Ivory Cronik 4

Verfolgungswahn geht um

--- Ivory, Deck 1, Abzweigung zu den Warpgondeln

Mit diesen Worten machte sich der Caldonier auf den Rückweg. Schließlich war er zur Zeit der einzige Sicherheitler auf dem Schiff, mal von dieser Connor abgesehen, die gerade unverständlicherweise als erstes zusammen mit der neuen Psychologin einen Ausflug zu den Jeffriesröhren unternahm.

Zu Kuno gewandt sagte er: "Wir reden später weiter."

'Na also!', dachte Kuno, als sich Martengh erstaunlich schnell für seine Größe durch die Röhre Richtung Ausgang schob 'Er hat sie dort installiert, gut zu wissen, daß hinter der Fassade des ständig besorgten Sicherheitschefs der skrupelloseste Pirat steckt, dem ich jemals begegnet bin!

Und er scheint mir abgenommen zu haben, daß ich zwar etwas von Technik verstehe, nicht aber mein wirkliches Können erkannt zu haben.

Bleibt zu Überlegen, ob ich ihn beim Captain melden, oder mir einen Anteil an seiner Beute sichern soll! Das wird die Zeit zeigen, jedenfalls werde ich mir alle Optionen offen halten und mit einem erklecklichem Sümmchen das Schiff verlassen.... so, oder so!'

Isweda schob sich auch aus der Röhre, von Martengh war nichts mehr zu sehen, er mußte es sehr eilig gehabt haben.

'Nun denn, ich habe noch einiges vorzubereiten.' Kuno wandte sich wieder dem Maschinenraum zu.

--- Deck 2, Jeffriesröhren

"Sehr lustig, Mr. KWinh", brummte Ysara in ihren Communikator und rieb sich den Kopf, mit dem sie eben, erschrocken über KWinhs Stimme, gegen die Decke gestoßen hatte. "Wir befinden uns auf der Flucht vor einem aufdringlichen Trill, und ich rate Ihnen, sich möglichst niemals auf die Krankenstation zu begeben, es sei denn, Sie stehen gerne Modell."

Hinter sich vernahm sie Miss Conners Kichern. Offensichtlich fand sie diesen Ausflug ausgesprochen lustig.

In diesem Augenblick ertönte das vertraute Heulen des Sicherheitsalarms, der auf bajoranischen Schiffen auch nicht anders klang als auf denen der Föderation. Sie stieß einen unterdrückten Fluch aus.

"Es wäre nett, wenn Sie uns sagen könnten, wo es hier rausgeht. Möglichst, ohne daß wir auf der Brücke landen. Es wäre recht unhöflich, den Captain bei einem Kampf mit den Borg zu stören."

'Oder was auch immer der gerade macht', fügte sie in Gedanken zu.

Es folgte eine kurze Pause, in der KWinh wahrscheinlich den Schiffsplan aufrief. "Der nächste Ausgang ist ein gutes Stück entfernt. Wenn Sie zurück ... kriechen, müssen Sie die zweite Abzweigung rechts nehmen und gelangen so in einen der Korridore."

Ysara seufzte. Sie konnte es kaum glauben. Erst dieser wahnwitzige Arzt, mit dem sie auch noch auf einer Station arbeiten sollte, dann der Ausflug in die Jeffriesröhren, und jetzt noch der Alarm.

"Danke schön. Jefferson Ende. Miss Conner, sieht so aus, als müßten wir umdrehen und sollten uns beeilen."

Nathalie brummte etwas, was nicht sehr begeistert klang und machte sich daran, sich auf dem schmalen Gang umzudrehen.

Schweigend krochen sie voran. Es war stickig hier drin, und wahrscheinlich wäre es wirklich keine allzu schlechte Idee, Charly hier vorbeizuschicken. Was tat sie hier eigentlich?

Der Boden der Röhren war glatt und wenig griffig, und sie mußte sich bemühen, nicht abzurutschen. 'Das fehlt gerade noch', dachte sie zynisch. 'Ich gleite ab, brech mir den Arm und muß zu diesem Arzt auf die Krankenstation!'

"Da vorne ist der Ausgang!", rief Nathalie aufgeregt von vorne. Wahrscheinlich brannte sie darauf, sich in irgendeine gefährliche Situation zu stürzen.

"Na also!", kommentierte Ysara und atmete erleichtert auf. Letztendlich hatten sie ja nicht lange gebraucht.

--- Brücke, inzwischen

Erschrocken fuhr Monserat beim Erklingen von Martenghs bellender Stimme zusammen und mit einer Schnelligkeit, die man dem kleinen Mann nicht zugetraut hätte, betätigte er an seinem Captainschair ein paar Schalter und der Sicherheitsalarm gellte einen Augenblick später durch das ganze Schiff.

Erst dann atmete der Captain auf und ließ sich in seinem Sitz zurück sinken. Er war froh, daß Martengh ihm wenigstens so weit vertraute, daß der Sperrcode für seine Controlleinheit sehr einfach zu bedienen war und er nicht so viele Sperren wie Martengh selbst passieren mußte, der ständig sicher war nicht sicher zu sein.

Dann wandte er sich wieder dem Neuen auf der Brücke zu, der alles mit stoischer Ruhe angesehen hatte. "Keine Sorge. Wir haben alles unter Kontrolle. So etwas geschieht hier öfter. Meinem Sicherheitschef entgeht nichts."

Und irgendwie ertappte Monserat sich dabei, daß er den letzten Satz nur hinzugefügt hatte, um diesen sonderbaren Wissenschaftler gleich zu verstehen zu geben, daß er hier an Bord genau überwacht werden würde und jeder falsche Schritt augenblicklich böse Folgen haben würde.

Der Terraner hatte Clints Erwartungen vollauf erfüllt. Dieser simple Vergleich aus der Tierwelt war eine typisch terranische Unvollkommenheit. Genetische Abstammung war schließlich bei intelligenten Lebewesen irrelevant, nur die Kultur in der sie aufwuchsen bildete ihren Charakter. Auch seine Vorstellungen eines wahllos agierenden Sicherheitsoffiziers war für die Kurzsichtigkeit der Terraner charakteristisch. Clint hatte genug Erfahrung mit Terranern gehabt um zu erkennen das dieser ihm Abneigung entgegenbrachte. Das alles spielte jedoch keine Rolle für ihn den erstaunlicherweise war der Captain wenigstens vernünftig genug bei der Mannschaftsauswahl nicht nur auf seine eigenen Gefühle der Person gegenüber zu achten.

Weitaus schlimmer waren jedoch die jetzigen Ereignisse. Ein Sicherheitsalarm der gerade während seiner nicht sehr rosig verlaufenden Vorstellung auftrat. Das Mißtrauen des Sicherheitschefs und die persönliche Abneigung des Captains waren nicht unbedingt ideale Vorraussetzungen für seine zukünftige Zeit auf diesem Schiff, wie lange das auch sein mochte.

Der Captain warf ihm schon einen mißtrauischen Blick zu, möglicherweise verdächtigte er Clint in dem Ganzen irgendwie verwickelt zu sein. Möglicherweise war er das auch, den er wußte immer noch nicht aus welchem Grund und wie sein Vater mit ihm Kontakt aufnehmen wollte. Waren die zwei Eindringlinge etwa vulkanische Geheimagenten ?

Clint hatte jedenfalls nicht vor tatenlos rumzustehen, er mußte etwas tun um das Vertrauen des Captains zu gewinnen oder zumindest sein Mißtrauen zu lindern.

Vorsichtig, damit der Captain nicht dachte, daß er eine Waffe zog, holte Clint sein Scannergerät aus seinem weißen Umhang im vulkanischen Schnitt und richtete es auf das Metallgitter zur Jeffriesröhre: "Die Eindringlinge scheinen nicht bewaffnet zu sein Captain", sprach er in einem sachlichem Ton.

"Umsichtig scheinen Sie ja zu sein", meinte der Captain und dachte noch mal über seine Einstellung zu diesem 'Vulkanier' nach. Außer, daß er solche sachlichen Typen nicht mochte, sprach eigentlich nichts gegen ihn. "Man muß ja auch nicht gerade in der Sicherheit sein um zu zeigen, daß man aufmerksam ist und ein fähiger Mann ist." Dann warf er einen seitlichen Blick zum Eingang der Jeffriesröhre.

"Mein Sicherheitschef arbeitet sicher schon der Sache. Wir sind hier ganz sicher." Nachdem er sich wieder Clint zugewandt hatte, sagte er versöhnlich auf den Scanner zeigend: "Ihr 'Vulkanier' seid wohl immer für jeden Notfall gerüstet. Wahrscheinlich werden Sie noch eine Menge an Gepäck an Bord bringen wollen, falls Sie über solches verfügen...

Da fällt mir noch etwas ein...

Einen Wissenschaftler habe ich bereits an Bord. Sein Name ist Sean Wallace und er wird sich die Wissenschaftsstation mit Ihnen teilen. Ich hoffe, Sie beide kommen gut mit einander aus. Er ist Schotte." Der Captain erhob sich und tippte etwas in eine der Konsolen ein. Dann meinte er stirnrunzelnd: "Das Quartier neben ihm sollte diesen Aufzeichnungen nach noch frei sein. Es hat die Nummer 12.

Falls Sie nicht noch irgendwelche Fragen haben..."

Die Reaktion des Captains beruhigte Clint keineswegs, sein plötzlicher Stimmungswandel schien ihm nur ein Vorwand zu sein. Er beschloß es hierbei zu belassen. Der Captain war im Augenblick zu beschäftigt um ein produktives Gespräch zu führen. In einer solchen Situation die Brücke zu verlassen, mochte ihn vielleicht noch verdächtiger machen, aber Monserat mochte jetzt wahrscheinlich auch keine Fremden auf der Brücke haben.

"Nein, das wäre alles, Sir. Vielen Dank", antwortete er in typisch vulkanischer Manier. "Alles was ich brauche habe ich bei mir, in Form einer Datenbank in diesem Scannergerät." Er hielt das klobige Ding hoch und tippte mehrmals drauf. "Auch wissenschaftliche Werkzeuge befinden sich in Form einer Replikationsmatrix in dieser Datenbank und ich nehme an Sie verfügen über einen Industriereplikator auf ihrem Schiff."

So war es auch, da er nicht wie manche Terraner die Neigung besaß sentimentale Gefühle zu Gegenständen zu entwickeln kam er mit diesem Minimum an Gepäck aus. Er nickte dem Captain noch einmal zu und verließ die Brücke.

--- Seans Quartier

Sean war gerade so ganz in die Informationen des Computers vertieft gewesen, als plötzlich der Sicherheitsalarm ertönte und ihn aus den Gedanken gerissen hatte.

'Was ist denn hier los, gerade an Bord und schon ein Sicherheitsalarm? Ich hoffe, das ist kein schlechtes Omen. Aber was ist denn wohl passiert? Ein Eindringling von der Station, ein Dieb vielleicht?' Die Neugier hatte Sean gepackt. 'Ich werde mal zur Wissenschaftsstation gehen. Vielleicht erfahre ich ja unterwegs was los ist.'

Er deaktivierte den Computerterminal und ging aus dem Quartier.

--- Decke 3, Gänge

In dem Gang war keiner zu sehen.

Die Wissenschaftsstation befand sich hinter der Mannschaftsmesse. Langsam ging Sean los in Richtung Wissenschaftsstation. 'Eben waren doch noch Personen in der Mannschaftsmesse, vielleicht wissen die ja was passiert ist.'

