Ivory Cronik 8

Die Falle

--- Ivory, Holodeck 2, unter einem Baum nahe dem Ufer

Jetzt wurde Sternenlicht doch von seiner Neugier überwältigt. Ein wenig zu auffällig für seinen Geschmack folgte sein Blick dem Terraner. Sein Verschwinden ließ ein wenig Verwirrung bei dem Sivaoaner zurück. Er hatte ziemliche Probleme, das Verhalten des Menschen einzuordnen. 'Nun gut.'

Er richtete seinen Blick wieder auf Shania, die ebenfalls dem Japaner ein wenig überrascht hinterher sah. Sternenlichts räsonante Stimme hatte aber sofort wieder ihre volle Aufmerksamkeit:

"Um Ihre Frage zu beantworten, Shania: Ja, Sie dürfen mich Sternenlicht nennen. Und ich nehme Ihr Angebot gerne an." Eine gewisse feierliche Formalität schwang in den Worten des Katzenwesens mit.

Sternenlicht zu Srallansre fuhr nach einem erleichterten Nicken von Shania fort: "Wissen Sie, Namen bedeuten uns Sivaoanern sehr viel. Nachdem ein Sivaoaner gewandert [1] ist, sucht er sich seinen Namen aus und wählt dazu einen Ort zu dem er eine Verbindung hat."

(Anm.: [1] engl. Original "the walk" bzw. "walked")

Sternenlichts Blick schweifte bei den letzten Worten von Shanias Augen ab in eine undefinierbare Ferne. Erst jetzt bemerkte sie, daß das Katzenwesen seinen Schweif mit beiden Pfoten festhielt, als wüßte er nicht was er sonst damit machen sollte.

Ein Ruck lief durch den Körper des Sivaoaners, dann sprach er mit leicht zitternden Ohren wieder weiter: "Was bedeutet eigentlich 'romantisch'?"

--- Badesee, auf der Klippe

"Was mich treibt...", der Japaner schaute Anjol skeptisch an, "was treibt dich denn?" Mit einem kurzen Blick zu der etwas verwirrten Enehy gab Kuzhumo dem Bajoraner zu verstehen, was er meinte.

"Aber das ist jetzt erst einmal zweitrangig", redete der Asiat unbeschwert weiter, obwohl er sich eine geistige Notiz machte, Anjol doch noch etwas im Auge zu behalten, ob er noch klar denken konnte. "Du kannst dir ja denken, daß ich nicht zum Vergnügen hier bin. Es geht um folgendes..."

--- unter einem Baum nahe dem Ufer

Shania sah Sternlicht mit großen leicht verwunderten Augen an und wußte im ersten Moment nicht recht, was sie darauf sagen sollte. Immerhin wußte jeder was gemeint war, aber es zu definieren war um einiges schwerer. Dennoch versuchte sie ihm nach besten Wissen und Gewissen zu antworten.

"Also was romantisch ist und was nicht, das definiert jeder für sich selbst. Aber im Grunde ist es ein Gefühl, daß sich bei einem einstellt, eine gewisse Stimmung in die man kommt. Sie macht einem empfänglicher für die Schönheit der Umwelt und dadurch auch empfänglicher für.. für Flirtversuche des anderen Geschlechts." Kurz dachte sie an Namono, bevor sie mit ihrer Erklärung fortfuhr.

"Man fühlt sich dann wundervoll und es könnte nicht besser sein. Alles fügt sich zu einer Einheit. Ich empfinde zum Beispiel einen Spaziergang bei Mondenschein als sehr romantisch, aber auch ein Essen bei Kerzenlicht, Musik zum Träumen oder Liebesgedichte." Die Amerikanerin zuckte leicht mit den Schultern, als wenn sie nicht alles in Worte fassen könnte, was ihr durch den Kopf ging.

"Meistens kommt Romantik immer dann auf, wenn man mit jemand zusammen ist, den man sehr gerne mag. Dann braucht man oft bloß in seine Augen zu blicken.." Shania erwischte sich beim Schwärmen und versuchte sich mehr auf Sternenlicht zu konzentrieren. "Ich hoffe, Sie können sich jetzt in etwa ein Bild davon machen, Sternenlicht.

Mögen Sivaoaner eigentlich Wasser gerne wie die Tiger auf der Erde oder scheuen sie es, wie die terranischen Hauskatzen?" Neugierig sah sie ihn an. Seine Schnurrbarthaare waren beeindruckend lang. Wie er so seinen wahnsinnig langen Schweif in der Hand hielt, sah er total süß und niedlich aus. Shania war froh, daß er nicht Gedanken lesen konnte.

--- beim Badesee, etwas abseits

Nachdenklich hatte Enehy dem Bajoraner nachgesehen und mit den Schultern gezuckt.

'Wenn er lieber mit seinem alten Bekannten redet, anstatt mit mir schwimmen zu gehen, soll es mir recht sein', dachte sie sich und schüttelte ihre rote Lockenmähne.

Gemächlich schlenderte sie die letzten Meter zum See, der einladend in der Sonne glitzerte.

--- Badesee

Mit einem Kopfsprung hechtete die Xenexianerin ins Wasser, tauchte auf und holte tief Luft. Unweit von sich entdeckte die Xenexianerin Namono im Wasser.

'Ein wenig nette Gesellschaft wäre gut. Mal sehen, ob wir uns verstehen. Viel haben wir ja noch nicht miteinander geredet. Shania scheint eh viel zu beschäftigt mit diesem Katzenwesen zu sein. Sie wird kaum etwas dagegen haben, wenn ich mich um Namono kümmere. Er ist ja nicht ihr Eigentum.'

Entschlossen schwamm sie zu dem dunkelhäutigen Mann und spritzte ihn naß.

"Na hat Shania dich ganz allein gelassen?", fragte Enehy und knuffte Namono spielerisch in die Seite.

--- Badessee, auf der Klippe

Gespannt hörte Anjol der Nachricht zu, die der Japaner ihm brachte. Er hatte gewußt, daß es Probleme gegeben hatte. Aber dies?! Nein,mit dem Ausmaß hatte er nicht gerechnet.

Ein Kloß zwängte sich durch seinen Hals, während Kuzhumo fortsetzte. Immer weiter und weiter schilderte dieser in gelassenem Ton das, was alles in Frage stellte. Eins war Anjol sofort bewußt: 'Das Gnze unterliegt der totalen Geheimhaltung!'

Langsam rutschte er auf dem Felsen hin und her und grübelte über eine mögliche Lösung. "Das ist wirklich eine beunruhigende Nachricht", antwortete Anjol schließlich und untertrieb bewußt, "aber meine Anwesenheit hier ist unabkömmlich. Ohne neue Crewmitglieder werden wir in kurzer Zeit nicht mehr fähig sein, irgend etwas zu bewegen!"

Zähneknirschend schaute er in Kuzhumos Gesicht und war einerseits fasziniert und andererseits wütend über dessen Ruhe. Schließlich atmete er tief durch und setzte fort: "Trotzdem werde ich McCarthy sofort kontakten, vielleicht....vielleicht hat er noch spezielle Instruktionen!"

Im Geist des Bajoraners festigte sich diese Absicht und er stand auf.

Der Blick des Japaners folgte ihm, als Anjol die Klippen verließ und in Richtung 'Ausgang' eilte.

--- Weg zum Ausgang

Auf der Hälfte des Weges sah er noch einmal zu Enehy herüber, die mittlerweile im Wasser planschte und sich scheinbar gut amüsierte. Anjol runzelte leicht die Stirn, zwang aber die aufkeimende Eifersucht sofort in die Knie. Enehy gehörte ihm nicht und er würde bald zurückkehren.

Der letzte Gedanke erfüllte ihn trotz der bedrohlichen Lage mit Vorfreude und er erreichte schließlich die Stelle, wo der Ausgang liegen sollte.

--- im Badesee

Der Massai hatte die ganze Zeit genießend in den angenehm warmen Wassermassen gelegen und den Gesprächen auf dem Festland nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet.

Zwar wäre er durch die seltsame Droge, deren Namen er schon wieder vergessen hatte, locker in der Lage gewesen, jedes Wort zu hören, aber es interessierte ihn nicht.

Außerdem empfand er es als unhöflich, bei Gesprächen zu lauschen.

Irgendwann hatte er dann gehört, daß jemand ins Wasser gesprungen war und sich ihm näherte. Als ein paar Wassertropfen auf ihm landeten und Enehy ihn angesprochen hatte, wollte er gerade antworten und atmete ein, als sie ihn in die Seite knuffte.

Damit hatte er nicht gerechnet, deshalb verkrampfte er sich plötzlich, und das Wasser weigerte sich auf einmal, ihn zu tragen.

Prustend und lachend kam er wieder an die Oberfläche, schaute sie an und fragte zurück:

"Danke der Nachfrage. Aber ich finde es einfach herrlich hier im Wasser. Die Anderen kann ich immer noch kennenlernen, aber wer weiß, wie lange ich noch so entspannen kann? Schließlich habe ich den Computer angewiesen, noch ein kleines Abenteuer einzustreuen.

Aber ich frage gleich mal zurück: Anjol hat dich einfach so alleine gelassen, um mit einem alten Mann zu reden? Scheint einen seltsamen Geschmack zu haben, der Bajoraner...

Wo ist er überhaupt? Bei dem Mann sehe ich ihn nicht mehr. Na, vielleicht hat er etwas in seiner Kabine vergessen und kommt gleich wieder."

Namono dachte an seine Badehose und wurde das unangenehme Gefühl nicht los, daß er nur virtuelle Kleidung trug. Vielleicht hätte er auch kurz nach draußen gehen sollen, um sich etwas 'Richtiges' zu replizieren.

--- Ausgang

"Alterieren!", befahl er barsch, aber das große Schott erschien nicht. Statt dessen hörte er plötzlich die flüsternde Stimme des Computers, in deren Klang Anjol etwas ungewöhnliches, angsteinflössendes wahrnahm: Wut!

"Anjol, willst du etwa schon gehen, wo es doch gerade erst spannend wird? Ich würde dies noch einmal überdenken!", brannte sich der Ton in Anjols Geist ein und die letzten Worte hatten einen Unterton, der so scharf wie ein Schwert war.

Der Bajoraner rätselte immer noch über den plötzlichen Anfall des Computers, als ein Energiestrahl seinen Körper traf. Zuckend ging er zu Boden und sein Geist verschwamm.

Während Anjol endgültig sein Bewußtsein verlor, hallte die weibliche Stimme nach: "Das Spiel hat erst begonnen!"

--- Badesee, auf der Klippe

Nachdenklich ließ Kuzhumo seinen Blick wieder auf die See wandern. Anjol hatte Recht so besorgt zu sein. Auch der Japaner war sehr beunruhigt, ließ es sich aber nicht weiter anmerken.

Aber in seiner jetzigen Position, auf dem Holodeck der Ivory, konnte er sowieso nichts weiter ausrichten. Da Anjol ihm nicht erzählt hatte, was er zu den anderen Mannschaftsmitgliedern über ihre Beziehung gesagt hatte, wollte er lieber nicht dort hinunter gehen.

Außerdem wollte Kuzhumo das Ergebnis des Gespräches sofort erfahren und wenn er alleine auf seiner Klippe sitzen würde, bekam er am schnellsten diese Information.

Abgesehen davon war es schön ruhig hier.

