Ivory Cronik 4

Schmerzliche Begegnungen

--- Ivory, Quartier 14

Shania lächelte und war zufrieden, daß ihre Freundin die Sache ebenso sah. Die Amerikanerin wußte, daß diskutieren nicht eine ihrer Stärken war und sie nur allzu leicht aufgab und resignierte. Doch so waren Unklarheiten von Anfang an beseitigt und sie würde sich nicht mit Enehys dickköpfiger Seite herumschlagen müssen, ohne zu wissen, wie sie eigentlich damit umgehen sollte.

Im Grunde hatte Shania Angst Enehy zu verstimmen oder sie zu verletzen mit etwas, daß sie sagte, dabei schien Enehy oft nur darauf zu warten, daß man ihrem Dickkopf Paroli bot. Sie schien gar nicht zu erwarten, daß sie mit allem durchkam, was sie sagte. Die Xenexanerin war in allen Dingen eine ziemlich außergewöhnliche Person, wie Shania bereits in der kurzen Zeit festgestellt hatte. Aber wahrscheinlich mochte sie diese gerade deswegen.

Es wurde ein ziemlicher Spaß für beide das Bild an der Wand aufzuhängen und als es hing, hing es auch noch ganz windschief. Mit einem Kichern gestand Shania schließlich ein: "Also eigentlich hat mir Martengh beim Aufhängen der Bilder in meinem Quartier geholfen. Er ist ein sehr netter hilfsbereiter Mann, wenn du ihn nur richtig darauf ansprichst.

Und vor allem braucht er für keine einzige Arbeit eine Leiter." Die beiden Frauen lachten.

Dann warf Shania einen Blick auf ihr Chronometer. "Oh, so spät ist es schon wieder? Ich sollte mich mal wieder draußen blicken lassen. Vielleicht sind ja bereits wieder Neue an Bord. Du mußt wissen, ich gebe hier momentan so eine Art Empfangsdame ab und sehe zu, daß dem Captain und Martengh der meiste Ärger vom Hals gehalten wird.

Also wie sieht's aus? Kommst du mit oder bleibst du noch hier und dekorierst dein Quartier weiter?" Fragend sah die große Frau ihre Freundin an.

--- Bereitschaftsraum des Captains

Anjol runzelte die Stirn. Wieso wurden alle Bajoraner immer als potentielle Diebe und Mörder gesehen? Leicht gereizt antwortete er deshalb vielleicht etwas zu ironisch:

"Hören Sie, Monserat: Ich habe kein Interesse irgend etwas von Ihrem Schiff zu klauen! Wenn ich Sie vorhin beleidigt habe, tut mir das leid, aber, verdammt, ich suche nur nach einem Weg mein Volk vor dem Verrecken zu retten. So sieht es aus. All Ihre Schätze bedeuten mir gar nichts im Gegensatz zu Brot oder Medikamenten!"

Als er die Reaktion des Terraners abwartete, fühlte Anjol sich sehr erleichtert. Er hatte seine Wut oft nicht unter Kontrolle, und ... es war sehr viel Wut in ihm. Wut für Bajor, Wut für Datros und manchmal auch Wut auf das ganze Universum.

Anjol seufzte innerlich: Irgendwann würde diese Wut ihn verzerren, ob er wollte oder nicht. 'Hass und Wut sind Ballast!', dachte er betrübt, aber er konnte seine Natur nicht ändern. Zuviel war geschehen.

Während Anjol immer noch mit sich rang, warfen sich Martengh und Monserat wieder tiefgreifende Blicke zu....

Die Augen des Captains waren nun nicht mehr dunkelgrau, sondern funkelten schwarz und zornig. Die Augenbrauen des Captains zogen sich dicht zusammen. Jeder der ihn besser kannte, ging jetzt in Deckung. Sogar Martengh war etwas blasser als sonst, doch ihm blieb keine Möglichkeit zur Flucht ohne sich zu blamieren.

Nur dieser Anjol saß selbstgefällig da und schien nicht das geringste von dem zu registrieren, was um ihn herum vor ging. Er schien sich ein schlichtes Ja oder Nein zu erwarten und die Sache war für ihn erledigt. Anders für den Captain.

Wenn Monserat sauer war, dann schrie er, daß man ihn leicht ein Deck weiter noch hören konnte. Doch wenn es richtig in ihm kochte, dann war er umso leiser. Deshalb war seine Stimme betont gedämpft, jedoch scharf wie ein zweischneidiges Schwert.

"Hören Sie Anjol... Sie haben mich nicht nur in meiner Ehre als Händler beleidigt und mich einem einfachen Schmuggler gleichgestellt... Nein, Sie haben auch noch die Dreistigkeit meinen Rang nicht zu respektieren.

Es ist mir egal, ob Sie zu ihrem Captain Charly oder Darling sagen, aber hier an Bord meines Schiffes", Monserat zischte dem Bajoraner die Worte direkt entgegen und seine Augen waren nur noch schmale Schlitze, " haben Sie CAPTAIN zu mir zu sagen oder ich werde Ihrem Captain sagen, daß die Verhandlung allein durch Ihre Beleidigungen gescheitert sind."

Ohne auf Antwort zu warten, wandte er sich Martengh zu. "Bring ihn bloß hier raus. Ich will meine Ruhe. Wenn du erhebliche Probleme damit hast, meinen Entscheid zu akzeptieren, wirf ihn einfach von Bord. Ansonsten nimm dich seiner an... wie seinerzeit Cauori." Der Captain grinste ein hinterhältiges Lächeln und machte dann eine wegscheuchende Handbewegung. "Und jetzt geht."

Aus irgendeinem Grund konnte er diesen Bajoraner nicht ausstehen. Ja, er haßte ihn sogar regelrecht. Es war besser, wenn er ihn hier an Bord nicht oft zu sehen bekam...

Martengh war einerseits froh, daß Monserats Zorn nicht ihm gegolten hatte. Andererseits jedoch sollte dieser Spion in seiner Abteilung arbeiten, was ihm überhaupt nicht paßte.

Das Ganze hatte nur zwei positive Aspekte: Zum Einen konnte Martengh ihn mit Arbeit so zuschütten, daß er keine Zeit und keine Energien mehr zum Spionieren hatte.

Und zum Anderen verstand Martengh im Gegensatz zu Anjol Monserats Hinweis auf Cauori. Das Ende dieser jungen Sicherheitsbeamtin war extrem blutig gewesen. Martengh bedauerte heute noch, daß sie bei der Erfüllung ihrer Aufgabe ihr Leben gelassen hatte, aber die Aussicht Anjol ähnlich gefährliche Aufgaben zu übertragen hob seine Laune deutlich.

Obwohl er diesem Bajoraner nicht zutraute, daß er sich dermaßen für die Ivory einsetzen würde.

Monserat erhob sich, und Anjol folgte seinem Beispiel.

--- Brücke

Die Brücke war leer, so daß der Sicherheitschef die Gelegenheit hatte, mit seinem neuen Mitarbeiter unter vier Augen zu sprechen. Martengh drehte sich zu ihm um und begann:

"Mister Anjol. Für die Dauer Ihres Aufenthaltes werden Sie unter meinem Kommando in der Sicherheit arbeiten. Um vor der Mannschaft keinen Verdacht zu erwecken, werde ich Sie nicht anders behandeln als andere Mannschaftsmitglieder. Und das gilt auch für Situationen, in denen wir beide alleine und unbeobachtet sind.

Einerseits kann man sich nie sicher sein, wer einen gerade beobachtet, andererseits möchte ich nicht, daß einer von uns beiden aus der Rolle fällt. Dieses Gespräch stellt ein kalkuliertes Risiko dar, wobei der Risikofaktor sehr gering ist, weil wir erst wenige Mannschaftsmitglieder an Bord haben. Bis zum Zeitpunkt Ihres Ausscheidens ist dies das letzte Gespräch dieser Art. Von nun an werden Sie mich als Ihren unmittelbaren Vorgesetzten behandeln.

Ihr Dienst beginnt heute damit, daß Sie sich jetzt in die Mannschaftsmesse begeben, um den Rest der momentanen Besatzung kennenzulernen. Da ich bisher niemanden dorthin begleitet habe, würde es auffallen, wenn ich bei Ihnen eine Ausnahme machen würde.

Dort dürften Sie auch Shania, eine Freundin Monserats finden. Sie wird Ihnen Ihr Quartier zuteilen.

Möchten Sie unter diesen Umständen noch etwas sagen? Wenn nicht, sind wir ab sofort Vorgesetzter und Untergebener."

Martengh schaute Anjol abwartend an.

Anjol starrte dem Riesen in die Augen und überlegte, was bisher falsch gelaufen war. Sicherlich war er nicht die Höflichkeit in Person gewesen und er hatte keinen Respekt vor diesem Franzosen gehabt, aber Respekt, den mußte man sich verdienen.

Respekt war nichts, was man mit Geld oder hübschen Bildern kaufen konnte. Respekt war auch nicht der Umstand, daß man einen alten bajoranischen Frachter befehligt. Respekt war mehr als dies alles. Und bis Monserat ihm würdig erschien, würde Anjol ihm nur mit dem Verstand eines Untergebenen, aber nie aus seinem Herzen bedingungslos vertrauen.

Zumal....

War dieser Monserat ein Telepath? 'Sicher sonst hätte er ja wohl kaum meine Gedanken gewußt!', grummelte er, während Martengh immer noch auf eine Antwort wartete.

"Martengh, ich akzeptiere. Ab jetzt sind Sie mein Vorgesetzter und ich werde meine Pflicht erfüllen", schwor er schließlich und meinte es sehr ernst.

'Dieser Caldonier ist anders', überlegte er weiter, während er sich in Richtung Turbolift wandte und zu der Mannschaftsmesse aufbrach.

'Das wird sicher keine langweilige Reise werden', beschloß er seine Überlegungen und ein Lächeln zuckte auf seinen Lippen.

--- Quartier 14

"Ich wußte gar nicht, daß du hier die Empfangsdame machst. Jetzt habe ich dich von der Arbeit abgehalten. Tut mir leid", entschuldigte sich Enehy und stand auf.

"Kannst du bitte noch einen Moment warten? Ich möchte mir schnell meine Haare zusammenbinden. Sie fallen mir immer wieder ins Gesicht und das geht mir auf die Nerven."

Eilig verschwand Enehy im Badezimmer und begann sich die Haare zu zwei dicken Zöpfen zu flechten. Nachdem sie damit fertig war, warf sie noch einen prüfenden Blick in den Spiegel und streckte sich selbst die Zunge heraus.

'Jetzt sehe ich aus wie ein kleines Mädchen, aber ich habe freie Sicht.'

Fröhlich schlüpfte die Xenexianerin aus dem Badezimmer und warf sich vor Shania in Pose.

"Na? Sehe ich nicht umwerfend aus?", witzelte Enehy, nahm Shanias Hand und zog sie hinter sich aus dem Zimmer.

--- Deck 3, Gänge

Gemeinsam liefen die beiden Frauen zur Mannschaftsmesse. Ausgelassen hüpfte Enehy den Gang entlang und drehte sich um, als sie bemerkte, daß Shania ein gutes Stück zurück lag.

"Hey, komm schon, vielleicht ist ja wirklich jemand neues an Bord und wartet sehnsüchtig darauf, daß man sich seiner annimmt", ermunterte Enehy sie und lief dabei rückwärts um die Reaktion ihrer Freundin nicht zu verpassen.