Langsam machte er sich richtig Sorgen. Der Alarm war immer noch aktiv. Der Lärm und das immer wieder aufblinkende rote Licht hinterließen ein wenig Wirkung bei ihm. 'Ich werde hier noch verrückt, wenn der Alarm nicht bald mal ausgestellt wird. Zumindest dieser schrille Ton.'

Die Tür der Mannschaftsmesse war geschlossen. Ob immer noch Personen drin waren, konnte Sean aufgrund des Lärms nicht hören. Also entschloß er sich einzutreten.

Sie öffnete sich automatisch als Sean näher kam. Er trat ein.

--- Mannschaftsmesse

Die Mannschaftsmesse war leer. Keine Personen waren anwesend.

Enttäuscht ging Sean zum Replikator und bestellte sich einen Tee. Ein wenig Beruhigung würde jetzt nicht Schaden. Er nahm sich den Tee und setzte sich an den nächsten Tisch.

--- Gänge, Deck 2

Dieser Sean Wallace, von dem der Captain sagte, er gehöre zur Spezies der Schotten, war es wert mal besucht zu werden. Schließlich würde er mit ihm die Arbeitsstation teilen und zwischen allen Wissenschaftlern in dieser Galaxis bestand ein besonderes Verhältnis, denn sie waren praktisch eine Spezies für sich. Schotten? Wenn man wie Clint an einem Ort wie Nimbus 3 aufgewachsen war, kannte man so ziemlich jede Spezies des Quadranten, und bei ihm kam noch seine umfassende Bildung hinzu.

Aber von Schotten hatte er noch nie gehört. Er gab den Begriff in sein Scannergerät ein, welches einen direkten Link zur Datenbank der SB185 aufbaute und bekam folgende Anzeige: "Schotten - Bezeichnung für die Bewohner eines Teils einer Insel, dem früheren Britannien, des Planeten Terra, Solsystem. Mehr Informationen?"

Wäre Clint nicht so beherrscht, wäre er jetzt ärgerlich geworden. Wieso erwartete dieser Terraner, daß er die Bezeichnung für ein kleines Volk aus der Geschichte Terras kannte? Sicher, er kannte die Geschichte dieses Planeten besser als die eines etwas weniger bedeutenden, aber man konnte nicht erwarten, daß ein Alien sich mit allen Details einer fremden Kultur befassen kann, es sei den, sie gehörten zu dessen Spezialgebiet.

Was aber hatte es mit diesen Eindringlingen auf sich? Gehörten sie zum vulkanischen Geheimdienst oder deren Verbündeten? Oder waren es Feinde die versuchten seine Mission - oder wie auch immer man es nennen sollte - zu verhindern? Möglicherweise hatten sie mit dem Ganzen auch nichts zu tun, aber das wäre ein seltsamer Zufall. Er würde sehr vorsichtig sein müssen.

Plötzlich vernahm er ein Geräusch an der Korridorwand. Jemand machte sich an einem Gitter zur Jeffriesröhre dahinter zu schaffen. Blitzschnell postierte er sich über dem Gitter, so daß derjenige, der dort rauskommen würde, ihn nicht sehen konnte.

Nun wartete er und machte sich bereit seinen vulkanischen Nervengriff einzusetzen...

--- Deck 2, Jeffriesröhre, inzwischen

Schweigend krochen Ysara und Natalie den Gang wieder zurück zu der Abzweigung.

Nathalie war zumindest sehr froh, daß dieser KWinh sie gerufen hatte, waren sie beide doch geradewegs auf die Brücke zugekrochen! Auch wenn sie tatsächlich da hin wollte, um endlich den Sicherheitschef zu sprechen, so sollte dies nicht über diesen ungewöhnlichen Weg geschehen. In Gedanken schickte sie ein Dankesgebet an den Grilmak.

Das Heulen des Sicherheitsalarmes erklang in der engen und etwas schallenden Röhre immens laut und Nathalie hatte sich schon gefragt, was der Grund für den Alarm sein könnte. Automatisch mußte sie an Kuno und seine "Entdeckung" denken, und sie hoffte, daß er nicht dadurch in Schwierigkeiten geraten war. Sie würde es sehr bedauern, sollte seine Anwesenheit auf der Ivory nur einen Tag lang währen.

Die beiden Frauen erreichten die Abzweigung und folgten nun dem richtigen Gang. Nathalie hatte den Ausflug zwar anfangs für recht lustig gehalten, besonders wenn man den Grund bedachte, aber so langsam fingen ihre Knie von dem harten Metallgitter an zu schmerzen und sie wollte jetzt nur noch hier raus.

"Welchen Ausgang meinte er eigentlich?", fragte Nathalie schließlich, als sie an eine Luke gelangten. "Den hier oder den weiter vorne?" Sie deutete auf eine Luke, die sich etwas weiter vorn befand, und gerade noch zu erkennen war.

Doch dann überlegte Nathalie es sich in Anbetracht ihrer schon protestierenden Kniescheiben anders und machte sich daran, die Luke neben ihr zu öffnen. "Ich glaube, wir nehmen doch lieber diese!"

Sie öffnete die Luke unbeachtet des leichten Protestes von Ysara und kroch hinaus aus der Jeffriesröhre.

--- Deck 1, Abzweigung zu den Warpgondeln

'Na also!', dachte Kuno, während er beobachtete wie sich Martengh erstaunlich schnell für seine Größe durch die Röhre Richtung Ausgang schob. 'Er hat sie dort installiert, gut zu wissen, daß hinter der Fassade des ständig besorgten Sicherheitschef der skrupelloseste Pirat steckt, dem ich jemals begegnet bin!'

'Und er scheint mir abgenommen zu haben, daß ich zwar etwas von Technik verstehe, scheint aber nicht mein wirkliches Können erkannt zu haben.

Bleibt zu überlegen, ob ich ihn beim Captain melden, oder mir einen Anteil an seiner Beute sichern soll! Das wird die Zeit zeigen, jedenfalls werde ich mir alle Optionen offen halten und mit einem erklecklichem Sümmchen das Schiff verlassen....so, oder so!'

Isweda schob sich auch aus der Röhre. Von Martengh war bereits nichts mehr zu sehen, er mußte es sehr eilig gehabt haben.

'Nun denn, ich habe noch einiges vorzubereiten.'

Kuno wandte sich wieder Richtung Maschinenraum.

--- Maschinenraum

Mit einem Blick auf ein Terminal erkannte Martengh, daß die beiden potentiellen Attentäter kurz vor der Brücke abgedreht und die Röhren verlassen hatten.

Welchen Zweck hatte diese Aktion gehabt?

Entweder waren sie gewarnt worden, oder sie hatten bereits in den Röhren bei der Brücke etwas plaziert - eine Bombe, eine Wanze oder etwas ähnliches.

Wenn sie etwas plaziert hatten, würde Martengh es finden. Wenn sie aber gewarnt worden waren, stellte sich die Frage: Wodurch? Durch den Sicherheitsalarm? Oder hatte es Funksprüche gegeben?

Eine schnelle Abfrage später war der Sicherheitschef schlauer: Es HATTE einen Funkspruch gegeben.

KWinh...

Aber woher hatte dieser Mann gewußt, wann die richtige Zeit für eine kodierte Warnung war? Der einzige, der eine Warnung hätte weiterleiten können, war ... Isweda.

Also gehörten diese vier zusammen zu der Gruppierung, die die Ivory kapern wollten.

Wer von ihnen war der Kopf?

Hmmm...

Martengh ließ sich von diesen Überlegungen nicht lange bremsen, und machte sich indes auf den Weg zur Brücke, vielleicht benötigte Monserat ja Hilfe.

--- Gänge, Deck 1

Und wenn alles ganz anders war? Was, wenn dies alles ein Ablenkungsmanöver war, damit Martengh die Hauptperson gar nicht erst in Augenschein nehmen konnte?

Wer war jetzt gerade mit Monserat alleine auf der Brücke? Doch dieser Mensch mit der ungesunden Gesichtsfarbe...

Oder steckte der Wissenschaftler hinter allem? Dieser Wallace hatte sich bisher ja sehr ruhig und unverdächtig benommen...

'Also wieder einmal eine komplette Schiffsladung Attentäter. Na prima. Und ich wollte nur einmal ein paar Tage Ruhe haben...'

--- Deck 2, Korridor

Verdreckt und mit schmerzenden Knien stellte Natalie sich erstmal vorsichtig auf und streckte sich. In dem Moment sah Nathalie etwas aus den Augenwinkeln von hinten auf sich zukommen.

Reflexartig schwang Nathalie herum und schnappte nach der Hand, die nach ihrer Schulter greifen wollte. Und bevor sie selbst wußte, was sie tat, verdrehte sie ihrem Angreifer mit einem heftigen Ruck den Arm so, daß er hinfiel und auf dem Rücken liegen blieb.

Verdutzt starrte Nathalie den seltsam aussehenden Menschen an (irgendwie schien er kein richtiger Mensch zu sein, aber sie konnte ihn nicht so recht einordnen).

"Wer zum Kuckuck sind Sie?! Und warum greifen Sie mich an?!", rief Nathalie erbost.

Die Frage sagte Clint, daß es sich hierbei nicht um jemanden handelte, der es auf ihn abgesehen hatte. Daran war etwas Beruhigendes, und es milderte seine etwas unglückliche Lage in der er sich befand. Der Arm war gebrochen wie er feststellen mußte. Unglücklicherweise hatte er sein volles Eigengewicht mitreingebracht und außerdem waren seine Knochen nun mal verhältnismäßig spröde.

Der Schmerz schoß sofort wie ein schriller Schrei in sein Gehirn, er konzentrierte sich, verbildlichte den Schmerz in Gedanken als eine Schallquelle und entfernte sich dieser Millionen von Kilometern bis er in nur noch als ein leises Wimmern wahrnahm.

"Naph - hif-bi du throks! (_Deine Gedanken, gib sie mir!_)", sprach er die vulkanischen Erkennungsworte. Der verständnislose Blick seiner Überwältiger gab ihm die Gewißheit, daß sie auch nichts mit dem vulkanischen Geheimdienst zu tun hatten.

"Dasselbe könnte ich Sie auch fragen", sagte er dann in höflichen Tonfall. Er betrachtete die beiden nun genauer. Beide waren Terranerinnen, diejenige, die in überwältigt hatte, war etwa so groß wie er, aber von sportlicher Statur. Sie hatte olivbraune Haut und dunkelbraune Haare mit einer gewagten Frisur. Außerdem trug sie beträchtlich viel Schmuck und funkelte ihn mit ihren braunen Augen zornig an.

Die andere, die eben aus der Jeffriesröhre kam und sich den Staub von den Knien schlug, war etwas kleiner und ihre Hautfarbe war noch viel dunkler. Ihre schwarzen Haare waren auffällig lang und zu kleinen Zöpfen geschnürt und ihre ebenfalls braunen Augen sahen dem ganzen belustigt zu. Beide sahen nicht unbedingt wie kriminelle Elemente aus, sie schienen eher verlegen als beängstigt aus, wie es von Einbrechern oder Saboteuren zu erwarten wäre.

"Wenn ich mich vorstellen dürfte, mein Name ist Ahm-tor Clint. Ich habe gerade auf der Ivory als Wissenschaftler angeheuert. Wenn ich nun Ihre Namen erfahren dürfte und warum Sie das ganze Schiff durch Ihren Spaziergang in Aufruhr versetzten?" Bei diesen Worten blickten sich die beiden verlegen an.

"Es würde mir auch bequemen wenn Sie sich mit Ihrer Antwort beeilen, da Sie mir mit Ihrem ... Angriff den Arm gebrochen haben, was ich auf der Krankenstation zu beheben wünsche", fügte er ohne mit der Wimper zu zucken hinzu und als er die Krankenstation erwähnte, rollten beide unverständlicherweise synchron ihre braunen Augen.