Die Reise war so gesehen doch lang und stressig gewesen. Er empfand es als höchst ärgerlich, daß er auf Grund der 5 Zeitstunden Differenz, zwischen Anjols Abreise und den verhängnisvollen Vorkommnissen diese wochenlange Reise auf sich nehmen mußte.

Also schenkte Kuzhumo den Geräuschen der "Natur" seine volle Aufmerksamkeit, als er sich in den Schneidersitz hinhockte und seine Augen schloß. Ein bißchen Meditation würde ihm ganz gut tun.

--- unter einem Baum nahe dem Ufer

Sternenlicht verstand. Shania beschrieb etwas, daß er vermißte. Bilder von Sonnenstrahl schlugen seinen Geist in seinen Bann. 'Warum nur?' Der Sivaoaner hatte seinen Schweif mittlerweile wieder losgelassen, nur daß er direkt zu Boden gefallen war. Nichts deutete darauf hin, daß dieses Gliedmaß des Katzenwesens aus mehr als einem Stück Fell bestand.

Shanias Frage nach dem Wasser drang an seine Gedanken. Er hatte schon von den irdischen Großkatzen gehört, die keine Probleme mit dem Aufenthalt im Wasser hatten - ein Vorstellung, die bei ihm auf pures Ekel hinauslief. Ein tiefes, grollendes Geräusch drang aus der Kehle von Sternenlicht. Instinktiv trat die Terranerin dabei einen Schritt zurück.

Ruckartig flogen bei dieser Bewegung Sternenlichts Ohren nach hinten. Erst jetzt bemerkte er, daß er sich gehen hatte lassen. 'Kulturelle Unterschiede sorgen doch manchmal für sehr merkwürdige Situationen', dachte Sternenlicht.

"Bitte entschuldigen Sie, Shania, ich wollte Sie nicht erschrecken. Es ist nur ... Ihre Erklärung des Begriffes 'Romantik'", neigten sich da seine Schnurrhaare noch ein wenig weiter nach unten? "...hat einige Erinnerungen wachgerufen, über die ich jetzt lieber nicht sprechen möchte. Gepaart mit dem Gedanken an Wasser habe ich mich gehen lassen. Das tut mir wirklich leid.

Ob ein Sivaoaner Wasser mag, ist unterschiedlich. Der, wenn man so sagen will, traditionelle Sivaoaner hat eine instinktive Abneigung gegen Wasser, die - wissenschaftlich gesehen - keinen wirklichen Grund hat. Die Physis eines Sivaoaners hat keine nennenswerten Probleme mit Wasser als solches, aber unser Geist schon.

Wir Sivaoaner sind sehr naturverbunden, wir leben in der uns von der Natur zugeordneten Rolle. Und dies ist definitiv nicht die eines Fisches...

Es gibt nur wenige Sivaoaner, die schwimmen können. Nicht daß sie in freier Natur deswegen einfach in einen See springen würden. Hellfleck zu Srallansre hat mir einmal einige Geschichten darüber erzählt, die ich Ihnen - und nur Ihnen - gerne einmal in einer ruhigen Minute erzählen werde. Diese Sivaoaner haben das Schwimmen in ihren Schwimmbädern erlernt, in denen sie ihr Fell hinterher trocknen konnten.

Im Gegensatz zu Hellfleck kann ich noch nicht einmal Schwimmen. Um ehrlich zu sein, alleine der Gedanke daran, freiwillig ins Wasser zu gehen, sorgt für eine kleine Panik bei mir." Bei diesem letzten Satz kam der Schweif des Sivaoaners wieder in Bewegung. In eine Bewegung, die bei Shania leichtes Unbehagen hervorrief.

Gerade als sie antworten wollte, legte sich Sternenlichts buschiger Schweif auf ihren Mund und brachte sie zum Schweigen. Innerhalb von Sekunden veränderte sich das Katzenwesen völlig. Er ging ein wenig in die Knie, veränderte seinen Stand dabei ein wenig. Langsam drehte er sich dabei eine viertel Umdrehung nach links, in Richtung des dicht bewachsenen Waldstückes.

Die Muskelstränge unter dem Fell des Sivaoaners spannten sich an, geradezu als ob er jeden Moment mit einem Angriff rechnete. Irgend etwas schien sich innerhalb des Gestrüpps langsam und ziemlich leise zu bewegen. Es erweckte geradezu den Eindruck, als bewegte es sich langsam am Rande des Waldes entlang, auf der Suche nach einer besseren Position.

Aus beiden Händen traten Krallen hervor, die eines terranischen Tigers dieser Größe mehr als würdig waren. Es gab keinen Zweifel daran, daß dieses Wesen - wenn es wollte - einen Menschen in Stücke reißen konnte.

Die meisten Menschen bekamen es mit der Angst zu tun, wenn sie einen Sivaoaner so vor sich sahen. Shanias Liebe zu den terranischen Katzen gewann hier jedoch die Oberhand. Fasziniert beobachtete sie die Raubkatze, die ihrerseits eine Stelle im Gestrüpp des Waldrandes konzentriert mit ihrem Blick zu durchdringen versuchte. Obwohl die Geräusche mittlerweile aufgehört hatten, wußte Sternenlicht sehr genau, wo der Unbekannte sich versteckt hielt.

Erneut war es das Gehör, daß den Sivaoaner warnte. Als der Unbekannte den Stein von der Steinschleuder losließ, gruben sich die Krallen an Sternenlichts Füssen bei einem instinktiven Sprung zur Seite in den Boden. 70 Kilogramm Muskelmasse schossen wie ein Blitz zur Seite. Der Stein streifte Sternenlicht an der Schulter, dort war eben noch sein Kopf gewesen.

Was Sternenlicht bei dieser instinktiven Reaktion auf keinen Fall hätte erkennen können war, daß ihn dieser Sprung haarscharf an einer völlig überraschten Shania vorbeischnellen ließ. Völlig in ihrer Faszination versunken verlor sie das Gleichgewicht und fiel der Länge nach recht unsanft auf den Strand.

Ohne dies auch nur zur Kenntnis zu nehmen, schnellte Sternenlicht mit einem Aufbrüllen in Richtung des Waldes davon. Er brauchte nur wenige Sekunden, um diese Strecke zu überbrücken, aber der Satz durch das Gebüsch endete in einem Waldstück, in dem weit und breit niemand zu sehen war.

--- Waldstück

'Das kann doch nicht sein!' dachte der Sivaoaner, während er sich suchend umblickte, zunächst auf dem Boden, dann in den Bäumen. 'So schnell kann der doch nicht verschwunden sein.' Da sah er am Boden einen kleines Säckchen und eine Steinschleuder liegen. Auf dem Säckchen waren in terranischen Schriftzeichen einige Worte gestickt worden:

"Sicherheitsprotokolle deaktiviert. Alle Befehlskontrollen gesperrt."

Sternenlicht legte die Ohren an. Hier ging etwas nicht mit rechten Dingen zu. Er nahm das Säckchen und die Schleuder an sich und trat mit einem letzten, warnenden Grollen wieder auf die Lichtung.

--- Lichtung

Dort hatte sich Shania gerade aufgerappelt. Erst jetzt wurde ihm bewußt, daß er sie vorher beinahe umgerannt hätte. Sternenlicht ging gemessenen Schrittes auf Shania zu, das Ausschlagen seines Schweifes kaum noch zu erkennen. Fast so, als wäre nichts geschehen.

--- am Badesee

Schwer atmend kam Timothy zum Stehen. Er hatte in einer relativ guten Zeit den See umrundet. Er stützte sich auf seine Knie und versuchte, seinen keuchenden Atem unter Kontrolle zu bekommen.

Er schaute auf und sah in einiger Entfernung Shania und dieses Katzenwesen. Besser gesagt lag Shania auf dem Boden und Sternenlicht zu -wie hieß der noch mal gleich- half ihr hoch. Langsam trottete er zu den beiden herüber.

Als er bei ihnen eintraf, klopfte Shania gerade ihre Sachen ab. Timothy setzte ein freundliches Lächeln auf und sagte: "Hallo, kann ich vielleicht helfen?"

--- im Badesee

Nachdenklich sah sich die Xenexianerin am Ufer um. Keine Spur von Anjol zu entdecken.

"Ja, Anjol ist anscheinend wirklich gegangen. Bestimmt kommt er gleich wieder und wenn nicht, habe ich ja immer noch dich zur Gesellschaft. Es sei den, daß du lieber deine Ruhe hast und lieber mit Shania..."

Enehy ließ den Satz unbeendet in der Luft hängen und blickte den dunkelhäutigen Mann neugierig in die Augen. Insgeheim hoffte sie, daß er ebenso Lust auf Gesellschaft wie sie hatte. Und er enttäuschte sie nicht.

"Nein, im Gegenteil. Ich habe gerne Unterhaltung", meinte Namono und als er lächelte strahlten seine weißen Zähne wie Perlen aus einem ansonsten so dunklen Gesicht. Er deutete mit einer Kopfbewegung auf den Sivaoaner. "Die scheinen ja eine angeregte Unterhaltung zu führen. Dabei sind wir doch eigentlich zum Schwimmen und Picknicken hier."

Und bei dieser Gelegenheit eröffnete der Pilot eine kleine Wasserschlacht, da Enehy und er ohnehin schon naß wie auf die Knochen waren. Glucksend vor Lachen stimmte die rothaarige Wassernixe mit ein.

--- unter einem Baum nahe dem Ufer

Shania war so damit beschäftigt sich wieder zu beruhigen und den - wenn auch holografischen - Schmutz von ihrem Körper zu bekommen, daß sie Timothy gar nicht bemerkte. Nebenbei befürchtete sie, daß Namono ihren nicht grade sehr graziösen Abgang beobachtet hatte. Sicher fand er ihre Art der Körperbeherrschung lachhaft.

Als sie endlich wieder aufblickte, hatte die Amerikanerin nur Augen für die große Katze, deren Schnurrhaare noch immer aufgeregt zitterten und scheinbar ständig die Gerüche der Luft aufs Neue sortierte. Sie konzentrierte sich auf ihr Gegenüber um nicht auch noch zu lauschen, ob sie den Massai lachen hören konnte.

"Was war los, Sternenlicht? Weshalb hetzen Sie los, als wäre der Teufel hinter Ihnen her?" Da fiel Shania etwas Wichtiges ein. "Oh, ich vergaß ganz Ihnen zu sagen, daß wir hier nicht nur schwimmen und picknicken wollen. Unser Navigator Namono hat auch noch ein Abenteuer speziell für den heutigen Besuch des Holodecks erstellt.

Hat es denn schon begonnen?" Fragend und gespannt sah sie den Sivaoaner an.

Die Schnurrhaare Sternenlichts schossen nach vorne, zusammen mit den Ohren, die sich eben so schnell aufrichteten: "Ja, ich denke schon, Shania. Wir wurden von einem Unbekannten im Gebüsch mit Steinen beschossen." Anklagend deutete Sternenlichts Schweif - der noch den Beutel mit den Steinen hielt - auf das Stück Wald.

"Allerdings ist der Feigling verschwunden. Ich vermute, daß er Teil des Abenteuers sein dürfte. Auch wenn er für ein Abenteuer verdammt gefährlich hoch auf Kopfhöhe gezielt hat. Die Steine in diesem Beutel sind nämlich alles andere als ungefährlich..." Sternenlicht bewegte seinen Schweif zu Shania und gab ihr den Beutel.

Die Amerikanerin nahm den kleinen Beutel entgegen und ihre Augen wurden groß. Sehr groß. Ungläubig musterte sie das Säckchen. Die Stickerei schmückte nicht. Sie war auch keine Zierde. Sie hatte nur einen Zweck: Nämlich sie zu verunsichern.

