Ivory Cronik 11

Das Finale

--- Ivory, Holodeck 2, bei den Steinen

"Enehy", wisperte Anjol mit tonloser Stimme und seine Hand hielt auch weiterhin ihre fest umschlossen, während er in ihre Augen schaute. Ihre wundervollen violetten Augen, die ihr magisches Leuchten verloren hatten.

Für immer.

Langsam schluckte der Bajoraner und seine Hände schlossen zitternd ihre Augen, während seine Netzhaut silbrig in der Sonne glänzte. Er weinte nicht, aber Tränen standen ihm in den Augen, als er Enehy mit einem alten bajoranischen Gebet in ein besseres Jenseits geleitete. Sie hatte viel durchmachen müssen in ihrem Leben und egal, wo sie jetzt hin ging, Anjol hoffte, daß sie ihre Erfüllung dort finden würde.

Und daß sie warten würde, warten auf den Tag, an dem er ihr folgen würde und sie beide für alle Ewigkeit vereint sein würden. Untrennbar...

Seine Hände hielten immer noch ihren Kopf und das rote Haar war von Blut getränkt. Vorsichtig bettete er ihren Körper auf den staubigen Boden, der von der roten Flüssigkeit sofort aufweichte. So kniete er neben ihr und erinnerte sich an ihre erste Begegnung:

Sie waren aus Versehen zusammengestoßen und sofort hatte es diese magische Verbindung zwischen ihnen gegeben. Er sah ihr verlegenes Gesicht wieder vor sich - genau wie in jenem Moment und glaubte es berühren zu können, als etwas Hartes ihn auf dem Rücken traf.

Ächzend ging er zu Boden, während sich sein spöttisch blickender Feind, lächelnd einige Meter vor ihm aufstellte und die Überreste des zerborstenen Astes in seinen Händen hielt. Die Ähnlichkeit zwischen ihnen war verblüffend, aber eins fehlte seinem Gegner vollkommen:

Liebe.

Anjol hatte sie geliebt; mehr als seine Mission und selbst sein unendlicher Hass gegen die Romulaner und Cardassianer war nur ein emotionaler Funke gegen das gewesen, was sie ihm gegeben hatte.

Und nun würde er es einsetzen!

Sorgsam kreuzte er Enehys Arme auf ihrer Brust und mit abgrundtiefem Hass in den Augen, erhob er sich. Er würde bald zurückkehren; zu ihrem Körper oder ihrer Seele, das hing jetzt nur noch von diesem Kampf ab. Und er war bereit zu sterben...

--- auf der anderen Seite des Plateaus, inzwischen

Sternenlicht beobachtete die Kopie seiner selbst bis ins Detail, alles andere war aus seiner Wahrnehmung verschwunden. Noch hatten nicht seine Kampfinstinkte die Führung seines Körpers übernommen, das war noch nicht notwendig. Die wenigen Schläge, die die beiden Raubkatzen ausgetauscht hatten, waren nicht mehr als ein kleiner Vorgeschmack auf das, worauf Kämpfe bei Sivaoanern in der Regel hinausliefen.

Einfach würde es auf keinen Fall werden - ein Kampf gegen ein Hologramm bedeutete, daß man mit seinen Einschätzungen sehr vorsichtig sein mußte. Ein Hologramm konnte seinen Zustand schließlich innerhalb von Sekunden verändern. Auf der anderen Seite wirkten seine Bewegungsabläufe für das geübte Auge des Sivaoaners unkontrolliert manchmal gar unförmig. Der Computer hatte wohl nicht die geringste Ahnung über das Verhalten von Sivaoanern.

Erneut täuschte Sternenlicht einen Schlag an, erneut erfolgte der gleiche, etwas träge Block. 'Exakt das gleiche', schoß es durch Sternenlichts Verstand. Das war es... Natürlich würde ein Computerprogramm auf die gleiche Attacke wieder gleich reagieren. Es kam jetzt nur darauf an, die Schwachstellen in diesem Programm zu finden.

In diesem Moment ließ Sternenlicht das Raubtier in ihm endgültig erwachen. Ohne das geringste Zeichen einer Vorwarnung schoß der Sivaoaner auf seine Kopie zu. Sternenlichts Sprung entwickelte eine Wucht, die die beiden Sivaoaner mehrere Meter fliegen ließ, bevor die beiden wieder den Boden berührten.

Das Computerprogramm hatte wohl nicht mit einem derartigen Überfall gerechnet. Die Kopie riß in einer letzten verzweifelten Aktion noch die beiden Pfoten vor seinen Körper um die Wucht des aufprallenden Körpers ein wenig zu dämpfen, aber Sternenlicht hatte diese halbe Sekunde der offenen Deckung genutzt: Noch während Original und Kopie auf dem Boden aufschlugen, lenkte Sternenlicht mit einer Gewichtsverlagerung den Fall in eine andere Richtung. Beide begannen über den Boden zu rollen - direkt auf den Abgrund zu. Sternenlicht war dies völlig bewußt, er forderte es geradezu heraus.

Es war ein Spiel mit dem Glück, ein Spiel einer Raubkatze, die sowohl ihrem Körper als auch ihrem Gedächtnis völlig vertraute. Und es war das Spiel eines verwundeten Tieres. Sternenlicht war sehr schnell aufgefallen, daß der rechte Arm der Kopie kerngesund war. Keine Prellungen oder überzerrte Muskeln, die ihn im Kampf behindern konnten. Er allerdings wußte genau, daß er mit seinem rechten Arm auch einen Kampf gegen den recht planlosen Computergegner nicht lange überstehen würde.

Keine fünf Sekunden nachdem Sternenlicht bei seinem Sprung einen Satz tiefer Furchen im trockenen Boden hinterlassen hatte, verschwand das Knäuel an Pelz, Pfoten und aufblitzenden Krallen mit einem Krachen durch die Böschung.

--- in der Nähe der mannshohen Höhle, zur gleichen Zeit

Timothy raste vor Wut. Immer und immer wieder schlug er auf sein falsches Spiegelbild ein, doch genau so oft mußte auch er Schläge einstecken. Am Anfang verspürte er keinen Schmerz, doch schon nach kurzer Zeit hatte er diverse blaue Flecken, seine Nase blutete, und er merkte, wie der falsche Hexton immer wieder versuchte, die Nieren zu treffen.

Langsam mußte er sich was einfallen lassen. Ewig konnte er einem Hologramm nicht standhalten. Fieberhaft suchte er nach einer Ausweichmöglichkeit. Doch so angestrengt er auch darüber nachdachte, ihm kam keine Lösung.

Eins wußte er jedoch. Der Computer-Hexton kämpfte gut. Sehr gut sogar. Aber was er nicht hatte, war Erfahrung. Und davon hatte Timothy genug. Mehrere Jahre auf einem Bergbauplanet können einen Jugendlichen schon formen. Trotz der harten und anstrengenden Arbeit tief unten in der Erde, fand er trotzdem noch Zeit, die verschiedensten Kampftechniken zu erlernen. Gut, vielleicht war er nicht gut darin, aber es war immerhin ein neuer Versuch, den Computer zu erledigen.