--- Shanias Quartier

Beim Erklingen des Sicherheitsalarms war Shania erschrocken zusammen gezuckt. Kurz vorher hatte sie noch mit Martengh gesprochen, der ihren Zugang aufs Schiff bestätigt und somit zugelassen hatte. Und kaum hatte sie ihr kleines Mitbringsel von der Station sorgfältig in ihrem Koffer verstaut und sich umgezogen, als auch schon der Alarm losgegangen war. Sie fragte sich, was das wohl zu bedeuten hatte.

Martengh war zwar übervorsichtig, aber einen wahren Kern hatten seine Alarme bisher immer. Also beschloß sie der Sache auf den Grund zu gehen. Immerhin arbeite sie ja auch an Bord. Jedenfalls war es so etwas ähnliches wie Arbeit und da wollte sie wissen, ob es kein Problem gab. Noch mal so etwas wie mit dem verrückten Computer auf dem Holodeck durfte es nie mehr geben.

Mit einem leisen Seufzer dachte sie an Sternenlicht, der deswegen die Ivory verlassen hatte und die Reise erst gar nicht mitgemacht hatte. Dabei war er ein wunderbarer Freund und Gefährte gewesen. Der Sivaoaner mit den hübschen schwarzen Dreieck auf der Stirn und den niedlichen weißen Flecken im Genick...

"Jetzt reiß dich aber zusammen, Shania", schimpfte sie mit sich selbst. "Er ist weg und du siehst ihn nie wieder. Zeit sich mal die anderen anzusehen.... Wenn nur dieser blöde Lärm nicht wäre." Genervt verließ sie ihr Quartier.

Auf die Brücke wollte sie nicht, da wohl Monserat wieder mit Vorstellungen zu Gange war und Martengh wollte sie auch nicht danach fragen, da er jetzt sicher keine Zeit für sie haben würde.

Da lag es auf der Hand wohin sie gehen würde. Den Punkt des Schiffes aufzusuchen an dem sich immer das meiste erfahren ließ.

Die Mannschaftsmesse.

--- Maschinenraum

"Oh, Mr. KWinh." Isweda fand den Grilmak an einer Konsole vor und sprach ihn an: "Ist dieser Putzroboter schon hier gewesen und hat er meinen Communikator mitgebracht?"

Ein Blick in den Raum hätte die Frage Iswedas überflüssig gemacht. Der Dreck der letzten Reise hatte erstaunlich abgenommen, allerdings sah es so aus, als ob der Roboter bei der Hälfte der Arbeit unterbrochen worden wäre.

"Ja, er ist immer noch hier", antwortete der Grilmak, "aber er hat Ihren Communicator nicht finden können. Er hat bereits Mister Martengh darüber in Kenntnis gesetzt. Allerdings weiß ich nicht, ob Ihnen das etwas nützt. Ich habe inzwischen eine eigene Analyse der Systeme durchgeführt, die Ihre Zusammenfassung bestätigt hat. Auch ich habe die schlechte Leistung der Materie-Antimaterie-Injektoren beobachtet. Meine Analyse des Problems ergab, daß es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dem schlechten Zustand der Deuteriumleitungen herleiten läßt. Ich werde mich darum schnellstmöglich kümmern, da ich keinen Totalausfall und eine eventuelle Explosion riskieren will."

KWinh stand vom Terminal auf und ging in das Büro, um sich entsprechendes Werkzeug zu holen. Er beeilte sich, um Charly, der dort immer noch sauber machte nicht allzu viele Möglichkeiten zu geben, ihn anzusprechen. Tatsächlich war er schneller als der Roboter und kam zu Kuno zurück.

"Was ist eigentlich mit der Energiefluktuation bei den Warpgondeln? Handelt es sich um das gleiche Problem? Ich habe bemerkt, daß Sie sich mit dem Sicherheitschef in den dortigen Jeffriesröhren befunden haben, aber die Fluktuation auch nach Ihrem Verlassen weiterhin besteht."

Noch während er redete, machte er sich an den Abdeckungen der Deuteriumleitungen zu schaffen. Günstigerweise befanden sich die Tanks auf dem selben Deck, also würde die Reparatur nicht allzulange in Anspruch nehmen. Da das Backup-Leitungssystem in noch schlechterem Zustand war, als das Hauptsystem, wollte er mit diesem anfangen. Länger als drei bis vier Stunden sollte das Ganze nicht dauern. Allerdings hoffte er, daß der Sicherheitsalarm schnell wieder aufgehoben werden würde, ansonsten müßte er, um keine Kopfschmerzen von den blinkenden roten Warmleuten zu bekommen, diese manuell deaktivieren.

"So ist es doch angenehmer, nicht?" Isweda hatte mit ein paar schnellen Griffen den Roten Alarm im Maschinenraum auf stumm geschaltet und die Blinkfrequenz der Lampen auf eine langsamere Abfolge eingestellt.

"Ich mag es nicht, wenn ich gegen den Alarm anschreien muß!", begründete Kuno sein Handeln, das anscheinend mit Wohlwollen von KWinh aufgenommen wurde.

"Nun, noch mal zu den Energiefluktuationen an den Plasmaleitungen bei den Warpgondeln, Sie sollten das einfach ignorieren. Martengh kam zu dem Schluß, daß es nicht weiter von Bedeutung sei!"

Diese Notlüge KWinh gegenüber empfand Kuno als nicht ganz zufriedenstellend, immerhin schien der Grilmak ein recht angenehmer Vertreter seiner Rasse zu sein. Aber Isweda durfte nichts von der Entdeckung der Unterbrecher erwähnen, da es immerhin eine schwache Möglichkeit gab, daß KWinh mit Martengh verbündet war, oder schlimmer noch, Martengh wirklich die Wahrheit gesagt hatte und er nichts von den Unterbrechern wußte!

'Natty, sie weiß davon, hoffentlich erwähnt sie den anderen nichts darüber!', fiel Kuno gerade ein, als Charly schwer beladen aus dem Büro kam und losplapperte.

"Oh, Mr. Isweda, ich bin fleißig bei der Arbeit wie Sie sehen können. Aber ich muß schon sagen, wie Sie es geschafft haben diesen Raum in dermaßen kurzer Zeit so zu verdrecken, daß ist mir unbegreiflich, genau wie Sie es geschafft haben, schon ein paar Minuten nach Ihrer Ankunft hier den Communikator zu verlieren, nein wirklich."

Noch bevor Kuno dem Roboter das Wort abschneiden konnte, fuhr dieser fort: "Also, wie Sie sehen ist dieser Raum jetzt so gut wie gesäubert und ich werde ihn schnellst möglich nochmals reinigen, genau wie Sie es angeordnet haben, aber zunächst muß ich diesen riesigen Koffer entsorgen, der stand hier einfach in einem Schrank rum, daß sollte aber nicht so sein, immerhin sind die Schränke noch nie benutzt worden und..."

Isweda hörte nicht weiter zu, sondern hockte sich neben den Grilmak, der voller Arbeitseifer mit dem Oberkörper hinter der Wandverkleidung steckte, und tippte ihm auf die Schulter.

"Sieht fast nach Ihrem Namenszug aus, welcher da auf dem Koffer steht, der Roboter will ihn entsorgen! Sie sollten Ihre Sachen aber wirklich wegschließen, sind nicht alle so ehrlich wie ich!"

Mit einem Grinsen schaute Isweda in das verblüffte, leicht verdreckte Gesicht von KWinh, welches aus der Verkleidung auftauchte.

Als KWinh realisiert hatte, daß der Roboter seinen Koffer entsorgen wollte, sprang er auf, sprintete in Richtung der Tür und brüllte im Laufen:

"Charly STOP!"

Dies passierte, bevor Kuno noch einmal blinzeln und Charly wirklich reagieren konnte. KWinh hatte in seiner Aufregung unbewußt, die ihm angeborene Geschwindigkeit eingesetzt, sowie auch die seinem Volk eigene Lautstärke.

Charly, der nicht schnell genug stehenbleiben konnte, prallte kurz vor der Ausgangstür mit dem Grilmak zusammen und Kuno bewegte reflexartig seine Hände zu seinen Ohren, um diese zuzuhalten. Wieder in normaler Lautstärke sprach KWinh zu dem Roboter:

"Charly, das ist MEIN Koffer und er wurde von mir mit voller Absicht in dem Schrank abgestellt. Dafür sind diese Schränke da. Bring den Koffer zurück und rühre ihn nur noch an, um ihn von außen abzustauben. Ich könnte ansonsten auf die Idee kommen, einen gewissen Reinigungsroboter zu entsorgen, weil er sich ungefragt an dem Eigentum von Besatzungsmitgliedern vergeht."

"Na das soll mal einer wissen. Noch nie wurden diese Schränke benutzt. Ich hab sie immer sauber gehalten. Ich bin ja nur ein Roboter, woher soll ich denn wissen, daß nach den ganzen Jahren jemand auf die Idee kommt, die Schränke zu benutzen und mir noch nicht mal Bescheid sagt. Das wäre ja noch schöner, ich werde...."

Die letzten Worte waren nicht mehr zu verstehen, da Charly inzwischen wieder in dem Büro verschwunden war. Also ging KWinh wieder zu der inzwischen zugefallenen Klappe der Verkleidung zurück, vor der Isweda immer noch stand.

"Nun, wenn diese Fluktuation nicht kritisch ist, werde ich erst mal danach sehen, wenn ich die wichtigen Reparaturen erledigt habe. Allerdings will ich sie nicht ganz vergessen, vielleicht kann es ja noch schlimmer werden. Ich werde sie auf jeden Fall im Auge behalten."

Nachdem er mehrmals den Öffnungsmechanismus der Klappe betätigt hatte, mußte der Grilmak feststellen, daß sie sich nicht öffnen wollte. Resignierend griff er nach einem Trick, dessen sich versierte Techniker aller möglichen Rassen seit Tausenden von Jahren bedienten: Er trat dagegen. Die Klappe tat das, was Klappen in einem solchen Fall auch seit Tausenden von Jahren taten: Sie öffnete sich.

"Mister Isweda, Sie könnten mir helfen, dann wären wir schneller fertig. Ich bin gerade dabei die Leitungen des Backupsystems auszubauen. Wenn ich vorschlagen dürfte, könnten Sie an den Deuteriumtanks anfangen und wir treffen uns dann irgendwo in der Mitte."

Mit diesen Worten verschwand sein Oberkörper wieder hinter der Verkleidung.

--- Deck 2, Gänge, inzwischen

Ysara sah Nathalie ihre Mimik nachahmen, und mußte unwillkürlich lachen. Sie mochte nicht der Mensch sein, der normalerweise einfach so in Jeffriesröhren herumkroch, während auf dem Schiff der Sicherheitsalarm ausgelöst wurde, dennoch fühlte sie sich wie die Hauptdarstellerin einer Satire, die damit endete, daß Nathalie sich umdrehte und einem harmlosen Passanten den Arm brach. Dem das scheinbar nicht gerade viel auszumachen schien.

Interessiert musterte die Afroamerikanerin den Mann, der wenig jünger als sie sein mochte, obwohl sein dunkles Haar bereits von Strähnen durchzogen wurde. Zum einen war es seine Haut ... dieser Farbe, das konnte unmöglich ein Terraner sein! Davon abgesehen verhielt er sich auch nicht wie ein Terraner.