"Was soll das heißen?", fragte sie Sternenlicht, erwartete aber keine Antwort auf ihre Frage. "Ist das ein Spiel? Ein schlechter Scherz?

Ich kann nicht darüber lachen. Was geht hier vor?" Plötzlich bemerkte sie auch Hexton, der sich räusperte und sie fand, daß es um mehr ging, als nur um zwei Leute. Wenn hier wirklich etwas nicht stimmte, dann mußten es alle wissen.

"Hexton, holen Sie bitte auch die anderen. Ich werde das Gefühl nicht los, daß wir zusammen bleiben sollten."

Der Andorianer stand eine Frage ins Gesicht geschrieben, doch er nickte und kam ihrer Bitte nach.

Shania sah Sternenlicht fest in die Augen. Seine Schnurrhaare vibrierten leicht und sie fühlte seine Anspannung. Ihre Stimme zitterte verräterisch, als sie die magischen Worte aussprach: "Computer, alterieren!"

Die Stille, die darauf folgte war beängstigend.

--- unweit des Baumes

Timothy stapfte los und suchte sich eine Position, wo alle ihn sehen und hören konnten. Bis auf den Bajoraner waren alle Personen anwesend.

"Entschuldigung, daß ich Sie bei Ihrem Spaß unterbrechen muß, aber es ist etwas Wichtiges passiert, was Ihre Anwesendheit erfordert! Kommen Sie alle bitte hier rüber!"

Langsam unterbrachen sie ihre Tätigkeiten und schritten auf Timothy zu. Nachdem er sich versichert hatte, daß auch die Trill ihn gehört hatte, drehte er sich um und ging zu Shania zurück. Nach und nach kamen sie alle bei Miss Twillan und diesem Katzenwesen an.

--- unter einem Baum nahe dem Ufer

"Alle wie befohlen zur Stelle, Sir!", sagte Timothy knackig zu Shania und schmunzelte.

Schweigend musterte der Japaner die Anwesenden, während er innerlich lächelnd den Elan des Andorianers betrachtete. Bei dem Alter und den angehäuften Dienstjahren des Japaners, war solcher Enthusiasmus bei einem militärischen Rapport doch eher verkümmert. Auch wenn es hier wohl nur scherzend gemeint war.

Doch... dem Andorianer fehlte doch was. Kuzhumo blickte noch einmal kurz zu Timothy und bemerkte sofort was ihm fehlte. 'Aha... ein Halb-Andorianer', stellte der Asiat fest.

Da es ihm weiter aber vollkommen egal war, wartete Kuzhumo geduldig darauf, was SO wichtig war, daß man einen alten Mann beim Meditieren stören mußte.

Shania war zu angespannt um auf den Witz des Andorianers mit einem Lächeln oder gespielten kleinen Tadel zu reagieren. Sie merkte auch nicht, daß endlich auch die Trill angelaufen kam, da sie den weitesten Weg hatte zurücklegen müssen.

Atemlos blieb Alana hinter den anderen stehen und warf Timothy einen leicht vorwurfsvollen Blick zu. Immerhin hatte sie auf ein Gespräch gehofft, doch er war einfach an ihr vorbeigelaufen, dorthin zurück woher er kam. Ein sehr eigenartiges Verhalten.

"Ja, danke", erwiderte die Amerikanerin Hexton geistesabwesend und hielt noch immer den Beutel in den Händen. Dann wandte sie sich nach kurzem Nachdenken an den Sivaoaner. "Ich denke, es ist besser, wenn Sie den Vorfall schildern. Immerhin hatte ich nicht viel Anteil dran. Aber ich denke, es sollen alle informiert sein, falls..."

Sie wußte selbst nicht so recht, was sie hatte sagen wollen. So stand ihre Andeutung nur unheilvoll im Raum und verhieß nichts Gutes.

Wortlos hielt sie den Beutel hoch, damit alle ihn gut erkennen konnten und die Schrift für sie gut lesbar war. Dennoch sprach sie die Worte aus, für alle die der terranischen Schrift nicht mächtig waren:

"Sicherheitsprotokolle deaktiviert. Alle Befehlskontrollen gesperrt."

Sternenlichts Schweif zuckte nach wie vor hin und her. Immer wieder verfolgten seine Augen blitzartig ein imaginäres Ziel, nur um sich nach wenigen Sekunden wieder auf Shania zu heften. Erst allmählich beruhigten sich die Instinkte der aufrechtgehenden Raubkatze wieder, begann sich das aufgeplusterte Fell langsam wieder zu legen.

Der Sivaoaner faltete beide Hände zusammen und wickelte dann seinen Schweif drumherum, dessen Spitze auch jetzt noch zuckte. 'Wird wohl besser sein, wenn ich ihnen die kurze Version erzähle. Mal davon abgesehen, daß das terranische Gedächtnis sowieso zu schlecht wäre.' Laut begann er, das abzugeben, was er als "Kurzbericht" kennengelernt hatte:

"Shania und ich sprachen darüber, ob Sivaoaner Wasser mögen. Ich war gerade dabei, Shania von Hellfleck zu Srallansre zu erzählen. Da hörte ich, wie uns jemand umkreiste, dicht am Waldrand entlang. Eine genaue Beschreibung, was mich nun mißtrauisch machte, würde jetzt den Rahmen sprengen. Ich kann Ihnen aber bei einer passenden Gelegenheit gerne einmal erzählen, wie es geschah.

Den letzten Ausschlag gaben mehrere Dinge: Die Tatsache, daß er in einer für einen Jäger vorteilhaften Position war, keinen Laut mehr von sich gab und die fehlende Witterung. Das war der Punkt, ab dem ich meinen Instinkten folgte. Es war keinen Moment zu spät, denn der Unbekannte verriet sich durch ein Rascheln im Unterholz. Als Nächstes flog einer der Steine aus dem Beutel mit einem hohen Surren direkt auf meinen Kopf zu. Sternenlichts Schweifspitze deutete auf den Beutel in Shanias Händen.

"Leider war er zu langsam, er hatte offensichtlich die sivaoanischen Reflexe unterschätzt - Reflexe ohne die ich auf Sivao nicht überlebt hätte. Er hätte das Unterholz vor sich in Ruhe lassen sollen - ein schlechter Jäger war das. Innerhalb von Sekundenbruchteilen katapultiere ich mich in Richtung Wald.

Ein Mensch hätte sich ohne technische Hilfsmittel in der Zeit, die ich zum Wald brauchte, nicht vor mir verstecken können. Ich war in wenigen Sekunden an der Stelle, von welcher der Stein abgeschossen wurde. Von dem Unbekannten war aber außer dem Beutel und der Schleuder weit und breit keine Spur.

Nachdem ich auch dort noch keine Witterung wahrnahm, blieb für mich nur der Schluß übrig, daß es sich um einen Teil der Simulation handelt. Die meisten terranischen Simulationen sind bei weitem nicht exakt genug in dieser Hinsicht.

Wie auch immer, nachdem ich dort niemand fand, kehrte ich nach einem letzten Rundblick wieder zu Shania zurück."

Sternenlichts recht ruhige Erzählung schien eine ebensolche Wirkung auf den Sivaoaner zu haben. Nichts deutete mehr daraufhin, daß er noch vor wenigen Minuten den Eindruck eines wilden Raubtieres machte. Einzig zeugten die zitternden Schnurrhaare von seiner freudigen Aufregung. Sternenlicht fieberte dem Abenteuer förmlich entgegen.

Es verlief zwar offensichtlich nicht so, wie geplant, aber das war ihm vorläufig egal. Er liebte Abenteuer, und er würde dieses in vollen Zügen ausleben.

'Meine Güte, eine Holodecksimulation...', innerlich seufze der Japaner so laut es ging auf, ohne sich was anmerken zu lassen. 'Hoffentlich kommt Anjol so schnell wie möglich zurück!'

Das einzig Gute, was Kuzhumo dieser Situation abgewinnen konnte war, daß er die hier Anwesenden, eventuellen zukünftigen Venture Besatzungsmitglieder beim Agieren zuschauen konnte.

Da bei solchen Simulationen stets der Ehrgeiz der Mitspieler geweckt wurde, sich gut in Szene zu setzen, bzw. nicht dumm dazustehen, war der Asiat gespannt, welche kombinatorischen und geistigen Fähigkeiten hier zu Tage treten würden...

--- Das Jenseits?

Langsam öffneten sich Anjols Augen wieder und er erblickte ein buntes Meer voller Farben, die sich wie ein Strudel in den Himmel wanden. Sofort sprang der Bajoraner auf und wie ein Echo seiner Bewegung schwankte der Boden, als bestände er aus einem schlaffen Tuch.

Verblüfft ließ Anjol seine Blicke in die Ferne schweifen, aber egal in welche Richtung er noch so angestrengt starrte, er sah

Nichts.

Sein Herz begann laut zu schlagen und angesichts der innerlichen Unruhe merkte er: Es war totenstill und selbst der leichte Wind erzeugte nicht das leiseste Geräusch.

'Alles erscheint so...friedlich und ruhig, wie im', und in diesem Moment stockte sein Atem, '...wie im Leben nach dem Tod!'

Erinnerungen an den blitzartigen Schlag kurz vor seiner Ohnmacht wurden lebendig und Anjols Augen füllten sich mit Fassungslosigkeit.

"Tot?!",

formulierten seine Lippen, aber selbst seine eigenen Worte drangen nicht an seine Ohren. Das große Nichts schluckte sie und Anjol war sich einen Moment gar nicht sicher, ob sich seine Lippen überhaupt bewegt hatten.

Dann floß ein Strom aus reiner Wut durch seine Adern, Nerven und durch jede Zelle seines Körpers und brannte sich wie heißes Magma durch seine Empfindungen. Das Adrenalin erreichte seine Muskeln und ohne jede Kontrolle spannten sich seine Arme. Die Adern standen von der Haut dicht umschlungen hervor und seine Finger krümmten sich unter dem innerlichen Druck.

"Neeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeiiiiiiiiiiiiiiiiiinnnnnnnnnn!",

erklang plötzlich seine Stimme, erst nur in seinem Geist und dann ohne jede Vorwarnung auch in seinem Ohr. Es war ein gewaltiger Schrei und in ihm lag die ganze Wut und Verzweiflung, die Anjol in sich spürte. Er war noch nicht bereit für den Tod und hatte noch viele Aufgaben zu erfüllen, bis - bis dieser Tag kam, an dem sein Geist frei werden konnte.

Seine Stimme lag noch immer in der Luft und ließ sie vibrieren, als ein Schlag durch den bajoranischen Körper ging und dann...

--- Holodeck 2, Ausgang

...öffneten sich Anjols Lider und der unüberwindbare Wille stand wie ein drohendes Schwert in seinen Augen geschrieben. Seine Nasenflüge weiteten sich und zogen den frischen Geruch fruchtbarer Erde ein und endlich nach einer halben Ewigkeit klarte Anjols Blick wieder auf.

Er war wieder in der Landschaft auf dem Holodeck und seine Hände hatten sich tief in das saftige Gras und die Erde eingegraben. Langsam setzte er sich auf und roch noch einmal an dem simuliertem Boden und in diesem Moment spürte er keinen Unterschied zwischen holografischer Fiktion und Realität.

Der Bajoraner wußte nur, daß eine unsichtbare Gefahr über ihnen schwebte und daß er die anderen retten mußte, besonders...