Deshalb bemerkte sie auch nicht, wie ein Bajoraner aus dem Turbolift trat und als sich Enehy umdrehte, prallte sie gegen ihn.

"Oh, Verzeihung, ich habe Sie gar nicht gesehen. Hoffentlich habe ich Ihnen nicht weh getan. Sind Sie neu an Bord? Ich bin Krankenschwester hier. Mein Name ist Enehy und die große Frau, die sich gerade halb tot lacht, ist Shania. Darf ich fragen, wer Sie sind?"

--- Mannschaftsmesse, Tisch 8

"Mir ist es eigentlich gleich, wohin wir zuerst gehen. Was meinen Sie Will? Wollen wir zuerst dem Maschinenraum oder der Krankenstation einen Besuch abstatten?"

Aggascha sah den immer noch relativ deprimierten Will an. Dessen Gesicht schien sich bei dem Gedanken den Maschinenraum durchforsten zu können, doch ein wenig aufzuhellen, dabei mußte sie unwillkürlich an Williams faszinierten Ausdruck denken, als er den Roboter Charly gesehen hatte und schmunzelte leicht.

"Na ja, ich würde mir den Maschinenraum schon gerne ansehen.", antwortete William.

"Ok, dann ist es abgemacht? Erst Maschinenraum, dann Krankenstation und zuletzt die Brücke?", fragte Aggascha nochmal zur Bestätigung und sah, daß die Beiden nickten. Aggaschas Laune hob sich nun um einiges und nun war sie voller Elan.

"Wunderbar, kann es dann losgehen? Ich bin schon auf meinen zukünftigen Arbeitsplatz gespannt, hoffentlich hat meine Vorgängerin oder mein Vorgänger ordentliche Arbeit geleistet und die Krankenstation sauber gehalten. Aber ich denke, auch wenn sie total chaotisch sein wird, werden Enehy und ich das schon schaffen."

Da Soldan anscheinend sehr redselig war, dachte sie, daß er bestimmt nicht beleidigt sein würde, wenn sie ihm eingestehen würde, daß sie nichts über seine Rasse wußte, und gerne etwas über seine Kultur erzählen.

"Soldan, sagen Sie, es ist mir zwar ein wenig peinlich, aber ich denke nicht, daß ich einen Ihrer Rasse schon mal gesehen habe. Woher genau kommen Sie eigentlich? Sie sagten, Sie wären sehr weit und viel gereist?"

"Ja, das stimmt", antwortete der Wadi der Frau mit den wunderschön filigranen Körpermalen, während er sich erhob. "Ich bin schon sehr weit herumgekommen. Sie müssen wissen, daß ich aus dem Gamma-Quadranten komme.

Mein Volk war meines Wissens das Erste, das Kontakte zum Alpha-Quadranten geknüpft hat.

A propos: Diese Einteilung der Galaxie in Alpha, Beta, Gamma und Delta ist meiner Meinung nach reichlich egozentrisch. Das ist mir schon in den ersten Wochen aufgefallen, in denen ich hier war.

Naja, was soll's."

Inzwischen hatte die Gruppe fast den Ausgang erreicht.

--- Deck 3, Gänge, inzwischen

Der Bajoraner hatte gerade eine nymphomanische Computerstimme davon abgehalten, ihn zu einem Rendevouz zu drängen, als er kopfschüttelnd und noch immer an den starrsinnigen alten Franzosen denkend, gegen etwas stieß.

Wieder stieg der Ärger über diese verdammte Mission in ihm hoch, die er in den letzten paar Stunden schon so oft gespürt hatte, bis er hinab und ein unglaublich anmutiges und betörendes Gesicht vor sich sah.

Anjol mußte schlucken, während er unwillkürlich in ihre strahlenden violetten Augen schaute. Die helle Haut wurde von roten Haaren umrandet, die sie zu zwei wilden Zöpfen geflochten hatte.

Diese plötzliche, unerwartete Begegnung mit dieser vor Freude ansteckenden jungen Frau entlockte ihm unbewußt ein Lächeln. Dann erinnerte er sich an ihre Frage und stellte sich selbst vor:

"Mein Name ist Anjol und habe gerade als Sicherheitler angeheuert. Ich war gerade auf dem Weg zur Messe, als ich Ihnen begegnete." Ein Lächeln umspielte wieder seine Lippen und er war fasziniert von dem plötzlichen Wandel seiner Gefühle. Aber noch kannte er Sie nicht und schließlich wäre es flegelhaft gewesen, ihre Freundin zu ignorieren.

Und so wandte er sich an Shania: "Eigentlich habe ich Sie gesucht. Der Captain meinte, daß Sie mir ein Quartier zuteilen könnten. Aber was halten Sie beide davon, wenn wir erst in die Mannschaftsmesse gehen? Ich hätte Lust Sie beide", und er blickte in diesem Moment der Frau mit den roten Haaren in die Augen, "etwas besser kennenzulernen."

'Das ist ja mal wieder typisch Enehy', dachte Shania breit grinsend und wischte sich die Lachtränen aus den Augen. 'So wenig Leute an Bord und Enehy rennt sie schon über den Haufen und plappert sie dann gleich ganz unbedarft an.'

Die Amerikanerin gesellte sich zu den beiden und ließ ihren wachsamen Blick über beide wandern, bis er schließlich wieder an ihrer Freundin hängen blieb. "Kein Wunder, daß du Krankenschwester geworden bist, Enehy. Du scheinst ja selbst für deine zukünftigen Patienten zu sorgen."

Binnen kurzem hatte Shania das neue Mitglied der Crew eingeschätzt. Reifes Alter. Charmanter Typ Große Ausstrahlung. Shania schätzte, daß er ein sehr verantwortungsbewußter Mensch war, auf dessen Unterstützung man zählen konnte, wenn man sie brauchte. Sofort faßte sie Vertrauen zu ihm.

Außerdem schien es ihr, als hätte er gute Manieren. Anders als Croft würde er männliche Wesen nicht einfach rechtsseitlich liegen lassen. Zwar sah dieser Anjol Enehy auch tief in die Augen, aber anders als Croft. Der Bajoraner schien nicht zu taxieren, sondern ehrlich zu bewundern. Jedenfalls sah er Enehy eingehender an, als Shania selbst. Und die violetten Augen waren ja auch durchaus bewundernswert...

Plötzlich kam Shania ein Gedanke und sie wandte sich wieder an Anjol. "Auch ich schätze ein angenehmes Arbeitsklima. Sie können ruhig Du zu mir sagen, wenn Sie möchten, schließlich werden wir uns hier noch öfter über den Weg laufen und ich bin hier ziemlich überall im Einsatz." Sie lächelte freundlich. "Enehy und ich wollten ohnehin gerade in die Mannschaftsmesse gehen. Vielleicht wartet ja noch jemand auf sein Quartier. Apropo Quartier: Ich gebe Ihnen Quartier 15."

Wieder lächelte Shania, aber diesmal etwas hintergründig. 'Es geht doch nichts über einen natürlichen Schutzwall...'

"Dann auf in die Mannschaftsmesse", murmelte sie mehr zu sich selbst, als zu den beiden anderen.

--- vor dem Eingang der Mannschaftsmesse

Die Amerikanerin hörte von drinnen monotones Geplapper, als hätte Charly wieder ein neues Opfer gefunden. Unwillkürlich schüttelte sie den Kopf. Nein, so schlimm war selbst Charly nicht. Es schien als würde jemand irgendwelche Daten bei einem Computer abfragen, die scheinbar in großer Menge vorhanden waren.

Sie trat auf die Tür zu, die sich zischend öffnete und betrat die Mannschaftsmesse...

Eigentlich hatte sie nur vor gehabt sie zu betreten und rannte dabei gegen eine Mauer aus Stein. Für einen Augenblick hatte sie das Gefühl, daß die Mauer sie umgerannt hatte, dann gingen die Lichter aus.

Enehy die direkt hinter Shania ging, beobachtete erschrocken wie diese gegen einen recht kräftig gebauten Mann prallte. Normalerweise wäre diese Situation für Enehy der Anlaß für einen Lachanfall gewesen, aber als sie sah, daß ihre Freundin das Bewußtsein verlor, bekam sie Angst.

'Bitte, laß ihr nichts Schlimmes passiert sein', dachte Enehy, kniete sich neben Shania und fühlte nach ihrem Puls.

Dieser war absolut normal und Enehy atmete erleichtert auf. Schnell schlüpfte sie aus ihrer Bluse, faltete sie zu einer Rolle zusammen und legte sie Shania vorsichtig unter den Kopf. Dann griff sie nach der Hand ihrer Freundin und strich ihr sanft über das Gesicht.

"Warum hast du auch nicht nach vorne geschaut?", fragte die junge Frau bekümmert und seufzte leise. "Es reicht doch vollkommen, wenn ich die Leute auf dem Schiff umrenne. Du mußt mir doch nichts nachmachen..."

Bittend sah sie den Bajoraner an und hoffte auf seine Hilfe.

--- Mannschaftsmesse, vor der Tür, zur gleichen Zeit

Soldan fuhr fort: "Sie wollten etwas über mein Volk wissen.

Wir, das heißt die Wadi, sind ein sehr friedfertiges Volk. Bei uns haben Spiele aller Art einen ganz anderen Stellenwert als hier. Ehrlich gesagt, ist aus meiner Sicht der gesamte Alpha-Quadrant in spielerischer Hinsicht eine Wüste.

Das ist sehr schade, denn ich bin eigentlich gekommen, um die hiesigen Spiele zu importieren. Nur leider bin ich wohl mit etwas zu hohen Erwartungen hierher gekommen. Aber vielleicht können Sie mir ja anspruchsvollere Spiele zeigen, die..."

In diesem Moment öffnete sich die Tür ...

... und in eine dunkelblonde Frau prallte frontal gegen ihn. Da sie einen knappen Kopf größer war als er, schlug er mit seiner Stirn genau gegen ihr Kinn, woraufhin sie elegant zu Boden sank.

Soldan verstummte spontan und wunderte sich über das Dröhnen in seinem Schädel.

Dann fehlten ihm ein paar Momente in seiner Erinnerung. Das nächste, was er sah, war eine wenig bekleidete Frau, auf deren Rücken eine auffällige Narbe zu sehen war. Offenbar sprach sie gerade mit einem großen Mann, den Soldan aber nicht kannte.

--- vor dem Eingang der Mannschaftsmesse, inzwischen

Erst jetzt fiel Enehy auf, daß das Opfer ihrer "Rempelattacke" immer noch da war und besorgt das Geschehen beobachtete.

"Entschuldigung, Mister Anjol. Anjol ist doch richtig oder? Könnten Sie mir bitte ein nasses, kaltes Tuch replizieren? Ich denke, daß ein Hypospray übertrieben wäre und möchte Shania ungern allein lassen. Bestimmt kommt sie wieder zu sich, wenn ich ihr das Tuch auf die Stirn lege."

--- Mannschaftsmesse, vor der Tür

Der Wadi schüttelte die herumfliegenden Gedanken in seinem Kopf an ihren Platz zurück.

'Und ich dachte, das Schiff bräuchte kaum eine Besatzung. Blödsinn! Offenbar wimmelt es hier von Leuten. Muß doch ein größeres Schiff sein. Ohhh, mein Kopf...'