Dann wurde ihr etwas, was er gesagt hatte, bewußt. "Was meinen Sie damit, daß wir das Schiff in Aufruhr versetzen?", fragte sie ahnungsvoll. "Am Besten erklären Sie uns das auf dem Weg zur Krankenstation." Sie wechselte einen schnellen Blick mit Nathalie. "Wir werden allerdings sicher nicht mit rein kommen."

Der Mann zog die Augenbrauen hoch und sah sie erwartungsvoll an. Ysara dachte nicht daran, seine Neugierde zu befriedigen. "Mein Name ist im übrigen Ysara Jefferson; ich bin Psychologin. Die nette junge Dame", sie konnte sich diese Bezeichnung nach Nathalies Angriff nicht verkneifen, "ist Nathalie Connor. Sie arbeitet in der Sicherheit."

Freundlich wies sie Clint den Weg zur Krankenstation. "Und jetzt erzählen Sie mal, junger Mann", forderte sie den merkwürdigen Kerl auf. Sie hoffte, ihre wagen Vermutungen über den Grund des Alarms würden sich nicht bestätigen.

Die Terranerinnen schienen die Wahrheit zu sagen. Trotzdem war ihm ihr seltsames Benehmen verdächtig vorgekommen. Wieso weigerten sie sich die Krankenstation zu betreten? Und wieso ging auf diesem Schiff der Alarm los, wenn zwei Crewmitglieder die Jeffriesröhren betraten, noch dazu, wenn eine von beiden zur Sicherheit gehörte? Der Sicherheitschef war Clint zwar als vorsichtig, jedoch nicht als völlig paranoid erschienen, jedenfalls mit den Maßstäben von jemanden wie Clint der indirekt mit dem vulkanischen Geheimdienst zu tun hatte.

Oder gab es etwas, daß dieser Martengh vor allen anderen verbergen wollte, vielleicht sogar vor dem Captain. Schließlich hatte dieser den Alarm eher als störend, den als Gefahr aufgenommen, während der Caldonier mit einer fast hysterischen Stimme den Alarm gegeben hatte. Gab es etwas in den Jeffriesröhren, das keiner sehen sollte? Clint beschloß mit jemanden aus der Crew darüber zu reden, sobald er sie besser kannte.

Er folgte der stummen Geste der Terranerin, die sich als Ysara Jefferson und Bordpsychologin vorgestellt hatte. Im Gang zum Turbolift besah er nochmals seinen Arm - der Bruch schien nicht sehr kompliziert zu sein - und warf der Terranerin Nathalie Connor einen tadelnden Blick zu, den sie mit einem unsicheren Lächeln beantwortete.

--- Mannschaftsmesse

Beim Betreten der Mannschaftsmesse, merkte die Amerikanerin sofort, daß hier nichts los war. Trotzdem sah sie ein ihr bekanntes Gesicht. Da war er wieder der blonde Wissenschaftler mit dem Hang zu echten schottischen Whisky.

Fast hätte Shania aufgelacht, als sie bemerkte, daß er Tee trank. So ging sie mit einem Nicken an ihm vorbei und steuerte auf den Replikator zu. "Eine Kanne Captains Morning und eine Tasse. Heute brauch ich Vitamine."

Mit dem gewünschten auf einem Tablett schlenderte sie zu dem Tisch von Wallace.

--- Tisch 4

Neben ihm hielt sie an und sah ihn fragend an:

"Seit wann ist: Abwarten und Tee trinken Ihre Devise?" Ihre Augen lächelten ihn an. "Wie es scheint, hat das mit der Anstellung an Bord geklappt, sonst hätte Martengh Sie kaum allein auf dem Schiff herumlaufen lassen. Dann gratuliere ich auch recht schön."

Dann machte sie Anstalten sich an einen Tisch daneben zu setzen.

'Welch eine freudige Überraschung sie hier zu sehen', dachte Sean und hatte schon fast den nervigen Alarm vergessen. Als er merkte, daß sie sich an den Tisch neben ihn setzen wollte, lud er sie spontan ein sich doch zu ihm an den Tisch zu setzen. Freudigerweise nahm sie seine Einladung gleich an, als hätte sie nur darauf gewartet.

Da Sean eine gute britische Erziehung genossen hatte, erhob er sich, schob den Stuhl auf den sie sich setzen wollte ein wenig zurück. Während sie sich setzte, schob er den Stuhl etwas nach. Ganz wie es sich für einen Gentleman gehörte. Dann setzte er sich wieder auf seinen Platz.

"Danke, Mrs Twillan. Und Abwarten ist nicht meine Devise", erwiderte Sean in Richtung Shania. Der Alarm war immer noch ziemlich laut. "Aber ich bin gerade erst auf diesem Schiff und es gibt doch bestimmt so etwas wie einen Sicherheitsdienst hier an Bord."

--- Deck 2, Jeffriesröhre

Martengh hatte den Weg intensiv gescannt, den die beiden Verdächtigen genommen hatten, schließlich hätte es sein können, daß sie eine Bombe nur nahe genug an die Brücke bringen wollten.

Aber keine Bombe war zu finden.

War das alles wirklich lediglich ein Ablenkungsmanöver?

Sollte er mit allen Mitteln daran gehindert werden, sich um den Neuzugang auf der Brücke zu kümmern? Wie hieß er noch? Clint?

--- Deck 2, Gänge

Nachdem Martengh die Röhre verlassen hatte, beschloß er, sich die beiden Jeffriesröhrenkrabblerinnen einmal näher anzuschauen. Deshalb aktivierte er das nächste Terminal und sprach: "Computer, Sicherheitsalarm deaktivieren. Wo sind zur Zeit Jefferson und Connor?"

"*pfüdeldüt* Die beiden Personen befinden sich Deck 2 bei Turbolift 2. *pfüdeldüt*"

"Welches Ziel?"

"*pfüdeldüt* Ziel unbekannt. Turbolift wird nicht benutzt. *pfüdeldüt*"

'Was war in der Nähe des Turbolifts. Die Krankenstation.

Die Krankenstation?

Was wollen die auf der Krankenstation???' Martenghs paranoider Geist begann sich zu regen.

Entweder haben sie dort noch einen Komplizen, oder sie wollen sich krank schreiben lassen, um in nächster Zeit mehr Gelegenheit für solche Ausflüge zu haben. Oder versuchten sie nun, den Chefarzt zu eliminieren? Oder irgendwelche Kranken?

Oder war das alles nur eine weitere Ablenkung?

Dieses Risiko konnte er nicht eingehen, er mußte sich beeilen. "Computer, eine Person vor den Ausgang des Turboliftes 2 auf Deck 2 beamen. Notfallcode Martengh Beta. Energie!"

--- Deck 2, beim Turbolift 2

Erst jetzt, als sie schon eine Weile gegangen waren, kam Clint der seltsam formulierten Aufforderung nach, mehr Informationen preiszugeben. Hatte die Psychologin junger Mann gesagt? Er betrachtete sie nochmals genau. Viel älter als er, sah sie nun wirklich nicht aus.

"Mitten in meinem Vorstellungsgespräch auf der Brücke wurde ein Sicherheitsalarm ausgelöst. Zwei Eindringlinge sollten sich laut dem 1.Offizier in den Jeffriesröhren auf die Brücke zu bewegen. Ich schätze, ich bin diesen Eindringlingen wohl ...", er blickte bei diesem Satz kurz zu Nathalie Connor, "...begegnet.

Nun sind Sie an der Reihe: Wieso betraten Sie die Jeffriesröhren? Keine von Ihnen ist Technikerin."

Hatten die beiden etwa die gleichen Verdächtigungen wie er gehabt? Suchten sie in den Jeffriesröhren gezielt nach etwas?

"Was haben Sie dort ... gesucht?", fügte er mit einem verschwörerischen Unterton in der Stimme hinzu, während die Luft von einem Geräusch durchzogen wurde.

Als Martengh keine Sekunde zu früh rematerialisierte, konnte er konnte der gerade noch die letzte Frage des Menschen mit der ungesunden Hautfarbe mit verschwörerischer Stimme hören.

Fragend sah er die beiden Frauen an und sage: "Genau das würde mich auch interessieren..."

--- Mannschaftsmesse, Tisch 4, zu selben Zeit

"Ich war gerade dabei in meinem Quartier die Schiffspläne zu studieren", meinte der Schotte, "als plötzlich dieser Alarm los ging. Naja, ein wenig neugierig war ich schon. Deshalb dachte ich, hier in der Mannschaftsmesse könnte ich ein paar Informationen bekommen, was passiert ist. Aber leider war bis gerade niemand außer mir hier." Ein verlegenes Lächeln kam über sein Gesicht.

"Wissen Sie was hier passiert ist?", fragend sah er Shania an.

In diesem Moment verstummte der Alarm. Innerlich atmete Sean auf. 'Endlich Ruhe.'

Erleichtert registrierte auch die große Amerikanerin, daß der Alarm endlich verstummt war. Sicher hatte Martengh die Lage bereits im Griff, sich vergewissert, daß keine drohende Gefahr mehr für Schiff und Mannschaft bestand und verhörte schon die mutmaßlichen Attentäter. Zum Glück dauerte ein Alarm bei ihm nie lange.

"Ich muß Sie leider enttäuschen. Ich weiß auch nicht, was passiert ist. Immerhin bin ich erst vor kurzem wieder hier eingetroffen und konnte in dieser Zeit gerade mal kurz mein Quartier aufsuchen. Mich führte der selbe Gedankengang wie Sie in die Mannschaftsmesse. Mit wohl dem gleichen Ergebnis." Shania lächelte und fragte sich wo die anderen waren.

Sie hatte die neuen Mannschaftsdaten auf ein Padd überspielt um wegen der Quartierfrage auf dem Laufenden zu sein und hatte dabei bemerkt, daß bereits ziemlich viele Leute zur neuen Crew der Ivory gehörten.

"Wie haben Sie eigentlich vorm Captain verheimlicht vorhin echten Alkohol getrunken zu haben? So hätte er Sie doch unmöglich eingestellt. Verraten Sie mir Ihr kleines Geheimnis?" Ihre grünen Augen sahen ihn fragend an.

--- Maschinenraum

"Okay, dann lassen Sie uns mit der Arbeit beginnen. Ich habe mich wegen Arbeit noch nie gestritten", meinte Isweda zustimmend, während in seinem Kopf noch immer die wildesten Verschwörungstheorien kreisten. Das Wort Martengh kam darin auffallend oft vor. Er wurde das Gefühl nicht los, daß dieser große finster dreinblickende Caldonier mehr zu verbergen hatte, als er vorgab.

Mit seinem Job als Chef der Sicherheit und anscheinend auch 1. Offizier und Vertrauter des Captains würde es ihm ein leichtes sein, sogar die ganze Ivory verschwinden zu lassen ohne das man ihm auf die Schliche kam. Im Gegenteil würde man diesen armen Mann bedauern, der sein Schiff verlor.

Gerade bewegte sich Kuno mit dem Oberkörper in einen der Schächte um vorsichtshalber zu überprüfen, ob der Roboter sie auch sauber gemacht hatte, bevor er nach dem Putzen des Büros den Maschinenraum wieder verließ und sich vielleicht nicht mehr herverirrte, als sich jemand lautstark hinter seinem Rücken zu Wort meldete.

