausweichen zu können. "Rühren Sie sich nicht, dann tue ich Ihnen auch nichts!", rief sie grimmig, während der Inder in Sicht kam.

--- Jetzt

Es hatte sich verändert. Es war gewachsen. Noch immer tiefrot, jetzt, aber deutlich heller als früher vor einigen zehntausend Zeiteinheiten. Es erinnerte sich, dass Es schon früher so wie jetzt zwischen den Lichtballungen schweben konnte, dass Es auch diese Lichtballungen manipulieren konnte.

Aber zu welchem Zweck? Das war eine Frage, die Es sich bis jetzt nicht beantworten konnte.

Aufmerksam beobachtete Es seine Umgebung. Alle anderen Lichtballungen waren irgendwie miteinander verbunden. Die Verbindungen waren schwer zu definieren; sie hatten die verschiedensten Farben. Die Lichtballungen schienen sich darüber gegenseitig zu beeinflussen.

Nur eine Ballung, die sich in mitten des Zentrums befand, fiel dem Wesen in letzter Zeit besonders auf. Sie war groß, viel größer als Es und strahlte, wie Es, leuchtend rot. Es hatte Angst. Es konnte nicht sagen wieso, aber Es war sich sicher, dass Es verbrennen würde, sollte Es ihm zu nahe käme.

Also beschäftigte Es sich weiter damit, sich selbst kennenzulernen. Es widmete sich wieder der gelben Farbballung. Erneut schoss ein blendend heller roter Blitz in sein Ziel. Nur konnte man diesmal auf der Oberfläche keinerlei Farbschleier erkennen. Der neuerliche Versuch war viel zu fein, um solch plumpe Reaktionen hervorzurufen. Im Innern der gelben Kugel, für einen Beobachter unsichtbar, formte sich das rote Licht zu einem stricknadelkopfgroßen Punkt, direkt neben einer etwas helleren Stelle innerhalb der Lichtballung.

Es hatte gelernt.

--- Brücke

Tarson war gerade auf den letzten Metern zurück zu seinem Platz, als urplötzlich sein Körper unter einer unvorstellbar hohen Gravitation zusammensackte. Mehr als das Fünfzehnfache der normalen Erdbeschleunigung ließem dem Hünen nicht die geringste Chance, als er zusammensackte und recht unglücklich auf dem Boden aufschlug. Ein instinktiver Versuch, sich mit seiner rechten Hand abzustützen, endete fatal.

Ein lautes Knacken hallte durch die Brücke ...

Ein stechender Schmerz zuckte durch Peters rechten Arm, als er hart auf dem Boden aufschlug. Normalerweise hätte er jetzt vor Überraschung und Schmerz laut aufgeschrien, doch sämtliche Luft war aus seinen Lungen gepresst worden. Doch innerlich schallte ein lautes Gebrüll durch seinen Kopf. Mühsam versuchte er Luft zu holen, doch mehr als ein klägliches Japsen brachte er nicht zustande.

Er fühlte sich, als hätte jemand ein Shuttle auf ihm geparkt oder hätte ihn mit tausenden Nägeln am Boden festgenagelt. Bewegen war unmöglich. So sehr er es auch versuchte, sein Körper rührte sich keinen Zentimeter. Genau so gut hätte er versuchen können, einen tonnenschweren Duraniumquader zu verschieben. Oder Francine vom Stricken abzuhalten.

Mit gequältem Gesichtsausdruck versuchte er weiter, die erforderliche Sauerstoffmenge einzuatmen. Doch da er auf dem Bauch lag, drückte sein Körper auf den Brustkorb und verhinderte so tiefere Atemzüge.

Sein Verstand hatte inzwischen den Grund für das Ganze herausgefunden. Sehr wahrscheinlich hatte der Schwerkraftgenerator eine Fehlfunktion fabriziert und die Schwerkraft um etliche Stufen angehoben. Peter tippte auf etwa das Zehn- bis Fünfzehnfache der normalen Erdschwerkraft. Doch dieser Einfall brachte ihn nicht wirklich weiter. Er konnte ja schlecht drauf warten, bis der Generator wieder richtig funktionierte.

Er konnte sich das Bild richtig vorstellen. Er, Peter Tarson, ein Bär von einem Mann, lag auf dem Boden wie festgeklebt und würde entweder ersticken oder früher oder später verhungern. Tolle Sache. Er hatte noch nicht einmal die Möglichkeit, irgendjemanden zu rufen, der ihm helfen könnte. Denn weder kam er an seinen Kommunikator heran, noch hatte er überhaupt Luft für ein Gespräch zur Verfügung. Noch hatte er genug Kraft, um ausreichend viel Luft einzuatmen, doch irgendwann würde selbst ihm die Kraft ausgehen.

Langsam schaute er sich um. Zumindest soweit, wie sein momentanes Blickfeld reichte. Und das war nicht wirklich weit. Das einzige, was ihm auffiel, war der absolut hässliche Teppich. Bisher war ihm gar nicht aufgefallen, was für ein grauenhaftes Muster der Teppich hatte. Gut, er war auch noch nie so nah dran gewesen wie in diesem Augenblick. Und ehrlich gesagt wollte er es auch nicht nochmal erleben. Doch zurzeit war er einfach nicht in der Lage, den Boden zu ignorieren. Außer er schloss die Augen. Doch er hatte beinahe Angst, sie zu schließen. Vielleicht bekam er sie ja dann nicht mehr auf? Nein, da behielt er sie lieber auf und ertrug weiterhin das Muster.

Er versuchte sich wieder auf sein Problem zu konzentrieren. Wieder japste er nach Luft und flüsterte dann kaum hörbar: "Com...pu...ter!"

Sofort wurde ihm schwindlig. Doch er versuchte es zu ignorieren. Angestrengt versuchte er, seinen Satz fortzuführen.

"Deaktiviere den ..." Wieder ein paar sehr kurze Atemzüge. "Schw...schw...erkraft...gen...er...a...tor."

Peter wurde schwarz vor Augen und keuchend lechzte er nach Luft.

--- Schleuse

Zum zweiten Mal innerhalb weniger Minuten fror Ashok mitten in seiner Bewegung ein, als er noch halb benommen und halb gebückt nach dem mittlerweile verstummten kleinen Gerät am Boden tastete.

Wie in Zeitlupe drehte er seinen Kopf leicht nach links, um aus den Augenwinkeln einen Blick auf den Neuzugang auf dem Schauplatz des Geschehens zu erhaschen. Eine junge Cardassianerin stand da, offenbar etwa in seinem Alter, die ungefähr seine Statur und Größe zu haben schien und in entschlossener Verteidigungshaltung den Eingang zur Schleuse versperrte, während sich die Schleusentüren langsam vollständig öffneten und dann mit hörbarem Klicken links und rechts einrasteten.

Der Inder taxierte kurz seine Gegnerin und erwog die wenigen Alternativen, die sich ihm boten. Sein Plan, sich heimlich auf dem Schiff einzuschleichen, hatte offenbar die ersten fünf Minuten der Operation nicht überlebt. Er könnte fliehen und es später erneut
versuchen; aber ein resignierter Teil seines Bewusstseins ließ ihn wissen, dass spätestens nach dem missglückten ersten Einbruchsversuch ein weiterer praktisch keine Chance auf Erfolg hätte.

Ashok blickte der Cardassianerin nun voll in die Augen. Wie sie stand er noch immer mit leicht gebeugten Knien und nach vorne geneigtem Oberkörper da. Er verlagerte unmerklich seinen Schwerpunkt, um einen sichereren Stand einzunehmen, und betrachtete nochmals den Schleuseneingang. Die Frau hatte trotz ihrer Abwehrhaltung keine Chance, allein mit ihrem schlanken Körper die vollständig geöffnete Schleusentür komplett zu versperren. Wenn er plötzlich auf sie zu sprang, einen Angriff nach rechts antäuschte und dann links unter ihrem Griff vorbei tauchte, hätte er vielleicht eine Chance, an ihr vorbei zu kommen ... und im Schiff würde sich sicher eine Gelegenheit bieten, sie abzuschütteln.

Mit grimmiger Entschlossenheit und einem halblauten Kampfschrei sprang der junge Mann in einer plötzlichen Bewegung auf den freien Raum rechts neben der Cardassianerin zu. Im letzten Moment fing er seine Vorwärtsbewegung mit seinem rechten Bein ab und stieß sich nach links, um mit einer Sprungrolle an der jungen Frau vorbeizuhechten.

Ashok registrierte im Bruchteil einer Sekunde, wie seine Gegnerin auf seine Finte reagierte. Lange verschüttete Erinnerungen an den Triumph eines Kampfes in den Straßen von Kalkutta flackerte im Bewusstsein des jungen Inders auf, als er sah, wie sie seitlich ausbrach, um seinen Angriff zu beantworten – und wurde einen halben Augenblick später vollständig von plötzlicher Ernüchterung verdrängt, als er sah, dass sie sich statt zu einem Angriff in einem Ausweichschritt auf genau die Position zu bewegte, auf die er gerade zuflog.

Mit einer verzweifelten Drehung seines Körpers versuchte Ashok, dem Aufprall zu entgehen, aber er war schon zu nahe, um seine Flugbahn noch bedeutend zu verändern. Mit dem Kopf stieß er hart in die Magengrube seiner Gegnerin und hörte gerade noch deren dumpfes Aufstöhnen, bevor beide zu Boden gingen und es schwarz um ihn herum wurde.

--- Brücke

"Aber natürlich deaktiviere ich für dich gerne die Schwerkraftgeneratoren, Schatzi", antwortete Zinda in ihrer üblichen Manier auf die schwer zu verstehenden Worte Tarsons. Noch im gleichen Moment verlor jeder an Bord den Boden unter den Füssen.

Jeder, bis auf Tarson, über dem die Deckenverkleidung ein unheilvolles Knacken von sich gab. Für einen Augenblick sah es so aus, als würde Tarson als nächstes von einem Stück Decke erschlagen.