Wieder erwischte ihn einer der rechten Schwinger des Hologramms und für einen kurzen Moment sah er einzig und allein die Sterne, die sich vor seinen Augen drehten. Als er wieder klare Sicht hatte, versuchte er, seinen Kampfstil etwas abzuändern. Mit einem schnellen Griff schleuderte er den falschen Timothy herum und warf ihn auf den Rücken.

Ein verblüffter Ausdruck erschien auf dem computergenerierten Gesicht des falschen Andorianers. Doch ziemlich schnell war er wieder auf den Beinen. Doch nun hatte der Echte eine Idee. Wenn er ihn schon nicht töten konnte, dann konnte er ihn wenigstens für eine gewissen Zeit aus dem Spiel nehmen.

Mit einem lauten Gebrüll stürzte er sich auf Hexton Nummer 2 und schob ihn mehrere Meter über den Platz. Dann faßte er ihn um die Hüften, hob ihn an und warf ihn über das Gebüsch, hinter welchem sie vorhin noch gesessen hatten. Man hörte einen dumpfen Aufschrei und ein Poltern. Interessiert schaute der echte Timothy über den Busch und erblickte das Hologramm, welches schnell den Abhang herunter rollte und ganz unten am Fuß der Anhöhe reglos liegen blieb.

Erleichtert drehte Timothy sich wieder um und schaute auf die Anderen, die immer noch damit beschäftigt waren, ihr holografisches Ebenbild zu vernichten. Liebend gerne würde er ihnen helfen, doch wie sollte er herausfinden, wer der Echte der beiden war.

Also setzte er sich erst mal auf einen angrenzenden Baumstamm und schaute dem Treiben zu.

--- in der Nähe der Steine, inzwischen

Kuzhumo starrte erschüttert auf die sterbende Enehy und fühlte Mitleid mit Anjol. Endlich hatte er es geschafft eine passende Freundin zu finden, die sein Herz im Sturm erobert hatte und von einem zum anderen Augenblick war sie ihm wieder entrissen worden.

Auch wenn der Japaner es Anjol gegenüber gut verbarg, so empfand er für ihn mehr als nur Respekt. In all den Kämpfen die sie zusammen bestritten hatten, wurde aus ihnen so etwas wie Freunde.

Und Kuzhumo setzte den Wert einer solchen Freundschaft zu hoch an, als daß selbst er seine Gelassenheit bewahren konnte. Mit nun eisiger Ruhe stand der Japaner auf.

Er bedachte seinen identischen Gegenüber mit einem Blick, der jedem anderem Wesen das Blut in den Adern gefrieren lassen hätte. Dies war einer der wenigen Momente, in denen der große Sensei Hisaki die Beherrschung verlor und den Wunsch hatte zu rächen.

"Du hast ein junges Leben von uns genommen, um deinen Wunsch nach Kampf und Aufmerksamkeit nachzukommen. Ich werde jetzt mitspielen." Kuzhumo fing plötzlich an zu lächeln.

Ja, er würde jetzt mitspielen.

Aber er würde gewinnen.

Mit einem wilden japanischen Kampfschrei stürzte sich Kuzhumo auf seinen perplexen Gegenüber, der mit einer derartigen Wildheit nicht gerechnet hatte.

Wie Hexton erkannte auch der Sensei schnell, daß es dem Computer an jeder Erfahrung mangelte. Und gegen einen rachsüchtigen Karatemeister gab es nur eine Bezeichnung für so eine Situation:

Tödlicher Fehler.

Mit aller Kraft und Gewandtheit schlug und trat Kuzhumo immer wieder auf seinen Gegner ein. Dieser hatte kaum eine Möglichkeit zur Parade, da der Computer zwar technisch perfekt agierte, aber zu spät auf Finten seitens des echten Kuzhumo reagierte.

In seinem Blutrausch bemerkte Hisaki nicht einmal, daß sein Gegenüber sich immer weniger wehrte. Sein Muga war völlig aus dem Gleichgewicht und so hatte er nur noch ein Ziel vor Augen: Die völlige Vernichtung seines Gegners.

Erst nach Dutzenden weiteren Attacken bemerkte Kuzhumo, daß er nur noch auf einen 'toten' Körper eingeschlagen hatte. Die Verletzungen, die dieser erlitten hatte, hätten für Dutzende Leichen gereicht.

Ruhig starrte der Sensei auf den zerschunden Körper vor ihm. Mit aller Ruhe sprach er laut und deutlich zu ihm, im Bewußtsein, daß der Computer ihn hören würde.

"Der Weise kämpft nur, wenn er kämpfen muß. Aber wenn er kämpft, dann nicht mit Muskeln. Allein sein Ki braucht der weise Kämpfer", mit diesen Worten schritt Kuzhumo an allen vorbei zum Rand der Klippe und kniete sich hin, mit dem Blick zum Tal.

Hisaki schottete seinen Geist von der Realität ab und versuchte wieder sein Muga in geordnete Bahnen zu lenken. Wenn dies hier vorbei war, brauchte Anjol eine vertraute Person, die ihm Halt gab, wenn er es benötigte.

Daß Anjol diesen Kampf überleben würde, daran hatte der Japaner keine Zweifel. Genau genommen dürfte dessen Ebenbild nun schlechter dran sein, als daß, welches er selbst besiegt hatte...

--- bei den Steinen

Mit einer Handbewegung riß der Bajoraner sich das Hemd von der Brust und warf es in Richtung des Abgrundes. Es war bedeutungslos geworden, genauso wie die ganze Umgebung, der restliche Kampf. Für ihn existierten nur noch sein Gegner und was dieser Haufen Dreck getan hatte.

Er starrte das Hologramm an und plötzlich setzten sich beide Bajoraner in Bewegung und liefen los. Die muskulösen Beine trugen sie mit einer unglaublichen Geschwindigkeit vorwärts und als sie sich in der Mitte trafen, stieß der wahre Anjol einen markerschütternden Kriegsschrei aus, der seine ganze Wut wie eine Lupe fokussierte.

Die Körper stießen mit solch einer Wucht zusammen, daß man Knochen krachen hörte und ihre Fäuste fanden instinktiv ihr Ziel. Wild und von einer unzähmbaren Energie genährt, verdrängte Anjol allen Schmerz aus sich und schlug nur noch auf sein erstauntes Spiegelbild ein, daß unter der Wucht seiner Schläge immer weiter zurückgedrängt wurde.

Verzweifelt wehrte sich das Hologramm und schlug ihm mehrmals ins Gesicht, daß unter den Hieben schon an beiden Augen aufgeschwollen und blutig war.