"Mister Isweda, Sie heißen doch so, stimmts, also der Captain hat mich gerade wissen lassen, daß er Sie zu sprechen wünscht, weil er Probleme mit der Vollständigkeit und somit auch Richtigkeit Ihrer Akte hat. Anscheinend klafft da eine Lücke von drei Monaten in denen jegliche Aktivität fehlt und da Martengh ein sehr vorsichtiger Mensch ist, wird er sicher wissen wollen, was sich in dieser Zeit zugetragen hat und ob Sie nicht vielleicht auf einem caldonischen Schiff unter seinem Bruder Brengh gedient haben, was seine Aufmerksamkeit in Zukunft sehr stark nach sich ziehen würde, aber was erzähle ich Ihnen da überhaupt, Sie wissen sicher selbst, wie wichtig es ist, daß sich ein Captain über die neuen Leute an Bord erkundigt und wie..."

"Ruhe!", schrie Isweda, der sich vor Schreck den Hinterkopf gestoßen hatte. "Das hier drin ist so dreckig, daß du hier noch die nächsten Tage verbringen wirst. Also schone deine Energie und bediene damit deinen Putzlappen. Aber dalli!"

Charlys rotblinkende Augen schienen größer als gewöhnlich zu sein, als er sich an die Arbeit machte. Zufrieden wollte gerade Kuno seinem Kollegen verkünden, daß er mal eben zum Captain auf die Brücke ging, als sich der kleine Roboter gefangen hatte.

"Also von Ihrer Warte aus mögen Sie ja recht haben, aber ich bin eine besondere Bauart, die so gekoppelt wurde, daß sie beim Reden sogar Energie erzeugen kann, ähnlich wie ein Windrad, nur muß bei einem Windrad Wind wehen und bei mir genügt es, wenn..."

"KWinh, ich bin beim Captain", rief Isweda und stürzte förmlich aus dem Maschinenraum. Was zur Folge hatte, daß sich Charly nun einer anderen Person widmete.

"Mister KWinh, was ich Sie schon immer fragen wollte, was bedeutet eigentlich dieses seltsame Zeichen auf Ihrer Stirn, nein, sagen Sie es mir bitte nicht, sicher ist es das geheime Zeichen einer Art Sekte und Sie sind dort Mitglied, wenn nicht gar der oberste Anführer. Weiß das der Captain überhaupt, nicht daß ich Sie schlecht machen möchte, aber der Captain ist über solche Organisationen nicht besonders begeistert, Fanatiker nennt er sie manchmal. Mister KWinh, hören Sie mir eigentlich zu...?"

"WAS?", brachte KWinh in einem genervten Ton heraus. Er hatte erst beim letzten Satz realisiert, daß er gemeint war.

"Das ist das Symbol meiner Kaste. In einer ähnlichen Form hat das jeder Grilmak. Durchforste doch mal die Datenbanken des Schiffes danach. Und wenn du damit fertig bist, fang an, den Maschinenraum zu reinigen, aber am anderen Ende."

Der Roboter war tatsächlich ruhig und verließ den Grilmak in Richtung seiner Gerätschaften. Sollte DAS ein Weg sein, Charly wenigstens zeitweise ruhig zu bekommen? Ihn nach Informationen suchen lassen? Vor lauter Verblüffung stieß KWinh sich beim Hinunterbücken zu der Verkleidung wieder den Kopf.

'Und dieser Isweda ist schon wieder weg. Der ist ja schlimmer, als ein Schwarm Kortall-Fliegen und die setzen sich im Laufe ihres dreiwöchigen Lebens nur einmal hin. Muß ich halt doch alles alleine machen. Dieser Merced scheint ja auch nicht aufzutauchen.'

KWinh kam bei seiner Arbeit gut voran, besser als erwartet. Die alten Leitungen waren stellenweise so abgenutzt, daß man sie fast mit bloßen Händen herausreißen konnte. Er fragte sich, wann auf diesem Schiff das letzte Mal ein Techniker angeheuert hatte. Kein Wunder, daß dieser Monserat gleich drei eingestellt hatte.

Da er ins Schwitzen kam, zog er seinen Umhang aus und legte ihn vorsichtig über den Tisch in seiner Nähe. Er wollte schließlich keines seiner Geräte, die er darin stets mit sich führte, beschädigen. Nachdem der Roboter mit seiner Arbeit Fortschritte erzielte, kam er KWinh immer näher, was diesen zu noch schnellerem Arbeiten anspornte, um den Abstand beizubehalten.

Fast war der Austausch des ersten Systems geschafft. Dann blieben noch drei übrig. KWinh hakte im Geiste diese Arbeit als die letzte für diesen Tag an. Er arbeitete schon lange ohne Unterbrechung und wollte nichts übereilen. Die Probleme in den Leitungen waren schließlich die einzigen, die er als kritisch eingestuft hatte und seine tägliche Meditation stand auch noch aus.

--- Deck 2, bei Turbolift 2

Am Liebsten wäre Nathalie nun im Boden versunken. So hatte sie sich ihr Treffen mit dem Sicherheitschef wahrlich nicht vorgestellt. Mit durchdringendem Blick starrte er sie und Ysara an und baute sich vor ihnen auf.

"Entschuldigen Sie, Sir, wenn ich das vielleicht erklären dürfte..." Nathalie zwängte sich an den anderen beiden vorbei. "Miss Jefferson und ich hatten uns das Schiff ansehen wollen und suchten zunächst ihr Büro auf. Auf der Krankenstation gab es aber einige... äh... minimale Probleme mit dem Schiffsarzt. Da wir ihm nicht erneut begegnen wollten, flüchteten wir auf dem einzig möglichen Weg - den Jeffriesröhren."

Martengh warf ihr einen skeptischen Blick zu. Es lag nicht in Nathalies Absichten, ihm Genaueres zu den "minimalen Problem" zu erläutern, außerdem hatte sie anderes im Sinn, das wesentlich wichtiger war, als diese Kleinigkeit.

"Nun, ich bin sicher, Dr. Rigero wird Ihnen gerne darüber Auskunft geben! Mr. Clint ist durch einen... äh...", sie suchte nach einer passenden Umschreibung, die dem Hybriden gleichzeitig auch ihr Bedauern darüber vermitteln sollte, "unglücklichen Zwischenfall verletzt worden. Wir waren gerade auf dem Weg zur Krankenstation.

Außerdem ist vorhin der Sicherheitsalarm ausgelöst worden und der Grund ist mir noch nicht bekannt! Das ist im Moment wichtiger. Schließlich bin ich nicht hier angeheuert worden, um hier dumm rumzustehen. Wir sollten auf die Brücke und die Angelegenheit klären!

Mr. Jefferson, seien Sie bitte so freundlich und bringen Sie Mr. Clint zur Krankenstation!" Nathalie konnte sich bei diesem Satz ein Grinsen nicht verkneifen, welches Ysara entsprechend quittierte.

Es war ein erfrischendes, belebendes Gefühl, etwas zu tun zu haben und Kommandos zu verteilen. Das war etwas, was sie auf der Academy vermißt hatte - und auch in den letzten Jahren während ihrer Reisen. Hätte Nathalie geahnt, daß dies ihr solchen Spaß bereiten würde, hätte sie sicher ihr Leben ein wenig anders gestaltet.

Diese Erkenntnis gab ihr neuen Antrieb und Nathalie hoffte, daß sie mit ihrer Rede Martenghs Ärger über diese Jeffriesröhrengeschichte, den sie gar nicht so recht verstand, zerstreute und er diese Angelegenheit bald vergessen würde.

Zielstrebig drehte Nathalie sich um, und wollte sich auf den Weg zur Brücke machen.

Einen Augenblick lang sah Ysara ihr nach, dann wanderte ihr Blick über Clint zu No'Orba. Der Sicherheitsoffizier wirkte finster und schien gerade zu überlegen, wie er Nathalie am würdevollsten zurückpfeifen konnte. Sie verkniff sich ein Grinsen. Diese Sicherheitsfrau wurde ihr immer sympathischer.

Entschieden wandte sie sich zu dem Mann mit der merkwürdigen Gesichtsfarbe zu. "Mr. Clint" Sie nickte ihm förmlich zu. "Dann bringe ich Sie am Besten gleich zur Krankenstation. Sir" Sie nickte auch Martengh zu. "Vielleicht sehen wir uns ja später in der Mannschaftsmesse."

Ysara grinste ein wenig und wies Clint den Weg den Gang hinab. "Es ist nicht weit." Sie warf einen Blick auf seinen Arm. "Das muß ja richtig weh tun." Sie selbst hatte sich niemals etwas gebrochen, und der einzige operative Eingriff ihres Lebens hatte ihr den Blinddarm eingebracht, der Dr. Rigoro so faszinierte.

Sie bogen um eine Ecke, und sie mußte sich zusammenreißen, um sich nicht noch einmal nach No'Orba umzusehen.

"Hier sind wir schon. Sie müssen verzeihen, daß ich Sie jetzt schon verlassen."

In diesem Augenblick öffnete sich bereits die Tür. Der Arzt erspähte sie, und seine Augen, die unvermittelt zu ihrem Büro wanderten, wurden groß. Sie winkte ihm kurz und räusperte sich. "Bis dann, Mr. Clint. Äh, gute Besserung."

Hastig ergriff sie die Flucht. Clint sah ihr nach, doch sein Gesicht verriet keine Verwunderung.

Einen Augenblick überlegte sie und beschloß dann, die Mannschaftsmesse aufzusuchen. Erst jetzt fiel ihr der Block wieder ein, den sie in ihrem Büro gefunden hatte. Sie griff in ihre Tasche. Tausend Flüche kamen ihr in den Sinn. Sie hatte ihn verloren.

Clint sah der Bordpsychologin nach, nun hatte auch sie sich mehr oder weniger davongemacht, dabei hatte er kaum Gelegenheit mit ihr zu sprechen gehabt, als sich die Ereignisse überstürzten, weil der Sicherheitschef ihnen aufgelauert hatte. Es war wohl auch klüger zu schweigen, denn dadurch entging er Martenghs Aufmerksamkeit, oder besser gesagt dessen direktem Interesse.

Er wandte sich dem Bordarzt zu, der immer noch verdutzt in den Gang schaute in dem Ysara verschwunden war. Dieser Mann sollte der Grund für das merkwürdige Verhalten der beiden Frauen sein? Verstört sagte dieser: "Wie? Sie waren doch eben noch ... ich hatte die Tür doch die ganze Zeit im Auge!"

Dann bemerkte er Clints Arm und sofort wandte er sich ihm zu. "Ohhh, keine Sorge, das kriegen wir hin, ist nicht weiter schlimm!", sagte er die Worte, die fast alle Ärzte sagen. "Kommen Sie erst mal in die Krankenstation Mr...."

--- Gänge Deck 2, auf dem Weg zum Turbolift

Isweda hörte das Zischen der sich hinter ihm schließenden Brückentür nicht, er war zu sehr in Gedanken über das eben beendete Gespräch mit dem Captain.

'Was sollte das alles?', fragte er sich 'Wieso diese intensiven Nachforschungen über die nicht nachweisbaren drei Monate? Wieso ausgerechnet über DIESE drei Monate?'

Kuno hatte erwartet über die äußerst schwammigen Zeitangaben während seiner Zeit bei den 'Beschaffern' ausgefragt zu werden, nicht aber über die Zeit, in der er versuchte einen alten Freund zu finden, der letzten Angaben zufolge auf einem Frachter Namens Annodussa eingecheckt hatte.

Kuno hatte damals ein Shuttle gemietet und so fast sein ganzes Erspartes für die Suche nach diesem Frachter ausgegeben. Leider ohne jeden Erfolg, immer wenn Isweda an einem Handelspunkt eintraf, war die Annodussa schon wieder weg. Er hatte nie erfahren, was aus seinem Freund geworden war. Angeblich waren fast alle Crewmann während der letzten Reise verstorben und Isweda rechnete nicht damit jemals einen Überlebenden der letzten Besatzung zu treffen.