Es blieb bei einer Schraube, die sich knapp neben Tarsons Nase fünf Zentimeter tief in den Boden bohrte, denn kurz bevor die Decke sich löste, erlosch der Gravitationstrichter und Tarson begann, wie alles andere auf der Ivory, zu schweben.

--- Irgendwo

Es beobachtete beruhigt, wie die gelbe Farbballung auch im Inneren wieder die gewohnte Einheitlichkeit angenommen hatte. Mit dem einzigen Unterschied, dass es jetzt eher ein dunkles Ocker war, aus dem die Kugel bestand, nicht mehr ein leuchtendes Gelb.

--- Brücke

Daniel hatte gerade noch hören können, wie Tarson etwas von Schwerkraftgeneratoren gesagt hatte, als auch schon Zindas Antwort gekommen war und die Brücke einige Millisekunden später kein Schwerkraftfeld mehr hatte.

Eigentlich liebte Daniel diesen Zustand der absoluten Schwerelosigkeit. Während seiner Zeit bei der Eingreiftruppe hatten sie des Öfteren Trainingseinheiten in schwerelosen Räumen. Diese Trainingsstunden waren für Daniel immer etwas Besonderes, das freie Fliegen, die Akrobatik, die vielerorts nötig war, um sich sicher zu bewegen – all das waren Dinge, die Daniel liebte. Doch nun war keine Zeit für die Faszination der Schwerelosigkeit; jetzt musste gehandelt werden.

Daniel schaffte es noch rechtzeitig, sich an einem Geländer festzuhalten, ehe er anfing zu schweben. Sein erster Blick fiel auf Tarson, der, wie es schien, nun auch wieder von dem eigenartigen Schwerkraftfeld, das ihn und die Decke der Brücke schwer belastet hatte, befreit zu sein schien.

'Was war das? Ich habe noch nie solch eigenartige Schwerkraftkonstellationen gesehen. Die Schwerkraft der Brücke – oder sogar des gesamten Schiffes – war deaktiviert und trotzdem hatte etwas mit einer extrem starken unsichtbaren Kraft diesen Tarson total zusammengequetscht.' Daniels Blick fiel auf Tarson, der knapp vor ihm der Decke entgegenschwebte. Er streckte seine Hand aus und griff nach Tarsons Körper, er schaffte es jedoch nicht, an Tarson heranzukommen.

'Was mach ich nur? Wenn jetzt jemand die Schwerkraft wieder einschaltet, dann knallt der doch glatt aus zwei Meter Höhe auf die Brücke.' Daniel überlegte einen Augenblick und schaute sich die Decke der Brücke an. 'Hmm, wenn ich mich so abstoße, dass ich den Träger an der Decke zu fassen bekomme, dann kann ich mich nachher von oben wieder abstoßen, um Tarson mit meinem Schwung auf den Boden zu drücken.'

Daniel stieß sich langsam von dem Geländer ab und schwebte der Decke entgegen. Einige Sekunden später hatte er sie erreicht und auch den Träger der Brückendecke zu fassen bekommen. Langsam, denn in der Schwerelosigkeit tat man nichts wirklich schnell, zumindest nicht, wenn man nicht wie ein Gummiball durch die Gegend fliegen wollte, drehte sich Daniel um.

Tarson war mittlerweile schon so weit zur Decke hinaufgeschwebt, dass Daniel ihn schon jetzt ergreifen konnte. Er griff nach Tarsons Bein und zog ihn näher zu sich, um sich dann mit ihm zusammen von der Decke abzustoßen und langsam dem Boden näher zu kommen. Als er den Boden erreicht hatte, fixierte er Tarson, indem er sich mit einer Hand an einer Konsole festhielt und einen Fuß in dem nahen Geländer verhakte, mit seiner zweiten Hand hielt er Tarson am Boden. In dieser Position verharrend hoffte Daniel, dass irgendjemand bald wieder die Schwerkraft aktivierte.

Erst jetzt, als Daniel Peter am Boden festhielt, konnte Tarson wieder einen klaren Gedanken fassen. Als sich der Schwerkraftgenerator abgeschaltet hatte und Peter von der unsichtbaren Kraft losgelassen worden war, hatte er zuerst ein paar tiefe Atemzüge genommen, um seinem Körper wieder einigermaßen Sauerstoff zuzuführen. Und doch vergingen etliche Sekunden, bis sich sein Kreislauf wieder soweit stabilisiert hatte, dass er die Umgebung um ihn herum wahrnehmen konnte und er verstand, was passiert war.

Er schaute sich um, erkannte Daniel, der ihn am Boden festhielt; sah Francine, die durch die Luft schwebte und dabei versuchte, ihr Strickzeug zu fangen, das langsam, aber sicher auf die Teetasse und deren herumfliegenden Inhalt zuflog, und Megan, die sich krampfhaft an eine Konsole klammerte.

Beinahe musste Peter laut auflachen, als er wieder Francine beobachtete. Sie trieb mitten im Raum und machte schwimmähnliche Bewegungen, um zu ihrem Strickzeug zu gelangen. Doch immer wieder entglitt ihr es und trieb es zudem immer näher zu dem Tee. Nur noch wenige Zentimeter ...

Und dann war es passiert. Als die Wolle in Kontakt mit den Teetropfen kam, sog sie sie auf und verfärbte sich unschön. Doch das war nicht das Interessanteste. Viel besser war Francines Gesichtsausdruck, als sie erkannte, dass sie zu spät kam und nichts mehr tun konnte, als zu beobachten, wie der Pullover einen Tropfen nach dem anderen aufsog.

Gerne hätte Peter noch weiter diesem Schauspiel zugeguckt, doch so langsam musste er was gegen die im Moment vorherrschende Situation tun. Und so riss er sich von Francine los und sagte:

"Computer, aktiviere auf mein Kommando wieder den Schwerkraftgenerator. Aber langsam. Immer eine Stufe nach der anderen. So lange, bis wieder die normale Schwerkraft herrscht? Verstanden?", fragte Peter und hoffte, dass Zinda endlich mal das tat, was man von ihr verlangte. Doch zuerst kam natürlich wieder ein dämliches Kommentar.

"Natürlich habe ich das verstanden. Ich bin doch nicht blöd. Oder was denkst du von mir? Habe ich dich bisher nicht immer gut behandelt?"

Es entstand eine kurze Pause, bevor Zinda fortfuhr. "Also, soll ich jetzt loslegen, oder willst du mit deinem Kommando noch länger warten?

Peter überging einfach die Frage des Computers und rief dann energisch: "Computer, Schwerkraftgenerator aktivieren!"

"Aber sicher. Schon erledigt", kam direkt die Antwort zurück. "Ist doch ein Kinderspiel für mich."

Keine Sekunde später merkte Peter, wie der Generator wieder seine Arbeit aufnahm. Langsam sank er zu Boden. Kaum dort angekommen stand er auch schon auf und schaute zu den anderen. Daniel und Megan hatten auch schon wieder festen Boden unter den Füßen. Nur Francine brauchte noch etwas länger, bis sie wieder heil unten angekommen war.

Währenddessen strich Peter seinen Anzug wieder zurecht und begutachtete sein rechtes Handgelenk. Vorsichtig versuchte er, es zu bewegen, was sofort durch einen stechenden Schmerz quittiert wurde. 'Ja, ist wohl gebrochen', dachte Peter. 'Und außerdem wird es schon dick.'

Dann stand ja wohl in naher Zukunft ein Besuch auf der Krankenstation an. Dann konnte Megan gleich schon mal zeigen, was sie so draufhatte. Er hatte nämlich vorhin mit einem Ohr mitbekommen, dass sie sich für die Krankenstation bewerben wollte. Aber noch war Francine nicht fertig mit ihr. Und so, wie er sie kannte, würde es wahrscheinlich noch etwas länger dauern. Deswegen versuchte er die Zeit zu verkürzen, indem er sich direkt an Francine wandte: "Ma'am, wäre es möglich, dass zur Krankenstation gehen kann?" Er zeigte auf seine Hand. "Ich denke, dass muss behandelt werden."

--- währenddessen im Konferenzraum

Stalvey war noch dabei, darüber nachzugrübeln, ob er nicht vielleicht etwas zu dick aufgetragen hatte. Er kannte es eigentlich überhaupt nicht von sich, gegenüber anderen, die er vor allem gerade erst vor wenigen Minuten kennen gelernt hatte, eine derartige Beichte abzulegen.

"Auf der Brücke scheint sich der Trubel ja erstmal etwas gelegt zu haben." Er wollte gerade aufstehen, als er dort erst einen dumpfen Schlag, dann ein deutliches Stimmengewirr vernahm. "Was ist denn jetzt schon wieder los? Ich schaue besser mal ..."

Bill blickte entgeistert auf das Wasserglas, das sich langsam entleerend der Decke entgegenschwebte – falls diese Richtung überhaupt die Decke war. Sein Gleichgewichtssinn war sich da nämlich nicht besonders sicher, und er musste kurz die Augen schließen, um seinen Magen wieder unter Kontrolle zu bringen.

"Was? Halt dich irgendwo fest!" Er musste einsehen, dass das für Shania besser gesagt als getan war, da sie immer noch am Panoramafenster stand – außer Reichweite des fest montierten Tisches, an dem er sich etwas übereifrig festkrallte. Bill konnte nur noch zuschauen, wie sie langsam den Kontakt zum Boden verlor.

Was auf der Brücke geschehen war, war aus dem Konferenzraum heraus nicht genau festzustellen, aber dass es dort mit der Ruhe wieder ein Ende hatte, war eindeutig. Beim Anblick des großen über ihm schwebenden Wassertropfens, der einst der Inhalt seines Glases gewesen war, wurde Bill wieder ganz anders zumute.