'Enehy', das war der einzige Schmerz den Anjol fühlte und mit Genugtuung hörte er wie eine Rippe nach der anderen seines photonischen Feindes in dessen Körper zersplitterte und den inneren Organen feinste Risse verpaßte.

Doch auch dies stoppte Anjol nicht. Seine Schläge verstärkten sich noch und erfolgten immer schneller, bis er sie selbst nicht mehr verfolgen konnte. Sein Körper arbeitete ohne seinen Geist. Dieser war nun leer und der ganze Zorn sammelte sich in seinen Fäusten, die mechanisch auf den Brustkorb des Hologramms einhämmerten.

Doch sein Gegenüber wehrte sich schon längst nicht mehr. Kaum eine Rippe hatte dem Ansturm des Bajoraners standgehalten und immer mehr Blut sackte in den Leib, der wie ein Sack in den Händen Anjols hin- und hertanzte, bis der Bajoraner es schließlich realisierte:

"Er ist tot!", flüsterte er und Blut strömte aus den aufgeplatzten Augenbrauen über sein Gesicht, "tot..." Und dann, lauter und mit der gesamten Kraft die sich in ihm gesammelt hatte, schrie er es in die ganze Welt hinaus, während er den anderen Anjol in sich zusammensacken ließ: "ER IST TOT!!!"

--- Abhang

Sternenlicht hatte inzwischen die für Sivaoaner typische Kampfhaltung eingenommen: Bauch-an-Bauch versuchte er, die Beine der Kopie mit seinen umklammert zu halten, während er mit seiner gesunden Pfote dem Hologramm einige Hiebe auf den Kopf zu setzten versuchte, die dieser mechanisch zuverlässig abblockte. 'Das geht nicht lange gut.'

Die Beiden waren mittlerweile über 30 Meter den Hang hinuntergerollt. Irgendwann machte es in Sternenlicht "Klick". Während er bei der nächsten Drehung wieder den Boden unter dem Rücken spürte, rammte er dem künstlichen Sivaoaner beide Beine in den Unterleib und stieß ihn gleichzeitig mit seinen Armen von ihm fort. In diesem Manöver lag jedes Quäntchen Kraft, daß Sternenlicht in diesem Moment mobilisieren konnte.

Erneut wurde die Kampfsimulation mit diesem Manöver überrascht, Sternenlichts Bewegungsablauf seiner Arme hatte auf einen erneuten Kopfschlag hingedeutet, Die zum Block zurückgezogenen Arme hatten keine Chance mehr, irgendwo Halt zu finden. In einem weiten Bogen flog das Hologramm davon, geradewegs auf die Baumgruppe zu, in denen sie vorher noch aufgetaucht waren.

Die Kopie hatte Pech. Er flog mitten in die Baumgruppe hinein, sein Kopf schlug seitlich an einem Baum ab, versetzte den Körper in eine drehende Bewegung und sorgte so dafür, daß er mit dem Rücken voll gegen den nächsten Baum prallte.

Sternenlicht hatte mit ähnlichen Probleme zu kämpfen, mit dem Unterschied, daß er darauf vorbereitet war. Nachdem er die Kopie von sich gestoßen hatte, drehten ihn seine Katzeninstinkte mit einem schnellen Schwung wieder auf den Bauch. Sofort gruben sich alle Krallen in den Boden und bremsten seinen Schwung ab. Nicht schnell genug, denn das Rutschen wurde vorzeitig von einem Baum gebremst, an dem er recht unsanft mit seinem Allerwertesten aufprallte.

--- Plateau, etwas abseits

Verbissen kämpfte Shania noch immer mit ihrer Nebenbuhlerin und konnte sie im letzten Augenblick daran hindern, daß diese ihr die Augen auskratzte. Während sie von Enehys Ableben nichts mitbekommen hatte, zuckte sie beim befreiten Schrei des Bajoraners erschrocken zusammen. Scheinbar hatte er es geschafft sein Ebenbild zu besiegen. Sein Schrei war es auch, der Shania aus ihrer Trance holte.

Sie merkte, daß der Kampf so wie sie ihn im Moment führte aussichtslos war und sie begann sie sich merklich zu beruhigen. Statt purer Mordlust begann sie ihren Verstand einzusetzen und machte nicht mehr ihre eigene Wut zum Antrieb des Kampfes. Wut machte blind und die falsche Shania hatte zwar nicht ihre Vergangenheit und Erfahrung, aber doch ihren durchtrainierten ausdauernden Körper. Vielleicht sogar einen noch ausdauernderen.

Die Amerikanerin bemerkte bereits, daß ihr zerschundener Körper seinen Tribut forderte. Wieder bekam sie einen harten Hieb in den Magen, worauf sie sich mit einem Tritt mit dem Knie in den Bauch ihres Spiegelbilds revanchierte.

Lange würde sie den Angriffen dieser Furie, die sie obendrein unverschämt anlächelte um ihre sinnlose Wut wieder zu entfachen, nicht standhalten. Ihre Arme zeigten bereits deutliche Anzeichen von Ermüdung, da ihre Schläge nicht mehr so kräftig waren wie zu Beginn des Kampfes und ihre Gegnerin immer öfter durch die Verteidigung drang und sie erwischte. Ihr mußte rasch etwas einfallen...

Wieder zerrte das Hologramm an ihren Haaren und versuchte so ihren Kopf in den Nacken zu zwingen um einen Treffer zu landen. Da fiel Shanias Blick auf die beiden Namonos. Während einer davon versuchte sich in Sicherheit zu bringen und einem Kampf aus dem Wege zu gehen, schien der andere es regelrecht auf einen Kampf anzulegen. Während einer sich momentan etwas ungeschickt im Klettern versuchte, stand der andere breitbeinig vor der Felswand und verhöhnte ihn.

Ein Lächeln überzog das Gesicht der Amerikanerin, als ihr plötzlich klar wurde, wer hier der falsche Namono sein mußte. Immerhin hatte sie genug Zeit mit ihm verbracht um seinen Charakter kennenzulernen.

Sie landete ihren Ellbogen mit voller Wucht im Gesicht der anderen, die darauf hin mit einem Schmerzenslaut ihre Haare los ließ und automatisch ihren Griff lockerte. Hastig sprang die echte Shania auf die Beine und rannte auf Namono zu.

--- bei der mannshohen Höhle

Kurz bevor sie den Massai eingeholt hatte, ließ sie sich auf den Boden fallen, schlitterte noch ein Stück am Rücken weiter in Richtung Namonos Beine und trat dann mit all der Wut und dem Zorn, die sich inzwischen in ihr aufgestaut hatte, zwischen seinen Beinen nach oben. Dabei machte sich ihr sportlich durchtrainierter Körper wirklich bezahlt.

Namonos Verhöhnungen endeten abrupt. Er blieb kurz kerzengerade stehen und sie hatte gerade noch genug Zeit, sich seitlich wegzurollen, bevor er wie ein gefällter Baum zu Boden ging.