Isweda erreichte den Turbolift.

--- Turbolift

"Deck 1, Maschinenraum" Sein Kopf war noch leicht nach unten gebeugt, was für einen Außenstehenden den Eindruck von Niedergeschlagenheit erzeugen konnte.

"Aber gerne doch, allerdings empfehle ich Deck 2, Holodeck 1." Isweda riß den Kopf nach oben und brauchte einen Augenblick um zu erkennen, daß ihn der Computer mit einer Stimme voller Mitgefühl angesprochen hatte.

Sollte Kuno sich auf eine Diskussion einlassen? Nein, Isweda hatte noch genug von Charly Alpha 1, fragte sich aber doch, warum die Maschinen und Computer hier an Bord ein gewisses Eigenleben entwickelt hatten.

"Deck 1, Maschinenraum!", wiederholte Isweda deshalb nur und diesmal schlossen sich die Türen und der Turbolift setzte sich in Bewegung.

--- Mannschaftsmesse, Tisch 4

"Wie ich Ihnen ja bereits in der Bar gesagt habe, bin ich Wissenschafter", antwortete Sean und lächelte ein wenig. "Mein Fachgebiet ist die Chemie. Zusätzlich kenne ich mich auch noch recht gut mit den Pflanzen der Erde aus."

Nach einem Schluck aus seiner Tasse setzte er seine Ausführungen fort: "Es gibt eine Pflanze in Schottland, die mit ein paar Chemikalien gemischt, ein Konzentrat ergibt, daß die Auswirkungen des Alkohols neutralisiert. Hilft übrigens auch für die Folgen am Morgen danach."

Bei der letzten Bemerkung konnte Sean ein Grinsen nicht verbergen. Eigentlich wollte Sean immer noch gerne wissen was passiert war. Aber das könnte er auch noch später feststellen. Erstmal wollte er jetzt mehr über Shania erfahren.

"Da wir ja jetzt zur selber Crew gehören, welche Aufgaben haben Sie auf dem Schiff?"

"Meine Aufgabe ist wohl kaum so spannend und weitgefächert wie die Wissenschaft. Ich verteile meist die Quartiere und kümmere mich um die Belange der Mannschaft. Der Captain möchte nicht gerne mit jeder Kleinigkeit belästigt werden. Mädchen für alles trifft es wohl am Besten." Shania redete nicht gern darüber, daß sie für den Captain wie eine Tochter war. Das machte neue Leute immer scheu.

Außerdem behagte ihr nicht recht immer nach ihrem Job befragt zu werden. Seine Beschreibung klang lächerlich und überhaupt nicht nach Arbeit, auch wenn Monserat sie manchmal ziemlich herumscheuchte, damit sie ihn fast hermetisch gegen die Crew abschirmte.

Sie sah den blonden Mann musternd an und goß sich dann eine Tasse ihres Tees ein. Er roch sehr aromatisch nach Früchten und Sommer.

"Aber wenn Sie so ein tolles Mittel gegen eine Alkoholfahne und den Kater danach herausgefunden haben, wie kommt es dann, daß Sie hier gelandet sind? Viele würde ein Vermögen für die Formel geben..." Nachdenklich trank die große Amerikanerin von ihrer Tasse Tee, die sie sich eben eingeschenkt hatte. Er wärmte sie und brachte ihren Geist wieder auf Touren.

"Das ist eine gute Frage. Aber die Antwort ist auch ganz einfach."

Sollte Sean die Wahrheit sagen, oder doch besser eine wenig erfinden. Er war sich nicht sicher. Der fragende Blick von Shania schien an ihm zu haften.

"Wo fange ich am besten an?" Ein nachdenklicher Ausdruck kennzeichnete Seans Gesicht. "Bestimmt wäre das eine Goldgrube. Aber die Herstellung ist nicht so ganz einfach. Mir ist es noch nicht gelungen, die natürlichen Bestandteile der Pflanze synthetisch herzustellen. Also geht es nur mit der Pflanze.

So weit so gut. Jetzt gibt es nur ein Problem. Die Pflanze ist recht selten. Wenn ich die Formel zu Geld machen würde, wäre sie bestimmt bald ausgestorben, denn sie wächst auch nicht überall. Solange es mir nicht gelingt, diesen Bestandteil künstlich herzustellen, wird es keine Veröffentlichung oder Vermarktung der Formel geben. Ich bin schließlich kein Ferengi, dem es nur um das Geld geht.

Letztendlich hat jeder der tief ins Glas schaut die Folgen am nächsten Tag auch verdient."

Ein leichtes Schmunzeln legte sich auf sein Gesicht.

Da Sean nicht weiter über das Thema sprechen wollte, fragte er Shania: "Ihr Tee hat einen sehr angenehmen Duft. Um was für eine Sorte handelt es sich?"

--- Maschinenraum

Isweda bot sich ein Anblick, den er so nicht erwartet hätte. Der Raum war sauber, erstaunlich sauber! Sollte es stimmen, was Charly gesagt hatte, nämlich, daß er durch Reden Energie erzeugte, die er für seine Reinigungstätigkeit benötigte, dann tat Isweda KWinh sehr leid, der Grilmak mußte förmlich in dem Redeschwall von dieser Putzmaschine ertrunken sein.

KWinh kam gerade mit einem replizierten Teil einer Leitung vom Replikator zurück, als er Isweda erblickte. Gleichzeitig bemerkte er, daß der Roboter mit ihm sprach.

"... und daß das ausgerechnet im Alter von 3 Jahren geschah..."

Charly hatte wahrhaftig den ganzen Maschinenraum gereinigt. Jetzt konnte man ihn als Solchen bezeichnen und nicht mehr als Müllhalde. Allerdings fragte KWinh sich, wie lange der Roboter schon mit ihm gesprochen hatte. Er hatte es einfach nicht gehört. Wahrscheinlich lag es an der Konzentration auf die Arbeit, die sehr gute Fortschritte machte. Im Geiste verkürzte der Grilmak den Zeitplan wieder ein wenig.

"Danke, Charly, daß hast du sehr gut gemacht. Wende dich bitte an Mister Isweda, er wird dir sagen, wo du weitermachen kannst. Ich werde deine Dienste weiterempfehlen."

Als KWinh sich von dem Roboter abwandte, bekam er im Gehen gerade noch die Wortfetzen "...guter Freund... dankbar... öfter reden..." mit, machte sich aber keine weiteren Gedanken darüber, da sich der Roboter in Kunos Richtung bewegte. Der Grilmak machte sich daran, das erste Teil des primären Leitungssystems einzubauen. Er hatte damit ungefähr die Hälfte der Arbeit geschafft.

"Oh Mr. Isweda, schon zurück? Haben Sie alles klären können? Ich konnte hier inzwischen auch so einiges klären, sehen Sie nur..." Charly hielt Kuno eine Abdeckung für eine Terminalverkleidung vor die Nase, die wirklich so sauber war, daß Isweda sein verblüfftes Gesicht darin spiegeln sah.

Ohne Kuno auch nur die Möglichkeit geben zu können, etwas zu entgegnen, fuhr der Roboter fort "... und Mr. KWinh und ich sind inzwischen wirklich gute Freunde geworden, er hat eine wirkliche Begabung sich meine Sorgen und Probleme anzuhören, ich konnte ihm alles erzählen, auch das leidige Problem, daß mir nie jemand zuhört, oder die Sache mit den Bolzen, die ich in meiner Sammlung habe, alles seltene Einzelstücke! Ich habe welche von Gertaris 4, die sind wirklich selten, oder die aus der Serie dreiundzwanzig von Planitia Utopia aus dem Jahre 2355, welche fast ausschließlich nach Bajor geliefert wurden, gerüchteweise sollen sie öfter mal ohne Vorwarnung brechen, wußten sie eigentlich, daß sie noch bis in das Jahr 2360 gebaut und eingebaut wurden? Gut erhaltene sind äußerst selten, ich habe immer einen dabei, denn immerhin bin ich stolzer Besitzer von fast dreihundert dieser Bolzen!"

Isweda wurde aschfahl im Gesicht, als ihm Charly den Bolzen zeigte, dieser Bolzen war eindeutig aus einer Schiffshülle demontiert worden, und zwar von innen, ohne die Sicherheitsbestimmungen für das Wechseln von selbstdichtenden Schaftbolzen einzuhalten! Wo immer dieser Bolzen entfernt worden ist, klaffte jetzt eine bedenkliche Lücke in der Stabilität der Schiffstruktur. Isweda hoffte, daß Charly diesen Bolzen von irgendeinem Schiffsfriedhof erhalten hatte, aber wie sollte dieser Roboter nur dahin gelangt sein?

"Ähm, wo hast du das seltene Stück denn her?" Isweda heuchelte Interesse an der Sammelleidenschaft von Charly um der Sache auf den Grund zu gehen.

"Oh, natürlich von hier, ich habe doch nur äußerst selten die Möglichkeit das Schiff zu verlassen, aber wenn ich darf, dann nehme ich immer einige mit zum Tauschen, ich bekomme dafür dann andere, meistens sogar Fabriksneue!" Stolz schwang in der blechernen Stimme von Charly mit.

"Von wo genau denn Charly? Aus der Abfallentsorgung, oder aus der Materialrückgewinnung?" Isweda hoffte immer noch, daß dieser wahnsinnige Putzroboter sie nicht aus dem strukturellem Raumrahmen des Frachters gerissen hatte.

Eines der 'Augen' von Charly deutete ein Zwinkern an. "Aber natürlich nicht, dann wären sie ja wertlos, sagt mein Tauschpartner, nur verbaute Bolzen will er gegen Neue tauschen und manchmal bekomme ich sogar fast neuwertige Sensoren für meine Arbeitsgeräte dafür. Wissen Sie, Mr. Isweda...", wieder ein angedeutetes Zwinkern von Charly, "... der Captain ist sehr sparsam, wenn es darum geht neue Dinge anzuschaffen!"

"Und wie lange sammelst du sie nun schon und wer ist dein Tauschpartner?" Isweda wollte nun alles hören.

"Also mein Tauschpartner ist ein wirklich sehr netter Caldonier, viel netter wie Martengh, er hört mir immer zu und gibt mir auch manchmal so einen Bolzen, wenn ich mal wieder nichts von Bord beamen konnte, wissen Sie, Mr. Isweda, man kann nur selten etwas gleichzeitig von Bord beamen und an Bord beamen, denn die Tauschaktion soll immer während eines anderen Beamvorgangs stattfinden, sagt dieser nette Mann, damit die anderen Sammler nicht herausfinden können, wo er die tollen Bolzen herbekommt und wenn der Transporter ausgelastet ist, dann kann ich manchmal eben nur etwas heraus- oder hereinbeamen, nicht aber beides! Damit ich aber keinen Ärger mit dem Captain bekomme, hat mir der Mann einen Trick verraten, wie ich etwas während eines Beamvorganges mitschicken kann, ohne daß es weiter auffällt."

"Wie lange Charly, wie lange machst du das schon!" Isweda verließ in Gedanken schon fluchtartig das halbzerfallene Schiff.

"Noch nicht allzu lange, aber warum wollen Sie das denn so genau wissen? Sammeln Sie auch Bolzen? Das wäre roll, dann hätte ich ja jetzt einen Tauschpartner hier an Bord und bräuchte nicht mehr mit diesem Man auf so schwierige Weise tauschen, die letzten 6 Wochen waren zwar für meine Sammlung sehr einträglich, sie müssen wissen, solange kenne ich den Mann schon und konnte über 50 Bolzen mit ihm tauschen, aber wenn Sie auch Sammeln, dann könnte ich viel einfacher meine Sammlung vervollständigen, denn Sie haben bestimmt...."