"Enehy!",

brachten seine Lippen hervor und eine Welle aus Zuversicht überschwemmte ihn förmlich. 'Ja, ich werde es schaffen!', triumphierte sein Geist, es galt lediglich noch eine hohe Mauer zu überwinden, die ihn einschloß...

--- unter einem Baum nahe dem Ufer

Fragend blickte Enehy in die ernsten Gesichter ihrer neuen Freunde.

"Das klingt alles seltsam, aber sollte das denn nicht ein Picknick mit einem Abenteuer werden? Meint ihr wirklich, daß etwas nicht mit der Holodecksimulation stimmt? Ich kenne mich nicht besonders gut aus. Wenn etwas nicht stimmt, beenden wir doch am Besten das Programm und gehen einfach wieder in die Messe. Dort kann man sich auch amüsieren. Zwar haben wir dort keinen See, aber es wird auch so spaßig werden."

'Was sind die denn alle so unpraktisch?', dachte sich die Xenexianerin im Stillen und stemmte die Hände in die Hüften.

"Also wie beendet man das dumme Programm und hat einer von euch eigentlich Anjol gesehen? Er ist schon eine Weile fort." Bei dieser Frage wandte sie sich besonders an den Japaner. "Mr. Sie haben Anjol, doch als letzter gesehen. Hat er nicht gesagt, wohin er wollte?"

Ein junger Hüpfer wäre jetzt wahrscheinlich nervös geworden, aber Kuzhumo hatte sich schon eine Ausrede zurechtgelegt, da Anjol abgehauen war, bevor er erfahren konnte, was er über ihre Beziehung erzählt hatte.

"Nachdem ich mich mit Ihm unterhalten hatte, meinte er, daß er etwas vergessen hätte und es noch holen wollte. Dann ist er aufgestanden und ist im Wald verschwunden."

Schön allgemein verfaßt.

Der Japaner wußte, daß Anjol den Ball gut aufnehmen würde und irgend etwas erzählen würde, wenn er auf das zu Holende angesprochen würde. In ihrer gemeinsamen Dienstzeit, wußten sie, was der Andere zu leisten vermag. Und das war bei Beiden einiges.

"Er hat sich mir gegenüber aber nicht darüber geäußert, wann er wiederkommen würde. Aber ich vermute er will nicht sehr lange von Ihnen getrennt sein", fügte Kuzhumo mit einem Schmunzeln zu Enehy hinzu. "Wie man ein solches Programm beendet, daß weiß ich allerdings nicht. Da fragt man am Besten den, der es geschrieben hat, zumindest, wenn man es regulär beenden, bzw. gewinnen will."

Weitere Ausführungen wollte sich der Japaner ersparen. Schließlich wollte er nicht sein ganzes Wissen über Holodeck Sicherheitstechnologie preisgeben, da aus diesen Aussagen zu leicht ersichtlich wurde, das er mehr wissen mußte, als er vorgeben wollte zu wissen.

Außerdem muß ein Sicherheitsoffizier bei solchen Problemen in der Regel sowieso dem Techniker Platz machen. Denn selbst Kuzhumo, als Sicherheitschef eines Starfleetraumers, wußte nur über Sicherheitsprotokolle im allgemeinen Bescheid. Wofür hat man denn Ingeneure?

Sternenlichts Nackenhaare hatten sich bereits wieder unmerklich aufgerichtet, als er den kleinen Terraner ankommen sah. Seine Bewegungen, sein Auftreten, sein Geruch, seine gesamte Körpersprache überzeugten ihn mehr und mehr von seiner Überheblichkeit. Sternenlichts Meinung nach war Überheblichkeit der erste Schritt auf dem Weg zum Ende.

In diesem Wissen sah Sternenlicht seinen Vorteil. Der Mensch unterschätzte ihn vermutlich gewaltig. Für viele Menschen war er einfach nur eine aufrechtgehende Katze. Er würde sich noch wundern ... Sternenlicht mochte keine überheblichen Leute.

Sternenlicht antwortete dem Japaner nach einem tiefen Luftzug, der seine Nackenhaare wieder zum Erliegen brachte: "Danke für den Hinweis Kuzhumo Hisaki. Ich denke, jedem von uns ist klar, daß wir das Programm regulär beenden müssen, solange wir von außen keine Hilfe bekommen."

In Anbetracht des nicht ganz planmäßigen Abenteuers, das jetzt zwangsläufig vor uns liegt, sollten wir uns darüber im Klaren sein, daß wir hier nur wieder rauskommen, wenn wir zusammenarbeiten. Das Zusammenarbeiten beinhaltet auch, daß wir uns vertrauen."

Er wandte sich an Enehy: "Ich denke schon, daß hier etwas nicht in Ordnung ist. Die Tatsachen, daß die Sicherheitsvorrichtungen deaktiviert sind und daß scharf auf uns geschossen wird sprechen ..."

"Neeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeiiiiiiiiiiiiiiiiiinnnnnnnnnn!"

Anjols Schrei unterbrach seinen Redefluß. Erneut reagierte das Katzenwesen rein instinktiv, als es herumwirbelte und mit aufgeplustertem Fell und zuckendem Schweif den Wald in Richtung des Schreies mit den Augen absuchte. Die Blätter des Waldes wogten leicht im Wind hin und her, aber bis auf das Atmen der anderen war nichts zu hören. Keine Schritte, keine knackenden Zweige.

Trotzdem wurde Sternenlicht das Gefühl nicht los, wie eine Zielscheibe auf der Lichtung zu stehen, während sich jemand köstlich über ihn amüsierte. Aber solange er auch versuchte, den Wald mit seinen Augen zu durchdringen, es rührte sich nichts. Nur langsam fuhren die Krallen wieder in ihre Höhlen zurück.

'Was die wohl von mir denken werden? Ich mache ja nicht gerade den optimalen ersten Eindruck...', dachte Sternenlicht, als er vorsichtig nach hinten zu den anderen schaute.

"Das war doch Anjol der da eben geschrieen hat", bemerkte Enehy aufgeregt. "So kommt doch. Bestimmt ist Ihm etwas passiert. Er schreit doch nicht ohne Grund so laut. Wir müssen ihm helfen, trödelt nicht so lange herum. Vielleicht ist er verletzt... - Ich glaube der Schrei kam aus dieser Richtung. Also kommen Sie endlich, oder wollen Sie hier so lange herumstehen bis es einen Toten zu beklagen gibt.?"

Kurzerhand faßte Enehy Sternenlicht an der Hand und schleifte ihn in die entsprechende Richtung.

Eilig rannte Kuzhumo den Beiden hinterher. Seine Gedanken rasten wie wild. Bis zu diesem Augenblick hatte er nicht an eine ernsthafte Bedrohung geglaubt, auch wenn Sternenlicht eine mitreißende Rede an die Gruppe gehalten hatte.

Anjols Aufschrei ließ allerdings vermuten, daß sie tatsächlich das Holodeck nicht verlassen konnten. Wußte das der Sivaoaner vorher, oder hatte er einfach Abschaltung der Sicherheitsprotokolle mit der Verriegelung des Ausgangs gleichgesetzt?

Kuzhumo nahm sich vor Sternenlicht im Auge zu behalten. Vielleicht steckte er ja sogar hinter allem.

Überhaupt war der Japaner nun wesentlich aufmerksamer, als bei der ersten Begegnung. Wenn er nicht aufpassen würde, könnte das noch ein langer, zu langer Aufenthalt auf der Ivory werden.

--- auf dem Weg zu Anjol

Sternenlicht war von Enehys emotionaler Reaktion förmlich überfahren worden. Er hatte zunächst gar nicht vorgehabt, sich weiter als bis zum Waldrand zu bewegen. Alles andere erschien ihm in diesem Moment zu risikoreich. Als Enehy ihn allerdings an seiner Pfote mitzuziehen begann, war es ohnehin zu spät. So etwas wie einen Überraschungsmoment hatte die Gruppe jetzt ohnehin verloren.

Trotz allem versuchte das Katzenwesen sich so unauffällig wie möglich zu bewegen. Dies begann damit, daß er mit einer kurzen Bewegung Enehys Hand abschüttelte. Einige Schritt neben Enehy huschte Sternenlicht fast lautlos durch das Unterholz des Waldes.

Ohne sich abgesprochen zu haben, waren alle anderen ebenfalls hinter Enehy und Sternenlicht hergelaufen. Sie hatten die Richtung eingeschlagen aus welcher der Schrei gekommen war. Enehy legte mit dem Sivaoaner ein ziemliches Tempo vor. Die Angst um Anjol schien ihr Flügel zu verleihen.

Die Amerikanerin machte sich ebenfalls Sorgen um Anjol. Jetzt war sie sich endgültig sicher, daß hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Das waren nicht nur Spannungselemente eines simplen Abenteuer-Programms die hier abliefen. Etwas sehr Eigenartiges machte sich am Holodeck breit.

Shania erschauerte. Ein Frösteln lief über ihren Rücken, wenn sie daran dachte, wie eigenartig der Schiffscomputer sich immer verhielt. Ganz so als hätte er ein Eigenleben. Dabei waren sie hier mehr als abhängig von der ordnungsgemäßen Funktionalität des Computers.

Gerade als Shania ihre Überlegungen ordnen wollte, ob sie vielleicht noch einen Hinweis übersehen hatten, kamen sie auch schon an.

Ihre Augen wurden groß, als sie die mehr als ungewöhnliche Barriere sah.

--- außerhalb der Mauer

Vor ihnen erstreckte sich eine etwa zwei Mann hohe Mauer, die vorher nicht dagewesen war. Doch das Seltsame daran war, daß sie kreisrund war. Ungläubig umrundete sie das Objekt ein paar Schritte. Es schien mehr als genug Platz für einen Mann zu haben. Shania schätzte den Durchmesser auf etwa sieben Meter.

"Ich denke, wir haben Anjol gefunden...", meinte sie mehr zu sich selbst, als zu den anderen und trommelte dann mit der Faust auf die Wand, die sich leider als sehr stabil erwies. "Hallo?! Anjol?! Können Sie mich hören?!"

--- innerhalb der Mauer, inzwischen

Nachdem Anjol mehrere Male erfolglos versucht hatte, die sich vor ihm auftürmende Mauer zu bezwingen, war er schließlich zur Erkenntnis gelangt, daß die Mauer einfach zu hoch war; oder er selbst zu alt!

Grübelnd hatte er vor den roten Ziegelsteinen gestanden und unruhig mit seinen Fingerknöcheln dagegen getrommelt, bis er endlich Schritte hörte: Rasch näherten sich mehrere Personen!

'Nun, jetzt bin ich wenigstens nicht mehr allein!', freute er sich innerlich und lauschte gebannt. Da hörte er ein ihm bekanntes Geräusch - ein leichtes Schnaufen, daß nur einer Person stammen konnte:

"Enehy!", brach es wieder aus ihm hervor und erst jetzt merkte er, daß er die letzten Minuten kein einziges Wort gesagt hatte. "Enehy, schön, daß du; daß IHR da seit!", fügte er rasch hinzu, als er sich an Shanias Frage erinnerte.

--- außerhalb der Mauer

Sternenlicht bedachte die Mauer mit einem kritischen Blick. Dieses Abenteuer machte auf ihn jetzt einen recht dilettantischen Eindruck. Einfach jemanden in einer Mauer einzusperren erschien ihm doch ein wenig ... ja, genau, zu einfach. Und damit wurde diese Aktion suspekt.