Zu den unbekannten Mann sagte er: "Mister, bringen Sie mir bitte auch ein kaltes Tuch mit? Mein Schädel scheint zwar härter, als das Kinn dieser Frau zu sein, aber aus Duranium ist er nicht..."

--- Mannschaftsmesse

Nickend lief Anjol in die Mannschaftsmesse; in der Hoffnung hier einen Replikator zu finden. Nach einer Sekunde entdeckte er das in eine Wand eingelassene Gerät und spurtete in dessen Richtung. Auf dem Weg fielen ihm einige Crewmitglieder auf, aber es blieb ihm keine Zeit sich deren Gesichter einzuprägen.

Statt dessen erreichte er endlich den Replikator und wies diesen an, einen mit kaltem Wasser getränkten Lappen und ein Kissen zu replizieren. Anjol hoffte innig, daß der Nahrungsreplikator dies schaffte und blickte erwartungsvoll in das Ausgabefach. Die Sekunden vergingen und er wollte schon weglaufen, um ein anderes Gerät zu suchen, als das Gewünschte erschien.

Während einige interessierte Blicke auf ihm lagen, sprintete er zurück Richtung Ausgang und hätte beinahe einen Tisch umgerannt.

--- Mannschaftsmesse, Eingang

Schließlich erreichte er aber doch das offene Schott und reichte der aufblickenden Enehy erst den Lappen, den sie sofort ihrer Freundin vorsichtig auf die Stirn legte, und schob dann das Kissen unter Shanias Kopf.

Sorgfältig schüttelte er die Bluse aus und lächelte Enehy an: "Sie fangen noch an zu frieren!", erklärte er besorgt, während er ihr wieder in ihr Oberteil half.

"Vielen Dank, Mister. Das ist wirklich sehr aufmerksam von Ihnen", sagte Enehy und schloß sie Knöpfe an ihrer Bluse wieder.

Besorgt warf sie einen Blick auf ihre Freundin und schüttelte den Kopf.

"Ts, macht sich in einem Moment noch lustig über mich und im nächsten rennt sie selbst gegen die nächste Person, die ihr entgegenkommt. Wenn Shania wieder wach wird, hat sie bestimmt fürchterliche Kopfschmerzen. Aber das ist nichts, was man nicht hinbekommt. Nochmal Danke, daß Sie mir geholfen haben. Sind Sie immer so hilfsbereit?"

'Enehy, du stellst vielleicht dumme Fragen... Was hätte er denn sonst machen sollen? Einfach weglaufen? Schließlich sollen wir doch alle zusammen arbeiten. Das wäre ziemlich dumm, wenn man dann keine Hilfe anbietet.'

Lächelnd sah sie den Bajoraner an und musterte ihn unauffällig.

'Sieht nett aus und hat sehr gute Manieren der Mann. Vielleicht können wir ja Freunde werden.'

"Wissen Sie eigentlich, daß Sie das Quartier neben mir haben?", versuchte Enehy ein Gespräch in Gang zu bekommen, als Sie sah, daß sich um Shania gekümmert wurde.

Diese Aussicht erfreute Anjol sehr und er fügte ein leichtes Lächeln seiner Bemerkung hinzu: "Ich bin erfreut, dies zu hören. Einige der Crewmitglieder scheinen ja nicht gerade die besten Zeitgenossen zu sein und mit einer so freundlichen Person, wie Sie es sind, wird diese Reise sicher sehr angenehm."

Während Anjol in die Augen seiner neuen Bekannten schaute, erinnerte er sich an das andere Opfer dieses Unfalls und dessen Bitte einen Lappen für ihn zu besorgen. Mit einem entschuldigendem Nicken, wandte er sich wieder Richtung Replikator und fügte bedauernd hinzu: "Ich habe noch ein Versprechen einzulösen!"

"Wir können uns ja nachher weiter unterhalten", schlug Enehy vor und kniete sich wieder neben ihre Freundin.

--- Mannschaftsmesse; Replikator

Diesmal sprintete er zwar nicht so wie beim ersten Mal, aber der Bajoraner kam doch recht schnell an dem silbernen Gerät zum Stehen und orderte abermals einen mit Wasser getränkten Lappen. Dann drehte er sich und durchsuchte den Raum nach dem gräulich aussehendem Mann mit der angeschwollenen Stirn.

Endlich entdeckte Anjol, daß der Fremde sich mittlerweile wieder auf einen Stuhl nahe dem Eingang gesetzt hatte, und offenbar in einem gewaltigen Redeschwall mit einigen anderen Personen steckte.

Anjol machte sich Vorwürfe, daß er die Bitte des Fremden nicht gleich beantwortet hatte, aber wie durch ein Wunder kam ihm der Wunsch erst wieder in den Sinn, als er wieder bei Enehy stand. 'Merkwürdig, als wenn mein Gedächtnis einen Aussetzer gehabt hätte', grübelte er, während er sich dem Tisch näherte, an dem Soldan saß.

--- Mannschaftsmesse; Tisch 5

Wortlos reichte Anjol ihm den Lappen und dieser preßte ihn schnell gegen seinen Kopf. Dann rang er sich doch durch seine Schuld einzugestehen und fügte hinzu: "Es tut mir sehr leid, daß ich Ihre Bitte erst jetzt berücksichtige, aber Ladies first, wie man bei den Terranern so sagt."

Ein Hüsteln beendete seine Entschuldigung und Anjol musterte die umherstehenden Personen unauffällig. Sofort identifizierte er die beiden Menschen und grummelte leicht in sich hinein. Die meisten dieser Spezies beherrschten es perfekt, Ärger zu erzeugen. Die Frau, die den Lappen an die Stirn des Fremdens hielt, war offenbar eine Trill, da sie das typische Muster besaß.

Plötzlich fiel Anjol auf, daß er sich noch gar nicht vorgestellt hatte. Etwas zu hektisch füge er deshalb hinzu: "Ich heiße übrigens Anjol und habe gerade angeheuert. Mit wem habe ich das Vergnügen?"

--- Mannschaftsmesse, Eingang

Vorsichtig wischte Enehy Shania erneut mit dem feuchten Tuch über die Stirn und endlich kam Shania wieder zu Bewußtsein.

"Hey, hallo Schlafmütze. Du hast dir den Kopf ganz schön angeschlagen. Aber sonst ist dir nichts passiert. Du hast mir vielleicht einen Schrecken eingejagt."

Langsam half Enehy der großen Frau auf und dirigierte sie zu einem Platz in der Nähe.

--- Mannschaftsmesse, Tisch 4

"Geht es dir auch gut, Shan?"

Shania war im ersten Moment ihres Erwachens ein wenig benommen gewesen und hatte sich von Enehy wortlos an einen Tisch setzen lassen, während sie das kalte Tuch automatisch an ihre Stirn preßte. Nun aber wurde sie langsam wieder Herr ihrer Sinne und Enehys Frage, klang in ihrem Kopf nach.

Ihre erste Reaktion darauf war aber wohl nicht die von Enehy erwartete: "Nenn mich nie wieder Shan. Mein Name kommt von meiner Urgroßmutter und bedeutet etwas ganz Besonderes."

Noch immer drehte sich alles um Shania und sie schüttelte benommen den Kopf. Es dauerte ein wenig, bis sie wieder wußte, was geschehen war und wie sie hierher kam.

"Entschuldige bitte, das konnte ich ja nicht wissen", murmelte Enehy bedrückt und rutschte unbehaglich auf ihrem Platz hin und her.

'Deswegen muß sie mich ja nicht gleich so anfahren. Na, dann lasse ich sie für einen Moment in Ruhe. Kann ja auch an dem K.O. liegen, daß sie so komisch ist.'

"Was zum Teufel hat mich da nur getroffen!", fragte die Amerikanerin und gleich darauf stöhnte sie auf, da es ihrem Zustand nicht gerade dienlich war so laut zu sein.

--- Mannschaftsmesse, Tisch 5

"Ich", antwortete Soldan, während er das feuchte Tuch immer noch gegen seinen Schädel preßte. Er war der Gruppe zurück zum Tisch gefolgt und wunderte sich, warum die Frau, die sich als Ärztin vorgestellt hatte, bei diesem Unfall so teilnahmslos geblieben war.

"Soldan Akboradon ist mein Name. Ich bin der neue Steuermann hier an Bord. Eigentlich wollte ich ja nur in die Mannschaftsmesse um eine gewisse Shania zu treffen, die mir meine Kabine zuteilen sollte.

Aber die habe ich nicht angetroffen, und deshalb hatten wir beschlossen, bis zu ihrer Rückkehr einen kleinen Rundgang durch das Schiff zu unternehmen. Schließlich kennen wir alle unsere Arbeitsplätze noch nicht.

Und in dem Moment, wo wir die Mannschaftsmesse verlassen wollten..." - er hielt sich den Kopf - "...aber ich denke, den Rest kennen Sie."

Als der Wadi gerade fortfahren wollte, öffnete sich die Tür wieder und ein ... DING ... rollte in die Mannschaftsmesse. Soldan wunderte sich, warum die Frau am Tisch gerade noch lauter stöhnte, schob diese Tatsache aber auf ihre Kopfschmerzen.

Das hereinrollende Ding blinkte rot, glänzte metallisch, besaß einige offenbar ausfahrbare Arme und war etwa zwei Köpfe kleiner als Soldan.

Es war ihm auf Anhieb unsympathisch.

--- Mannschaftsmesse, Tisch 4

Shania sah den Mann mit der blauen Zeichnung auf der Stirn, der am Nebentisch saß und sie angesprochen hatte, verwundert an. Bis sie die Zusammenhänge erfaßte und sich ebenfalls das nasse Tuch fest gegen die Stirn pressend erwiderte: "Doch, Sie haben Shania getroffen. Und wiiie..."

Schmerzlich stöhnte Shania auf, da ihr Kopf noch immer brummte. Das Kinn schmerzte sie noch immer, aber noch viel schlimmer waren die heftigen Kopfschmerzen. Besonders ärgerlich fand sie, daß die Ärztin sich scheinbar lieber um Männer kümmerte, als um ohnmächtige Frauen. "Sie haben sie mit Ihrem eisernen Schädel getroffen. - Ein Wunder, falls ich mich jetzt überhaupt daran erinnern kann, welche Quartiere noch frei sind", murmelte sie seufzend.

Dann wurde sie sich wieder der Anwesenheit Charlys bewußt, der scheinbar keine Notiz davon nahm, daß sie im Moment keine Zeit für ihn hatte und direkt Kurs auf sie nahm. Geschickt konterte sie seinen Versuch einen Gesprächspartner zu finden erneut.

"Ach ja, Charly, wenn ich vorstellen darf, das ist Anjol, unser neuer Mann in der Sicherheit und das ist Soldan Akboradon, der Mann, der künftig das Schiff steuern wird. Mach dich schon mal mit den beiden bekannt, ich weiß doch welche Vorliebe du für Leute in der Sicherheit entwickelt hast und wie interessant du die Steuerung der Ivory findest..."

Mit einem genugtuenden Lächeln lehnte sie sich in ihm Sitz zurück, während Charly weiterrollerte.

'Gott, scheint mich doch zu mögen', dachte Shania erleichtert.

Unschlüssig was sie als Nächstes tun sollte, ließ Enehy ihren Blick durch die Messe schweifen und beobachtete das Geschehen ringsherum. Dabei ertappte sie sich mehrmals dabei, wie sie den Bajoraner anstarrte.