Isweda hörte nicht weiter zu, seine Gedanken schweiften ab, verloren sich in den wildesten Theorien über die Zusammenhänge der entdeckten Unterbrecher, einem arglistig getäuschtem Roboter, der das Schiff sabotierte, ohne daß es ihm bewußt wurde und der Frage, wer hinter all dem steckte.

Isweda erreichte einen Terminal, öffnete eine grafische Darstellung des Raumrahmens und ließ sich die fehlenden Bolzen anzeigen, wieder und wieder starrte Kuno auf die Grafik. Es war unglaublich, daß das Schiff den letzten Warpsprung überhaupt geschafft hatte!

Dann öffnete Kuno einen Kanal und antwortete auf das brummige "Was ist?" von Martengh mit immer noch gedankenverlorener Stimme: "Ich weiß nicht, wann Sie geplant hatten das Dock zu verlassen, aber das wird sich frühestens in 24 Stunden machen lassen, es sei denn, Sie wollen die Ivory in einem Warpblitz zerbröseln lassen! Charly hat über 350 Bolzen aus dem Raumrahmen entfernt, ich frage mich wirklich ob die Idee hier anzuheuern so gut war. Erst die Sabotage der Antriebe, nun auch noch der Struktur des Schiffes und keiner hat etwas gemerkt!"

Ohne auf eine Antwort zu warten schaltete Isweda ab, fragte sich ob der Sicherheitschef das Gespräch abgefangen hatte, denn Kuno hatte einen Kanal zur Brücke geöffnet und Monserat verlangt.

KWinh, der gerade mit einem Teil zurückkam, daß er ausgebaut hatte, hörte die Meldung Iswedas an den Captain und sah gerade noch, wie der Roboter eilig aus dem Maschinenraum verschwand. Die Tür schloß sich hinter ihm. Der Grilmak sprach zu dem Terraner, der immer noch gedankenverloren von dem Terminal zu ihm aufsah.

"Nun, Mister Isweda, wenn das stimmt, was Sie sagen, nehme ich an, der Roboter ist auf dem Weg zu den ausgebauten Bolzen, um Spuren zu vernichten. Ich denke, es wäre an der Zeit, daß Sie hektisch aufspringen und ihn verfolgen, während ich ein Schema ausarbeite, wie wir den Schaden am Schnellsten beheben könnten."

Zwar blickte Kuno immer noch verständnislos aus der Wäsche, tat aber dann genau das, was KWinh ihm vorgeschlagen hatte und lief Charly hinterher. KWinh setzte sich an das Terminal und schaute sich die Analyse an, die immer noch auf dem Bildschirm zu sehen war. Ingesamt fehlten 355 Bolzen. Alle von der selben Bauart und alle gut zu erreichen, schließlich war Charly ein Putzroboter und kein Wartungsroboter.

Die Erstellung des Wartungsschemas dauerte dementsprechend nicht lange. Anders sah es bei der Replizierung der Bolzen aus. Selbst wenn er sofort damit anfing, würde es einige Zeit dauern und er könnte die Teile für die Deuteriumleitungen nicht weiter replizieren. Deshalb beschloß der Grilmak, mit den fehlenden Teilen für die Leitungen anzufangen, um wenigstens das Backup-System fertigzustellen. Er beeilte sich, zu dem Replikator zu gelangen.

--- Deck 2, vor Turbolift 2

Martengh hatte nicht im Traum daran gedacht, seiner neuen Mitarbeiterin zu folgen. Schließlich hatte er gerade ganz alleine die Sache mit dem Sicherheitsalarm aufgeklärt.

Aber er stand immer loyal zu seinen Leuten, zumindest zu denen, die in seiner Abteilung arbeiteten - schließlich brauchte man Leute, auf die man sich verlassen konnte.

Deshalb wartete er, bis die beiden Sicherheitsleute allein waren, ehe er antwortete: "Wie Sie hören, ist der Alarm bereits beendet, und es hat keine größeren Schäden am Schiff gegeben. Den Gang zur Brücke können wir uns also sparen.

Aber ich würde gerne Ihre Meinung zu einem absolut hypothetischen Fall hören: Wie würden Sie reagieren, wenn Sie rein zufällig bemerkten, daß sich einer Ihrer neuen Kollegen, von dem Sie rein gar nichts wissen, nach ein paar Stunden Schiffsaufenthalt zusammen mit...hm, sagen wir mal, dem Bordfriseur, in den Jeffriesröhren herumtreibt.

Eine Analyse der Bewegungsrichtung deutet genau auf die Brücke des Schiffes, in der sich zur Zeit der Captain, für dessen Leben und Sicherheit Sie persönlich verantwortlich sind, zusammen mit einem sehr verdächtigen Individuum aufhält.

Plötzlich kehren die beiden Leute in den Röhren ihre Marschrichtung um, nachdem sie einen möglicherweise kodierten Funkspruch erhalten haben, der von einem weiteren Verdächtigen abgegeben wurde.

In dem Moment, wo Sie die beiden stellen, befindet sich eine dritte Person bei ihnen, die zudem verletzt ist.

Nun möchte ich gerne von Ihnen eine sicherheitlich fundierte Analyse dieser Situation."

Fragend blickte Martengh die Frau an, und noch ehe diese reagieren konnte, meldete sich der Communicator des Riesen. Isweda eröffnete ihm in der folgenden Meldung, daß Charly begann, die Hülle des Schiffes zu demontieren.

Resignierend setzte er hinzu: "Merken Sie, wogegen ich zu kämpfen habe?"

"Ja, ich seh's...", murmelte Nathalie widerstrebend. Nachdenklich senkte sie für einen kurzen Moment den Kopf und als sie wieder aufschaute, lag ein skeptischer Ausdruck in ihren Augen. "Wir waren der Auslöser für den Alarm?"

Der Caldonier quittierte ihre Frage lediglich mit einem vernichtenden Blick.

"Aber ich habe Ihnen die Sachlage doch erklärt! Meine Aufgabe ist es, den Captain zu schützen und nicht das Gegenteil davon. Sollten Sie mir nicht glauben, dann unterziehen Sie mich doch einem Verhör, am besten unter Verwendung cardassianischer Methoden. Oder Sie lesen einfach meine Akte - was Sie ohnehin schon sicher getan haben." Ein solch mißtrauischer Kerl wie dieser, mußte es ja längst schon getan haben, besonders, da Nathalie in seiner Abteilung arbeitete.

"Aber bevor Sie mich zum Verhör schleppen...", begann Nathalie erneut, ohne den leicht genervten Blick Martenghs zu beachten - plapperte sie heute wirklich so viel?

"Da Sie anscheinend nicht sonderlich überrascht sind, nehme ich an, Sie sind bereits über die Sabotagegeräte informiert. Es wäre nett, wenn Sie mich ebenfalls über einige Dinge aufklären, falls Sie weitere Informationen haben!"

--- Mannschaftsmesse

So war das also; während auf der Ivory der Alarm tobte, unterhielt sich die restlichen Mannschaft über Tee. Ysara hatte den letzten Satz des unbekannten Mannes gerade noch gehört, als sie die Mannschaftsmesse betrat.

Suchend sah sie sich um. Wie bereits bei ihrem letzten Besuch herrschte herzlich wenig Betrieb. Nur Miss Twillan und jener Terraner saßen an einem der Tische und unterhielten sich angeregt. Diese Shania schien ja richtig kontaktfreudig zu sein.

Einen Augenblick lang zögerte sie, wie schon bei ihrem ersten Besuch hier. Eigentlich wünschte sie sich ein wenig Ruhe nach der allgemeinen Aufregung, andererseits ärgerte sie sich über den Verlust dieses Blocks und wollte sich abreagieren. Scheinbar hatte ihr erster Eindruck von Martengh sie nicht getäuscht, wenn der frühere Counselor bereits Aufzeichnungen über ihn gemacht hatte. Aufzeichnungen, die sie zu gerne gelesen hätte.

Und sie hoffte, sie in den Jeffriesröhren oder noch im Büro verloren zu haben. Das Letzte, was sie brauchen konnte, war wohl ein No'Orba, der psychotisch durch die Gänge rannte, nachdem er die Notizen gelesen hatte und sich bedroht fühlte. Wenigstens stammten die Texte nicht von ihr selbst. Das würde eher zu Komplikationen führen, sollten sie gefunden werden.

Resigniert verwarf sie das Thema und näherte sich dem Tisch der beiden.

--- Tisch 4

"Es macht Ihnen doch nichts, wenn ich mich zu Ihnen setze?" Ihr Lächeln wirkte für den guten Beobachter wohl ein wenig gezwungen. Sie hätte in ihr Quartier gehen sollen. Der Aufenthalt auf der Ivory entpuppte sich als recht anstrengend.

"Ich glaube, wir kennen uns noch nicht", wandte sie sich an den Terraner. Er mochte in ihrem Alter sein, hatte blondes Haar und überraschend blaue Augen. Sie räusperte sich und wandte den Blick ab, als er sie ansah. Das fehlte noch, daß sie sich von einem Mann beeindrucken ließ, nur weil er schöne Augen hatte.

"Mein Name ist Ysara Jefferson. Ich bin der neue Counselor."

Die Gedanken von Sean waren hin und her gerissen. Eigentlich wäre er ja gern ein wenig allein mit Shania. Aber was konnte man in der Mannschaftsmesse schon erwarten. Bestimmt keine Atmosphäre für ein ruhiges Gespräch zu zweit.

Andererseits freute er sich auch, endlich weitere Mitglieder der Mannschaft kennen zu lernen. Die Frau namens Ysara Jefferson kam ihm aber etwas komisch vor. Sie stellte sich ihm vor und schaute ihn nicht einmal dabei an. Das empfand er als ein wenig unhöflich.

Auch das Lächeln vorher wirkte recht künstlich. Lag das an ihrer Person, oder war der Job als Counsellor auf diesem Schiff so stressig?

Wie es sich für eine ordentliche Begrüßung gehörte, stand Sean auf und wandte sich Ysara zu.

"Ich bin Sean Wallace und werde als Wissenschaftler auf diesem Schiff arbeiten. Aber ich bitte darum, nehmen Sie doch Platz." Dabei deutete er mit seiner Hand auf einen noch freien Stuhl am Tisch.

"Sie sind Counselor? Ich wußte gar nicht, daß auf einem Handelsschiff ein Berater, Entschuldigung, eine Beraterin gebraucht wird. Wobei beraten Sie denn?"

--- Krankenstation

"Ahm-tor Clint, ich bin ein neuer Wissenschaftsoffizier an Bord der Ivory", antwortete Clint und schaute sich in der relativ geräumigen Krankenstation um. Sie war in einem besseren Zustand, als der größte Teil vom Rest des Schiffes. Offenbar sorgte der Arzt für ein einwandfreies Arbeitsumfeld.

"Sehr erfreut, mein Name ist Dr. Doran Rigero, und falls Sie noch nicht selbst draufgekommen sind, ich bin der Chefarzt an Bord", scherzte er und fuchtelte mit einem blinkenden medizinischen Instrument, das den Knochen in die richtige Lage brachte, an Clints Arm herum, und mit einem zweiten, aus dem ein violetter Strahl kam, sorgte er für sein Verwachsen. "Sagen Sie, wie ist das eigentlich passiert? Haben Sie Martengh auf die Schulter geklopft um ihn auf sich aufmerksam zu machen?" Er lächelte seinen hageren Patienten an.

"Nein, es war ...", Clint überlegte kurz,"... ein Unfall."