Shania hatte ein tiefes aus dem Grunde ihres Herzens kommendes Seufzen nur mit Mühe unterdrücken können, als Stalvey ihr geraten hatte, sich irgendwo festzuhalten, als hätte sie nicht bereits das Wasserglas lustig dahinsegeln sehen, während sie den Psychologen angesehen hatte. Trotzdem konnte sie nichts weiter tun, als mitzuerleben, wie ihre Füße langsam vom Boden abhoben und sie Richtung Decke entschwebte.

Um nicht noch mehr Ärger zu bekommen, vermied sie jede hastige Bewegung und auch den Wunsch, sich um ihre eigene Achse zu drehen oder einfach wie eine Spinne an der Decke zu kleben, um auf Stalvey herunter zu sehen. Von hier oben sah er sogar recht witzig aus. Besonders sein bestürzter Gesichtsausdruck.

Schon immer hatte Shania die Schwerelosigkeit als besonders angenehm empfunden und verschiedene Dinge des Alltags dabei ausprobiert, aber sie konnte jeden Augenblick vorübergehen, was sehr schmerzliche Folgen nach sich ziehen konnte. Besonders, nachdem sie durch eine ungünstige Bewegung jetzt in die Nähe des Tisches schwebte. Zumindest was die Luftlinie betraf. Mit etwas Abstoßen von der Decke versuchte sie, die Bewegung zu kompensieren, erreichte aber eher das Gegenteil davon. Die Tatsache, dass sie einen weiten Rock trug, war ein weiterer Problempunkt.

"Na, mein Süßer", flötete Zinda eindeutig in Richtung Stalvey. "Solltest mich halt doch ernst nehmen. Deine Autorisation gilt nämlich noch gar nicht, wie ich bei Überprüfung festgestellt habe. Deshalb werdet ihr auch weiter überwacht." Das leicht heisere weibliche Lachen klang sympatisch, wenn man nicht wusste, wie Zinda in Wirklichkeit war. Noch hatte Shania nicht vergessen, wie sie alle am Holodeck gefangen gehalten hatte um Aufmerksamkeit zu erringen.

"Aber warte ... ich mache es wieder rückgängig, mein Schnuckelhase", verkündete der Schiffscomputer plötzlich, und noch bevor die beiden Terraner näher darauf eingehen konnten, gewann die Schwerkraft langsam wieder Kontrolle über sie.

Noch während Shania sichtlich um eine sanfte Landung bemüht war und es sogar halbwegs elegant zu Wege brachte – bei ihrer Größe auf dem Tisch zu knien sah wohl etwas lächerlich aus – sprach die Computerlady auch schon weiter, die Amerikanerin hartnäckig ignorierend:

"Bill, wir zwei Hübschen können uns doch auf Holodeck 1 treffen. Aures wird gar nicht merken, dass du auch da bist. Es ist ein Vorteil, wenn man an vielen Orten zugleich sein kann und sich einem oder auch zwei Männern völlig widmen kann, während man das Schiff steuert, die Lebenserhaltungssysteme regelt und tausend andere Sachen macht. Wie hättest du mich denn lieber? Blond, brünett oder rothaarig? Terranerin, Klingonen ... mir sind keine Grenzen gesetzt ..."

Zuerst zuckten Shanias Mundwinkel verräterisch, dann landete zu allem Überdruss eine gewisse Wasserblase auf ihrem Kopf und schien bereits genug Schwerkraft ihr Eigen zu nennen, um sich über Shanias Locken zu ergießen und über ihr Gesicht zu rinnen und in ihrem Ausschnitt auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden. Dazu kam Stalveys entgeisterter Gesichtsausdruck.

Da war es mit der Selbstbeherrschung der großen Frau vorbei und sie warf den Kopf in den Nacken und lachte. Ein sehr helles, melodisches Lachen, das sich noch verstärkte, als sie sich vorstellte, dass Francine den Monitor betrachtete und sie nass vor Stalvey auf dem Besprechungstisch kniend sah.

Shania konnte gar nicht mehr aufhören, zu lachen ...

--- zur gleichen Zeit auf Deck 3

Im Gang stellte Lestat dann mit Entsetzen fest, dass er um von seinem Quartier zur Schleuse zu kommen den Turbolift verwenden musste.

'Nicht wieder der Turbolift', schoss es ihm durch den Kopf. 'Zinda wird mich bestimmt wieder mit irgendetwas nerven.'

Plötzlich, ohne irgendeine Warnung, wurde Lestat schwerelos. "Was ist denn nun schon wieder?", entfuhr es ihm.

"Hallo, mein Schatz. Macht es dir keinen Spaß, einmal leichter zu sein?", fragte ihn Zinda.

"Nein, Zinda, tut es nicht! Was ist passiert? Gibt es Probleme mit dem Schwerkraftgitter?" Lestat schwebte nun schon mitten im Gang, und trotz seiner Größe konnte er nur machtlos zusehen, was mit ihm geschah. 'Ich hasse diesen Zustand ... irgendwie muss es doch einen Trick geben, sich hier zu bewegen, ohne immer irgendwo gegenzuknallen oder unkoordiniert mit den Armen herumzurudern ...'

"Nein, es gibt kein Problem mit den Schwerkraftgittern und auch nicht mit dem Generator. Die Schwerkraft wurde durch einen direkten Befehl deaktiviert, mein Schatz."

"Und wer hat das veranlasst, und vor allem: Wieso wurde die Schwerkraft deaktiviert?" Lestat war mittlerweile an der Decke angekommen und versuchte sich nun wieder abzustoßen, um zum Boden zurückzugelangen. Leider hatte er nicht mit der Leichtigkeit gerechnet, mit der er sich hier selbst fortbewegen konnte. Und so kam es, dass er sich mit den Händen viel zu stark von der Decke abstieß, um dann mit voller Wucht gegen den Boden zu schlagen. Und da er es beim Abstoßen auch nicht geschafft hatte, sich so zu drehen, dass seine Füße voraus flogen, war die Landung doppelt schmerzhaft. "Autsch! Verdammter Mist!", stöhnte er, als er unsanft vom Boden abprallte, um wieder Richtung Decke davon zu schweben.

"Hast du dir weh getan, mein Schatz? Soll ich dich auf die Krankenstation beamen?" Zinda schien wirklich um ihn besorgt zu sein, und das machte Lestat Sorgen.

"Nein, bloß nicht. Wer weiß, wo ich da dann noch dagegen knalle. Außerdem geht es mir gut." Lestat hoffte, dass Zinda ihn nicht wirklich von hier wegtransportieren würde, da er es gerade geschafft hatte, endlich nicht mehr so schnell zu schweben. 'Wenn ich nur endlich wieder Schwerkraft hätte ... aber ich kann Zinda nicht befehlen, sie wieder zu aktivieren; immerhin weiß ich nicht einmal, weshalb sie deaktiviert wurde.'

"Zinda, jetzt sag mir endlich: Von wem und vor allem weshalb wurde die Schwerkraft deaktiviert?"

"Weshalb weiß ich leider nicht, aber den Befehl hat Mister Tarson gegeben", flötete Zinda. "Ach ja, ich schalte die Schwerkraft jetzt wieder ein, mein Schatz. Also pass auf und tu dir nicht wieder weh, Liebling."

'Blöder Computer. So langsam nervt er mich.' Lestat war sauer; außerdem hatte er sich den Kopf an einer Verstrebung angeschlagen. 'Endlich, ich habe wieder Boden unter meinen Füßen.' Lestat war froh wieder normal stehen zu können.

Sein Technikerinstinkt sagte ihm jedoch, dass die Schwerkraft nicht deaktiviert wird, wenn kein Schaden irgendwo am Schiff vorliegt, also ging er zum nächsten Terminal und überprüfte eventuelle Schadensmeldungen.

"Aber Schatz, das hättest du auch einfacher haben können, ich hätte dir doch alles gesagt, was du wissen willst", meinte Zinda und Lestat glaubte einen beleidigten Unterton herauszuhören.

"Zinda, ich werde jetzt auf die Brücke gehen und mir die angezeigten Schäden einmal ansehen, also bitte, lass mich meine Arbeit tun." Lestat machte sich auf in Richtung Turbolift, als er Zindas Stimme schon wieder zu hören bekam.

"Du willst auf die Brücke? Kein Problem ..."

Lestat, den nur noch wenige Meter vom Turbolift trennten, fühlte plötzlich das typische Prickeln eines Transportervorgangs durch seinen Körper gehen, und wenige Augenblicke später war er aus dem Gang verschwunden, noch ehe er richtig gegen diese Behandlung durch Zinda protestieren konnte. "Zinda, was verflucht ..."

--- Schleuse

Farbige Kleckse tanzten vor Rekelens Augen, und entfernt nahm sie den dumpfen Schmerz in ihrer Magengegend wahr, der mit jedem ihrer flachen Atemzüge an- und abschwoll. Es dauerte Sekunden, bis sie sich ihrer Umgebung wieder bewusst wurde und blinzelnd die Augen öffnete.

Über sich erblickte sie die hohen Decken des Gangs und die grellen Lichter der Sternenbasis außerhalb der Schleuse, in deren Eingang sie lag. Es dauerte einen Augenblick, bis sie sich orientiert hatte. Sie lag flach auf dem Rücken. Ein schweres Gewicht drückte auf ihren Bauch und ließ sie schwerer atmen. Vorsichtig winkelte sie die Arme an und quälte sich ächzend, den Kopf zu heben.

Erst erstarrte sie.

Dann wurde sie rot.

Der fremde Angreifer lag zwischen ihren Beinen auf ihr, die Arme nach beiden Seiten von sich gestreckt. Sein Kopf ruhte regungslos auf ihrem Bauch. Wirres Haar hing ihm über die Stirn, doch sie erkannte, dass er die Augen geschlossen hatte.