Prüfend fuhr er mit einer Kralle in eine Fuge in der Mauer, die definitiv aus Stein bestand. Nicht die stabilste Sorte die er kannte, aber es reichte aus um jemanden gefangen zu halten. 'Die Mauer ist zweckmäßig, das ist im Moment ein Vorteil, denn die Fugen sind tief genug für mich. wie kann man nur so etwas Klobiges mitten in diesen Wald stellen...'

"Anjol, ist dir was passiert? Alles in Ordnung? Was ist überhaupt passiert?", vernahm er Enehys besorgte Stimme, sein rechtes Ohr schnellte in die Richtung der Xenexianerin, dann wieder zurück nach vorne, als Anjol antwortete: "Ich... ich weiß nicht so genau, ich glaube, ich verlor das Bewußtsein, als ich aufwachte war ich hier drin. Aber sonst geht es mir gut."

Der Sivaoaner blickte abschätzend an der Mauer nach oben. Etwas mehr als zwei Sivaoaner war sie hoch. Die Schnurrhaare neigten sich nach vorne, als er mit seiner typisch leicht zischenden Stimme sich in die Unterhaltung der beiden - offensichtlich Liierten - einmischte:

"Ich denke, ich kann diese Mauer überwinden. Zu zweit sollten wir Sie da heraus bekommen, Anjol."

Auch Kuzhumo hatte die Mauer untersucht. Er kam zu dem Ergebnis, daß er unter normalen Umständen die Mauer hätte durchschlagen können, wenn Anjol von der anderen Seite mitgeholfen hätte.

Aber das hier war nicht normal. Er wollte das Risiko einer Verletzung nicht eingehen, da er nicht wußte, ob alle Gegenstände in diesem... Szenario?... so reagieren würden, wie in der Wirklichkeit, oder z.B. hart wie Stahl waren.

Der Vorschlag des Sivaoaners war scheinbar einfach und vielversprechend. Allerdings würde Anjol so hoch springen können, um die Hand, die von der Mauer aus entgegengestreckt würde, zu ergreifen?

Kurzentschlossen sah Kuzhumo sich um. Er suchte einem dickeren Ast, um dem Bajoraner die Möglichkeit zu geben sich eine Behelfsrampe zu bauen, indem er einfach den Stock an die Mauer lehnen würde, damit er ein bißchen höher stand. Der Ast bräuchte ja auch nicht sonderlich stabil sein, da Anjol ja hochgezogen werden sollte.

Ganz in der Nähe entdeckte er an einem Baum den idealen Ast. Nicht zu dick, aber scheinbar stabil. Mit einem gezielten Schlag und einem starken Ruck war der Ast ab. Dann noch schnell die Blätter und Zweige entfernt und fertig war die Rampe.

Zügig ging er zu Namono, da der Japaner zwar über Kraft verfügte, aber nicht so gut werfen konnte. Höflich sprach er ihn an, "Entschuldigen Sie bitte", den Namen des schwarzen Hünen kannte er noch nicht, "aber wären Sie so freundlich diesen Ast zu Anjol zu werfen?"

Mit einem Lächeln fügte Kuzhumo erklärend hinzu: "Wenn wir ihn mit einer Räuberleiter herausbekommen wollen, muß er schon etwas höher stehen, es sei denn, jemand von den hier Anwesenden hat die Fähigkeit seine Arme in die Länge zu ziehen..."

--- innerhalb der Mauer

Gebannt hatte Anjol den Überlegungen hinter der Mauer gelauscht und war zum Ergebnis gekommen, daß alles ZU einfach war. Beinahe schon beunruhigend leicht. Zuerst war sein Schrei zu den anderen gedrungen und nun würden sie ihn relativ schnell retten können.

"Eine Falle...", wisperten seine Lippen einen Moment, bis ihm die Gefahr komplett bewußt wurde. Trotzdem konnte er nichts sagen; immerhin war nicht einzuschätzen wie der Computer auf seine Erkenntnis reagierte. Und schließlich konnte man sich vor dem Zorn des Computers nirgends auf dem Holodeck verstecken. Das einzige was sie zur Zeit machen konnten, war Ruhe zu bewahren und auf eine Gelegenheit zu warten.

Bei diesem Gedanken seufzte der Bajoraner innerlich schwer und verdammte die Untätigkeit. Die Wichtigkeit war ihm aber trotzdem bewußt und so wartete er beunruhigt ab, während jeden Moment etwas passieren konnte.

Sie waren im Auge des Orkans und der Sturm konnte jeden Moment losbrechen.

--- außerhalb der Mauer, inzwischen

"Selbstverständlich", erwiderte der Afrikaner. "Nein, ich kann meine Arme nicht verlängern, aber ich werfe den Ast gerne. Mir wäre zwar ein Seil lieber, aber ich bezweifele, daß wir uns hier noch eines replizieren können. Warten Sie, das teste ich.

Computer, ein Seil replizieren."

Keine Reaktion.

"Hm. Nebenbei bemerkt: Sie dürfen nicht glauben, daß diese Programmierung von mir stammt. Ich habe nur ein paar allgemeine Anregungen in abenteuerlicher Richtung gegeben.

Daß die Sicherheitsprotokolle und offenbar auch die Commandocodes deaktiviert wurden, ist nicht meine Idee gewesen."

Mit einem Blick in die Höhe fiel ihm etwas ein. Laut rief er:

"Mr. Anjol, ich werde einen Ast zu Ihnen hineinwerfen, damit wir Sie daran herausziehen können. Passen Sie auf, daß Ihnen das Ding nicht auf den Kopf fällt. Er ist sehr stabil, und damit reichlich schwer.

Ich meine natürlich den Ast."

Kräftig ausholend warf der Afrikaner den Ast in die Höhe. Er hoffte, daß keine Decke oder ein irgendwie geartetes Kraftfeld den oberen Abschluß des Raumes bildete, in dem Anjol gefangen war.

Der Ast flog, und von außen sah es so aus, als ob er in das "Zimmer" fallen würde.

Die Augen des Sivaoaners verfolgten den Ast bis er hinter der Mauer verschwand. In diesem Moment fiel es ihm schlagartig wieder ein. Das, wonach er die ganze Zeit in seiner Erinnerung gesucht hatte. Zu Namono gewandt sagte er: "Wir könnten es auch mit der Tischdecke aus der Picknick-Ausstattung versuchen. Ich hoffe doch, daß dieses Ding qualitativ halbwegs brauchbar ist."

Namono überlegte einen Moment bevor er antwortete: "Ja doch, die Idee ist nicht schlecht, das Teil könnte halten." Noch bevor er weiterreden konnte, war Sternenlicht bereits mit einem "Ich hole es eben" Richtung Picknickplatz verschwand.

Diesmal achtete der Sivaoaner nicht darauf, besonders leise zu sein. Wenn sie jemand suchte, hatte er sie bereits gefunden, die Gruppe war ja nicht zu überhören. Mit atemberaubender Geschwindigkeit verschwand Sternenlicht im Wald, nur ein paar Spuren seiner Fußkrallen im Boden erinnerten noch an seine Anwesenheit.

Kaum drei Minuten später kam das Katzenwesen an genau der gleichen Stelle mit der gleichen Geschwindigkeit wieder zum Vorschein, die rot-weiß-karierte Decke wehend hinter sich herziehend. Mit erwartungsvollen Ohren und Schnurrhaaren trat er wieder auf die Gruppe zu, man sah ihm kaum an, daß er eben zwei kurze Sprints hinter sich hatte, Sternenlicht war anscheinend gut in Form.

"Hier ist sie."

--- innerhalb der Mauer

Anjol hatte sich gespannt dicht an die Wand gedrückt und so traf der Ast auch nicht im Entferntesten seine Richtung. Rasch verließ er seine Deckung und betrachtete das Stück Holz für einen Moment: Es war stark und geeignet genug, um ihm die Flucht zu ermöglichen - wenn der Computer nicht doch eingriff. Und damit rechnete der Bajoraner beinahe prophetisch.

'Ich werde trotzdem nicht nachgeben!', war die einzige Antwort, die sein Geist ihm geben konnte. 'Eher sterbe ich, bevor ein Stück Hardware mich bezwingt!'

Und so stellte er den Ast in einem optimalen 45 Grad Winkel an die steinerne Mauer. Seine Umgebung kam im vor, wie auf einem schlechten modernem Bild und gewissermaßen war das Holodeck ja auch nur ein Bild.

Bereit alles zu wagen, öffnete Anjol schließlich den Mund und rief über das Mauerwerk: "Sternenlicht, ich bin bereit!"

--- außerhalb der Mauer

Gebannt beobachtete Enehy inzwischen die Rettungsaktion ihres "Fast-Freundes" und wagte kaum zu atmen.

'Was wenn dieser verdammte Computer uns jetzt einen Streich spielt und die Mauer verschwinden läßt? Oder wenn urplötzlich ein Feuer ausbricht?', dachte sich die Xenexianerin besorgt und schauderte.

Langsam ging sie zu Shania und ergriff deren Hand.

"Ich habe kein sonderlich gutes Gefühl bei der Geschichte", wisperte die junge Frau und sah ihre Freundin besorgt an. "Das geht doch alles viel zu einfach. Ich habe Angst das Anjol etwas Schlimmes zustößt..."

Der Sivaoaner gab die Picknickdecke Shania in die andere Hand: "Halten Sie das bitte mal, Shania, das brauchen wir erst, wenn ich oben bin." Sie nahm die rotweiß karierte Decke mit einem "Ok" entgegen und bewunderte dabei augenscheinlich die Gewandtheit die der Sivaoaner von Minute zu Minute mehr ausstrahlte.

Sternenlicht blickte noch einmal abschätzend an der Mauer hoch, und entfernte sich dann zwei, drei Schritte von der Mauer. Mit leicht zuckendem Schweif und flach angelegten Ohren ging er in die Knie, sich mit der rechten Vorderpfote ebenfalls auf dem Boden abstützend.

Seine Muskeln spannten sich, und noch im selben Moment schoß Sternenlicht von einem tiefen Grollen begleitet, senkrecht an der Wand in die Höhe. Gerade hoch genug, um mit den Händen den oberen Rand der Mauer zu fassen zu bekommen. Seine Füße suchten mit ausgefahrenen Krallen kreischend Halt in den verschiedenen Fugen. Für einen Augenblick schien er mehr neben der Wand zu schweben, dann hatte er sich endgültig gefangen und hing an der Mauer.

Langsam schob sich Sternenlicht weiter nach oben, ständig auf einen Angriff gefaßt. Trotz alles Mißtrauens konnte er sich ohne Probleme weit genug nach oben schieben um mit beiden Händen sicheren Halt auf der Mauer zu finden.

Er rief nach unten: "Shania, geben Sie mir die Decke", gleichzeitig streckte sich sein Schweif ihr entgegen. Nach einem kurzen Zögern warf Shania die Decke auf den Schweif, der sich immer noch etwa einen halben Meter über ihr befand. Behende schloß sich Sternenlichts Schweif im Kreis um die Picknickdecke, so daß sie nicht mehr herunterfallen konnte.

Erneut spannten sich Sternenlichts Beinmuskeln an. Mit einem kurzen Schwung seines rechten Beines brachte er das andere über die Mauer, so daß er letztendlich auf der Mauer selbst zum Sitzen kam. Erst jetzt warf er einen Blick in Anjols Gefängnis.