"Soso", meinte der Doktor und hakte nicht weiter nach. Mit einem dritten Gerät leitete er die Regeneration des verwundeten Gewebes um den Knochenbruch ein. Stirnrunzelnd las er die Daten von diesem Gerät ab und sagte:

"Solche Werte habe ich ja noch nie gesehen! Sagen Sie mal, aus welcher Ecke der Galaxis kommen Sie den her? Halt sagen Sie es nicht!" Er holte aus einer naheliegenden Schublade einen vollausgestatteten medizinischen Scanner und fuhr Clint damit von oben bis unten ab.

"Hmm, Sie sind ein Hybrid, das sehe ich sofort. Zum einen müßten Sie ein Terraner sein, stimmts?", er versuchte an Clints Mimik etwas abzulesen, gab es aber auf und fuhr fort. "Ihr Nährstofftransportsystem ist ja fantastisch! Einen Blutkreislauf haben Sie ja, aber was ist das?" Er blickte seinen Patienten mit der Begeisterung eines Wissenschaftlers an. "Davon habe ich mal gelesen, in einer Abhandlung über, über ..." Der Arzt machte ein nachdenkliches Gesicht und schaute zur Decke, als erwarte er von dort die Antwort.

"Möglicherweise über Breen?", fragte Clint schließlich mit scheinbar gleichgültiger Stimme.

Dr. Rigero bekam große Augen: "Sie wollen mir doch nicht erzählen, daß Sie ... Nein! Welch ein Glück für mich! Über die Breen ist medizinisch so wenig bekannt ... das ist doch einfach ... kommen Sie unter den Ganzkörperscanner, ich muß unbedingt eine detaillierte Analyse Ihrer Anatomie vornehmen", rief er begeistert und zerrte sein neues Forschungsobjekt in Richtung des Scanners.

Sein Forschungsobjekt jedoch befreite sich entschlossen aus dem Griff und sprach: "Wenn das alles wäre Dr. Rigero. Ich hatte bisher nicht die Gelegenheit meinen Pflichten an Bord nachzugehen, ich danke Ihnen für die Behandlung. Wenn Sie mich entschuldigen würden?"

Mit einem verdutzten "Aber" legte der Doktor nochmal Einspruch ein, aber da war Clint schon aus der Krankenstation.

--- Deck 2, Gänge

So langsam wurde Clint das Verhalten der beiden Damen verständlicher. Er machte sich auf den Weg zu seinem Quartier, unterwegs wollte er jedoch auch in der Mannschaftsmesse vorbeischauen.

--- Mannschaftsmesse, Tisch 4

Einen Augenblick lang sah Ysara den Mann erstaunt ein. Zum einen, weil er aufstand, als sie kam - wollte er gehen? Sie beschloß, daß das irgendeine höfliche Sitte sein mußte, wie es sie einst auch auf Terra gegeben hatte. Zum anderen, weil er offensichtlich nicht um das umfassende Aufgabengebiet eines Counselors wußte. Irgendwie war das ja süß.

Als erstes nahm sie Platz. Dabei warf sie ihm - und auch Shania - ihr bestes Lächeln vor. Als Psychologe lief man einfach nicht mißmutig herum. "Nun, ich bezweifle, daß ich hier irgend jemanden beraten werde, obwohl ich dazu gerne bereit wäre. Ich bin hauptsächlich als Psychologin hier, obwohl ich auch als Psychiater arbeiten und Ihnen Medikamente verschreiben könnte."

Sie wartete ab, bis Wallace sich gesetzt hatte. Diese Augen waren wirklich fantastisch. Sie beschloß, den Anblick zu genießen, ohne sich gedanklich in eine sexuelle Richtung gezwungen zu sehen.

"Also sind Sie auch neu hier?", sprach sie so höflich weiter, wie es ihr möglich war. Tatsächlich verflog ihre schlechte Stimmung abrupt. "Ich wollte auch zuerst in die Naturwissenschaft, habe es mir dann aber anders überlegt."

Sie dachte einen Augenblick nach und wandte sich dann an Shania. "Befindet sich auf dem Schiff außer Ihnen und Mr. No'Orba überhaupt jemand, der schon gestern hier gearbeitet hat? Ich scheine Sie ja im richtigen Augenblick angesprochen zu haben."

Innerlich grinste Shania in sich hinein. Es war eine seltsame Eigenart gerade für einen Psychologen Fragen aufzuwerfen und niemand Zeit zu einer Antwort zu geben. Normalerweise lebten sie in ihrem Job vom Fragen- und Antwortenspiel. Anscheinend brauchte diese Ysara selbst einen Psychologen, der ihr Verhalten analysierte...

"Wir liegen erst vor gestern hier in SB185 angedockt und erst seit heute suchen wir nach einer neuen Mannschaft. Der Captain hat die Eigenart seine Mannschaft nach jeder großen Reise auszutauschen - jedenfalls bis auf No'Orba, Charly und mich - was für einige Leute wohl immer noch nach dem Spleen eines leicht Verrückten aussieht, ist aber ein sehr lukratives Geschäft für ihn." Als Shania merkte, daß die Blicke der beiden anderen teils verwundert, teils neugierig auf ihr lagen, erläuterte sie dieses 'Geschäft' näher.

"Nun auf der Reise merkt Captain Monserat, bei der kleinen Mannschaft seines Frachters sehr leicht, wer gut ist und wer nicht. Und er kennt Schiffe, die für gute Leute ein kleines Vermögen zahlen..." Während die große Amerikanerin wieder ein paar Schlucke Tee zu sich nahm, fiel ihr ein, daß sie den Begleiter der dunklen Schönheit schon lange nicht mehr gesehen hatte.

"Wo haben Sie denn KWinh gelassen? Arbeitet er schon oder hat er es gar nicht geschafft eingestellt zu werden? Bei seinem... ähm... Äußeren wäre das auch kein besonderes Wunder", fügte sie nach einem Moment des Nachdenkens hinzu. Noch immer hatte sie seinen sonderbaren und unheimlichen Auftritt in der Bar nicht vergessen.

Ysara warf ihr einen erstaunten Blick zu. Die Frau hatte auf sie zuerst keinen intoleranten Eindruck gemacht, und für gewöhnlich besaß sie ein recht gutes Gespür für so etwas. Vielleicht hatte sie die Worte auch einfach falsch verstanden.

"Doch, Mr. KWinh hat einen Posten erhalten. Als ich ihn das letzte Mal sah, war er auf dem Weg in den Maschinenraum. Er schien es außerordentlich eilig zu haben, mit der Arbeit anzufangen."

Ein Verhalten, das sie zutiefst amüsierte. Sie selbst hatte es nie eilig, mit irgend etwas anzufangen.

"Tatsächlich hatte auch ich vor, mir meinen zukünftigen Arbeitsplatz näher anzusehen, aber ..." Sie zögerte. "leider hielt mich der Bordarzt davon ab. Ein sehr ... äh, engagierter Mann", fügte sie trocken hinzu. "Ich schätze, Sie kennen ihn bereits?"

Ihr fragender Blick schloß auch den Wissenschaftler mit ein. Es beunruhigte sie, aber sie wollte ihn gerne in das Gespräch, wenngleich so banal, integriert wissen.

--- Deck 1, Gänge

"Charly, wo willst du denn hin?" Isweda hatte Charly Alpha 1 einige Meter vom Eingang des Maschinenraumes noch erreicht.

"Ähm, der Maschinenraum ist doch sauber und ich habe den Auftrag noch den Frachtraum 2 zu reinigen, wissen Sie, Mr. Isweda, ich habe unser Gespräch zwar sehr genossen, aber ich habe noch andere Pflichten!" Mit diesen Worten setzte der Roboter seinen Weg fort.

'Sollte KWinh doch recht haben mit seiner Vermutung?', sinnierte Kuno, während auch er sich wieder in Bewegung setzte, um dem Roboter weiter zu folgen. 'So kurz angebunden habe ich ihn noch nicht erlebt!'

--- Turbolift

Charly erreichte den Turbolift und Kuno sprang mit einem Satz noch hinein, bevor sich die Türen schlossen. Kuno wartete auf irgendeine Äußerung von Charly, der aber ließ nur ein "Deck 5, Lagerraum 2!" aus seinem 'Mund' kommen.

"Charly, sind deine Batterien schon voll, oder warum bist du so schweigsam?" Das Kuno freiwillig das Gespräch mit einem normalerweise geschwätzigem Roboter suchte, hätte er sich auch nicht träumen lassen.

Der nun einsetzende Redeschwall von Charly ließ Isweda seine Aufforderung zum Gespräch schnell wieder bereuen.

"Aber ich muß wirklich nur noch den Lagerraum reinigen, aber wenn Sie wollen, dann können Sie mich begleiten, Mr. Isweda, allerdings dürfen Sie nur bis an die Tür von Lagerraum 2 mitkommen, denn...." Charly hielt für den Bruchteil einer Sekunde inne, gerade so, als ob er die Situation neu bewerten müßte "...denn dort ist gefährliches Material gelagert und Sie könnten zu Schaden kommen, Mr. Isweda und ich möchte nicht, daß Ihnen etwas passiert, denn immerhin sind Sie einer der wenigen, die sich gerne mit mir unterhalten, Mr. KWinh natürlich auch noch..."

--- Deck 5, Gänge

Der Lift stoppte. Charly rollte hinaus, drehte sich um und setzte ohne Unterbrechung mit seiner Wortattacke fort. "... denn er war so freundlich, und das sagte ich bereits, denke ich jedenfalls, daß er mir während der ganzen Zeit im Maschinenraum sehr gespannt zugehört hatte, fast so wie Sie, nur daß Sie sich nicht nur auf das Zuhören beschränken, sondern ein wirkliches Gespräch, ich darf sagen, sogar ein Fachgespräch unter Sammlerkollegen mit mir führten, was mich äußerst glücklich macht..."

Isweda schwirrte der Kopf! Konnte es wirklich so sein, das Sätze, die ohne die Unterbrechung eines Atemzuges, oder einem betonendem Rhythmus hervorgebracht werden, einen Zuhörer derartig ermüdeten?

Durch die monotone Stimme von Charly, der ohne Unterlaß weiterplapperte leicht abgelenkt, bemerkte Kuno nicht, daß der Roboter vor einer recht kleinen Tür stehen blieb.

Erst jetzt nahm Isweda wirklich wieder den Inhalt der Sätze wahr, die Charly von sich gab. "Sie sollten wirklich umkehren, Mr. Isweda, ab hier wird es zu gefährlich für Sie, aber sagte ich bereits, Sie...."

Kuno achtete nicht weiter darauf, ob Charly zuhörte, sondern sprach in völlig normaler Stimmlage, ohne zu versuchen durch Anheben seiner Stimme die Aufmerksamkeit des Roboters zu erlangen, den wohl entscheidenden Satz für die zukünftige Beziehung zu dem Roboter aus. "Ich werde dich nicht aus den Augen lassen, bis Martengh hier ist!"

Isweda hatte die Maschine richtig eingeschätzt, jemand der eine ewig plappernde Putzmaschine entwirft, baut selbstverständlich hervorragende Akustische Sensoren ein, die in der Lage sind, auch dann in normaler Tonlage gesprochene Wörter, Sätze oder Befehle zu verstehen und richtig zu verarbeiten, wenn dieser Roboter selber gerade eine Litanei herunterbetete.

"Wie Sie wollen, Mr. Isweda, aber sagen Sie nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt!" Charly war wieder auffallend kurz angebunden, öffnete ohne weitere Wortangriffe auf den Geist und das Gehör von Kuno, das auffallend kleine Schott und schlüpfte hinein.

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