Frech grinsend wandte sie sich, nachdem sie sich vergewissert hatte, daß das Hologramm sich nicht mehr rührte, an den echten Namono, der sie mit großen Augen von der Felswand heraus ansah.

"Jetzt kümmer du dich um die falsche Shania!", rief sie ihm zu und schwor sich dabei, ihm zu verheimlichen, daß sie einen Teil der Kraft daraus mobilisiert hatte, daß Namono sie in der Mannschaftsmesse so in Rage gebracht hatte, daß ihr das Zutreten sogar Spaß gemacht hatte, als sie sich vorgestellt hatte, daß es der richtige Namono wäre...

Dieser hatte von Shanias Gedankengang keine Ahnung, und saß in relativer Sicherheit auf einem schwer erkletterbaren Hügel. Dort machte er sich so seine Gedanken.

Das Einzige, was er mit Sicherheit wußte war, daß er der richtige Namono und der Falsche tot war. Der Computer war überraschend vorgegangen, denn er ließ die Kopien nicht einfach verschwinden, sondern ließ sie recht realistisch sterben.

Was war nun wirklich die echte Shania? Hatte sie ihm geholfen? Oder dachte der Computer 'um die Ecke'? Es hätte ja durchaus sein können, daß er die falsche Shania den falschen Namono hatte beseitigen lassen, damit sich zwei Originale gegenseitig metzelten.

Wie konnte er sicher sein, daß er mit der richtigen Shania kämpfte? Er mußte sie einfach etwas fragen, das nur die Echte wissen konnte. Etwas in der Art: 'Bei wem hattest du in der zwölften Klasse Geschichte?'

Leider hatte der Massai niemals mit ihr außerhalb des Schiffes geredet, und deshalb konnte es nichts geben, das er von ihr wußte und der Computer nicht.

Deshalb versuchte er es mit einem Bluff. Mit einem Satz sprang er den Hügel herunter und warf der Shania, die seine Kopie besiegt hatte entgegen: "Ich habe dich durchschaut! DU bist die Kopie!"

Diese verdrehte die Augen, schlug sich gegen die Stirn und entgegnete: "Und du bist ein Trottel!"

Nun war es klar: Die echte Kopie hätte sich ertappt gefühlt und ihn sofort angegriffen. Er wandte sich um, um seine Gegnerin zu erwarten, die zornig anrauschte.

Dann drehte er sich noch einmal zurück und meinte: "Über den Trottel reden wir noch!"

Ohne sich wieder umzudrehen, ging er in die Hocke und rollte sich in die Richtung ab, aus der er die falsche Shania anrennen hörte. Diese hatte ihre Chance gesehen, als er sich von ihr abwandte, und wollte sich gerade auf ihn stürzen, als er sie durch diese überraschende Aktion aus dem Gleichgewicht brachte.

Sie flog über ihn hinweg und landete auf dem Bauch. Geschmeidig sprang Namono wieder auf und warf sich auf die Kopie, die gerade wieder aufstehen wollte. Sie fühlte sich so weiblich an, wie er sich die echte Shania immer vorgestellt hatte.

Aber bevor er es sich gemütlich machte, spannte er seine Muskeln an und hieb ihr die verschränkten Fäuste ins Genick.

Wieder und wieder. Namono glaubte die Worte: "Böser Nono" zu hören, aber das mußte Einbildung sein. [SCNR ;-)]

Als mit einem häßlichen Knirschen ihr Genick nachgab, zuckte der so erstaunlich echt nachgebildete Körper unter ihm ein letztes Mal, und rührte sich dann nicht mehr.

'Zu einer anderen Zeit, und in einem anderen Holoprogramm werden wir uns einmal intensiver unterhalten, Baby...'

Langsam erhob sich der Massai und schaute Shania an. Dann gingen die beiden wortlos zu der Menge, die sich inzwischen um die tote Enehy versammelt hatte.

--- bei der Baumgruppe unterhalb der Böschung, inzwischen

Der Sivaoaner gab sich keine Sekunde Zeit. Kaum hatte er angehalten, sprang er wieder auf und wirbelte herum. Wenige Meter von ihm entfernt lag regungslos der Körper seiner Kopie. Vorsichtig trat er auf ihn zu und gab ihm einen Tritt mit dem Fuß. Keine Reaktion.

Skeptisch ging Sternenlicht in die Knie, die Krallen ausgefahren und die Pfoten zum Schlag bereit. Nichts geschah. Sternenlichts Knie berührten den Boden.

Im gleichen Moment schlug das Hologramm die Augen auf und traf Anstalten, sich mit einem Fauchen wieder auf Sternenlicht zu stürzen. Dieser reagierte im gleichen Moment. Mit der verletzten, rechten Hand deutete er einen Schlag auf den Kopf seines Gegners an. Wie erwartet, riß dieser erneut die Arme hoch, um diesen - für ihn eigentlich ungefährlichen - Schlag abzuwehren.

Dies war der Fehler, den Sternenlicht instinktiv provozieren wollte - der Hals der Kopie lag einladend keine Armlänge von seiner linken Pfote entfernt. Noch während der verletzte Arm schmerzhaft von der Abwehrbewegung des Hologramms zur Seite geschleudert wurde, spürte Sternenlicht, wie die Krallen seiner linken Pfote sich tief in den Hals seines Gegners gruben. Er fing den Blick der Kopie mit seinen Augen ein, als er mit einem letzten Ruck den Arm nach unten zog und ein klaffendes Loch an der Stelle hinterließ, wo eben noch Fell einen künstlichen Hals bedeckt hatte.

Der falsche Sternenlicht erfror mitten in seiner Bewegung, starrte ungläubig in die Augen seines Originals zurück. In Augen, die völlige Kälte zeigten. Einige Momente später verließ dann der Lebensfunke das Hologramm.

Sternenlicht ließ es einfach fallen und stand vorsichtig auf.

Ohne ihm einen weiteren Blick zu würdigen, begann Sternenlicht langsam mit dem Aufstieg zurück zur Gruppe.

--- bei den Steinen, inzwischen

Shania trat mit unbewegter Mine neben die leblos am Boden liegende Xenexianerin. Vielleicht hätte auch sie ihren Kampf verloren, wenn sie früher gesehen hätte, daß es Enehy erwischt hatte. Ihr Herz war schwer und sie hoffte, daß es nur ein böser Traum war oder sich der Computer einen schlechten Scherz mit ihren Gefühlen erlaubt hatte.

Doch niemand weckte sie. Keiner lachte.

"Ist sie...?" Die Worte blieben ihr im Halse stecken und das Wort 'tot' war nur eine stumme Bewegung der Lippen. Kein Laut kam über sie. Ihre Augen wurden feucht und sie mußte schluckten. Anjol nickte wortlos, ohne den Blick zu erheben und sie sah ihm an, wie bewegt er diesem Moment war. Nun verstand sie auch seinen Schrei von vorhin.

