Venture Cronik 23

Rettung in letzter Minute

--- Venture, Maschinenraum

Alex überflog noch ein paar Werte auf dem PADD, welches er in der Hand hielt und nickte zufrieden. Ja, so wie es aussah, schien alles ganz gut zu laufen. Die Transporter waren noch damit beschäftigt, die letzten Personen und Ausrüstungsgegenstände an Bord zu beamen. Alle hatten gute Arbeit geleistet und alles was mit musste zerlegt und transportfähig gemacht. Das Einzige was jetzt noch fehlte, war das Außenteam.

Beinahe unbewusst schaute Alex auf die Sensorentafel und zuckte wie vom Blitz getroffen zusammen. Schnell rief er eine genauere Auflösung auf und betrachtete das ihm gebotene Bild. Sofort verglich er die Sensorenaufnahmen mit der Uhrzeit und erschrak abermals.

"Poulsen an Brücke", rief er sofort, als er einen Kanal geöffnet hatte. "Sehe ich das hier falsch oder sind die Föderationsschiffe in weniger als 12 Minuten hier?", fragte er nervös.

"Ja, Sie haben Recht", antwortete der gerade diensthabende Offizier. "Um genau zu sein, werden sie schon in 10 Minuten und 30 Sekunden hier sein."

"Verdammt!", fluchte er ungehalten. Die Zeit lief ihnen davon. Und wie er eben festgestellt hatte, konnte er keinen der Außenteammitglieder hoch beamen, weil immer noch irgendein Kraftfeld den Transport verhinderte. Und dann war ja auch noch das Shuttle auf dem Planeten. Wenn es jetzt nicht bald startete, dann würde es nicht mehr rechtzeitig zur Venture zurückkehren können.

"Ok, wir machen es folgendermaßen. Sobald Sie die Mitglieder des Außenteams erfassen können, beamen Sie sie auf die Venture. Ich werde mich in der Zwischenzeit um das Shuttle kümmern, welches sich noch auf dem Planeten befindet. Poulsen Ende."

Sofort schnappte er sich seinen Phaser, übergab das Kommando des Maschinenraums an Hedlege und beamte sich direkt ins Shuttle auf dem Planeten.

--- Maquis-Basis, Shuttle

Kaum hatte Alex sich rematerialisiert, da sprang er auch schon in den Pilotensessel, aktivierte die Triebwerke, Sensoren, Waffen und die Schilde. Ihm war nämlich kurz zuvor eine Idee durch den Kopf geschossen und er hatte vor, diese auch in die Tat umzusetzen.

"Nun mach schon", sagte Alex ungeduldig, während die Triebwerke hoch liefen.

--- Venture, Brücke

Nachdem endlich jemand das nervige Jaulen des Roten Alarms, bei dem sich ohnehin niemand konzentrieren konnte, abgestellt hatte, nervten Veronica trotzdem noch die stumm blinkenden Konsolen, und sie rieb sich den Kopf, während sie mit ein paar kleinen Korrekturen die Sensoren neu ausrichtete und die nahenden Föderationsschiffe beobachtete, die als kleine rote Punkte auf ihrem Display angezeigt wurden.

"Das letzte Shuttle hat die Venture erreicht, Captain. Alle Shuttles befinden sich jetzt an Bord", meldete der Sicherheitschef, der unangenehmerweise nur eine Konsole von ihr entfernt stand. Allerdings hatte er heute ausnahmsweise keine Zeit dafür, ihr über die Schulter zu schauen.

Veronica ließ ihren Blick über die Brücke schweifen. Außer Anjol waren alle Führungsoffiziere anwesend und furchtbar beschäftigt mit irgendetwas - was fanden die eigentlich immer zu tun? Sie fühlte sich unnütz, wie sie weiterhin die Sensoren beobachtete und nichts tun konnte als dann und wann McCarthy einen Blick zuzuwerfen, ob er eine Anweisung für sie hatte, doch der Captain war sich ihrer Anwesenheit nicht bewusst.