Als die Cardassianerin realisierte, dass der Mann ohnmächtig war, konnte sie nicht anders, als erleichtert auszuatmen; obwohl der Gedanke daran, dass sie hier mit einem völlig Fremden mitten auf einer Sternenbasis in dieser Haltung am Boden lag, noch mehr Blut in ihre Wangen schießen ließ.

Sie versuchte, ihren schmerzenden Rücken, wo sie zu Boden gefallen war, zu ignorieren, und schaffte es, Ashok von sich zu stoßen, als sei er ein ekliges Insekt, das man lieber nicht anfassen wollte. Dabei war er sogar recht ansehnlich, wie sie beiläufig bemerkte, und unter anderen Umständen hätte sie ihn sicher gerne ... wie auch immer. Sie war froh, dass niemand in der Nähe war, der sie beobachtet hatte.

Stöhnend setzte sie sich auf und wartete, bis der Schmerz in ihrer Magengrube langsam nachließ. Derweil musterte sie den neben sich liegenden Mann. Seine dunkle Haut ließ sicherlich Rückschlüsse auf seine Herkunft zu, wenn man etwas von Terranern verstand ... Warum war er eigentlich so abrupt auf sie losgegangen? Sie schüttelte den Kopf. Ein verwirrender Tag mit lauter verwirrenden Leuten ... sie würde lange recherchieren müssen, um hinter die komplexe Denkweise dieses Volkes zu kommen und einen authentischen Roman schreiben können ...

Rekelens Gedanken waren abgeschweift, bewusst, um sie von ihren Prellungen abzulenken, und als Ashok leise stöhnte, fuhr sie erschrocken herum.

'Ich hätte die Gelegenheit nutzen und Tarson rufen sollen', schalt sie sich ängstlich selbst und ließ den Mann nicht aus den Augen. 'Aber der wird auch nicht rechtzeitig hier sein, wenn der Kerl aufwacht. Herrje, was mach ich denn jetzt ...'

Panisch beobachtete sie, wie die Lider des Inders zuckten, als er zu sich kam. Wenn sie nichts tat, würde er sie sicher erneut anfallen, und wer wusste schon, ob er einen Phaser besaß oder Schlimmeres ...

Schluckend tat sie das einzige, was ihr einfiel.

Kurzerhand setzte sie sich rittlings auf den Mann, nagelte seine Hände unter ihren Knien fest und packte ihn mit einer Hand an der Schulter, um ihn am Boden zu halten. Als Ashok die Augen aufschlug, blickten ihn die grimmig funkelnden Augen einer entschlossenen Cardassianerin an.

"Wagen Sie es gar nicht, sich zu bewegen!", fauchte sie und versuchte, Francine Monserat nachzuahmen. Wenn er nicht merkte, wie verängstigt sie war, würde er vielleicht keinen Fluchtversuch unternehmen.

Ashoks Augenlider flatterten auf. Eine gewaltige Macht drückte ihn auf den Boden; seine Arme waren auf dem Boden festgenagelt, und sein Kopf war unangenehm zur Seite verdreht. Sein an den Boden gepresster Schädel nahm das tiefe Brummen der Maschinen tief im Inneren des Schiffes auf und dröhnte schmerzhaft im Takt.

"Chchrrch", brachte der junge Inder hervor, schloss noch einmal kurz die Augen, verbannte mit mäßigem Erfolg das Gefühl seines dröhnenden Kopfes in eine Ecke seines Bewusstseins, konzentrierte sich und setzte erneut an. "Ich –", keuchte er schwach, hielt kurz inne und setzte mit leisem Stöhnen fort, "gebe auf". Dann entspannte er sich wieder und harrte seines Schicksals.

Aus den Winkeln seiner halb geöffneten Augen verfolgte er wie in Trance, wie eine kleine Kiste weiter hinten im Gang sehr langsam vom Boden abhob und sich einige Sekunden später wieder graziös an ihrem Platz niederließ. Dann riss ein plötzliches leichtes Nachlassen des Drucks auf seinen Armen und Schultern sein Bewusstsein unvermittelt wieder in seinen eigenen schmerzenden Körper zurück.

Ashok versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Seine Situation lag klar vor ihm: Er nahm nicht an, dass man ihm irgend eine seiner fadenscheinigen Erklärungen abnehmen würde, die ihm eine halbe Stunde zuvor noch so pfiffig erschienen waren; diesmal hatte er sich einfach übernommen. Diese Leute hier waren keine einfachen ehrlichen Ladenbesitzer oder unterbezahlte Polizisten. Hier hatte er es mit echten, professionellen, skrupellosen Raumpiraten zu tun, die nicht davor zurückschrecken würden, ihn auch mit finaler Gewalt zum Schweigen zu bringen.

Ein resignierter Teil seines Bewusstseins zuckte mental mit den Schultern. Wenn sein Leben ohnehin schon verwirkt war, konnte er auch mit einem großen Knall ehrenvoll abgehen. Er hatte keine Lust mehr auf Spielchen.

"Ich bin gekommen, um die blonde Frau zu retten", sprach er mit einer Klarheit, die ihn selbst überraschte, und ignorierte resolut die kleine Stimme in seinem Kopf, die gar nicht aufhören wollte, ihn ob der offensichtlichen Lächerlichkeit dieser Aussage in seiner momentanen Situation auszulachen.

--- Brücke

Monserat holte schon tief Luft, um den Mann anzufahren, einfach weil er da war und es wagte, sie anzusprechen. Nur mit Mühe hielt sie sich zurück. Sie liebte es, sich über Tarson aufzuregen, und dass sie ihm jetzt die direkte Schuld für etwas geben konnte – aufgrund seiner närrischen Idee, die Schwerkraft zu deaktivieren, konnte sie diesen Pullover jetzt wegschmeißen! –, versetzte sie einerseits in Wut, andererseits in grenzenloses Entzücken.

"Also gut", entschied sie nach einem Augenblick des Nachdenkens. Ein Butler mit gebrochenem Handgelenk brachte ihr rein gar nichts. Wenn er sich auf den Schmerz konzentrierte, konnte er sich nicht auf sie konzentrieren. "Sie gehen auf die Krankenstation. Mein Kind", wandte sie sich mit schmalem Lächeln an die noch immer verwirrt wirkende Trill. "begleite doch bitte Mr Tarson und kümmere dich um seine Verletzung."

Der Captain begann, sich ausführlich mit ihrem Rock zu beschäftigen, der bei all dem Durcheinander furchtbare Falten abbekommen hatte – bei einem Durcheinander, an dem ganz alleine Peter schuld war! Und dieser Computer! Sie wünschte sich plötzlich sehnlichst Charly auf die Brücke. Mit einem Mal erschien der kleine Roboter ihr herrlich unkompliziert.

"Ach ja. Betrachte dich als eingestellt, Megan", fügte sie nachträglich hinzu und runzelte die Stirn über einen Fleck, der von ihrem Tee stammen musste, der sich momentan über die gesamte Brücke sowie ihre Bluse verteilte. "Du hast sehr großes Glück, dass wir gerade einen Arzt brauchen."

Mit diesen Worten vergaß sie die restlichen Anwesenden inklusive Smith und ließ sich auf ihrem Stuhl nieder, um endlich wieder ein Auge auf den Konferenzraum und den Schleusenbereich haben zu können.

Daniel stand die Ganze Zeit während Tarson und Monserat miteinander gesprochen hatte etwas abseits und versuchte immer noch herauszufinden, was genau er da eben miterlebt hatte. Ein eigenartiges Etwas, das mit extremer Gravitation Tarson beinahe zerquetscht hätte und die Decke der Brücke ziemlich in Mitleidenschaft gezogen hatte. Noch während Daniel angestrengt darüber nachdachte, was wohl solch ein Phänomen verursachen könnte, erinnerte er sich an die tote Ratte in der Konsole.

Also schritt Daniel kurzerhand wieder zu der Konsole und griff sich die tote immer noch blutende Ratte. Diese Beschäftigung war ihm um einiges lieber, als sich nun vorstellen zu müssen. Daniels Nervosität kam schon beim Gedanken daran wieder hervor und fing an, an ihm zu nagen.

Mit dem Putzlumpen, den Tarson ihm vorher in die Hand gedrückt hatte, versuchte Daniel zu verhindern, dass das tote Tier mit seinem Blut den Boden volltropfte, während er es zum Replikator brachte, um es dort zu entsorgen. Nachdem die Ratte im Replikator in ihre Moleküle zerlegt worden war, ging Daniel zurück zu der Konsole und wischte die letzten Reste des Blutes auf, ehe er auch das Tuch im Replikator verschwinden ließ.

Nun wendete sich Daniel, den erneut seine Angst vor Bewerbungen ergriffen hatte, dem Captain zu, "Captain, ich bin eigentlich hier um auf ihrem Schiff anzuheuern. Leider haben die Ereignisse bisher verhindert, dass ich mich vorstellen konnte, mein Name ist Daniel Smith, ehemaliger Sicherheitsoffizier bei Starfleet ..." Noch ehe Daniel weiterreden konnte und seine Nervosität sich weiter steigern konnte ertönte das typische Geräusch eines Transporters und direkt neben ihm und Francine erschien eine Transportersäule, die langsam zu einer Gestalt materialisierte ...

"... soll das? Wie kommst du dazu, mich einfach ..." In diesem Augenblick bemerkte Lestat wo er gelandet war und er schaute in ziemlich verdutze Gesichter. "Ähhm ... Entschuldigung, Ma'am. Zinda hatte es wohl besonders eilig, einen Techniker, also mich, hierher zu bekommen, um die Schäden zu reparieren." Lestat sah Monserat an und hoffte jetzt nicht wieder Ärger zu bekommen, nur weil der Computer seine Spielchen mit ihm trieb.