Wieder fiel ihr Blick auf Enehy und sie wünschte sich, sie hätten etwas mehr Zeit gehabt um wirkliche Freundinnen zu werden. Es tat ihr leid, daß sie einiges ihrer gemeinsamen Zeit damit vertan hatten über nichtige Dinge zu streiten und ihre Freundschaft anzuzweifeln. Doch nun war es zu spät um etwas daran zu ändern. Geschehen war geschehen.

Gerne hätte Shania jetzt ein paar Worte über Enehy selbst verloren und daß sie alle sie vermissen würden, daß sie unersetzlich war und für immer einen Platz in ihren Herzen haben würde, doch sie hatte Angst ihre Stimme könnte versagen und sie kein Wort herausbekommen.

So hielt sie sich an die Lebenden, die sie in dieser schwierigen Lage nötiger den je brauchten. Brauchten um die Hoffnung nicht versiegen zu lassen und um die Kraft zu finden weiterzukämpfen. Auch wenn ihr Gegner übermächtig und unbesiegbar erschien.

Ohne ein Wort zu verlieren und voller Anteilnahme nahm sie den Bajoraner in die Arme und versuchte ihm damit Trost zu spenden. Er hatte noch mehr als sie verloren. Vielleicht die einzige Chance ein Wesen wie die lebensfrohe und kindliche Enehy zu finden in das er sich verlieben konnte und mit der er sein Leben verbringen wollte.

Die große Frau stand da, hielt ihn im Arm und ihr fehlten die Worte für all das Grauen und den Schmerz. Dafür überschlugen sich ihre Gedanken regelrecht und sie fürchtete dieses Holodeck nie mehr lebend zu verlassen.

Die Sicherheitsprotokolle waren deaktiviert. Der Computer hatte nicht gelogen. Jeder falsche Schritt konnte sie in eine tödliche Falle führen. Und vielleicht würden sie Enehy früher wiedersehen, als ihnen lieb war.

Auch Hexton war aufgestanden und hatte sich zu der Gruppe gesellt, welche die tote Enehy eingrenzte. Betrübt schaute er auf die reglose Gestalt herab, als er in den Augenwinkeln eine Bewegung wahr nahm. Schnell drehte er den Kopf und erkannte... ; er konnte es fast nicht glauben; ... Enehy. Es dauerte ein paar Sekunden bis Timothy begriff, was er da sah.

Aber als endlich die richtigen Schalter in seinem Kopf geklickt hatten, fing er an loszurennen. um diese FALSCHE Enehy einzuholen. Das mit dem Rennen stellte sich schwieriger dar, als er angenommen hatte. Immer noch schmerzten seine Nieren und aus dem einen Auge konnte er nicht richtig sehen, da es schon enorm angeschwollen war.

Anscheinend wußte die falsche Xenexianerin genau was ihr bevorstand, wenn Timothy sie einholte und so fing auch sie an zu rennen. Doch der Andorianer mobilisierte seine Kräfte und sprang auf Enehy zu, erwischte sie an den Haaren und riß sie mit sich zu Boden. Ein gellender Schrei ertönte und jetzt merkten auch die anderen, was sich hier abspielte.

Unbeeindruckt von dem Geschrei stand Timothy auf, ergriff wieder die Haare der Holographie und zerrte die sich windende und zappelte Kopie zu den anderen zurück.

"Ich wußte doch, das wir was vergessen hatten", bemerkte er trocken. "Aber hat irgend jemand eine Idee, was wir mit der jetzt machen könnten?"

Nach kurzen, aber beruhigenden Augenblicken der Meditation, war auch der Asiat zur Gruppe wieder zurückgekehrt und hatte alles mitbekommen.

Kuzhumo dachte kurz darüber nach und sah den Schmerz in Anjols Augen. Der Japaner erkannte, wie sehr der Anblick einer 'lebenden' Enehy ihn mitnahm. Auch wußte er, daß es der Bajoraner über seinen Schmerz nicht fertigbringen würde, die falsche Enehy zu töten, was zweifellos der Schlüssel zum Ende des Programms war.

Auch Shania, schien zu sehr mitgenommen, als daß sie es hätte tun können. Die Wut der Gruppenmitglieder war verraucht. Jeder hatte seinen Sieg errungen.

Und doch so viel verloren...

Was jetzt zu tun war, war nur noch eine undankbare Pflicht. Kuzhumo trat einen Schritt vor und blickte Anjol tief in die Augen. Dieser verstand und nickte leicht mit dem Kopf.

Mit einer leichten Verbeugung, der allen Respekt, den der Japaner für Anjol empfand beinhaltete, bedeutete Kuzhumo Hexton ihn mit der falschen Enehy zu folgen. Dieser schien immer noch aufgebracht, aber fügte sich, den stummen Wunsch des Bajoraners verstehend.

--- am Rand des Schlachtfeldes

Wieder schaute Kuzhumo auf das Tal unter ihm herab. Sein Muga war wieder im völligen Gleichgewicht, als Hexton die falsche Enehy losließ, welche sich auch gar nicht mehr wehrte.

Widerstandslos drückte der Andorianer das Hologramm auf seine Knie. Regungslos verharrte Enehy dort. Sie wußte, daß sie verloren hatte.

Und sie wußte, was jetzt kam.

Mit einer Ruhe, die in dieser Situation schon an Wahnsinn grenzte, hob Kuzhumo seine Hand.

...

...

...

Ein Schlag und ein Knacken später war der ganze Spuk vorbei.

Die falsche Enehy fiel tot dem Abgrund entgegen.

--- Abhang

Sternenlicht nahm aus dem Augenwinkel wahr, wie in einiger Entfernung ein weiterer Körper den Hang hinunter rollte. Er ignorierte ihn. Für ihn war der Kampf vorbei, ob er wollte oder nicht.

Mit einem nutzlos herunterhängenden rechten Arm, völlig zersausten und von Blut durchtränktem Fell erreichte der Sivaoaner das Plateau.

--- bei den Steinen

Wie angewurzelt blieb der Sivaoaner vor Enehys Leichnam stehen. Er wußte sofort, daß es sich hier um keine Kopie handelte, die gekreuzten Arme waren auch für ihn ein klares Zeichen.

Nun war es doch geschehen, ein Leben war ausgelöscht worden. Ausgelöscht nur zur Vergnügungsfreude eines verrückt gewordenen Computersystems. Erschöpft sank Sternenlicht vor der Leiche auf die Knie und schloß die Augen.

Er hatte diese Frau nicht gemocht, aber der Tod... den Tod wünschte man auf Sivao noch nicht einmal seinen erbittertsten Feinden.

Leise zuerst, dann ein wenig lauter, sang Sternenlicht für Enehy ein Lied, ein Lied, daß ihr den Weg in das nächste Leben zeigen würde. Fremdartige, leicht zischende Töne wurden vom Wind über die Lichtung getragen, als der Sivaoanische Barde Enehy auf seine Art die letzte Ehre erwies.