"Ok. Hallo erst mal", begrüßte er den Bajoraner, während er die Tischdecke in seine Pfoten nahm und diese durch im Kreis schwingen in eine etwas tragfähigere Konstruktion umwandelte.

"Hallo Sternenlicht. Ich wäre soweit", antwortete Anjol, während er den Ast noch einmal ein wenig zur Seite rückte, so daß er an einer besseren Position unter Sternenlicht rauskam.

"Gut Anjol. Ich bin es ebenfalls, springen Sie." Anjol nahm ein wenig Anlauf, soweit es der Innenraum der Mauer zuließ. Dann katapultierte er sich mit aller Kraft dem Sivaoaner entgegen. Sternenlicht bewunderte in diesem Moment die Form in der sich der Terraner befand. Das war, seiner Erfahrung nach, durchaus nicht üblich. Anjol konnte innerhalb von drei Schritten genügend Schwung aufbauen, daß er mit einer Hand die Oberseite der Mauer gerade so erreichte, während die andere die Tischdecke fest umfaßte.

Sternenlicht legte seinen Schweif helfend um Anjols Taille. Auf diese Art war Anjol sehr schnell so weit, daß er sich mit beiden Händen sauber auf dem Grat der Mauer festhalten konnte.

Anjol war gerade dabei Schwung zu holen, als Sternenlichts Ohren ein *chchchchrrrrk* hörten und sich gleichzeitig sein Gleichgewichtssinn warnend meldete. Die Mauer begann sich nach außen zu neigen. Mit einem gefauchten "Achtung" ließ er Anjol los, der ebenfalls bereits begriffen hatte, was da vor sich ging.

Der Rest der Gruppe starrte mit Bangen auf die Mauer, die sich ihnen entgegenneigte. Shania reagierte als erste in dem Sie Enehy mit sich von der Mauer fortriß. Beinahe im gleichen Moment reagierten auch die anderen.

Sternenlicht fühlte, daß er Anjol jetzt nicht mehr weiter helfen konnte, zog seine beiden Füße an sich heran und stieß sich ab. Einige Schritte weiter landete er sicher auf allen Vieren im Gras, während er hinter sich die Mauer endgültig in sich zusammenfallen hörte. Blitzartig richtete sich der Sivaoaner wieder auf und fuhr herum.

Sie hatten anscheinend Glück gehabt. Anjol rappelte sich gerade auf. Offensichtlich hatte er sich während die Mauer umfiel, ebenfalls von dieser abgestoßen und in der Wiese abgerollt. Er war so fast zehn Schritt von dem Katzenwesen entfernt zum Liegen gekommen.

Sternenlicht schüttelte ein wenig Dreck aus seinem Kopffell, den er sich wohl bei seinem Bremsmanöver eingefangen hatte und ging dann auf Anjol zu: "Alles in Ordnung?"

--- bei den Überresten der Mauer

Langsam war Anjol wieder aufgestanden und betrachtete für einen Augenblick die zusammengefallene Mauer. Von dem Aufprall lag eine dünne Staubschicht in der Luft und erst jetzt entwich der Atem wieder aus Anjols Lunge: Tief und zischend leerten sich beide Lungenflügel und saugten begierig abermals die Luft ein.

Sternenlicht kam gerade bei Anjol an und der Bajoraner dankte ihm durch ein Nicken stumm. Die Katze schien zu verstehen, auch wenn Anjol sich nicht zu 100% sicher war.

"Wir sind noch einmal davongekommen....", kommentierte er in einer Mischung von Erleichterung und Wut, als er die Trümmer seines Gefängnisses sah. "Und ab jetzt wird es sich steigern!", orakelte er mit einer düsteren Stimme, während er zu Enehy ging und seine Freundin an sich zog. Ihre Hände umfaßten fest die seinen und an einem leichten Zittern merkte er, wie beunruhigt sie gewesen war.

Stumm schauten sich die beiden Verliebten in die Augen und in dem normalerweise Frohsinn ausstrahlenden Violett lag jetzt Angst. Zärtlich strich er Enehy durch das Haar und versuchte ihr so viel Kraft zu geben, wie er konnte: "Ich werde bei dir sein, Enehy. Du bist nicht allein!"

Seufzend lehnte sich die junge Frau an den Bajoraner und strich ihm vorsichtig über den Rücken.

"Als die Mauer anfing zu kippen, dachte ich, daß es um dich und Sternenlicht geschehen sei. Glücklicherweise seid ihr beide schneller als der Blitz. Wirklich beeindruckend."

Wiederstrebend löste Enehy die Umarmung wieder und ergriff die Hand des Katzenwesens. "Ich kann mit Worten gar nicht wirklich ausdrücken, was mir deine Hilfe bedeutet. Vielen, vielen Dank. Ohne deine Hilfe würde Anjol wahrscheinlich immer noch gefangen sein, oder schlimmeres..."

Energisch schüttelte sie den Kopf um die dunklen Gedanken zu vertreiben und sich wieder einigermaßen unter Kontrolle zu bekommen. "Was meint ihr was das Holodeck oder der Computer jetzt für uns geplant haben? Nicht das als Nächstes die Erde anfängt zu beben oder der Bach zu einem reißenden Fluß wird. Wie kommen wir bloß aus dem verdammten Programm heraus oder wie beenden wir es?

Ich habe nicht die geringste Ahnung von Technik. Eine großartige Hilfe stelle ich leider nicht dar."

Kuzhumo überlegte hin und her. Was sollte er machen? Für dieses Problem hatte er wahrlich keine Lösung parat. Bevor aber wilde Spekulationen in Gang kommen konnten, stellte der Japaner mit seiner ruhigen Stimme alle Fakten fest.

"Bei mir zu Hause heißt es: Wenn man wissen will, wie man ein Problem beseitigt, muß man erst einmal wissen, woher es kommt.

Fest steht, daß die Sicherheitssperren deaktiviert sind. Auch das einer unserer Gefährten in eine gefährliche Lage gebracht wurde, aber keine zwingend tödliche."

Kuzhumo besaß zwar die Aufmerksamkeit Aller, aber diese schienen ebenso wie er eher ratlos. Schlußfolgernd fuhr der Asiat daher fort.

"Das heißt, jemand ringt um unsere Aufmerksamkeit oder will uns testen. Dieser Jemand verfügt außerdem über die Möglichkeit die Sicherheitsprotokolle zu umgehen und muß sich zudem sehr gut mit Computern auskennen.

Entweder will uns der Captain oder Martengh auf die Probe stellen, was ich persönlich eher bezweifle", zumindest hoffte Kuzhumo das für die Beiden, "oder irgend jemand Neues treibt ein makaberes Spiel mit uns."

Die dritte Möglichkeit behielt der Japaner allerdings für sich. Die Vorstellung, daß irgend jemand ihn und Anjol entlarvt hatte, wäre zu fatal. Denn Kuzhumo ging es in allererster Linie um die Sicherheit SEINES Schiffes... nämlich der Venture.

Anjols Gedanke drehten sich immer noch um die einstürzende Mauer und ihr knappes Entrinnen, während die Worte des Japaners an ihm vorbeihallten.

Langsam ließ er sich die beiden Alternativen durch den Kopf gehen, bis er schließlich, den Kopf hebend, die Überlegungen Kuzhumos fortsetzte und gleichzeitig von seinen Erlebnisse [nach denen noch niemand gefragt hatte] berichtete:

"Als ich zum Ausgang wollte, wurde ich plötzlich vom Computer angesprochen und die Stimme", er suchte einen Moment nach einem angemessenem Begriff, "war voller Zorn und Sadismus! Als ich zu... anstrengend wurde, wurde ich von einem Strahl außer Gefecht gesetzt."

Die letzten Worte hatte er grollend hervorgebracht und seine persönliche Niederlage, war sie auch durch einen hinterhältigen Angriff entstanden, fraß sich an seinem Selbstbewußtsein satt.

"Es gibt wohl nur wenige Leute an Bord, die über die Stellung verfügen den Computer dermaßen zu kontrollieren: Der Captain selbst und Martengh! Die Möglichkeit eines Eindringlings sollten wir aber nicht vernachlässigen", fügte er hinzu, nachdem er laienhaft versucht hatte, seinen Mißmut zu überspielen.

Eine dritte Person hatte er vorsichtshalber nicht erwähnt: 'Shania!' Sie hatte ebenfalls auch Zugriff auf den Computer und vorerst würde sie unter seiner Beobachtung stehen, zumal sie den Besuch des Holodecks vorgeschlagen hatte.

Anjol lächelte gequält, als Shania wie zufällig in seine Richtung sah. War die Terranerin wirklich der feige Sadist, der hinter allem steckte?

Shania fühlte sich leicht unbehaglich, als sich ihr Blick mit dem des Bajoraners traf. Doch sie schrieb es der allgemeinen angespannten Situation und ihrer Phantasie zu. Sicher war im Moment jeder hier verunsichert und stand unter Druck. Keiner wußte, wo das eigentliche Programm endete und das Unberechenbare anfing.

Unberechenbar deshalb, weil niemand so recht wußte, womit sie es hier überhaupt zu tun hatten. Ein Abenteuer mit einer kleinen Fehlfunktion oder mehr. Und...

Wieviel mehr?

"Ich denke, wir glauben wohl alle nicht mehr so recht daran, daß hier nur ein normales Abenteuerprogramm abläuft. Aber wie sollen wir von hier aus etwas unternehmen, wenn sich die Steuerung in keinster Weise beeinflussen läßt? Vielleicht müssen wir erst das Programm fertig durchlaufen, bevor es endet und uns gehen läßt." Seufzend ließ sie sich auf einem Baumstamm sinken, der einen Teil der malerischen Umgebung darstellte. Eine Umgebung, die ihr plötzlich wie ein Gefängnis vorkam. Selbst das Vogelgezwitscher hörte sich plötzlich unnatürlich an.

Ihr Blick streifte Namono. Er hatte verdammt gut ausgesehen, als er mit Leichtigkeit den großen Ast in Anjols Gefängnis geworfen hatte. Er hätte glatt Pate für Roger Sardo stehen können. Zumindest was seinen durchtrainierten Körper betraf. Seine Augen strahlen zuviel Wärme aus um aus Eis zu sein.

Schade, daß sie Enehy hatte mit Anjol verkuppeln wollen und jetzt hier mit der ganzen Gruppe fest hing. Draußen wäre es ein leichtes gewesen mit....

"Wenn der Computer nicht richtig reagiert, werden wir wohl nicht viel ausrichten können", mischte sich nun auch die Trill ins Gespräch ein, die bisher nur aufmerksam beobachtet hatte. "Ich kann nicht glauben, daß der Captain oder sein erster Offizier dahinter stecken. Vielleicht ist es Ihnen ja noch nicht so bewußt aufgefallen, aber der Computer hier, reagierte die ganze Zeit schon sehr seltsam und hier sind wir wohl auf seiner Spielwiese."

So vorsichtig wie möglich versuchte Alana die Bedenken gegen Monserat zu zerstören. Immerhin hatte sie versprochen nicht preiszugeben, daß sie seine Tochter war. Er würde sie niemals unnötig in Gefahr bringen. Also wußte er nicht, was hier vorging.

"Tut mir leid, daß ich vorher nichts erwähnt habe, aber ich fand einen Zettel mit einer Nachricht, die uns viel Spaß beim Abenteuer wünschte. Sie war in meiner Heimatsprache verfaßt und lag am anderen Ufer. - Leider wird er jetzt durchs Schwimmen unleserlich geworden..." Die Trill starrte auf das Stück Papier, daß sie aus Ermangelung einer Tasche aus ihrem Badeanzug fischte und ihre Augen wurden groß.