Peter warf einen leicht skeptischen Blick auf Lestat, der so unvermittelt auf der Brücke erschienen war. 'Wenigstens ärgert Zinda nicht nur mich', dachte er. Doch trotzdem war das kein Zustand, der auf Dauer ertragbar war. Er würde Zinda endgültig den Garaus machen, sobald diese Sache mit seiner Hand erledigt war. Dann würde endlich ein wenig Ruhe auf dem Schiff einkehren. Kein Computer mehr, der jede Gelegenheit ausnutzte, die männlichen Personen an Bord zu belästigen. Hach, es würde wie Urlaub sein.

Megan kam auf ihn zu, nachdem Francine sie entlassen hatte. Peter stellte sich kurz vor und wandte sich dann noch kurz an Lestat.

"Mister Lestat, kümmern Sie sich bitte um die beschädigte Deckenverkleidung und finden Sie heraus, was mit den Schwerkraftgeneratoren los war. Falls Sie Fragen haben, dann wenden Sie sich an Mister Smith." Er zeigte kurz mit seinem unverletzten Arm auf Daniel und fuhr dann fort. "Ah, und die Konsole da hinten muss repariert werden. Wenn Sie fertig sind, hätte ich gerne wieder einen Bericht."

Ein kleines Lächeln schoss über das Gesicht des Sicherheitschefs, während er mit Megan im Schlepptau die Brücke verließ.

--- Gänge

Megan war glücklich.

Anscheinend war das Bewerbungsgespräch durch diesen merkwürdigen Unfall zu ihren Gunsten entschieden worden, überlegte sie.

Sie betrachtete den großen Mann beim Gehen etwas genauer, irgendwie war ihr die Größe ihres Begleiters ein wenig unheimlich.

'Wahrscheinlich finde ich es einfach nur ein wenig merkwürdig, wenn ich jemandem noch nicht einmal zur Schulter gehe', dachte sie Megan und sie betraten die Krankenstation.

--- Krankenstation

"Bitte setzen sie sich, Mr Tarson", sagte Megan

'Zum Glück weiß ich jetzt schon, wo alles liegt', freute sie sich und fühlte sich gleich viel wohler. Sie nahm einen medizinischen Tricorder und schaute sich Tarsons Handgelenk in Ruhe an.

"Ich denke, das bekommen wir wieder hin, Mr Tarson", sagte Megan "Da haben wir ganz schön Glück gehabt, dass nicht mehr passiert ist. Ich habe da aber noch einige Fragen: Sind sie gegen irgendwelche Medikamente allergisch oder sind sie mit gewissen medizinischen Prozeduren nicht einverstanden?" Während sie sich umdrehte und nach einem Hypospray griff, redete sie weiter auf Tarson ein. "Ich hab da schon einige schlechte Erfahrungen gemacht, da einige Prozeduren wohl gegen religiöse Grundsätze verboten sind. Ich weiß ja nicht, welcher Religion oder was auch immer sie angehören."

Megan dachte kurz an einen Zwischenfall mit einem aggressiven Klingonen, den sie bewusstlos behandelt hatte, und der wohl einer ihr nicht bekannten kleinen Religion angehörte. Ihr kamen diese religiösen Grundsätze äußerst ominös vor. Ihre Argumente brachten den Klingonen aber nicht davon ab ihr fast den Kopf abzureißen.

Sie schüttelte ihren Kopf um die Gedanken wegzuwischen. 'Das war definitiv nicht mein schönster Arbeitstag', dachte sie und füllte das Hypospray mit einem Mittel, das die Knochenheilung unterstützen würde.

--- Konferenzraum

Der Psychologe war sich zuerst immer noch unsicher, was er von dieser ganzen Situation halten sollte. Schließlich war gerade ein Tumult auf der Brücke ausgebrochen und offenbar der Schwerkraftgenerator ausgefallen. Letzteres war normalerweise kein gutes Zeichen, da dieser, was auch ihm klar war, eines der am besten abgesicherten Systeme darstellte.

Nachdem er Shania jedoch in dieser Lage vor sich auf dem Tisch aufdrapiert sah, konnte ein breites Grinsen auch nicht mehr unterdrücken.

"Du bist da nass!"

Bill richtete den Zeigefinger auf Shanias Haare und verlor schließlich auch die kläglichen Überreste seiner Fassung, indem er laut lachend in Shanias Heiterkeit einstimmte. Er setzte jedoch gleich darauf eine gewichtige Miene auf und erhob sich mit der linken Hand hinter dem Rücken und der rechten mit dem Handrücken nach oben zu Shania hin erhoben.

"Dürfte ich Ihnen von Tisch helfen?"

Nein, komm du zu mir hoch, meinte Shania süffisant, und es dauerte nicht lange und beide hockten auf dem großen dunklen Konferenztisch einander gegenüber. Bill, nicht müde, erkannte das begehrliche Funkeln in ihren Augen als Zustimmung und begann, ihre Kleidung hastig zu öffnen und sie ebenfalls die seine. Er schien nichts in der Zeit der Stasis verlernt zu haben, und dass Francine Monserat sie beobachtete, störte sie beide nicht ...

"Gerne", meinte Shania jetzt tatsächlich auf die Frage des Psychologen eingehend und ihre kleine Tagträumerei einstellend und versuchte, sich nicht zu sehr auf seine Hand zu stützen, sondern damit eher die Balance zu halten.

Schließlich kam sie trotz ihrer Größe elegant neben ihm zu stehen, schüttelte ihr Haar demonstrativ aus, damit er auch etwas von seinem Drink abbekam, und sah ihn herausfordernd an:

"Ich denke, jetzt kann gar nicht mehr schiefgehen. Ich hoffe, Charly hat nicht die Schwerkraft deaktiviert, nachdem er einige Crewmitglieder beseitigt hat. Dann sollten wir auf die Brücke gehen – oder haben Sie noch etwas vor?" In ihren Augen stand der Schalk. Die kleine Episode in ihrer Phantasie hatte ihn ein klein wenig menschlicher gemacht, vor allem, weil er von ihrer Existenz nicht wusste und die kleine Anspielung gar nicht bemerken konnte.

"Aber gerne." Bill deutete eine Verneigung an. "Sie erlauben, dass ich auf die Brücke vorgehe? Schließlich erwartet uns auf der anderen Seite vielleicht schon das nächste Wassergeschoss." Bill wandte sich der Tür zu und lief prompt mit einem dumpfen Schlag dagegen.

"Was zum ... Computer?" Der vorwurfsvolle Unterton der Frage an den Bordcomputer war nicht zu überhören. Der Psychologe wandte den Blick wieder Shania zu und verdrehte die Augen begleitet von einer anschuldigenden Geste in Richtung der Tür.

"Was denn, Billy?" Zinda gab sich süffisant wie zuvor.

"Mach die Tür auf!", war die Aufforderung mit drohender Betonung.

"Erst, wenn du versprochen hast, mich auf Holodeck 1 zu treffen!"

Bill verzog leidvoll das Gesicht. Nach einer kurzen Atempause warf er Shania jedoch einen bedeutungsvollen Blick zu und versprach Zinda theatralisch:

"Na gut, du hast gewonnen. Sollte ich den Posten hier bekommen und eine Weile Zeit haben, werde ich zu dir auf das Holodeck kommen – aber nach meinen Regeln. Ich will eine schöne Praxis mit rotem Ledersofa – du weißt schon – Schreibtisch mit allem drum und dran, Wartezimmer mit Sekretärin. Und was dich betrifft ...", Bill versah das "dich" mit einem nicht misszuverstehenden Unterton, "... sei kreativ! Und bitte nicht so ein kahles Sternenflottenbüro – vielleicht etwas aus dem 21. Jahrhundert wäre schön." Sein Grinsen war nach und nach immer breiter geworden und er zwinkerte Shania mit einem Auge zu.

"Ich verspreche dir, das wird eine Sitzung, die du so bald nicht vergessen kannst!", beendete er seine Rede an Zinda.

Die Tür gab mir einem leisen zischen den Blick auf die Brücke frei. "Na bitte, geht doch!"

Er fragte sich allerdings im selben Augenblick, was er mit Zinda dann eigentlich anstellen wollte, verschob dieses Problem jedoch auf später.

Stalvey warf einen vorsichtigen Blick nach draußen und konnte den Captain sowie zwei Männer ausmachen, die er bisher noch nicht gesehen hatte – im Moment sagte keiner ein Wort. Er machte einen energischen Schritt auf die Brücke und gab damit auch Shania die Möglichkeit ein Auge auf die Situation in der Zentrale des Schiffes zu werfen.

--- Brücke

"Captain? Ist alles in Ordnung? Wir hatten nebenan einen kleinen Ausfall der Schwerkraft." Den Blicken nach, die er darauf hin erntete, kam Bill sich vor, als wäre er gerade von Scampus VII auf die Brücke gefallen. Er blickte etwas ratlos zu Shania und wieder zurück zum Captain.

Hinter Stalvey war Shania ebenfalls auf die Brücke getreten und beobachtete einfach nur, wie Francine Monserat weiter vorgehen würde. Ihr Bruder zumindest liebte es nicht, wenn ihn jemand bei einem Gespräch störte und pflegte dann einen für seine Größe ziemlich lauten Tonfall zu erzeugen, der irgendwo mit "Merde" bestückt war, was seine Unlust zum Ausdruck brachte. So schwieg Shania und begnügte sich damit, den Mann vor der Französin zu mustern.

Es war ein sehr kleiner und doch stämmiger Terraner. Trotz seiner bereits grauen Haare und einem verlebten Gesichtsausdruck schätzte Shania ihn erst auf etwa Mitte vierzig. Was die Frage aufwarf, weshalb er so frühzeitig ergraut war. Hatte es mit seinem Lebenswandel zu tun oder mit einer Erbanlage?

Während sie sich zu fragen begann, was den Psychologen dazu getrieben haben mochte, auf das erpresserische Spiel des Computers einzugehen, fiel ihr Blick auf die Stricksachen von Francine und den gut duftenden Braunton, der mit dem Fleck auf ihrer Bluse perfekt harmonierte. Ohne zu überlegen, was sie da machte, packte sie das Strickzeug und legte es in den Replikator.