Noch bevor der letzte Ton des Bardenliedes verklungen war, hörten sie wieder diese Stimme, die sie langsam aber sicher zu hassen begannen.

"Wenn ihr mit dem Katzenjammer fertig seid, könnt ihr vielleicht ja auch mal was tun um das eigentliche Spiel zu gewinnen. Es ist langweilig wie unglaublich primitiv ihr euch anstellt. Ein Leben verloren, sechs gewonnen. Was wollt ihr mehr?"

Die süffisante weiche Stimme schien von überall her zu kommen und gab ihnen damit zu verstehen, daß sie allmächtig war und sie wie kleine unwichtige Schachfiguren auf einem unsichtbaren Spielbrett agierten.

So unwichtig, daß sie weder den Preis des Spiels kannten noch Einfluß auf seine Regeln oder gar ihre eigene Teilnahme daran hatten.

Sicher erwartete der Computer keine Antwort von ihnen, dennoch schwieg er beharrlich und schien sich daran zu erfreuen, wie das Warten alle langsam aber sicher auszehrte. Wie es ihnen die Kraft entzog wie magischer Schwamm. Alles um sie war still. Sie hörten nur ihr eigenes Atmen und das rhythmische Pochen ihres Herzens.

Ärgerlich trat Shania einen Schritt vor und wollte etwas ziemlich Böses und Unfeines sagen um den Bann der Stille zu brechen und ihre Wut über den Computer, der Gott spielte zu brechen, aber Namono hielt sie zurück. Es war nicht abzusehen, was der Computer mit ihnen machen würde, wenn er des Spielens satt war. So biß sie sich nur auf die Lippe, bis sie den süßlichen ekligen Geschmack von Blut auf ihrer Zunge spürte.

"Das letzte Rätsel, wo ist es?", fragte der Navigator betont ruhig um ihren unsichtbaren Feind wieder auf den eigentlichen Sinn ihres Sieges hinzuweisen. Seine Stimme bebte. Die letzten Minuten, die ihnen wie Stunden vorgekommen waren, waren auch an ihm nicht spurlos vorbei gegangen. Niemand würde das je vergessen können.

"Ihr wollt die letzte Hürde, ihr sollt sie bekommen! Und ihr werdet daran scheitern, da ihr mit Blindheit und Taubheit geschlagen seid, ihr kümmerlichen ach so zerbrechlichen Geschöpfe..."

Plötzlich hatten sie das Gefühl, als würde sich der Boden unter ihren Füßen öffnen und sie fielen in die nachtschwarze Tiefe des Berges. Die Luft war erfüllt von ihren erschrockenen Schreien und einem Raunen, das aus der Tiefe des Berges zu kommen schien und das sie auf ihrem Weg in die Tiefe begleitete. Ein Raunen, das sich wie der Berg selbst anhörte und aus den Geistern jener bestand, die vor ihnen diesen Weg gegangen waren.

Sie hatten das Gefühl, als würde sich eine eisige Klammer um ihre Herzen legen und sie würden ewig ins Nichts fallen. Blind und ohne jede Möglichkeit sich zu befreien. Ständig die Angst vor dem Aufschlag und dem endgültigen Aus vor Augen.

Das Raunen verstummte und wurde zu einem rhythmischen Tocken und Quietschen. Und plötzlich war auch der Fall zu Ende. Doch ihm folgte kein Aufprall, sondern sie fanden sich in einer völlig anderen Umgebung wieder.

Im Inneren des Berges. Einer gigantischen Höhle, deren Anblick von Mineralien und Goldadern an den Wänden, die glitzerten und leuchteten, sie normalerweise in Verzückung gesetzt hätte, doch sie hatten keine Augen für diese Schönheit, sondern starrten ganz entrückt in die Mitte der Höhle. Dort war eine Sporthalle aufgebaut. Und in dieser Sporthalle stand ein Mann.

Das heißt, er stand dort nicht, sondern er lief eifrig darin umher und versuchte Bälle zu erwischen und gegen eine Wand zu schleudern.

Er spielte... Squash.

Doch er war nicht allein. Er spielte mit jemand anders Squash.

Mit einer Frau.

Mit Shania.

Die echte Shania öffnete verblüfft den Mund. Nicht ihre Doppelgängerin verwundert sie, sondern der Mann, den sie hier nicht erwartet hatte. "Soldan Akboradon...", flüsterte sie mit tonloser Stimme und ging auf die Traininghalle zu. Instinktiv wollte sie zu ihm, doch als sie die Halle betreten wollte, wurde sie von einem unsichtbaren Kraftfeld zu Boden geschleudert und erhielt einen sehr schmerzhaften elektrischen Schlag.

Die süffisante Frauenstimme des Computer lachte hämisch. "So leicht wollt ihr doch wohl nicht den Sieg erringen. Es sollte doch ein... Abenteuer werden...."

Die Amerikanerin hörte, daß alle sich hinter ihr berieten und darüber nachdachten, was das für ein Rätsel sein sollte und wie man es verstehen sollte. Für Shania, die gerne jede Art von Rätseln löste, setze sich Puzzlestein an Puzzlestein.

Da waren die drei Hinweise, von denen der Computer als Klingonin gesprochen hatte.

Hinweis Nr. 1: Sicherheitsprotokolle deaktiviert. Alle Befehlskontrollen gesperrt.

Hinweis Nr. 2: Das unvermutete und scheinbar bedeutungslose Auftauchen der Klingonen, deren Lager neben einem leeren Flußbett zu finden war. Sie meinte, sie würden es bewachen. Leeres Flußbett. Man nannte es auch Wadi.

Hinweis Nr. 3 und wahrscheinlich wichtigster Hinweis: Es ist ein Spiel bei dem der Preis sein eigener Meister ist ohne es selbst zu erahnen. Die Wadis nannten sich die Meister der Spiele. Dann war also dieser Wadi der Preis des Spiels. Doch was war das Spiel? Das ganze Abenteuer wie bisher angenommen... oder...?

Ohne sich noch einmal umzudrehen, suchten Shanias Augen die Höhle ab und da entdeckte sie auch wonach sie instinktiv gesucht hatte. Sie erhob sich wieder und ging darauf zu.

Kaum berührten ihre Hände die Schläger, als die Welt um sie herum verschwand, und sie sich auf dem Squashfeld wiederfand.

--- auf dem Spielfeld

Auf dem Feld angekommen, sah sie sich dem Wadi gegenüber. Offenbar war dieser schon seit einigen Stunden auf den Beinen und schwitzte dementsprechend. Trotzdem machte er einen durch und durch zufriedenen Eindruck auf sie.