'Enehy hör auf, das ist unhöflich. Du hast doch Manieren. Starre den armen Mann nicht so an. Das wird ja peinlich.'

Krampfhaft wendete sie den Blick ab und zwang sich Shania anzusehen. "Was macht dein Kopf? Tut er noch weh? Soll ich dir ein Hypospray geben?"

Wieder erwischte sich Enehy dabei wie sie Anjol beobachtete und schüttelte heftig den Kopf.

'Jetzt hör doch auf endlich auf damit. Der Mann ist nett und sieht passabel aus, aber das ist kein Grund ihn anzuschmachten.'

"Wenn du nichts anderes, gegen diese heftigen Kopfschmerzen hast, dann gib mir halt ein Hypospray, Enehy... Enehy? Sag mal, wo siehst du denn so angespannt hin?"

Die große Frau folgte ihrem Blick und stellte fest, daß er nicht dem sitzenden Rammblock galt, sondern dem Bajoraner. "Dein neuer Quartiernachbar scheint dir ja sehr zu gefallen... könntest du mir jetzt trotzdem etwas gegen die Kopfschmerzen geben? - Sonst frag ich ihn, ob er sich nicht heute mit dir treffen möchte..."

Shania gelang sogar ein freches Lächeln.

--- Mannschaftsmesse, Tisch 5

Merced hatte etwas fassungslos den Unfall beobachtet und sich gefragt, wie so etwas geschehen konnte, wo er doch selbst festgestellt hatte, daß das Schiff noch so gut wie ausgestorben war. Nicht mal dieser Croft war noch von seinem Quartier zurückgekehrt. Es schien nur einen einzigen zu geben, den er hier noch nicht kannte und dieser jemand hatte sich höflich bei ihnen vorgestellt, also sah Merced es als seine Pflicht an sich ihm vorzustellen. Aber ebenfalls Ladies first.

"Freut mich Sie kennenzulernen. Die Dame mit den heilenden Händen an meiner Seite ist unsere Bordärztin Aggascha Sharan. Und ich bin William Merced. Ingenieur." Mit einem etwas unglücklichen Gesicht sah er den Bajoraner an.

"Eigentlich wollten wir gerade zum Maschinenraum gehen, damit ich mir meinen neuen Arbeitsplatz ansehen kann. Das ist meist eines der ersten Dinge, die ich an Bord eines Schiffes tue. Aber wie es aussieht wird nichts daraus. Am Besten, ich sehe ihn mir einfach mal an und komm dann wieder hierher, wenn es ihnen nichts ausmacht. Oder möchte jemand von ihnen mitkommen?" Er blickte sich um, doch wie erwartet, hatte niemand vor ihn zu begleiten.

"Na dann, bis später." William nickte allen zu und verschwand, nachdem er sich beim Computer erkundigt hatte, wo der Maschinenraum lag, aus der Mannschaftsmesse.

Etwas irritiert von dem schnellen Abgang des Ingenieurs schaute Anjol einen Moment lang die Trill an, die aber ebenfalls ziemlich lustlos da saß und anscheinend auch nicht sehr gesprächig war. Statt dessen schaute sie dem Ingenieur etwas wehmütig nach.

'Nun, dann werde ich eben schweigen', dachte der Bajoraner, als ein kleines metallisches Wesen auf ihn zusetzte und sich nur einen Moment von dem durch das Schott gehenden Merced ablenken ließ. Kaum hatte Anjol zuende überlegt, was der Roboter wohl von ihm wolle, erreichte der Android auch schon den Tisch.

Anjol erwartete alles: Einen von dem Roboter überbrachten Rauswurf, einen Angriff, schlechte Witze, aber nicht dies: Der Roboter, der sich nach wenigen Sekunden als Charly vorgestellt hatte, begann mit einem so energischen Redefluß, daß sogar dieser Soldan aufblickte: "Wie ich hörte werden Sie - darf ich Sie Anjol nennen - in der Sicherheit anfangen. Sie müssen wissen, daß ein alter Freund von mir auch in der Sicherheit war, und so...."

Anjol hörte schon gar nicht mehr zu, als er zu Enehy herüberschaute. Shania ging es mittlerweile schon besser, aber als er Enehy in die Augen sah, drehte sie schnell ihren Kopf zur Seite.

'Sie ist wirklich wunderhübsch!', dachte Anjol lächelnd.

Dann wandte er sich wieder zu Charly, der mittlerweile immer noch redete, und brachte diesem mit der größten Überzeugungskraft, die er hatte, bei, daß er zu einem Notfall müsse.

Charly guckte ihm einen Moment scheinbar traurig hinterher, als dieser zu Tisch 4 schritt, sah dann aber schon sein nächstes Opfer: "Sie sind Soldan stimmt's? Ich habe gehört, Sie werden dieses Schiff fliegen? Wäre nicht...."

--- Mannschaftsmesse, Tisch 4

"Was? Entschuldigung, ich war mit den Gedanken woanders. Natürlich gebe ich dir ein Hypospray", antwortete Enehy abwesend und begann in ihrer Tasche herumzukramen.

Triumphierend zog sie den Zylinder hervor und verabreichte Shania das Schmerzmittel.

"Jetzt müßte es dir gleich besser gehen. Das Mittel wirkt innerhalb der nächsten 1- 2 Minuten. Es kann allerdings auch sein das du einen allergischen Schock bekommst und ins Koma fällst", witzelte die Xenexianerin und zwinkerte der großen Frau zu.

'Jetzt hat sie es doch bemerkt, so ein Mist.'

"Sag mal, war das dein Ernst, daß du ihn fragen willst, ob er sich mit mir treffen will?", fragte sie unsicher und ärgerte sich, als sie rot wurde.

Shania sah ihre Freundin etwas nachdenklich an. Sie hatte damit gerechnet, daß diese sich fürchterlich darüber aufregen würde, wenn sie solche Kuppelversuche startete. Statt dessen fand sie die Frage von Enehy schon fast ermunternd genau das zu tun, besonders, da sie auch noch anlief wie eine Tomate.

Da die große Amerikanerin sich immer ziemlich gut auf ihre Instinkte verlassen konnte, was Menschen und auch andere Rassen betraf, brauchte es nicht viel um zusammen zu zählen, daß Enehy sich wirklich für diesen Anjol interessierte. Und wenn sie nicht gerade blind war, dann war dieses Interesse auf beiden Seiten vorhanden.

Wie es der Zufall wollte, verließ Anjol den Nebentisch und schritt gradewegs auf den ihren zu. Es wirkte wie eine Flucht vor Charlys Redeflut. Dabei war es fast schon wieder auffallend, wie er versuchte seinen Blick nicht dauernd auf Enehy ruhen zu lassen. Diese warf ihm kurze verstohlene Blicke zu um nicht beim Hinsehen ertappt zu werden, bis es Shania einfach zuviel wurde.

"Gut, daß Sie hierherkommen, Anjol!", rief sie ihm zu. "Ich hab da eine Frage an Sie."

"Ja?" Er blieb neben ihrem Tisch stehen und sah sie fragend an.

"Eigentlich wollten wir drei uns ja besser kennenlernen und jetzt habe ich die ganze Stimmung kaputt gemacht. Alles nur, weil ich diesen dummen Unfall hatte. Wie wär's, wenn wir drei uns heute am Holodeck treffen würden? Da ist es nicht so sachlich wie hier in der Mannschaftsmesse." Neugierig sah sie den Bajoraner an.

Vorwurfsvoll sah Enehy Shania an und nahm sich vor sie bei der nächsten Gelegenheit zu erwürgen.

'Ich kann einfach nicht glauben, daß sie das wirklich getan hat. Na warte, das gibt Rache. Obwohl eigentlich müßte ich mich ja bedanken, denn ich hätte niemals gefragt, ob wir uns treffen wollen. Er ist aber auch süß. Ach, was soll's eigentlich? Wahrscheinlich hat er mich nicht mal richtig wahrgenommen', versuchte sich die rothaarige Frau selbst zu beruhigen und hoffte, daß man ihre Nervosität nicht zu sehr bemerkte.

"Ja, ein Treffen auf dem Holodeck wäre wirklich toll", stimmte Enehy begeistert zu.

"Wir könnten ein Picknick machen oder Schwimmen gehen oder uns alle besser kennenlernen... Es gibt so viele Möglichkeiten. Am Besten überlegt sich jeder etwas und macht dann einen Vorschlag, wenn wir da sind. Wann wollen wir uns denn treffen und soll ich etwas mitbringen?"

--- Mannschaftsmesse, Tisch 5

Während seine Kopfschmerzen abklangen, ließ sich der Wadi von den Worten des Roboters berieseln und dachte über das nach, was von den Anderen durch das Gefasel drang.

Offenbar hatte er wirklich Shania getroffen - er verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen, als er über die Doppeldeutigkeit dieser Worte nachdachte. Sie und ihre Freundin wollten sich offenbar heute abend mit dem Mann, der ihm sehr spät erst einen Lappen gebracht hatte, treffen.

Aggascha, die sehr stille Ärztin, war nach seinem Geschmack bei dem Zusammenprall etwas zu still geblieben. Eigentlich hatte er damit gerechnet, daß so jemand rein instinktiv einen Medizinkoffer aus der Hinterhand zauberte und die Verletzten versorgte. Statt dessen stand sie herum und schaute nur interessiert.

Der Wadi beschloß, sich hier möglichst ohne ihre Hilfe durchzuschlagen.

Und dieser Merced hatte sich sehr schnell verabschiedet, weil er offenbar sein Arbeitsgebiet kennenlernen wollte.

Am Liebsten hätte Soldan ebenso gehandelt, aber zwei Dinge hielten ihn davon ab. Einerseits mußte er noch Shania wegen seines Quartiers fragen, und andererseits hatte er noch immer recht schlimme Kopfschmerzen.

"...was soll ich sagen, findet unser Sicherheitschef doch tatsächlich eine Leiche! Jeder hat geglaubt, seine ewigen Vorsichtsmaßnahmen wären vollkommen überzogen, aber ..."

Drei Dinge.

Soldan begann logisch zu überlegen: Offenbar gehörte dieser Roboter auf dieses Schiff. Dann könnte er ihm sicher einige interessante Informationen geben.

Während Charlys Stimme gerade eine Pause, deren Länge wahrscheinlich auf die Mikrosekunde genau errechnet war - vielleicht aber auch nur eine Störung im internen Datenfluß darstellte, einlegte, um seiner Geschichte von der Befreiung Shanias die nötige Wirkung zu verleihen, unterbrach Soldan ihn:

"Das ist hochinteressant. Und nun würde mich nur eines interessieren: Wenn jemand hier Pilot werden soll und die Steuerung noch nie gesehen hat, was würdest du ihm raten?"

Charly schaute zunächst verwirrt, dann jedoch sehr erfreut, denn er hatte schon den Eindruck gehabt, daß dieser Wadi keinerlei Interesse an seinen Erzählungen hatte. Aber nun fragte er sogar nach Einzelheiten!

"Mister Soldan - ich darf doch Soldan sagen, ja? Wie ich schon ganz zu Anfang meiner Ausführungen erwähnte, haben die beiden Piloten der letzten Reise teilweise das Holodeck dazu benutzt, um ihre Fähigkeiten zu steigern.