"Computer: Fleckentfernung." Es dauerte nur einen Augenblick, bis sich die gesamte Strickerei auflöste und strahlend sauber zurückkehrte. Sorgsam nahm es Shania aus dem Replikator und legte es wieder in Francines Reichweite.

Erst, als sie ihren stechenden Blick auf sich spürte, hatte sie den Wunsch, sich zu verteidigen. "Ihr Bruder hat Martengh das Programm schreiben lassen, weil er immer Probleme mit Rotweinflecken hatte ..."

--- Krankenstation

Während Megan weiter mit dem Hypospray herumfuchtelte schüttelte Peter den Kopf.

"Nein, Ma'am. Ich bin meines Wissens gegen nichts allergisch und gegen irgendwelche medizinischen Prozeduren hab ich auch nichts. Hauptsache, mein Handgelenk ist danach wieder in Ordnung."

Er stoppte kurz, während Megan ihm ein Mittel injizierte.

"Und die Sache mit der Religion können wir gleich abhaken. Meine persönliche Meinung ist, Religion bringt mehr Ärger als Nutzen", beendete er damit das Thema und wartete dann still auf die Fortführung der Behandlung.

"Wie schön, gleich am ersten Arbeitstag so ein Theater, das kann man sich echt sparen." Sie lächelte und suchte nach dem Anabolic Protolaser.

"Nachdem ich sie behandelt habe, möchte ich aber dass sie ihr Handgelenk trotzdem ein wenig schonen, Mr Tarson. Es werden zwar keine Narben oder ähnliche Beschwerden zurückbleiben aber trotzdem sollte man es die ersten Tage nicht übertreiben", warnte Megan.

"Sie müssen noch ein wenig hierbleiben, damit wir das die Beschleunigung des Zusammenwachsens der Knochen auch ordentlich hinbekommen. Sonst hab ich sie nach zwei Tagen hier wieder sitzen, und das wollen wir ja beide nicht. Was ist eigentlich ihr Job hier an Bord, und wissen sie zufällig, zu wem ich muss, wenn ich ein Quartier möchte?" Megan schaltete das Gerät ein und fuhr langsam über das Handgelenk. "Das könnte jetzt gleich ein wenig wehtun."

Peter biss kurz die Zähne zusammen, doch anstatt des Schmerzes spürte er nur ein leichtes Kribbeln. Fasziniert beobachtete er Megan dabei, wie sie mit dem Protolaser über sein Handgelenk fuhr. Nach kurzer Zeit schaltete Megan das Gerät ab und nickte zufrieden. Peter testete inzwischen das Ergebnis. Vorsichtig bewegte er das Gelenk in alle Richtungen und brummte zustimmend. Bis auf ein leichtes Ziehen spürte er nichts mehr.

"Vielen Dank. Wieder wie neu", sagte er dann. "Ich werde versuchen, es nicht zu übertreiben. Schließlich möchte ich Ihnen nicht zuviel Arbeit aufhalsen. Zu Ihren Fragen. Also für die Quartierzuteilung ist Miss Rekelen zuständig. Wissen Sie, wer das ist? Fragen Sie sie einfach, sie wird Ihnen dann eins geben."

Gekonnt sprang Peter vom Biobett herunter, auf dem er während der Behandlung gesessen hatte.

"Tja, meine Position hier an Bord kann man wohl am besten als Sicherheitschef bezeichnen. Und nebenbei bin ich auch noch der persönliche Diener von Miss Monserat. Wenn ich auch zugeben muss, dass ich Ersteres viel lieber bin."

Er lächelte die Ärztin an und fragte dann: "Wie lange brauchen Sie mich noch? Ich habe auf der Brücke nämlich noch etwas zu erledigen."

--- Brücke, beim Captainschair

"Danke, meine Liebe", meinte Francine nur kurz angesichts ihrer geretteten Strickarbeit und gönnte der Amerikanerin einen wohlwollenden Blick. Dabei stellte sie fest, dass das zu Hysterien neigende Mädchen direkt unangenehm groß war und sie ihren Kopf in den Nacken werfen musste, um ihr ins Gesicht zu sehen, also lehnte sie sich entspannt zurück, damit es nicht auffiel und taxierte die Gruppe.

Zumindest wusste Shana – oder Shanova? –, dass sie nur zu sprechen hatte, wenn sie angesprochen wurde, so würde es ein Leichtes sein, sich mit ihr zu unterhalten und sie nebenbei über Gerald und den Vorfall mit Charly auszuhorchen. Ganz im Gegensatz zu diesem Stalvey, der mitten in ein Gespräch platzte, nur, um seine Neugierde zu stillen. Ihr erster Eindruck schien sich zu bestätigen. Er war ein bodenlos frecher Bursche.

Unwillkürlich fand Francines Blick sich auf dem Überwachungsmonitor des Konferenzraumes, wo ihre Augenbrauen pfeilartig nach oben gingen und ihre an einen Adler erinnernden Augen sich jedes Detail einprägten. Für einen Moment sah es so auf, als würde sie sich auf Stalvey stürzen, dann aber war es nur ihre Stimme, die ihn ansprang: "Was soll in Ordnung sein?! Ich habe Ihnen erlaubt, meinen Konferenzraum zu benutzen, und was muss ich sehen?"

Sie erwartete erst gar keine Antwort und fuhr schon wieder weiter fort mit ihrer gewohnt lauten und energischen Stimme zu sprechen. "Der wunderschöne teure Tisch ist nass! Nass! Sehen Sie schleunigst zu, dass Sie sich einen Putzlappen replizieren und diese Schweinerei sofort wegmachen! So etwas dulde ich nicht auf meinem Schiff! Aber rasch, bevor die Flecken trocknen!"

Damit war die Sachlage geklärt und Francine vergaß alle Anwesenden bis auf den Mann, den Tarson auf die Brücke gebracht hatte. Es war schon typisch für Tarson, dass er genau jetzt nicht hier war, wenn es darum ging einen Posten in seiner Sicherheitsabteilung zu besetzen.

Nur mit Mühe strich Francine über ihren Haardutt, um festzustellen, dass er bei der Schwerelosigkeit nicht in Unordnung gekommen war, statt ihren Kommunikator zu betätigen und Tarson die Meinung zu sagen. Hatte sie doch schon von Anfang an verlangt, dass zum einen dieses Flittchen aus dem Computer verschwand und zum anderen sie nie mit irgendwelchen Bewerbern allein auf der Brücke war. Noch dazu, wo es eigentlich wichtiger gewesen wäre den Captain die Kleidung wechseln zu lassen, statt sich um irgendwelche geringfügigen Verletzungen zu kümmern, die eindeutig warten konnten!

"Daniel Smith, Sie waren also in der Sicherheit bei Starfleet, soso..." Ohne Eile strich sie über ihren Rock, um trotz des Teeflecks auf ihrer Bluse einen tadellosen Eindruck zu machen. Eingehend studierte sie den Mann und ihr schien, als wäre er nervös. Was angesichts der Tatsache, dass er einen Posten in der Sicherheit wollte, etwas widersprüchlich war. "Ich frage mich, wie man sich bei Ihnen sicher fühlen soll, wenn erst der Lift stecken bleibt und dann die Schwerkraft ausfällt?" Francine ließ dahingestellt, ob es ein trocken vorgebrachter Scherz war oder ihr Ernst.

"Ich denke, ich kann mir die Mühe sparen Ihre Qualifikationen einzusehen, Starfleet nimmt nur gute Leute in ihren Dienst. Umso mehr interessiert mich, wieso Sie den Dienst auf einem alten Frachter wie der Ivory den bei Starfleet vorziehen." Ihre kleinen funkelnden Augen fixierten Smith und nahmen jede Körpergeste in sich auf. Wenn er etwas zu verbergen hatte, würde sie es schon herausfinden.

Daniel hatte zwar schon beinahe mit einer solchen Frage gerechnet, wusste nun jedoch nicht wie er antworten sollte. 'Mist, wie sag ich das jetzt nur, ohne gleich alles zu vermasseln. Hätte die nicht einfach meine Unterlagen durchlesen können? Da steht alles drin.' Daniel hatte das PADD mit seinen Bewerbungsunterlagen mittlerweile wieder in die Hand genommen und hantierte nun nervös damit herum.

"Also – ähh – ich wurde nach einer fehlgeschlagenen Mission von Starfleet unehrenhaft entlassen. Und – äh – nachdem ich meine Lebensaufgabe verloren hatte und nicht mehr wusste, was ich tun sollte wurde ich – ähh ..." Daniel wusste nicht, wie er es ausdrücken sollte, also entschied er sich für die nackte Wahrheit, "Alkoholiker. Aber keine Angst", setzte er schnell hinzu, "ich bin mittlerweile schon seit einem halben Jahr trocken. Leider ist es nicht ganz leicht, einen Job zu bekommen, wenn man so etwas in seiner Akte stehen hat."

Daniel hatte zum Ende seiner Ausführungen hin so langsam wieder die Oberhand über seinen Geist und seinen Körper gewonnen und die Nervosität, welche ihn vorher so fest im Griff hatte, verdrängt. 'Hoffentlich wirft sie mich nicht gleich wieder raus. Ich möchte doch nur eine Chance erhalten.' Daniel wusste nun nicht mehr, was er noch tun oder sagen sollte, also harrte er gespannt der Reaktion des Captains.

Monserat hatte sich bereits etwas Ähnliches gedacht und betete weiter die Hände ruhig in ihrem Schoß, obwohl es sie bereits wieder danach drängte, ihr Strickzeug zu ergreifen und weiter zu stricken. Sie machte sich nichts vor. Die Ivory war sicher kein Schiff, auf dem man zuerst nach einem freien Posten suchen würde. Der bajoranische Frachter bot keine interessanten Tätigkeiten und auch keinen Aufstieg. Nur Arbeit, die sie unterdurchschnittlich bezahlen würde.