"Plötzlich steht etwas ganz anderes hier. Seht doch mal!

Es ist ein Spiel bei dem der Preis sein eigener Meister ist ohne es selbst zu erahnen. - Was kann das bedeuten?", murmelte sie und blickte fragend in die Runde, bis ihre Augen schließlich nachdenklich an dem Sivaoaner und dem Japaner hängen blieben. Sie waren die einzigen gewesen, die später gekommen waren und Zeit gehabt hätten...

Der Sensai ignorierte den Blick, der auf ihm ruhte, dessen er sich wohl bewußt war. Er rätselte über diesen Schriftzug. 'Was mag er wohl bedeuten?', fragte sich Kuzhumo.

"... bei dem der Preis sein eigener Meister ist...", murmelte der Japaner vor sich hin. Da er selber auch solche Wortspiele liebte, kam er relativ schnell auf eine halbwegs plausible Lösung, die er auch der Gruppe, nach einem Moment des Nachdenkens preisgab.

"Wenn es wirklich wahr ist, daß der Computer ein Eigenleben führen sollte, ist er im Prinzip doch sein eigener Herr, bzw. Meister. Das heißt, weiter gedacht, wenn wir gewinnen, bekommen wir diesen Preis... nämlich den Computer, bzw. die Kontrolle über ihn. Das einzige Fragezeichen ist dann allerdings, was die Passage 'ohne es selbst zu erahnen' bedeutet."

Mit dieser knappen, aber prägnanten, Schlußfolgerung, die er mit seiner berühmt berüchtigten Ruhe vorgetragen hatte, begnügte er sich und wartete darauf, was die anderen dazu meinten. Auch die Überlegungen, wer dahinterstecken könnte, das heißt, wer hatte diese/s Stimme/Programm installiert, stellte Kuzhumo ein.

Wenn es dieser Jemand wollte, würden sie erfahren, wer er war. Sonst hatten sie keine Möglichkeit es zu erfahren. Außer es war einer aus dieser Gruppe und dieser wäre ungeschickt genug sich zu verraten.

Nachdenklich hielt Sternenlicht seinen Schweif in beiden Händen. Seine Kenntnisse über terranische Spruchrätsel waren begrenzt. Insbesondere bei Zitaten solcher Art, die durchaus einen Bezug zur Geschichte einer Subkultur dieser Spezies haben könnte. Rein objektiv betrachtet war Kuzhumo Hisakis Erklärung zunächst einmal durchaus plausibel.

"Kuzhumo Hisaki, was Sie sagen klingt sehr interessant und deckt sich mit einigen Beobachtungen, die ich bisher über das Verhalten des Computers anstellen konnte. Jedoch gebe ich eines zu bedenken: Entwickelt der Computer eigene Initiative, sollten wir darauf gefaßt sein, daß dieses Verhalten alles andere als Rational sein dürfte.

Mit einer Ausnahme endeten meiner Erinnerung nach solche Entwicklungen darin, daß die Handlungen des Computers nur noch als verrückt definiert werden konnten. Alleine schon die notwendige Rechenleistung um eine solche autarke Wesenseinheit zu erhalten dürfte den Rahmen des Schiffscomputers sprengen. Daher neige ich momentan dazu, die Theorie des Eigenlebens wieder ein wenig nach hinten zu stufen. Allerdings möchte ich dazu sagen, daß dieses Urteil auf einer sehr kleinen Datenbasis beruht.

Das Einzige was dafür spricht, wäre genau dieser Nebensatz", sein Schweif deutet auf Kuzhumo Hisaki, "Angenommen der Computer hat ein Eigenleben wissen wir nichts davon. Ergo ist der Preis - die 'Rückgabe der Herrschaft' ein Preis, von dem wir nichts ahnen."

Sternenlicht hatte mit dieser, doch recht sachlichen Analyse, den einen oder anderen überraschten Blick aus der Runde auf sich gezogen. Wie so oft wurde seine Rasse von anderen, technisierteren Zivilisationen unterschätzt. Schon weil in der nomadischen Kultur der Sivaoaner die verwendete Technologie alles andere als offensichtlich war. Klar, Sivao selbst hatte keine Warp-Technologie. Sie wollten es gar nicht. Alleine konnten viele Außenweltler nicht begreifen. Den Sivaoaner reichte das Wissen, ein solches Stück Technik bauen zu können, sollte es notwendig werden.

Diese Gedanken zuckten innerhalb von Sekundenbruchteilen durch Sternenlichts Kopf. Sofort drang die Realität wieder in seine Sinne durch. Der Geruch der Furcht, der Angst, der leicht, fast unmerklich in der Luft lag. Es war recht schwierig, die Quelle dieser Witterung genau zu lokalisieren. Noch immer überdeckte der feine Geruch verschiedenen künstlicher Duftstoffe seine Witterungen. Seine Augen strichen über die versammelte Gruppe und blieben bei Enehy hängen, die er aufmunternd ansah.

"Ich denke unsere einzige Chance ist es, zu versuchen, dieses Programm regulär zu beenden." Ein Zittern lief durch seine Schnurrhaare - so langsam begann ihm das Abenteuer Spaß zu machen. "Vorrangig ist es meiner Meinung nach erst einmal, weitere Informationen zu sammeln. Wir wissen bisher nicht im Geringsten, wieso wir in diesem Holodeck festgehalten werden. Es hat sich noch nicht einmal eine klare Aufgabe gezeigt, was uns vorläufig nur zu sehr weit her geholten Theorien führt. Vielleicht wäre ein guter Ansatz, zunächst einmal die ursprüngliche Aufgabenstellung kennenzulernen." Fragend blickte Sternenlicht in die Runde.

Namono fühlte sich angesprochen: "Obwohl ich das Programm hier erstellt habe, kann ich dazu leider nichts sagen. Von all den Dingen, die ich programmiert habe, erkenne ich lediglich die Landschaft wieder. Es scheint mir, als ob der Computer - oder wer sonst seine Hand hier im Spiel hat - bislang wenigstens recht einfallsreich war.

Einerseits hätte ich bis vor Kurzem niemals behauptet, daß Computer eine Kreativität entwickeln können, aber der Zwischenfall mit dem blauen Getränk deutet nicht nur auf Kreativität, sondern sogar auf Schadensfreude hin."

Kurz erklärte er den zu dem Zeitpunkt noch nicht anwesenden, was passiert war.

Dann fügte er hinzu: "Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder erlaubt sich jemand einen Scherz mit uns, oder der Computer handelt autark. In beiden Fällen können wir sicher sein, daß wir beobachtet werden und jedes Wort von uns abgehört wird.

Wie sagte schon Antisthenes - Auf die Gegner muß man achten, denn niemand bemerkt unsere Fehler eher als sie.

Und genau deshalb stimme ich Ihnen vollkommen zu: Wir müssen das Programm auf regulärem Wege verlassen. Und dazu müssen wir wissen, was der reguläre Weg ist, sprich: Was wird von uns erwartet?

Aber ich möchte noch etwas zu Bedenken geben: Wir haben einen Hinweis bekommen, nach dem die Sicherheitsschaltungen des Decks deaktiviert wurden. Das bedeutet, derjenige, der uns hier gefangen hält, möchte, daß wir uns anstrengen, denn wir können verletzt werden.

Aber er legt es nicht darauf an, uns zu töten, denn er hätte uns diesen Sachverhalt auch begreiflich machen können, indem er uns die abgeschalteten Sicherheitsvorkehrungen demonstriert.

Wo bringt uns das hin? Hm - entweder haben wir es mit jemanden zu tun, der uns warnen will.

ODER... die Sicherheitsprotokolle sind gar nicht deaktiviert. Es ist weit einfacher, uns einen Zettel zufliegen zu lassen, als sich Paßworte zu besorgen.

Das hätte jedenfalls den gleichen Effekt, denn ich denke, daß wir auf jeden Fall sehr vorsichtig sein werden. Oder möchte sich jemand testweise töten lassen, damit wir wissen, ob es geht?

Nein?

Dachte ich mir."

Nachdenklich schaute der Afrikaner in die Runde, ehe er hinzusetzte: "Mein Fazit ist: Wir sollten tun, was von uns verlangt wird. Nur weiß ich im Moment noch nicht, wie wir herausfinden sollen, was das ist."

Kuzhumo überlegte. Was könnte der Computer ihnen für eine Aufgabe stellen? Diese Überlegungen über die Absichten des Computers, erinnerten ihn an ein paar Abhandlungen einiger seiner Freunde auf der Erde, die von der Automatisierung der Welt ohne Menschen handelten.

Aber diese Philosophen und den recht interessanten Aspekt dieser Situation ließ er zunächst außer Acht. Nach einer kurzen Bedenkpause meldete der Japaner sich dann zu Wort.

"Ich glaube, die einzige Chance herauszufinden was wir machen sollen, liegt wahrscheinlich daran etwas Spazieren zu gehen. Im Prinzip kann uns dieses Programm überall und zu jeder Zeit überraschen. Aber da das hier ein Abenteuer sein soll, müssen wir uns wahrscheinlich bewegen und etwas entdecken."

Mit einer einladenden Geste deutete Kuzhumo auf einen Feldweg, der wie aus dem Nichts erschienen war. Denn schließlich konnten sie auch beim Gehen miteinander darüber diskutieren, was man machen sollte.

Aber herumzustehen machte sie zu einem noch leichteren Ziel, als sie es sowieso waren. Außerdem war dem Japaner ohnehin nach einem kleinen Spaziergang zumute.

Anjol hatte dem Gespräch nur oberflächlich zugehört, da die Schlußfolgerungen offensichtlich waren und zu diesem Zeitpunkt eine genauere Festlegung noch nicht möglich war. Statt dessen hatte er ganz genau die Umgebung gemustert, um mögliche Auffälligkeiten zu entdecken.

Doch außer dem Schutt war nichts Ungewöhnliches zu sehen. Die bajoranische Stirn zog sich zerknirscht zusammen und Anjol fragte sich, wann das nächste Unglück passieren würde. DAS es passieren würde, war so gut wie klar und...

...und es gab für Anjol nur einen Gedanken: 'Enehy!' Er betrachtete die Xenexianerin, die sich wieder zu ihm gesellt hatte und versuchte sich vorzustellen, wie sein Leben ohne sie aussehen würde.

Wut erfüllte ihn.

--- auf dem Feldweg

Der Bajoraner hing noch immer seinen Gedanken nach, als die Gruppe sich in Bewegung gesetzt hatte und schon einige Minuten unterwegs war. Keiner sagte ein Wort und sie erwarteten wie der nächste Hinweis sichtbar wurde.

Und plötzlich geschah es: Der Weg gabelte sich in zwei Teile auf!

Neugierig betrachtete Enehy beide Wege und zuckte dann mit den Schultern.

"Sieht ganz so aus, als müßten wir uns entscheiden und damit wir uns nicht in stundenlange Diskussionen verstricken, nehme ich das jetzt einfach in die Hand", verkündete die junge Frau und marschierte entschlossen den linken Weg entlang.

--- linker Weg

'Hoffentlich war das jetzt auch die richtige Entscheidung. Nicht, daß ich uns alle in eine Falle hineinzwinge.'