Mir erzählt man so etwas ja nicht, aber ich habe einmal die Schalttafeln der Holodecks geputzt, und da habe ich - ganz zufällig natürlich - einen kleinen Einblick in die vorhandenen Holoprogramme bekommen. In einem Programm wird die gesamte Ivory simuliert, und..."

Soldan wußte es nicht, aber er eignete sich bereits genau die richtige Verhaltensweise an, um mit Charly fertig zu werden. Er unterbrach ihn abermals.

"... und du putzt also die Schalttafeln der Holodecks?"

"Ja, Sir, aber ich putze alles Mögliche hier. Hauptsächlich die Schätze des Captains. Aber ich nehme auch schon mal andere Aufträge an, weil ..."

"Gut", fuhr Soldan erneut dazwischen. "Dann kannst du ja schon einmal die Holodecks säubern. Wenn ich das richtig verstanden habe, gibt es hier an Bord mehrere? Heute Abend treffen sich ein paar Leute auf einem davon, und sie bevorzugen blitzblank geputzte Örtlichkeiten.

Ich übrigens ebenfalls, und ich werde heute ebenfalls eines dieser Decks benutzen. Also: Halt dich ran. Ich möchte kein Stäubchen sehen."

Charlys Kopf ruckte ein wenig, und noch ehe er reagieren konnte, verbuchte der Wadi im Stillen seinen ersten Sieg auf der Ivory. Er ging gleich weiter zum Angriff über. Zu Shania gewandt sagte er:

"Geht es Ihnen besser? Eigentlich bin ich ja nur hier gewesen, weil Sie mir sagen sollten, wo ich wohnen kann. Bitte möglichst eine ruhige Kabine mit Bad, Dusche und Seeblick."

Hach, eigentlich war heute ein richtig schöner Tag.

--- Mannschaftsmesse, Tisch 4, inzwischen

"Also Schwimmen hört sich ganz fantastisch an", warf Anjol ohne jedes Zögern ein. Es gefiel ihm, daß er abseits der unsportlichen Starfleet Offiziere auch mal jemanden traf, der seine Vorlieben teilte.

"Ein Picknick können wir ja direkt anschließen. Und um das Kennenlernen brauchen wir uns dann sicher keine Gedanken mehr zu machen", fügte er lächelnd hinzu.

Fragend schaute er die beiden Frauen an, die ihm gegenüber saßen. Enehys Augen waren wirklich faszinierend, aber im tiefsten Inneren sah er auch so etwas wie Traurigkeit.

'Hmmm, ich werde sie vielleicht irgendwann darauf ansprechen', nahm er sich vor.

Shania wollte gerade etwas sagen, als sie von Soldan darin gestört wurde. Dieser erinnerte sie daran, daß sie eigentlich verabsäumt hatte ihm ein Quartier zuzuweisen. Außerdem vernachlässigte sie ihre Pflicht sich mit allen bekannt zu machen, um es ihnen später zu erleichtern sie um Hilfe zu bitten.

Die Amerikanerin wollte ihm schon sagen, welches Quartier er beziehen konnte, als sie merkte, daß Anjol und Enehy sich ziemlich tiefe Blicke zuwarfen und Enehys Wangen dabei zart gerötet waren. Anscheinend kamen die beiden auch glänzend ohne sie zurecht.

Deshalb erhob sie sich einfach: "Wenn ihr mich entschuldigt, ich hab noch zu tun." Dann nickte sie den beiden zu und setzte sich an den Nebentisch zu Soldan.

"Klar, kein Problem wir wollen dich ja nicht von deiner Arbeit abhalten. Anjol und ich werden uns schon irgendwie beschäftigen", antwortete Enehy und wandte sich dann schulterzuckend wieder dem Bajoraner zu.

--- Mannschaftsmesse, Tisch 5

Shania schüttelte ihre prächtige Lockenmähne und lächelte den Wadi dann spitzbübisch an: "Ich muß sagen, Sie haben einen umwerfenden Eindruck auf mich gemacht. - Legen Sie sich immer so ins Zeug, wenn Sie auf der Suche nach einer Frau sind?"

Aggascha sah die große Frau nachdenklich an und seufzte dann leise. Anscheinend konnte diese Shania es nicht lassen, die männlichen Neulinge mit solchen schlüpfrigen Zweideutigkeiten zu begrüßen. Lediglich Croft hatte sie verschont, was darauf hindeutete, daß sie bei ihm wohl eine eindeutige Antwort erwartet hatte.

Die letzten Minuten hatten sie gestört. Sie war unkonzentriert gewesen. Bevor sie einen klaren Gedanken gefaßt hatte um zu helfen, war schon längst alles erledigt gewesen. Sie fragte sich, woran das liegen mochte, das war doch sonst nicht ihre Art.

Anscheinend war die Aufregung in der letzten Zeit etwas zuviel für sie gewesen und sie beschloß sich in ihrem Quartier etwas hinzulegen. Mit einem Nicken entschuldigte sie sich bei den anderen und verließ die Messe.

Flirten war eines der wenigen Spiele, die auf Tergion, Soldans Heimatplateten, unbekannt waren, und ihm trotzdem sehr reizvoll erschienen. In der langen Zeit, die er schon im Alpha-Quadrant verbrachte, hatte er einige Gelegenheit gehabt, die Regeln dieses Spieles zu erlernen und einiges Geschick bei dessen Ausführung zu beweisen.

Da dieses Spiel hierzulande mehr intuitiv gespielt wurde, hatte Soldan sich die Mühe gemacht, die verschiedenen Spielzüge zu katalogisieren. Demnach begann diese Shania das Spiel gerade mit der offenen Peak-Variante, verfeinert durch ein bezauberndes Lächeln.

Soldan konterte mit der Standard-Soldan-Übertreibungsvariante. Bisher hatte er damit am meisten Erfolg.

"Nur, wenn ich mir sicher bin, daß sich der Einsatz auch lohnt. Und wenn eine Frau einen so interessanten Namen wie Sie hat ... wissen Sie, was Shania in meiner Sprache bedeutet? Ich werde es Ihnen sagen. Er bedeutet: Der erste Sonnenstrahl, der nach einem verregneten Wochenende den grauen Himmel erleuchtet..."

Soldan lächelte sanft, weil er sich sicher sein konnte, daß niemand die Feinheiten seiner Sprache kannte. Und welche Frau würde so etwas schon nachprüfen...

--- Quartier 19

Kaum hatte sie sich in ihrem neuen Quartier aufs Bett gesetzt meldete Dr. Sharans Terminal auch schon eine eingehende Verbindung. Neugierig nahm sie diese entgegen.

Sie kam von DS4, von einem Mann mittleren Alters.

"Mein Name ist Dr. Kilroy. Ich bin einer der Ärzte auf DS4..."

--- Mannschaftsmesse, Tisch 4

"Also haben wir uns ja schon etwas vorgenommen für später. Aber zuerst möchte ich Sie an Ihre Einstandsuntersuchung erinnern. Die ist mir wichtig. Ich kann unvollständige Krankenkarteien nicht leiden. Von mir aus könnte ich Ihnen erst Ihr Quartier zeigen. Es ist ja direkt neben meinem und dann gehen wir zusammen auf die Krankenstation. Was meinen Sie?" Abwartend beobachtete die Xenexianerin den Bajoraner.

'Der Mann gefällt mir. Scheint nett zu sein. Vielleicht können wir ja Freunde werden', hoffte Enehy und sah Anjol mit schiefgelegtem Kopf an.

Der Bajoraner überlegte nicht lange und antwortete mit zufriedener Stimme: "Das hört sich gut an. Mein Zimmer wollte ich mir eh ansehen und mit einer so netten Krankenschwester kann ich sicher auch die Untersuchung schnell hinter mich bringen."

Enehys Zöpfe flogen durch die Luft, als die beiden aufstanden und sich für ihren Spaziergang bereitmachten. Aus den Augenwinkeln sah Anjol, wie Shania Enehy zuzwinkerte und grinste.

Leise seufzte Anjol: 'Bin ich das Opfer einer Verschwörung geworden?'

"Oh du meine Güte", seufzte Enehy und schüttelte den Kopf.

"Ich kenne Shania erst seit heute und anscheinend macht sie sich ein völlig falsches Bild von mir. Bestimmt denkt sie, daß ich mich an Sie heranmache. Dabei möchte ich doch nur nett sein und meine Kollegen besser kennenlernen. Es ist doch wichtig, daß man sich an Bord eines Raumschiffs dieser Größe gut versteht. Schließlich möchte ich nicht damit beschäftigt sein, den lieben langen Tag meinen Kollegen aus dem Weg zu gehen, weil ich nicht mit ihnen auskomme."

'Hoffentlich fällt ihm nicht auf, daß ich mich ein bißchen für ihn interessiere.' Lächelnd sah sie Anjol in die Augen und hakte sich dann wie selbstverständlich unter.

"Dann wollen wir mal losgehen. Ich bin gespannt, was Sie zu Ihrem Quartier sagen werden."

--- Quartier 19, einige Minuten später

Die Verbindung hatte nicht sehr lange gedauert und ihre Koffer waren auch sehr schnell gepackt. Am Längsten hatte es noch gedauert, ausfindig zu machen, daß Charly ihre Koffer bis zur Andockschleuse 3 bringen konnte. Von dort wurde sie dann abgeholt.

Doch bevor sie zum Captain ging um ihm ihren Entschluß mitzuteilen, setzte sie eine kurze Nachricht für Merced auf. Er hatte es nicht verdient, im Unklaren gelassen zu werden und es war nicht ihre Art sich sang- und klanglos aus dem Staub zu machen.

Danach machte sie sich auf den Weg zum Captain, während Charly ihre Sachen zur Schleuse brachte.

--- Brücke

Mit einem leichten unbehaglichen Zögern betrat sie die Brücke. Sie war leer. Der Captain hatte ihr geantwortet, daß er sich in seinem Bereitschaftsraum befand und sie einfach durchgehen konnte. Zwar fand sie das Verhalten etwas seltsam, da sie eine leer Brücke nicht gewöhnt war, trotzdem zögerte sie nicht lange und kam seiner Aufforderung nach.

--- Bereitschaftsraum des Captain

"Worum handelt es sich, daß Sie mich so dringend sprechen möchten?", fragte der Captain und legte seine Fingerspitzen an einander. "Sie werden doch nicht jetzt schon ein Problem hier an Bord haben." Nachdenklich sah er sie an.

"Ja. Äh... nein", meinte sie nach kurzem Zögern. Dann beeilte sie sich der nächsten Frage Monserats zuvorzukommen. "Ja, ich habe ein Problem. Nein, es ist nicht hier an Bord." Gespannt sah sie den Captain an, doch der machte nur eine einladende Handbewegung vorzufahren.

"Meine Freundin Anna hatte einen Unfall. Sie läßt sich aber nicht behandeln und schickt alle Ärzte zum Teufel. Sie braucht mich jetzt. Ich bin Ärztin und ihre Freundin und ich kann sie nicht..."

"Sparen Sie sich Ihren Atem und meine kostbare Zeit. Gehen Sie nur und lassen Sie sich nicht aufhalten. Wir finden schon Ersatz für Sie", meinte der Captain und sah zu wie die Trill mit einem dankbaren Lächeln auf den Lippen hastig seinen Raum verließ.

Für einen Moment war er ärgerlich, daß nun schon der zweite seiner Mannschaft noch vor Beginn der Reise unter irgendeinem Vorwand wieder von Bord ging, andererseits...