Hier würden sich vor allem blutige Anfänger oder ausgemerztes Altmaterial mit Vergangenheit bewerben, das nur schwer eine Anstellung fand. Wobei ein Mann mit Starfleeterfahrung wohl noch das Beste war, was sie für die Sicherheit kriegen konnte. Selbst wenn er ein Alkoholproblem hatte, sie würde dafür sorgen, dass er keinen Zugang zu Alkohol an Bord bekam.

Nachdem sie ihn nun eingehend gemustert hatte, streckte sie ihm die Hand entgegen und hielt sie auf.

Geistesgegenwärtig und mit sichtlicher Erleichterung händigte Smith ihr das PADD aus, auf dessen Daten sie anschließend einen prüfenden Blick warf. Die verliehenen Orden und Auszeichnungen beeindruckten sie sichtlich und stimmten sie milde. Offensichtlich kam seine Nervosität doch nur von der Tatsache, dass seine jüngste Vergangenheit andere Captains davor zurückschrecken ließ, ihn einzustellen.

Aber sie war auch nicht irgendein Captain. Sie war Francine Monserat. Ihre ganze Person straffte sich sichtlich. Der Gedanke, ein Schiff zu führen, gefiel ihr immer besser, auch wenn es in einem wesentlich besseren technischen Zustand sein könnte, und vor allem in einem viel saubereren.

"In Ordnung, Ihre Fähigkeiten und vor allem Ihre Auszeichnungen haben mich überzeugt, dass Sie den Anforderungen hier an Bord gewachsen sind. Ich brauche fähige Leute", Francine fragte sich, warum sie gerade jetzt an Tarson denken musste, "allerdings seien Sie sich gewiss, dass ich ein waches Auge auf Sie haben werde und Sie nicht mal in der Nähe von Alkohol dulden werde. Denn was ich Mister Tarson angedroht habe, gilt auch für Sie. Haben wir uns verstanden?"

--- Schleuse

Rekelen stutzte. "Die blonde Frau retten?", wiederholte sie irritiert und hatte nicht die geringste Ahnung, wovon ihr Gegenüber [NRPG: bzw. ihr Untendrunter ;)] gerade sprach.

Ohne darüber nachzudenken lockerte sie den Griff um den Kragen des Inders ein wenig, da der Mann sich nicht zu wehren schien, während sie sich daran erinnerte, dass Megan Phearson ebenso schwarze Haare hatte wie sie selbst, die Monserats hingegen lange ergraut waren und sich ihres Wissens demnach nur eine einzige blonde Frau an Bord befand, nämlich die merkwürdige Terranerin.

Freilich musste Shania Twillan vor niemandem gerettet werden außer vor sich selbst. Obwohl die Cardassianerin nun in Betracht zog, dass sie vor etwas auf der Flucht war, was ihre Hysterie und ihren unverhofft aufgetauchten Retter erklären mochte.

Rekelen vergaß Ashok einen Augenblick lang, der allerdings auch gewillt schien zu warten, da ihr Gewicht ihn immerhin noch immer zu Boden drückte, und grübelte einen Augenblick lang über den ganz verschiedenen Informationen, die sie gerade bekommen hatte. Immerhin besaß sie als Autorin ein gesundes Maß an Phantasie und reimte sich schließlich einen Zusammenhang zwischen Shanias Notfalltransport und ihrem "Retter" zusammen.

Wahrscheinlich kannten die beiden sich. Und möglicherweise würde der Inder Shania mitnehmen, was Rekelen gar nicht mal schlecht fand. Zudem gefiel ihr sein bestimmtes Verhalten – auch im Angesicht der Gefahr in Form einer sportlichen Cardassianerin schien er zu wissen, was er wollte.

Ashok erkannte wohl in ihrer Miene, dass sie so langsam verstand, und schließlich ließ sie seinen Kragen endgültig los, stützte die Hände in die Hüften und sah ihn Stirnrunzelnd an. "Das ist ja schön und gut, aber müssen sie deshalb gleich unsere Gegensprechanlage auseinander nehmen?", beschwerte sie sich. "Jetzt hat der Captain mich geschickt, damit ich Sie ... was weiß ich, festnehme. Glauben Sie mir, wenn Sie die Anlage einfach benutzt hätten, ich hätte Ihnen Shania Twillan nur zu gerne höchstpersönlich ausgehändigt. Als ich sie das letzte Mal sah, floh sie kreischend vor einem Putzroboter."

Rekelen schnaubte. Sie ließ keinen Zweifel daran, was sie von der Terranerin hielt.

--- Brücke, hinterer Teil, bei den Konsolen

Lestat war gerade so sehr mit der Konsole befasst, dass er überhaupt nicht mitbekommen hatte, wie sich die Türe zum Besprechungsraum geöffnet hatte und jemand in den Raum getreten war.

Einige Handgriffe später hatte der Techniker die Konsole auch schon wieder befestigt. 'Hmm, das war ja jetzt keine Kunst, die Konsole war nicht mal beschädigt. Sind hier eigentlich nur Pfeifen an Bord, nicht mal 'ne Konsole können die selber wieder zumachen', wunderte er sich.

Lestat setzte sich an eine technische Konsole und versuchte herauszufinden, was mit dem Schwerkraftgenerator passiert war. 'Hmm, eigenartig, der Computer zeigt nichts an. Keine Vorkommnisse mit den Generatoren.' Er schaute sich die Anzeigen weiter verwundert an, als ihm in den Sinn kam, einmal die anderen Sensoraufzeichnungen zu überprüfen. 'Hier ist etwas ... komisch, es wird eine temporäre Erhöhung der Schwerkraft angezeigt, um 15 g ... das ist verdammt viel. Kein Wunder, dass die Decke beschädigt wurde und Tarson auf dem Weg in die Krankenstation ist. Mit 'nem lädierten Handgelenk hat er sogar noch mal wirklich Glück gehabt. Die Sensoren sagen, dass er direkt unter diesem Trichter lag. Wie der wohl zustande kam? Mal sehen, ob ich irgendwelche Lebensformen ausmachen kann ... Nichts. So ein Mist. Ich habe keine Ahnung, was das verursacht hat.'

Lestat tippte noch einige weitere Befehle in die Konsole und versuchte, weitere Sensoraufzeichnungen zu erhalten. Leider musste er jedoch feststellen, dass einige Sensoren noch deaktiviert waren, solange das Schiff hier angedockt war. 'Mist, ein unerklärliches Phänomen und ich hab nicht mal richtige Sensoraufzeichnungen.'

Nun, da er offensichtlich nichts mehr weiter recherchieren konnte, machte er sich daran, seinen Bericht für Tarson zu verfassen.

Nachdem er seinen Bericht fertig hatte, überflog er ihn noch einmal kurz und stellte fest, dass er ihm nichts mehr hinzuzufügen hatte. 'Hoffentlich reicht das Tarson was ich zur Reparatur des Turbolifts geschrieben habe, ist zwar etwas ungenau, aber immerhin nicht wirklich falsch.' Lestat hoffte, dass er nicht zugeben musste, dass er mit Zinda ein Date hatte vereinbaren müssen – oder wie immer man es nennen will, was Zinda auf dem Holodeck mit ihm vorhatte. Lestat drückte einen letzten Knopf und sendete so den Bericht an Tarson.

--- Brücke, beim Captainschair

"Viele Dank Ma'am." Daniel war zugleich verwirrt und glücklich über diese für ihn vollkommen unerwartete Zusage. "Und ich kann ihnen versichern, ich werde keinen Tropfen Alkohol mehr anrühren. Ich habe nicht vor, noch einmal so tief zu fallen, wie ich bereits war." Der kleine Mann wollte noch weiter beteuern, dass Alkohol für ihn, seitdem er wieder trocken war, kein Thema mehr darstelle, besann sich dann jedoch anders und wechselte das Thema.

"Ma'am, haben sie an Bord einen Quartiermeister, oder an wen muss ich mich da wenden?" Er sah Monserat dieses Mal ohne jegliche Nervosität an und lächelte freundlich. 'Komisch ist das schon. Immer, wenn es um eine Bewerbung ging, war ich bisher kaum dazu fähig zu reden, aber sobald ich wieder einen Posten habe, bin ich die Ruhe selbst und kann wieder klar denken.' Daniel war über seinen eigenen Geist und seine vollkommene Unfähigkeit, dagegen anzukämpfen, verwundert.

Bill verschlug diese Aufforderung die Sprache, und so setzte er erst einmal nur sein Schmollgesicht auf. Bill war außerdem ganz hervorragend im Aufsetzen von Schmollgesichtern. Er hatte sich Sorgen gemacht, ob auf der Brücke alles in Ordnung war, denn schließlich war so ein Gravitationsausfall nicht etwas, was jeden Tag geschah. Und was machte der Captain? Eine Reinigung des Tisches im Konferenzraum anordnen ...

Dem Aussehen der Decke der Brücke nach zu urteilen gab es auf diesem Schiff gerade andere Probleme. Andererseits war er natürlich nicht auf der Brücke gewesen und die, die es waren, müssten es ja theoretisch besser wissen – eigentlich. Mit dieser Information alleine wollte er sich aber nicht zufrieden geben.

Der Captain war allerdings bereits wieder mit einem weiteren Bewerber beschäftigt und beachtete den Psychologen nicht weiter. Dieser beachtete also im Gegenzug das Bewerbungsgespräch nicht weiter und sah sich kurz auf der Brücke um. Was um alles in der Welt hatte die Decke dermaßen verbiegen können?

Einer der beiden Männer von zuvor hatte sich inzwischen an einer der Konsolen weiter entfernt vom Captain zu schaffen gemacht. Bill überlegte nicht lange und trat zu ihm, da es sich ja offenbar um einen Techniker handeln musste.