Mißtrauisch beobachtete Enehy die Umgebung, konnte aber nichts Ungewöhnliches entdecken. Der Wald war genauso einladend wie vorher und die Xenexianerin genoß das Vogelgezwitscher und die letzten Sonnenstrahlen auf ihrer Haut. Zufrieden drehte sie sich zu den anderen um und blieb stehen.

"Scheint ja bis jetzt alles glatt zu laufen. Kommt ihr? Ich glaube es wäre besser, wenn wir alle relativ dicht zusammen bleiben."

Ungeduldig wartete sie bis die Gruppe herangekommen war um dann ein Problem zu besprechen. "Mir ist grade etwas eingefallen. Es wird langsam dunkler. Was machen wir wenn es ganz dunkel ist? Das Programm hat ja während der Dämmerung begonnen und langsam aber sicher wird es Nacht. Vielleicht sollten wir überlegen wie wir an eine Lichtquelle kommen. Eventuell kann man ja doch etwas replizieren. Wir können das Programm zwar nicht beenden, aber wir haben noch nicht versucht uns etwaige Hilfsmittel zu besorgen. Was meint ihr?"

"Es tut mir leid Sie korrigieren zu müssen, aber als wir versucht hatten ein Seil zur Rettung Anjols zu replizieren hatte dies nicht funktioniert", mit einem kurzen Rundblick sprach Kuzhumo weiter. "Aber ich denke, hier gibt es genug trockenes Holz, um sich ein schönes Lagerfeuer zu machen."

Mit nicht sichtbarer Mißbilligung hatte der Japaner Enehys Unachtsamkeit registriert. Er hoffte, daß Ihr ihre Gefühle für Anjol später, in einer brenzligen Situation, nicht im Weg stehen würden.

Bei der Weggabelung war er ihr gefolgt, aber nicht wegen den befürchteten endlosen Diskussionen, sondern weil es total egal war, wo sie langgehen würden. Wenn der Computer sich was ausgedacht hatte, würde es auch passieren.

"Allerdings sollten wir nicht vergessen, daß die physikalischen sowie auch alle anderen Gesetze außer Kraft sind. Wenn der Computer nicht vorsieht, oder will, daß wir Nachts, wenn es eine Nacht geben wird, etwas sehen, werden wir nichts sehen."

Die Ruhe und Gelassenheit, die Kuzhumo ausstrahlte, stand im absoluten Kontrast zu ihrer Situation. Fakt war, daß der Sicherheitschef der Venture entgegen seiner absoluten Gewohnheit alles unter Kontrolle zu haben, keine Möglichkeit hatte IRGENDETWAS zu kontrollieren.

Zwar beunruhigte ihn dieser Umstand, aber ansonsten ließ er alles auf sich zukommen. Schließlich lag der nächste Zug bei dem Computer. Und wenn sie Glück hätten, würden sie die Spielregeln erfahren...

"Auuu!", jammerte Shania auf und zog ihr rechtes Bein schmerzverzerrt an sich. Sie konnte sich gerade noch bremsen um nicht ziemlich heftig zu fluchen. So begnügte sie sich mit einem "Verdammt, ich glaub, ich hab mir etwas eingetreten."

Ärgerlich humpelte sie unterstützt von Namono, der sofort reagiert hatte, zu einem nahegelegenen Baumstumpf. Dankbar lächelte sie ihm zu, bevor sie sich die Ursache für den Schmerz im Fuß näher ansah. Es dauerte nicht lange und sie zog eine Art Dorn aus ihrem Fußballen.

"Schöne Bescherung. Ich wollte ja gleich lieber zurückgehen und unsere Sachen holen, aber ihr konntet es ja gar nicht erwarten drauf loszugehen. Dabei wissen wir gar nicht, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Wir können uns hier auch hoffnungslos verirren, wenn der Computer den Weg hinter uns ändert oder uns im Kreis leitet."

Die Amerikanerin merkte die verdutzten Gesichter von Sternenlicht und dem Japaner und mußte einfach ihren Unmut loswerden. "Ja, schaut nur. Nein, ich habe wie auch die anderen keinen Communicator bei meiner Kleidung, aber ihr seid angekleidet und ich nicht. Mir wird langsam kalt. Außerdem tragt ihr Schuhe... bzw. Sternenlicht braucht so etwas sicher nicht." Zur Unterstreichung ihrer Worte zog sie fröstelnd die Schultern hoch und schlang die Arme um ihren Körper.

"Da ich schon dabei bin mir meinen Frust von der Seele zu reden...

Ich denke, wir haben bei der ganzen Sache etwas übersehen. Wenn mit dem Meister der Spiele der Computer gemeint wäre, wüßte er ja, daß er der Preis ist. Es macht also gar keinen Sinn. Und wenn dies alles nur ein Spiel ist, dann möchte ich hier und jetzt einen weiteren Hinweis haben, oder ich geh einfach nicht weiter!"

Gerade als sich Shania entspannte um sich auf eine längere Wartezeit einzurichten, sah sie etwas. Sie streckte ihren rechten Arm aus und deutete mitten in den Wald.

"Was ist das da hinten für ein Licht? Hört ihr das auch? Stimmen..."

"Das ist bestimmt das Empfangskomitee für dich Prinzessin", fuhr Enehy Shania an und verdrehte entnervt die Augen.

"Du bist nicht die einzige, die hier nur in Badesachen und ohne Schuhe unterwegs ist. Mir ist auch nicht grade warm, aber wenigstens jammere ich nicht herum. Warum übernimmst du nicht einfach die Führung der Gruppe, wenn du sowieso alles besser weißt? Anscheinend hältst du mich ja für komplett unfähig. Aber eins laß dir gesagt sein von herumsitzen und Namono anschmachten wird es auch nicht besser. Du benimmst dich wie ein schmollendes Kind."

Mit einem abfälligen Schnauben drehte sich die Xenexianerin um und marschierte in Richtung des Lichts.

Ärgerlich sprang Shania wieder auf die Beine und schrie Enehy hinterher: "Ja, renn du nur drauflos. Wär nett, wenn das eine Falle ist und du blind hineintappst, weil du Kindskopf dich mal wieder nicht bremsen kannst. Sternenlicht wäre viel besser als Führer geeignet, weil er mehr sehen und riechen kann als du.

Daß kann ja sogar ich, seit ich von dem Drink getrunken habe. Immerhin könnte ich uns den Weg leuchten, damit du nicht in eine Grube fällst." Shania grinste sarkastisch. Die Xenexianerin war manchmal wirklich nicht zu ertragen. Sie durfte störrisch sein, aber wenn Shania mal nicht gut drauf war, dann bekam sie eine Moralpredigt.

"Außerdem stell ich mich nicht an wie eine Prinzessin. Ich weiß nicht, ob du schon mal eine cardassianische Gefangenschaft hinter dir hast. Ich bin noch immer nicht ganz auf dem Damm und hab keine Lust mir auch noch eine Lungenentzündung zu holen.

Daß mit dem Namono anschmachten mußt du ja wissen... hätte er mich hinfallen lassen sollen? ICH bin hier nicht das Kind." Ärgerlich funkelte sie ihrer Freundin(?) hinterher.

"Ich habe niemals behauptet, daß ich erwachsen bin..." Störrisch blieb Enehy stehen und sah Shania trotzig an.

"Es ist klar, daß du dich in den Vordergrund stellen mußt. Dir ist kalt, du kannst besser sehen, du könntest krank werden... Wahrscheinlich hast du sogar Angst, daß ich "deinem" Namono zu nahe komme. Du bewachst ihn ja schon mit Argusaugen. Ich habe ganz eindeutig das Gefühl, daß du einfach Angst hast nicht beachtet zu werden. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen. Also geh mit Sternenlicht voraus. Ich möchte dir bestimmt nicht den Gefallen tun und in eine Grube fallen. Das wäre zu einfach."

Abfällig schnaubend verschränkte die junge Frau ihre Arme und blickte demonstrativ an den anderen vorbei.

"Du bist so... so... ach... mach doch was du willst, du verdienst es doch gar nicht, daß ich mir Sorgen um deinetwegen mache. - Hast du schon mal gedacht, daß du der einzige hier bist, der etwas von Medizin versteht? Wenn dir etwas passiert, können wir dir gar nicht helfen. Denkst du, daß ist ein schönes Gefühl. Ich hab schon einmal..." Bedrückt schwieg Shania und mußte einmal mehr an John denken.

Ihre Augen glänzten feucht, doch sie hielt die Fassade der großen starken Frau aufrecht. Es hatte sie verletzt ihm nicht helfen zu können und ihn sogar zurück lassen zu müssen. Dennoch kämpfte sie dagegen an der Vergangenheit in ihrem Leben zuviel Raum zu lassen. Hier war weder die geeignete Zeit noch der geeignete Ort um sich Vorwürfe zu machen.

"Aber ich spiel mich in deinen Augen ja nur auf. - Frag Sternenlicht, ob er vorgehen möchte, ich will es nicht und ich wollte es nie. Mehr hab ich dazu nicht zu sagen." Shania drehte ihren Kopf weg und sah irgendwo in die Ferne.

Wieder hatte sie Schmerzen. Seelische Schmerzen. Sie mußte an Classic denken, der für ihre Rettungsaktion mit dem Leben bezahlt hatte. Seit dieser Zeit plagten sie schwere Vorwürfe, daß es ihre Schuld gewesen war. Hätte sie nicht wieder mal den Einzelgänger gespielt, hätten sie die Cardassianer nicht gefangen nehmen können...

Mit einer gut versteckten Belustigung hatte Anjol den "Streit" der beiden Frauen verfolgt. Während beide sich alle Mühe gaben, möglichst abgeklärt zu wirken, sah der Bajoraner doch, daß beide eigentlich nur besorgt und durch die Situation sehr angespannt waren.

Sanft faßte er Enehy an den Schultern und versuchte ihr so zu vermitteln, daß es jetzt genug war. Zwar hatte niemand ihn aufgefordert sich einzumischen, aber war die Szene doch schon zu explosiv geworden. Die anderen hatten sich wohlweißlich zurückgehalten, obwohl es auch um sie ging und nur Anjol fühlte sich in der Position, wenigstens auf einen der Kontrahenten einwirken zu können.

Deswegen antwortete er auch so ruhig und ernst, wie es ihm möglich war, um die Situation wieder in den Vordergrund zu rücken: "Ich denke, wir sollten vorerst die Meinungsverschiedenheit vergessen, und uns auf die Situation besinnen, die für uns alle nicht leicht ist. Streit wird uns jetzt nicht weiterbringen und indirekt spielen wir unserem Gegner nur in die Hände, wenn wir uns selbst angreifen. Ich denke, wir sollten jetzt weitergehen und uns Unterschlupf suchen, bevor es endgültig dunkel ist!"

Timothy machte einen Schritt auf die zwei keifenden Frauen zu, sie momentan schwiegen und bemerkte trocken: "Also normalerweise mische ich mich ja nicht in solche Streitgespräche ein, aber ich denke, nur hier rumsitzen und quatschen bringt uns auch nicht weiter.

Am Besten wäre es wohl, wenn Anjol, Sternenlicht und ich uns mal diese mysteriösen Lichter anschauen, um heraus zu finden, ob von ihnen Gefahr ausgeht; vor allem aber um zu wissen, ob man da ein trockenes, und vielleicht warmes Nachtlager finden kann."

Er schaute sich in der Gruppe um und setzte dann fort: "Und Kuzhumo und Namono passen auf die streitende Frauenwelt auf. Sind alle damit einverstanden oder hat jemand einen besseren Vorschlag zu machen?", fragte er.

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