"Wer braucht schon eine Ärztin, wenn er eine Krankenschwester an Bord hat?" Zufrieden lächelnd lehnte sich der Captain zurück und peilte über den Daumen wieviel er sich damit erspart hatte.

--- Deck 3, Gänge

"Wissen Sie, Sie sind mir gleich aufgefallen, nachdem ich Sie umgerannt habe", erzählte Enehy auf dem Weg zu Anjols Quartier gut gelaunt.

"Ich habe noch nicht viele Leute außerhalb von Xenex kennengelernt und einen Bajoraner schon gar nicht. Ich interessiere mich sehr für die Kultur und Geschichte Ihrer Rasse und würde mich freuen, wenn Sie mir bei Gelegenheit etwas darüber erzählen könnten. Natürlich nur wenn das nicht zuviel Mühe macht. Wer weiß, vielleicht ersticken wir ja demnächst schon in Arbeit. Allerdings würde mich das nicht gerade freuen, denn eine gesunde Besatzung ist mir 1000 mal lieber, als 1 Kranker an Bord.

Schrecklich jetzt rede ich soviel, daß Sie gar nicht mehr zu Wort gekommen sind. Entschuldigen Sie bitte, ich bin ziemlich mitteilsam und es kommt mir zugute, wenn ich Patienten behandele. Mit meinem Gerede kann ich Sie dann wenigstens für eine kurze Zeit von Ihren Schmerzen ablenken. Sehen Sie die Tür da vorne? Das ist Ihr Zimmer. Die Nummer 15. Ich wohne ja wie gesagt direkt nebenan, in der Nummer 14."

--- vor Quartier 15

Enehy blieb neben der Eingangstür zu Anjols Quartier stehen und gab seinen Arm wieder frei.

"Am Besten lasse ich Sie jetzt in Ruhe Ihr Zimmer einrichten. Schließlich will ich Ihnen ja nicht im Weg herumstehen und auf die Nerven fallen. Wann kommen Sie denn ungefähr auf die Krankenstation? Dann kann ich mich .. ähm ich meine die Untersuchungsunterlagen schon mal vorbereiten", verbesserte sich die Xenexianerin hastig und spürte wie ihr das Blut in die Wangen schoß.

Schnell senkte sie den Kopf und hoffte, daß der Bajoraner es nicht bemerkte.

'Nein, wie peinlich. Das war eine Glanzleistung. Ich benehme mich einfach schrecklich. Gut, daß Shania das nicht gehört hat, sonst würde sie mit einem Lachkrampf auf dem Boden liegen. Was denkt Anjol jetzt bloß von mir?'

Verwundert sah Anjol die Rötung von Enehys Haut. Hatte er etwas verpaßt? Dann kam "es" ihm wieder in den Sinn. 'Vielleicht spürt sie es ja auch', grübelte er vor sich hin und beschloß ihr etwas Zeit zu geben, um sich von diesem, für sie wohl so beschämenden, Versprecher zu erholen.

"Ja, ich denke, ich richte mein Quartier erst einmal ein. Viel habe ich zwar nicht mitgenommen, aber...", der Bajoraner stockte einen Moment, "...vielleicht könnten Sie mir später noch etwas dabei helfen. Dann könnte ich Ihnen auch mehr über uns Bajoraner erzählen."

Lächelnd sah er Enehy in das immer noch rote Gesicht und versuchte ein Gefühl zu erkennen. Scheinbar war sie dankbar für diese Erholungsphase, aber auch etwas enttäuscht.

'Nun, ich bin kein Telepath', tröstete er sich und sprach weiter: "Was halten Sie also davon, wenn ich nach meinem Versuch das Zimmer einzurichten auf der Krankenstation vorbeikomme? Bevor wir das Holodeck heute Abend aufsuchen ist sicherlich noch Zeit für eine Beratung in Sachen Einrichtung und ein Gespräch." Neugierig wartete er auf eine Antwort auf seinen relativ schwammigen Vorschlag.

'Er will mich sicherlich los werden', dachte Enehy enttäuscht.

'Wahrscheinlich habe ich zuviel geredet und er ist froh, wenn ich weg bin. Wir haben ja noch nicht einmal eine Uhrzeit ausgemacht für heute Abend. Irgendwie habe ich auch das Gefühl, daß er nicht auf der Krankenstation auftaucht. Warum mache ich mir eigentlich einen Kopf darum? Ist doch sowieso nur ein Mann. Zwar ein sehr attraktiver, aber auch nur einer von denen.' Gleichmütig zuckte Enehy mit den Schultern und vermied es bewußt Anjol in die Augen zu sehen.

"Kommen Sie einfach vorbei, wenn Sie soweit sind. Was Ihr Quartier betrifft, kann ich allerdings auch keine Tips geben. Da müßten Sie sich an Shania wenden. Mir hat Sie auch ein paar gute Vorschläge gemacht. Ach und falls Sie keine Lust haben mit mir und Shania wegzugehen, dann sagen Sie das bitte. Es scheint, daß Sie nicht unbedingt auf ein Treffen brennen. Ich möchte Sie nur ungern mit meiner Anwesenheit langweilen."

'Gut, dem hast Du es gegeben.'

"Wenn Sie mich dann entschuldigen würden. Ich werde jetzt an meinen Arbeitsplatz gehen. Einen schönen Tag noch." Hastig drehte sich die junge Frau um und machte sich beinahe fluchtartig auf den Weg zur Krankenstation.

--- Mannschaftsmesse, Tisch 5, inzwischen

Shania schaute den neuen Steuermann der Ivory etwas verwundert an. Allmählich begriff sie, daß sie doch nicht wie vermutet einen Mensch mit einem etwas ungewöhnlichen Geschmack für Make-up vor sich hatte, sondern eine ihr völlig unbekannte Rasse.

"Ich weiß ja nicht wo Sie herkommen, aber in meiner Heimat würde man Ihre Bezeichnung für meinen Namen eher als bodenlose Übertreibung auslegen und denken, daß Sie mit Ihrem Einsatz, wie Sie es nennen, auch mit allem Mitteln einen lohnenden Gewinn erzielen möchten." Die große Amerikanerin grinste den kleineren pummeligen Mann an.

"Ich kenne zwar nicht Leute Ihrer Rasse, aber ich kann doch sagen, daß ich die Männer ein wenig kenne. Und da scheint Ihre Rasse den anderen in auffälliger Weise zu ähneln. Lassen Sie sich gesagt sein, daß Sie mit dieser Masche nur unschuldige Mädchen zum Erröten bringen werden. Frauen wie ich, die stehen mehr auf Taten, als auf bloße Worte."

Für einen Moment dachte Shania nach wie sie am Besten ihr Vorhaben in die Tat umsetzen konnte, dann kam ihr ein Gedanke.

"Wenn Sie das schon als eine Art Spielchen betrachten, wie halten Sie es denn dann mit echten?" Sie zwinkerte ihm zu und lehnte sich dann entspannt zurück. "Wie sieht es denn auf der sportlichen Linie bei Ihnen aus. Oft trügt ja das Aussehen und wir haben hier einige ziemlich trainiert aussehende Männer an Bord, aber sie scheinen leider alle völlig unsportlich zu sein.

'Nanu, diese Dame scheint nicht auf dieses beliebte Firt-Spiel zu stehen', dachte Soldan. 'Seltsam. Oder sie hat die Eröffnung um eine mir noch unbekannte Form erweitert. Auf jeden Fall muß ein Aufenthalt mit ihr auf dem Holodeck sehr anregend sein.'

Laut sagte er: "Sportspiele sind bei mir zu Hause sehr beliebt, und ich habe sie alle sehr intensiv und mit miserablem Erfolg studiert.

Ihre Spiele kenne ich natürlich noch nicht, schließlich ist der Alpha-Quadrant recht groß, und die typischen Spiele auch nur einer Welt zu erfassen ist an sich schon eine Lebensaufgabe. Um welches Spiel handelt es sich, und wie wird es gespielt?"

Neugierig beugte sich der Wadi in Shanias Richtung und wartete auf ihre Antwort.

--- vor Quartier 15

Verblüfft sah der Bajoraner Enehy im Gang nach. Beinahe fluchtartig war sie davongelaufen und ihre Bemerkungen... 'Typisch Frau!', dachte Anjol enttäuscht. Er hatte doch nur rücksichtsvoll sein wollen. Aber sie...

- Und in diesem Moment wich sein Ärger der Erkenntnis -

...sie hatte diesen Ausdruck in den Augen gehabt. Diesen Ausdruck der Traurigkeit und der Pein. Wie ein düsterer Schatten lag er über ihr. Wie eine Erinnerung.

Schlagartig wurde es ihm wieder bewußt: Vor der Mannschaftsmesse. Enehy hatte ihre Bluse ausgezogen und dann hatte er es gesehen. Eine ziemlich üble Narbe, die über ihren Rücken verlief. 'Wie ein Makel, der das Kunstwerk erst vollendet', hatte er gedacht.

Zwar hatte er die Narbe nur kurz gesehen, immerhin war Enehy nur mit einem BH bekleidet gewesen und wer starrt schon so unhöflich, aber jetzt paßten sich die ersten Teile des Puzzles zusammen.

Erneut sammelte sich Wut; Wut über das was man ihr angetan hatte; Wut über die Schweine, die sich an Wehrlosen vergreifen; Wut über die Ungerechtigkeit des Universums, das einem kleinen Wunder seiner Schöpfung so etwas antun konnte.

Die Verwirrung löste sich und Anjol schöpfte aus der Wut neuen Mut und neue Zielstrebigkeit: 'McCarthy meint ich bin stur?! Jetzt werden wir sehen, wie stur ich sein kann. Ich werde um Enehy kämpfen; und heute Abend fange ich an...!'

--- Krankenstation

Ziemlich selbstzufrieden betrat Enehy die Krankenstation und sah sich interessiert um.

'Es sieht richtig nett aus für eine Krankenstation. Es fehlen zwar noch ein paar Bilder und ein paar Pflanzen, aber das wird sich ja erledigen lassen. Am Besten mache ich mich erstmal mit der Einrichtung bekannt.'

Zielstrebig ging die junge Frau zu einem Medikamentenschrank, öffnete die Tür und zuckte erschrocken zurück, als ihr mehrere Schachteln, Fläschchen und Ampullen entgegen fielen. Fassungslos starrte sie auf das Chaos zu ihren Füssen und machte sich dann seufzend an die Aufräumarbeiten.

'So eine Unordnung ist mir noch auf keiner Krankenstation untergekommen. Sieht ja schlimmer aus als in einem Katastrophengebiet. Aber das wird sich jetzt grundliegend ändern. Wenn ich eins nicht leiden kann, dann dieses planlose Wirtschaften. Wie soll man denn schnell behandeln, wenn man die Dinge, die man dazu braucht, erst stundelang suchen muß?'

Nachdem sich Enehy einen Lappen und einen Eimer mit Desinfektionslösung besorgt hatte, räumte sie den Schrank aus, reinigte ihn und sortierte die Medikamente wieder sorgfältig hinein. Zufrieden mit dem Ergebnis wandte sie sich nun der Kühleinheit zu, in der empfindliche Antikörper aufbewahrt wurden. Vorsichtig öffnete sie die Tür und spähte hinein.

'Gut, er ist leer. Ich hatte schon Angst, daß mir eine Pilzkolonie entgegenwinkt. Die Einheit muß ich also nicht putzen.'