--- Brücke, hinterer Teil, bei den Konsolen

Der Techniker war in die Arbeit mit der Konsole vertieft und schien berufsgemäß über technischen Problemen zu grübeln. Bill warf einen Blick über seine Schulter und versuchte, den Anzeigen des Terminals etwas allgemeinverständliches zu entnehmen – allerdings hätten diese genauso gut in Klingonisch sein können.

Er räusperte sich und versuchte gleichzeitig die Aufmerksamkeit des Mannes auf sich zu lenken, aber möglichst nicht die des Captains ...

"Ähem ... Hallo! Ich bin Bill Stalvey – einer der Bewerber. Können Sie mich vielleicht aufklären, was hier los ist? Als ich vor zehn Minuten in den Konferenzraum nebenan gegangen bin, sah die Decke noch etwas besser aus ..."

Lestat war so in seine Arbeit vertieft, dass er kaum bemerkte, wie Bill hinter ihn getreten war. Leicht erschrocken drehte er sich um und bereute es, seine Psi-Kräfte hinter einer geistigen Mauer eingesperrt zu haben. In derselben Sekunde brach diese Mauer auch schon zusammen und er erhaschte einen kurzen Blick in den Geist von Bill. 'Aha, ihn scheint wirklich zu interessieren, was sich hier auf der Brücke abgespielt hat ... aber da ist noch etwas anderes, etwas Rebellisches.'

Doch ehe Lestat noch weiter forschen konnte, erinnerte er sich der Frage, die gerade an ihn gerichtet worden war und antwortete. "Hi, ich bin Lestat und auch erst seit kurzem hier auf dem Schiff, aber für 'nen Techniker scheint es hier nicht gerade langweilig zu werden." Der hochgewachsene Mann grinste kurz schief, ehe er fortfuhr.

"Also, das mit der Decke ist mir selbst ein Rätsel, irgendwie scheint ein Extrem-Schwerkrafttrichter entstanden zu sein, und der hat sowohl die Decke als auch den darunter stehenden Mr Tarson ziemlich in Mitleidenschaft gezogen ... zumindest, soweit ich das aus den Sensorenwerten die ich habe ablesen kann. Sie sind nicht zufälligerweise Wissenschaftler oder so etwas? Ich könnte Hilfe gebrauchen, um die Daten zuzuordnen. Ich kenne mich leider nicht sonderlich gut mit Extrem-Schwerkraftfeldern im All aus."

Lestat musterte den vor ihm stehenden Mann, während er redete, und versuchte, ihn zuzuordnen. 'Hmm. Er ist ein Mensch, dass sieht man an der Art seiner Gedanken, aber wo er wohl genau herkommt?' Noch ehe Bill antworten konnte, fing etwas an Lestat an, zu piepen. 'Was ist denn jetzt schon wieder?' An Bill gewandt sagte er nur, "Entschuldigen Sie bitte."

Er griff in eine seiner unzähligen Taschen und holte ein kleines schwarzes Kästchen hervor, welches sich nach dem er es aufgeklappt hatte als eine Art PADD entpuppte. 'Mist, ich muss meine Tasche bis spätestens in einer Stunde aus der Verwahrung abholen, sonst muss ich kräftig draufzahlen.'

Nachdem er das schwarze Kästchen wieder in seiner Tasche hatte verschwinden lassen, wandte er sich Bill zu. "Das war nur eine kleine Erinnerung an etwas Wichtiges. Wo waren wir stehengeblieben? Ach ja, sind Sie nun Wissenschaftler, oder als was wollen Sie sich hier an Bord bewerben?"

--- Brücke, beim Captainschair

Während der Sicherheitsmann und der Captain sich miteinander unterhielten, fragte sich Shania insgeheim, welche Folgen es für den Psychologen haben würde, wenn er nicht tat, was Francine ihm befohlen hatte. Keine Anstellung an Bord? Oder würde sie ihn anstellen, damit sie ihn zumindest lehren konnte, ihr zu gehorchen?

Doch noch bevor sie alle möglichen Gedanken zu Ende gesponnen hatte, verwarf die Amerikanerin sie schnell wieder, weil es sie nichts anging.

Es wurde endlich Zeit, dass sie aufhörte, sich den Kopf anderer Leute zu zerbrechen und sich um ihr Schicksal zu kümmern. Wenn Geralds Schwester sie nicht einstellte, hatte sie genügend eigene Probleme, auch ohne einen so eigenartigen Mann an ihrer Seite von dem sie das Gefühl hatte, dass er sie überreden wollte, mit ihm das Schiff zu verlassen.

Shania presste die Lippen zusammen und betrachtete die Französin, ohne jedoch ihren Worten zu lauschen. Dabei fiel ihr die Ähnlichkeit der beiden Geschwister auf. Ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen.

"Meine Nichte Rekelen Nar wird Ihnen ein Quartier zuweisen", erklärte Monserat gerade Daniel und benutzte die Verwandschaftsbezeichnung so selbstverständlich, als habe jeder Captain mindestens eine cardassianische Nichte. Francine hatte selbst keine Nachkommen hinterlassen, doch über ihre zahlreichen angeheirateten Nichten und Neffen hatte sie schon lange den Überblick verloren. Wenn sie sich richtig entsann, hatte sie sogar irgendwo eine Großcousine mit Ferengigenen. "In Ihrem Quartier können Sie sich auch einen Kommunikator replizieren."

Sie nickte Daniel knapp zu und starrte ihn an. Es vergingen einige Sekunden, bis der Mann verstand, verlegen grüßte und sich umwandte, um zu gehen.

Ihre Augen schweiften über die Brücke und registrierten scharf, dass es Mr Stalvey nicht sehr wichtig zu sein schien, einen Posten auf diesem Schiff zu bekommen. Zunächst zog er einem Bewerbungsgespräch eine Therapiestunde in ihrem Konferenzraum vor, dann mischte er sich in Dinge ein, die ihn nichts angingen, und schließlich begann er einen Plausch mit ihrem Techniker, anstatt die Arbeit zu tun, die sie ihm aufgetragen hatte.

Immerhin schien er seinen Beruf zu beherrschen; der Blick der Französin senkte sich wohlwollend auf seine terranische Patientin, die mittlerweile gefasst und munter wirkte. Und Francine legte Wert darauf, einen guten Psychologen an Bord zu haben.

Irgendjemand musste Tarson schließlich wieder aufpäppeln, wenn er einen Nervenzusammenbruch hatte.

"Mrs Twillan", wandte sie sich besänftigt an Shania. Derweil griff sie nach ihrem Strickzeug und ließ eine Hand zufrieden über die gesäuberte Wolle gleiten, bevor sie den Faden um ihre Finger wickelte. Das vertraute Klappern erklang. "Ich sehe, dass es Ihnen jetzt besser geht. Womit kann ich Ihnen helfen?"

Shania fühlte sich gar nicht wohl in ihrer Haut. Es geschah nicht sehr oft, dass sie als Bittstellerin kam, auch wenn sie sich einredete, dass es sich um ein ganz gewöhnliches Vorstellungsgespräch für einen noch gewöhnlicheren Job handelte. Doch Francines Züge waren ihr zu vertraut, um sich einreden zu können, dass es sich um irgendein Schiff handelte. Ständig hatte sie das Gefühl, ihren Bruder vor sich zu sehen.

"Miss Twillan", korrigierte Shania rein automatisch, da sie nichts mehr an ihre Ehe erinnerte und sie diese Erinnerung endgültig hinter sich gelassen hatte, "Sie können mich aber gerne Shania nennen." Noch einmal holte sie tief Luft um ihr Anliegen vorzutragen und verdrängte dabei den Gedanken, in welcher Verfassung sie war, als sie Francine das erste Mal zu Gesicht bekommen hatte.

"Ich kam hierher in der Annahme meinen alten Job zu erhalten. Natürlich ist Gerald jetzt nicht mehr hier und es ist verständlich, dass jemand Ihrer Familie den Job schon bekommen hat. Trotzdem hoffe ich, dass Sie eine Arbeit für mich an Bord haben. – Ich habe mich lange Zeit alleine durchgeschlagen und vieles gelernt. Dazu kommt, dass ich vieles von diesem Schiff weiß, dass Ihnen von Nutzen sein kann. So habe ich Gerald lange Zeit begleitet und kenne auch die Feinde, die er sich auf seinen Reisen gemacht hat."

Sie hielt kurz in ihrer Rede inne und studierte den Gesichtsausdruck des Captains, doch sie konnte darin keine Regung erkennen. Lediglich das Bemühen, ihre Strickerei so ordentlich und gleichmäßig wie möglich zu machen. Mit stillem Bedauern stellte Shania fest, dass Francine eine begnadete Glücksspielerin sein musste, die sich nicht in ihre Karten blicken ließ.

"Ich bin mir sicher, dass ich die Ivory auch ohne Erlaubnis hätte betreten können, da Gerald mir einen Notfallscode gegeben hat, der tief in den Eingeweiden des Computers sitzt. Er war immer wie ein Vater für mich und hat mir vertraut. So konnte ich jederzeit das Schiff verlassen und wieder an Bord kommen. – Ja, ich weiß, ich habe es diesmal nicht getan, aber das kommt daher, dass ich mich fühlte, als hätte ich ihn in Stich gelassen.

Aber er hätte es verstanden. Er weiß, dass Beziehungen nicht gut gehen, weshalb er nie geheiratet hat. Aber ich lasse mich immer wieder hereinlegen und ziehe Enttäuschungen magisch an. Die letzte hat mich fast das Leben gekostet. Nun bin ich hier gestrandet, ausgesetzt von der Föderation. Ohne Geld, ohne Job. Ich weiß nicht mehr weiter. Bitte geben Sie mir einen Job." Die letzten Worte waren der Amerikanerin schwer gefallen und sie senkte den Kopf. Jetzt kam es nur mehr auf die Antwort von Geralds Schwester an.

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