"Ich finde, ich habe in den letzten Stunden einiges dazugelernt, meinst du nicht auch? Am Anfang hast du mich ja noch leicht schlagen können, aber ich glaube, mir hat einfach nur die Praxis gefehlt. Immerhin spiele ich dieses Spiel heute zum ersten Mal. Morgen werde ich zwar einen ganz fürchterlichen Muskelkater haben, aber ein Spiel halte ich noch durch, du auch?

Na klar tust du das, schließlich hast du die beste Kondition, die ich jemals gesehen habe. Allerdings bist du auch die beste Lehrerin, die ich kenne. So eine Art Spiel kann man einfach nicht durch Studium der Regeln erlernen. Aber ich habe ja einen großen Vorteil, weil dieses Spiel unserem Sin-Ne't nicht ganz unähnlich ist, nur wird dieses auf einem doppelt so großen Platz gespielt, und die beiden Gegner stehen sich gegenüber, es ist also keine Mauer dazwischen.

Wir sollten diesmal wirklich um etwas spielen, ich fühle mich jetzt schon in der Lage, dich zu schlagen. Was meinst du?"

Shania hatte während dieser Ansprache mehrmals tief durchgeatmet. Das hatte der Computer also vor, er wollte sie langsam aber sicher in den Wahnsinn treiben. Sie hatte vollkommen vergessen, daß Soldan fast so nervig wie Charly war.

Deshalb hatte der Computer sie auch nicht Soldan erreichen lassen um das Squash Turnier abzusagen. Denn der Wadi war zu diesem Turnier erschienen und hatte die ganze Zeit über, in der sie mit den anderen versucht hatte aus diesem Abenteuer zu entkommen, Squash trainiert. Ironischerweise für den Endkampf eines Spiels, das er noch nicht mal kannte.

Schnell antwortete sie um einer weiteren Ansprache zu entgehen: "Ja, laß uns anfangen!"

Sofort veränderte sich die Umgebung. Das Licht wirkte heller, und ein paar Tribünen erschienen, auf denen johlende Menschen saßen. Die Gruppe mit der sie gekommen war konnte sie wahrscheinlich sehen, aber sie die anderen weder hören noch sehen. Dadurch würde der Wadi sein Bestes geben um zu gewinnen.

Ein Sprecher kommentierte das Ereignis:

"Die Teilnehmer des Endspiels der ersten Freiheitsmeisterschaft stehen fest. Auf der Seite der Gäste die Altmeisterin Shania Twillan, Nummer Eins der Computerrangliste!"

Mittelprächtiger Applaus schallte durch die Arena.

"Die Heimmannschaft wird vertreten durch Soldan Akboradon, Aufstrebende Nummer zwei der Rangliste und Newcomer des Jahres!"

Die Erde schien zu beben, als das imaginäre Publikum in Begeisterungsstürme ausbrach.

Soldan meinte zu Shania: "Du hättest nicht so zu übertreiben gemußt, aber ich muß trotzdem zugeben, daß mir die Stimmung hier gefällt! Sie spornt einen zu wahren Höchstleistungen an. Niemals hätte ich gedacht, daß ich in einem neuen Spiel in kürzester Zeit so gut werden könnte. Der Ausspruch, daß der Lehrling besser als sein Meister wird, scheint in diesem Fall wirklich Wahrheit zu werden. Ich rechne es dir hoch an, daß du dir so viel Mühe darin gemacht hast, mir das Spiel beizubringen, Shania."

Diese lächelte nur säuerlich und versuchte sich bei dem Lärm aufs eigentliche Spiel zu konzentrieren. Die Hoffnung, daß ihr die anderen in irgendeiner Weise helfen konnten, hatte sie aufgegeben. Nun kam es nur mehr auf sie und ihre Leistung an. Aber die Amerikanerin glaubte an sich und ihr Können. Squash war ihre Leidenschaft und noch nie hatte sie jemand darin besiegt.

Der Sprecher fuhr fort: "Der Zufallsgenerator hat entschieden, daß Shania Twillan den ersten Aufschlag hat."

Lächelnd reichte Soldan ihr den Ball. "Ich werde mein Bestes geben, versprochen!"

Shania begab sich nach rechts, von wo sie am Liebsten aufschlug, ließ den Ball ein paar mal auftippen und schlug auf. Gleichzeitig mit dem Ball startete auch die Hoffnung aller, die in diesem Holodeck gefangen waren und sich nichts sehnlicher wünschten, als diesen Spuk ein für alle mal zu beenden.

-- auf dem Spielfeld, sechs Minuten später

"Es steht nun sechs zu zwei für Shania Twillan." Der Sprecher hatte einiges von seiner Euphorie verloren, und als Shania nun ein As schlug, wirkte seine Stimme kalt wie Eis.

'Soviel zum Thema unparteiische Berichterstattung', dachte sich Shania und schlug erneut.

"Sieben zu zwei."

"He, Shania, du spielst ganz anders als eben! Ich dachte, ich hätte dein Spiel durchschaut, aber offenbar hast du viel mehr drauf als ich dachte! Überhaupt werde ich langsam müde..." Soldan hatte ebenfalls einiges an Dynamik verloren. Anscheinend war sein massiger Körper doch nicht so für Hochleistungssport geeignet, wenn er sich über so lange Zeit hinweg zog.

'Gut so', dachte Shania bei sich und begab sich auf die andere Seite des Spielfeldes. Die vielen Stunden des eisernen und vor allem einsamen Trainings in ihrer Freizeit schienen sich heute endlich bezahlt zu machen. Trotz der Vorfälle der vergangenen Stunden, ließ ihre Kondition sie nicht im Stich.

*plong*

"Acht zu zwei für Twillan."

*plongplongplong*

"AAAU!"

*plong*

"AAAU!"

Als hätte plötzlich jemand Leben in den Sprecher gepumpt, meldete er sich mit der alten Euphorie zurück: "Shania krümmt sich vor Schmerzen, was ist passiert? Schauen wir uns den letzten Aufschlag noch einmal in der Zeitlupe an!

Offenbar hat Twillan sich bei ihrem letzten Aufschlag verletzt. Oh, das sieht gar nicht gut aus, kann sie überhaupt weiterspielen? Wird Soldan durch diesen Unfall Sieger des Spiels werden? Werden die Anhänger von Twillan mit dieser Niederlage enttäuscht werden?

Oder kann sie es noch einmal schaffen um das restliche Match im verletzten Zustand zu meistern und den Sieg an sich zu reißen?"

'Halt doch endlich die Klappe, du Maschine! Gibt es hier keinen Arzt?', dachte Shania zähneknirschend, während sie ihr Bein massierte und versuchte den Schaden in Grenzen zu halten. Suchend schaute sie sich um. Doch niemand kam herbeigeeilt. Sie blieb weiter allein mit dem Wadi, der sie mit besorgter Mine musterte.

'Offenbar nicht. Was mache ich jetzt? Mein Bein fühlt sich nach einer deftigen Zerrung an. Hoffentlich kein Muskelriß! Warum habe ich mich vor dem Spiel eigentlich nicht aufwärmen können? - Ich hasse Computer!'