--- Mannschaftsmesse, Tisch 5

In Shanias Augenwinkel bildeten sich kleine Lachfältchen. Dieser Mann steckte voller Überraschungen. Da sein erster Vorstoß eines Flirtversuchs nicht so mit Erfolg gekrönt war, wechselte er die Richtung, stellte aber mit seinem begierigem Vorbeugen fest, daß er immer noch interessiert war.

Nicht nur am Spiel.

"Nun ja, ich kenne eigentlich mehrere Sportspiele, die ich zu meiner Ertüchtigung genieße. Wobei ich eines davon sogar aufgeben werde. Fechten.

Man schützt dabei alle nur erdenklichen Körperteile vor Treffern mit Schutzkleidung und attackiert seinen Gegner nach speziellen Regeln mit einem spitz zulaufenden Metallstab mit Griff, dessen Spitze gesichert ist um Verletzungen vorzubeugen. Ziel ist es, den Gegner an wichtigen Punkten zu treffen und selbst Treffern auszuweichen. Ein taktischer Sport also.

Aber am Liebsten spiele ich Squash. Dabei wird ein Ball mit einem Schläger an eine Wand gespielt, den der andere Spieler dann wieder erwischen und ebenfalls gegen die Wand schmettern muß. Das ist ein ziemlich anstrengendes aber sehr... befriedigendes Gefühl...", dabei lächelte sie spitzbübisch Soldan an, bevor sie fortfuhr, "aber es verleiht eine hervorragende Konstitution.

Oder sehe ich vielleicht nicht durchtrainiert aus?" Zur Unterstreichung ihrer Wort hatte sie sich erhoben.

Fragend lagen ihre Augen auf Soldan. 'Ich frage mich woher dieser Typ wohl kommt, wenn nicht mal aus unserem Quadranten?'

"Nun, ein wenig körperliche Ertüchtigung könnte mir sicher gut tun", erwiderte Soldan, "auch wenn ich sicher niemals eine dermaßen makellose Figur wie Sie erreichen werde.

Sportspiele sind bei uns zu Hause im Gamma-Quadranten sehr beliebt, müssen Sie wissen. Ich selber habe bei einigen Turnieren teilgenommen und nicht schlecht abgeschnitten.

Aber mittlerweile bin ich schon über ein Jahr im Alpha-Quadranten, die meiste Zeit habe ich in meinem Raumschiff verbracht, das nach Ihren Vorstellungen höchstens die Größe eines Shuttles hat.

Aber Sie wissen ja: Klein, aber mein!

Naja, jedenfalls ist in dieser Zeit das körperliche Training etwas zu kurz gekommen. Ich fürchte, ich habe in dieser Zeit mein Körpergewicht verdreifacht." Soldan lächelte gewinnend.

"Aber da fallen mir gerade etwa vierhundert Fragen ein, weshalb ich Sie eigentlich gesucht habe: Wie schaut es hier mit der Nutzung des Holodecks aus? Darf jeder es benutzen, wenn er dienstfrei hat, oder gibt es da Einschränkungen?..."

--- Krankenstation

Nachdem sich die Xenexianerin einige Zeit mit dem Reinigen und neu Organisieren der Schränke beschäftigt hatte, ließ sie sich schließlich auf einen Stuhl fallen und blickte sich zufrieden um.

'Jetzt kann ich hier arbeiten. Wird Zeit, daß Doktor Sharan kommt, damit sie mir meinen Aufgabenbereich zuteilt. So lange sie nicht da ist, werde ich einfach damit beginnen, die Krankenkartei für die Besatzung anzufertigen. Am Besten beginne ich beim Captain.'

"Enehy an Monserat. Ich beginne gerade mit der neuen Kartei und wollte Sie daran erinnern, daß Sie sich auf der Krankenstation melden. Dabei fällt mir ein... haben Sie eine Ahnung, wo Doktor Sharan ist?"

--- Bereitschaftsraum des Captains

Der Captain war gerade damit beschäftigt gewesen, zwei weitere Techniker einzustellen, als er durch seine Krankenschwester mitten in der Unterhaltung gestört worden war.

"Ich mich zur Untersuchung melden?", fragte er verwundert zurück. "Das ist nicht nötig, ich bin vollkommen gesund. Das hat erst Ihre Vorgängerin ausreichend untersucht und bestätigt. Wie Sie sich in der medizinischen Datenbank erkundigen können, ist die Untersuchung noch nicht lange allzu her."

'Ich hab doch wirklich was Besseres zu tun, als in der Krankenstation meine kostbare Zeit zu verschwenden und dumme Untersuchungen über mich ergehen zu lassen', dachte der Captain, während er im Geiste überschlug welche Teile der Besatzung ihm jetzt noch fehlten.

"Was Ihre Frage nach Dr. Sharan betrifft... Nun, sie hat überstürzt unser Schiff wieder verlassen. Ein Notfall, der sie für längere Zeit an DS4 fesseln wird. Damit wird sie uns nicht auf dieser Reise begleiten können. - Haben Sie sonst noch Fragen?"

--- Krankenstation

Enehy runzelte die Stirn und gab ein paar Befehle in das Terminal vor ihr ein.

"Captain ich wiederspreche Ihnen äußerst ungern am ersten Tag, aber es sind keinerlei medizinische Daten über Ihre Person im Computer zu finden. Am Besten kommen Sie so schnell wie möglich vorbei, damit ich endlich eine vernünftige Kartei anlegen kann. Der letzte Arzt an Bord hat anscheinend nicht viel von Ordnung gehalten. Aber damit ist jetzt ein für alle mal Schluß.

Daß Aggascha gehen mußte, tut mir zwar leid, aber ich glaube, ich komme auch so zurecht. Sagen Sie, hat das Schiff auch ein MHN oder muß ich darum beten, daß wir keine Operationen vornehmen müssen?"

'Hoffentlich ist das jetzt nicht zu frech gewesen. Ich will den Captain nicht verärgern.'

--- Bereitschaftsraum des Captains

Der Captain seufzte ungehalten auf. Sowohl Dr. Korent als auch Collins, der ihr ja anscheinend zur Hand gegangen war, schien wirklich eine sehr seltsame Art der Karteiführung betrieben zu haben. Monserat hatte es Korent zu verdanken, daß er nun wieder einen Routinecheck vor sich hatte.

Wo er doch nichts mehr haßte, als sich dumme Ratschläge wegen seiner angegriffenen Gesundheit anzuhören und einen gesunden Ernährungsplan vorgeschrieben zu bekommen. Noch dazu bei dieser Xenexianerin, die sicher nicht leicht abzuwimmeln war.

"Denken Sie doch mal nach, Miss Enehy, wenn ich ein MHN gefunden hätte, das die Krankenstation in Ordnung hält, die Kartei führt, für Notfälle da ist und das Hausbesuche erledigen kann, dann würde ich wohl nie mehr einen Arzt auf diesem Schiff brauchen. Außerdem sind diese MHN nicht die zuverlässigsten und Martengh mißtraut ihnen, da sie nicht allzu schwer zu manipulieren sind.

Also machen Sie einfach Ihre Sache gut, dann wird es auch keine Operationen geben. Monserat E... - Ach ja und was die Untersuchung betrifft. Ich hab jetzt wirklich keine Zeit dafür und komme sobald ich kann. Monserat Ende."

Damit wandte sich wieder seinen beiden Technikern zu. "Und wo haben Sie vorher gearbeitet?"

--- Brücke

Martengh checkte gerade seine verschiedenen Überwachungskameras in den diversen Gängen. Jede Kamera war mit einem Bewegungssensor gekoppelt, der die Kamera automatisch aktivierte, wenn sich eine Bewegung im Gang zeigte.

Im Moment waren so wenig Leute auf dem Schiff, daß diese Vorsichtsmaßnahme noch wirkungsvoll war. Waren erst einmal die Gänge voller Arbeiter, würde er die Bewegungssensoren deaktivieren und die Kameras auf Dauerüberwachung stellen.

Er stellte sich vor, wie er in einem altmodischen Fahrstuhl mit Liftboy stand. Dieser kündigte die einzelnen Etagen an:

"Deck 1, Impuls-Antrieb, Maschinenraum, Deuteriumtanks, Phaserbank."

Menschenleer.

"Deck 2, Brücke, Krankenstation und Holodecks."

Niemand da.

"Deck 3, Quartiere, Transporterraum 1, Wissenschaftsstation,
Mannschaftsmesse"

Da stand jemand.

Er bewegte sich nicht.

Es war dieser neue Sicherheitsbajoraner, der ihm von Monserat aufs Auge gedrückt wurde.

Laut Kameraprotokoll stand er nun schon seit 3 Minuten und 18 Sekunden bewegungslos vor Quartier 15. Martengh ließ sich die letzten bewegten Bilder dieser Kamera anzeigen. Dort war die junge Krankenschwester zu sehen, die etwas zu Anjol sagte und dann fast fluchtartig den Ort des Geschehens verließ.

Vier Minuten.

Der Sicherheitschef vermutete schon, daß jemand die Kamera entdeckt hatte und sie auf Standbildmodus geschaltet hatte, oder daß dieser Anjol ein Roboter war, der, wenn er sich unbeobachtet fühlte, einfach zur Bewegungslosigkeit erstarrte.

In diesem Moment erledigten sich beide Theorien, denn Anjol kratzte sich an der Nase.

Also kein Standbild. Und da Roboter sich nicht kratzen...

Martengh beschloß, diesen seltsamen Bajoraner extrem intensiv zu beobachten.

--- Mannschaftsmesse, Tisch 5

".... Dann: Der Captain sagte, Sie würden mir ein Quartier anweisen. Wo darf ich denn hier wohnen?

Dann: Da ich offiziell noch auf der Raumstation arbeite, bis ich meine Schulden abgearbeitet habe, bräuchte ich einen Vorschuß, damit ich mich 'loskaufen' kann, oder wir müssen unser Skwosch noch ein paar Tage verschieben.

Ich bin schon sehr gespannt darauf, und werde mir alle Regeln, die der Computer kennt, gut einprägen. Wann möchten Sie denn spielen? Heute Abend sind Sie ja mit den anderen verabredet."

Soldan schaute die Frau fasziniert an.

Shania hatte die Geschichte mit seinem Kompliment und der Verdreifachung seines Gewichtes mit einem Grinsen verfolgt, da er ziemlich übertrieben hatte. Die darauf folgende Ansammlung von Fragen hatte sie aber ziemlich aus dem Konzept geworfen und sie mußte sich bemühen sich überhaupt noch an alle zu erinnern. Was ihr gar nicht so einfach war.

Nachdenklich nahm sie wieder Platz und versuchte Antworten zu finden.

"Also das Wichtigste zuerst: Als Quartier gebe ich Ihnen...", Shania überschlug einen Moment die bereits belegten Quartiere und entschied sich dann, "..die Nummer 5. Sie liegt zufälligerweise direkt neben meinem..." Shania lächelte ihn charmant an und dachte sich, daß es besser war, sich schon mal einen harmlosen Zimmernachbarn zu suchen, falls es noch mehr Typen wie diesen Croft an Bord geben würde.

"Die Holodecks kann jeder benutzen, der dienstfrei hat. Bisher war es noch nicht notwendig gewesen, einen Zeitplan auszuarbeiten, da jeder den Anstand besaß, das Holodeck entweder in Maßen zu besuchen oder sich nicht vom Captain oder Martengh dabei erwischen zu lassen. Monserat kann ziemlich happig werden, wenn man zuviel seiner Energie zu seinem eigenen Vergnügen verschwendet.