Mit schmerzverzerrtem Gesicht stand Shania auf und brach gleich darauf mit einem Schmerzensschrei wieder zusammen. Hinter dem Rücken des Wadis wurde die Zuschauerbühne für einen Moment durchscheinend und sie konnte die beinahe entsetzen Gesichter ihrer Gruppe im Halbdunkel erkennen. Eine Gruppe, deren einzige Hoffnung es war, daß sie dieses Spiel gewann.

Dann verblich das Bild wieder und die Zuschauerbühne war wieder zu sehen.

Der Computer ließ nichts aus um sie zu quälen. Noch einmal war sie bereit ihr Bestes zu geben und mobilisierte all ihre Kräfte und versuchte den Schmerz einfach zu unterdrücken.

'Warum schwitzt dieser blöde Wadi auch wie ein Walroß? Sicher war es seine Schweißlache, auf der ich ausgerutscht bin! - Ich muß es schaffen. Ich muß', machte die große Amerikanerin sich selbst Mut, die innere Stimme, die ihr sagte, daß das alles keinen Sinn mehr machte, verdrängte sie.

Wieder versuchte sie aufzustehen und der Schmerz und die Verzweiflung trieben ihr dabei die Tränen in die Augen. Dennoch stand sie auf wackeligen Beinen und versuchte in die andere Spielhälfte zu gehen. Doch schon nach dem ersten Schritt schrie sie auf und brach zusammen.

Das Spiel war endgültig verloren.

Es war aus.

Endgültig.

"NEEEEEEEEEEEIIIIIIIIIINNNNNNNNNNNN!!!!!", gellte ihr Schrei durch den Trainingsraum, die Höhle und verlor sich irgendwo in Ferne.

Da wurde es plötzlich finster.

So stockdunkel, daß die Finsternis alles und jenes verschlungen zu haben schien.

Man hörte nichts außer Atmen und Keuchen.

Die Dunkelheit war vollkommen. Nach einiger Zeit hatten sich die Augen so an die Finsternis gewöhnt, daß sie mit einer kleinen Menge Restlicht wenigstens Schemen hätten wahrnehmen können - trotzdem sahen sie nichts.

Sie spürten, daß sich der Boden, auf dem sie standen, verändert hatte. Er war nun glatt, sauber, und als Namono sich bückte, um ihn zu erfühlen, verglich er dieses Gefühl mit einer Glasplatte.

Kalt.

Glatt.

Offenbar beruhigend dick.

Zu dem Fehlen der optischen Reize gesellte sich die Stille. Kein Geräusch, das sie nicht selber von sich gaben, war zu hören.

Keine geschlagenen Bälle, keine laufenden Schritte mit quietschenden Sportschuhen - nichts.

Offenbar hatten sie verloren und der Computer war dabei, sie zu bestrafen.

Eine weitere Minute verging, in der niemand etwas sagte. Alle lauschten mit angespanntesten Sinnen auf irgend etwas.

Nichts.

Doch dann - plötzlich - erklang ein ohrenbetäubendes Klong, gefolgt von einem ebensolauten Zischen.

Die Köpfe und die weit aufgerissenen Augen ruckten instinktiv herum, und ein Lichtblitz brannte sich in die Netzhäute ein.

Als die Augen zaghaft wieder geöffnet wurden, hatte sich der Lichtblitz verbreitert, man konnte ein gigantisches Tor aus reiner Helligkeit erkennen.

Und in diesem Tor standen zwei Wesen.

Eines davon war zwar humanoid, überragte die Gruppe aber mindestens um Haupteslänge.

Sein Gefährte war keiner bekannten Rasse zuzuordnen. Zumindest war er (es?) nicht humanoid, aber dafür auch nur etwa halb so groß wie sein Begleiter.

Dieser trat einen Schritt vor und die noch immer halbblinde Gruppe nahm instinktiv eine Kampfhaltung ein.

Dann ertönte seine donnernde Stimme: "Was ist denn hier los!?!?

Seit einer geschlagenen Viertelstunde versuche ich, die Kontrolle für das Holodeck zu übernehmen, aber irgend so ein Idiot hat das Deck so programmiert, daß das einzige Kontrollterminal ein holografisch generiertes auf dem Holodeck ist!

Ich mußte durch Jeffriesröhren klettern, um die Energieverbindungen manuell zu durchtrennen, nachdem mich der Captain geweckt hat!

Was für eine Simulation, die 98,5 Prozent aller Rechenleistung der Ivory in Anspruch genommen hat, lief hier??

Wenn der Captain sich nicht mitten in der Nacht eine Tasse Tee hätte replizieren wollen, und darauf geschlagene zwei Minuten hätte warten müssen, wäre diese...Energieverschwendung wohl nie entdeckt worden!"

Martenghs Blick fiel auf Enehys Leiche.

"UND WAS IST DAS??????", donnerte seine Stimme womöglich noch lauter über das Holodeck. Mit raschen Schritten ging er auf den toten Körper zu und scannte ihn. Sein Tricorder war zwar kein medizinischer, aber er zeigte keine Lebenszeichen mehr.

Der Sicherheitschef blickte von einem zum anderen.

Es ist jetzt 2:35. Ich erwarte morgen um 10:00 einen vollständigen Bericht. Und jetzt: Weggetreten. Charly, räum das da weg!"

Mit diesen Worten drehte sich der Caldonier um und schritt ohne zurückzublicken davon.

"Also, das hätte ich ja von Ihnen nicht gedacht, Miss Shania, daß Sie bei einer solchen Verschwörung mitmachen. Haben Sie wirklich das Schiff übernehmen wollen, wie Mr Martengh vermutet hat? Also ich finde es jedenfalls nicht richtig, daß ich um diese Zeit aus meiner Regenerationsphase geholt werde. Könnt ihr Biologischen denn nicht einmal etwas ohne mich anstellen? Ja, natürlich, ihr denkt, der Charly, der wird's schon richten. Natürlich. Wir Roboter brauchen ja keine Ruhe, keine Freizeit, wir sind immer für euch da. Selbstverständlich.

Oh, das wird morgen ein sehr unerfreulicher Tag für Sie alle, denn ich habe gehört, daß Captain Monserat Ihnen allen sämtliche Schäden vom Lohn abziehen will! Und da er auf diesem Schiff mit seinen Maschinen den Strom liefert, kann er ganz allein den Preis bestimmen. Ich fürchte, nach Ende der Mission werden Sie ihn auszahlen müssen, nicht umgekehrt!

Ja, ich muß sagen, da sind Sie selber schuld. Warum treiben Sie sich auch um diese Zeit auf dem Holodeck herum? Ich bin zwar geschmeichelt, daß sie von meinem Kollegen so begeistert sind, aber Sie sollten es nicht übertreiben.

Blah

Blah

Blah..."

ENDE DER ZWEITEN AUSBILDUNGSGRUPPE

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