Mit dem Vorschuß werde ich Ihnen leider nicht weiterhelfen können. Über Geldsachen bestimmen nur Monserat und Martengh. Darauf habe ich überhaupt keinen Einfluß. Aber ich bin mir sicher, daß er für einen guten Piloten auch einen Vorschuß zahlt. Immerhin scheint er auf jeder Reise genau um einen Piloten zu wenig zu haben..."

Dann beugte sich die Amerikanerin vor und sagte verschwörerisch. "Unser Squash wird also nicht warten müssen. Ich denke, Martengh wird Ihnen bei der Regelung gerne behilflich sein. Dann können wir auch ihren leidigen Fettpölsterchen auf den Leib rü..."

In dem Moment meldete sich Shanias Communicator: "Monserat an Shania. Welche Quartiere sind noch frei? Ich bräuchte zwei für neue Techniker. Die beiden haben bereits ihr sämtliches Gepäck mit an Bord gebracht und möchten ihre Quartiere beziehen."

Seufzend ob der Unterbrechung, erteilte Shania Monserat die gewünschte Auskunft und wandte sich dann wieder an Soldan. "Wo waren wir stehen geblieben?" Mit einem Blick auf seine vollschlanke Gestalt fiel es ihr schlagartig wieder ein. "Ach, ja. Squash. Ich bin froh, endlich mal einen Trainingspartner gefunden zu haben und so schnell werde ich Sie auch nicht wieder gehen lassen. Heute Abend könnten wir uns auf einem freien Holodeck treffen.

Ich denke, es wird Ihnen Spaß machen. - Also?"

--- vor Quartier 15

Mittlerweile stand der Bajoraner schon ein paar Minuten vor seinem Quartier und hatte immer noch keinen Plan. Angestrengt kratzte er sich an der Nase und plötzlich fühlte er sich sehr beobachtet. Als wenn er Zuschauer hätte.

'Anjol, du wirst doch auf deine alten Tage nicht paranoid werden?!', dachte er gezwungen gelassen, aber ein ungutes Gefühl blieb doch zurück und so ging er wieder in sein Quartier.

--- Quartier 15

"Computer, Tür verriegeln!", befahl er und widmete sich dann seiner Tasche. Sie war nicht sehr groß, aber enthielt alles, was er brauchte. Einige Datenblocks mit strategischen Plänen und persönlichen Daten, etwas Kleidung und, so kitschig wie es klingen mag, auch einen kleinen Gebetsschrein.

Zwar hatte er der Religion nie besonders viel abgewinnen können, aber es hatte Momente gegeben, wo nur der Alkohol und die Propheten ihm geholfen hatten. Wobei er den Alkohol eindeutig bevorzugte.

Nachdem er alles an mehr oder weniger passenden Plätzen aufgestellt hatte, kratzte er sich erneut an der Nase - ein sicheres Zeichen, daß er angestrengt überlegte.

'Wie kann ich Enehys Vertrauen gewinnen?', lautete die Frage, die er sich wieder und wieder stellte. Zwar hatte er herausgefunden, wo das Problem lag, aber eine Lösung war schwer zu finden.

Schließlich kam er zu der Überzeugung, daß jeder komplizierte und 100%ig ausgetüftelte Plan scheitern würde. Und so mußte er wohl auf die Gunst des Schicksal bauen.

"Computer, wo befindet sich die Krankenstation?", fragte er die leise säuselnde virtuelle Stimme, die er schon kennengelernt hatte.

"Süßer, die Krankenstation ist auf Deck 2, aber diese Enehy ist eh nichts für dich! Wie wäre es wenn wir uns einen schönen Nachmittag auf dem Holodeck machen?", antwortete diese und ließ Anjol laut aufseufzen.

'Sind denn alle auf diesem Schiff verrückt?', fragte er sich theatralisch selbst und ging Richtung Krankenstation...

--- Maschinenraum

Frustriert durchforstete Merced die Einstellungen und Parameter des Maschinenraumes, die Zugriffsversuche nicht mit einem schlichten "Zugriff verweigert - Autorisierungscode erforderlich" auf den Bildschirmen quittierten.

'Ich muß unbedingt den Captain bitten, mir schleunigst eine Autorisierung freizuschalten. So kann ich nicht arbeiten.'

Seine ersten Blicke in den Maschinenraum vor einigen Minuten hatten ihn fasziniert. Zwar wirkte vieles eher zusammengeschustert aber teilweise waren hier Geräte verbaut, die denen der Sternenflotte voraus waren. Jedoch zweifelte er stark daran, daß diese Teile auch Original waren. Immerhin handelte es sich um einen bestimmt 20 Jahre alten Frachter.

Er betätigte einige Tasten um sich ein Leistungsdiagramm des Warpkerns anzeigen zu lassen und wieder blinkte der rote Schriftzug auf, der ihm in den letzten Minuten so vertraut geworden war. Dieser Frachter schien mehr Sicherheitsvorkehrungen aufzuweisen als das Hauptquartier der Sternenflotte. Sehr seltsam.

Er hatte bereits darüber nachgedacht die Sicherheitssperren zu umgehen, hatte die Idee aber schnell wieder zur Seite gelegt. Sicherlich waren die Systeme auch hier ausgezeichnet geschützt, zumal er die meisten der Sperren wohl mit einem gültigen Sicherheitscode überwinden konnte. Nur diesen Code benötigte er eben.

Er tippte seinen Kommunikator an. "Merced an Monserat. Captain, ich versuche mich gerade in die Schiffsysteme einzuarbeiten. Leider fällt mir dies sehr schwer wegen der vielen Sicherheitssperren. Ich würde deshalb gerne wissen, wann Sie gedenken mir einen Autorisierungscode zu geben."

--- Bereitschaftsraum des Captains

Heute war echt nicht sein Tag. Kaum hatte der Captain mal fünf Minuten Zeit um sich zu entspannen, schleppte Martengh auch schon die beiden Techniker an. Er hatte noch nicht mal das Vorstellungsgespräch zu Ende geführt, als die Krankenschwester bereits meinte, daß er sich unbedingt bei ihr melden sollte. Wahrscheinlich sah er ihr zu krank und elend aus. Und nun auch noch dieser Merced.

'Wozu habe ich eigentlich meine Leute, wenn ständig alles an mir hängen bleibt?', dachte er mehr als ungehalten. Langsam ging es ihm wirklich nicht mehr ganz so gut.

Der Captain atmete einmal tief durch.

Der Captain atmete ein zweites Mal tief durch.

"Was denken Sie sich eigentlich?", knurrte er ärgerlich und betonte jedes einzelne Wort. "Wie wohl auch bei der Sternenflotte durchaus üblich, ist die Herausgabe eines Autorisierungscodes an ein neues Crewmitglied alleinige Aufgabe des Sicherheitschefs und nicht des Captains selbst. Martengh wird Ihnen schon noch den verdammten Code geben. Immerhin muß er davor noch Ihre Akte anfordern und einsehen. Und das nicht nur von Ihrer Person.

Wir können nicht jedem Dahergelaufenen gleich den Code in die Hand drücken. Da bitte bedienen Sie sich. Dürfen wir Ihnen die schiffsinternen Informationen vielleicht auch gleich auf Padd überspielen?" Monserat schnaufte mittlerweile wie eine Dampflok.

"Also gedulden Sie sich gefälligst, Merced, und da Sie anscheinend nicht wissen, wie Sie Ihre Zeit verbringen sollen... melden Sie sich schon mal umgehend auf der Krankenstation. Die Krankenschwester harrt schon Ihrer.

Monserat Ende."

Mit einem befriedigten Lächeln lehnte sich Monserat zurück.

--- Maschinenraum

"Aye, Sir", brachte Merced noch etwas verwundert hervor, doch der Captain hatte die Verbindung bereits wieder getrennt.

'Nein, dies ist eindeutig kein Schiff der Sternenflotte', dachte er und starrte etwas unglücklich auf die Konsole vor ihm, die ihm immer noch die Zugriffsverweigerung zeigte.

Offenbar legte der Captain nicht viel Wert darauf, daß seine Crew sich mit dem Schiff auskannte. Also würde er warten, bis dieser Riese von einem Sicherheitschef ihm einen Zugangscode gab. Auch recht.

Und nun würde er erstmal das tun, was der Captain ihm aufgetragen hatte und sich in der Krankenstation melden.

Er tippte auf eine Taste und der Bildschirm vor ihm wurde schwarz. Genug mit den Zugriffsverweigerungen. In der Hoffnung Aggascha auf der Krankenstation zu treffen, machte er sich auf den Weg dorthin.

--- Krankenstation

'Jetzt hat er einfach die Verbindung beendet', dachte Enehy noch längere Zeit nach ihrem Gespräch nach. 'Denkt der Captain, er könnte so um eine Untersuchung herumkommen? Das kann er vergessen. Früher oder später erwische ich ihn.'

Überrascht blickte Enehy von ihrem Terminal auf, als sie hörte wie sich das Eingangsschott öffnete.

'Er ist wirklich gekommen', dachte sie erfreut und versuchte erfolglos, das Lächeln, das sich auf ihr Gesicht schlich, zu unterdrücken.

'Egal, ein Lächeln im Umgang mit Patienten hat noch nie geschadet, hat schon meine Oberschwester immer gesagt', dachte sich die junge Frau und stand auf.

"Hallo, Mister Anjol, schön, daß Sie doch noch Zeit gefunden haben auf die Krankenstation zu kommen. Machen Sie sich doch bitte schonmal frei und legen sich auf ein Biobett. Ich bin dann gleich bei Ihnen."

'Warum bin ich denn nur so nervös? Anjol ist doch auch nur ein Mann wie jeder andere. Kennt man einen, kennt man alle. Einfach ganz ruhig bleiben und nicht beeindrucken lassen.'

Betont lässig trat sie an das Biobett und sah den Bajoraner an.

"Haben Sie irgendwelche Beschwerden? Seien Sie bitte ehrlich, ich werde sowieso herausfinden, wenn etwas nicht stimmt."

'Er ist wirklich so durchtrainiert wie ich gedacht habe', dachte Enehy fasziniert und versuchte Anjol nicht allzu offen anzustarren und professionell zu wirken.

Neugierig schaute Anjol sich die Krankenstation an, während er sich das Hemd auszog und hinsetzte. Der Stoff kratzte etwas über seinen Rücken, aber das war normal für die Wolle bajoranischer Schafe.

Enehy näherte sich mit einem verstecktem Lächeln auf dem Lippen und klammerte das Notizpadd fest an sich. Anjol übersah nicht, wie sie ihn prüfend anschaute und regelrecht musterte.

Zum ersten Mal seit er die Krankenstation betreten hatte, öffnete der Bajoraner wieder den Mund und antwortete ziemlich wahrheitsgemäß: "Mir geht es zur Zeit gut, auch wenn die viele Arbeit in letzter Zeit meinen Fitneßplan etwas geschmälert hat."

Nachdem er einen Moment überlegt hatte, fügte er seufzend hinzu: "Aber jetzt, wenn sie so direkt fragen, habe ich seit ein paar Stunden ein merkwürdiges Gefühl in meinem Bauch."

Anjol hoffte, daß Enehy diesen Hinweis verstand und schaute ihr tief in die Augen...

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