Er hatte den Blick auf den Schirm gerichtet, auf dem erst seit einigen Minuten die drei Föderationsschiffe zu sehen waren; die Plasmastürme grenzten die Reichweite ihrer Sensoren noch immer ein, obwohl der Maschinenraum seit dem Verschwinden der 'Hotaru' deren Effizienz hatte verbessern können. Veronica fand die Schiffe sehr bedrohlich; genau genommen hatte sie Angst.

Wo blieb nur das verflixte Außenteam? Ihre Anzeigen zeigten weiterhin ein einigermaßen stabiles Kraftfeld an dem Punkt, an dem es sich befinden musste... ob der Captain es zurücklassen würde, wenn sich die Sternenflotte auf Waffenreichweite genähert hatte? Sie hoffte es... die Terranerin war nicht die einzige an Bord, der nichts Schlimmeres passieren könnte, als der Föderation in die Hände zu fallen.

Um sich abzulenken musterte sie den neuen klingonischen Piloten, K'bal, der Brengh abgelöst hatte, als dieser einen der Raider übernahm. Schlecht sah er ja nicht aus, vor allem sein Hintern, auch wenn sie den im Moment nicht sehen konnte. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Lisa hatte zwar gesagt, sie sei noch einen Tag ansteckend, aber das betraf doch bestimmt nicht die klingonische Physiologie. Was, wenn sie später doch auf diese Party ging -in Begleitung K'bals...

Ihr stockte der Atem, als sie eine blinkende Anzeige bemerkte und fühlte das Blut in ihre Wangen steigen als sie sich fragte, wie lange sie sie übersehen hatte. "Transporterraum 1 meldet, dass alle Personen und Geräte an Bord sind, Captain", beeilte sie sich Bericht zu erstatten und ärgerte sich über sich selbst, ins Stottern geraten zu sein.

"Wie lange bis zum Rendezvous?", fragte McCarthy nur mit überraschend ruhiger Stimme zur Antwort. Der alte Mann hatte die Stirn jedoch in Sorge gerunzelt.

"Sieben Minuten, 20 Sekunden", meldete Hisaki in seiner stoischen Gelassenheit.

Veronica beeilte sich, wieder einen kompetenten Eindruck zu erwecken und vor allem ihr Display im Auge zu behalten. Sie hoffte wirklich, der Captain würde das Außenteam zurücklassen. Sie hatte vor, noch mit vielen Männern auf viele verschiedene Partys zu gehen...

--- Maquisbasis, Computerraum, mittlere Ebene

Jordan, die hinter einer Konsole in Deckung gegangen war, sah sich vorsichtig um. Ihre immer ruhigen Hände umfassten ihren Phaser, der Notfallkoffer lag vorerst vergessen neben ihr. Was genau war hier eigentlich los?

Sie schien sich nicht im Schussfeld des Phaserfeuers zu befinden, und so beugte sie sich vor und linste kurz um die Ecke der Konsole. Dann verharrte sie blinzelnd einige Sekunden.

Chedu und Anjol befanden sich in ihrer Nähe unweit der Eingangstür, während Alnak gefährlich unsicher an einem Vorsprung hing und zappelte, als versuche er sich hochzuziehen. Von ihrer Position aus konnte sie das untere Deck nicht erkennen, auf dem offensichtlich ein Kampf im Gange war, doch sie hatte ohnehin nicht vor, sich einzumischen. Gegner konnte sie jedenfalls keine entdecken.

Schließlich entdeckte sie den jungen Kai Victor, der nur wenige Meter von ihr entfernt bewusstlos am Boden lag. Ein kurzer Blick sagte ihr, dass sich niemand für sie interessierte, und so griff die Ärztin nach ihrem Koffer und bewegte sich vorsichtig zu ihm hinüber. Sollte es hier Angreifer geben - sie hatte noch immer keinen erspäht - interessierten sie sich jedenfalls nicht für sie.

Dennoch ließ sie ihren Phaser nicht aus dem Auge und begann unruhig, den Mann durchzuchecken. Er war doch nicht bewusstlos, doch sein glasiger Blick verriet, dass er sich ihrer Anwesenheit nicht bewusst war. Seine untere Gesichtshälfte wirkte merkwürdig deformiert und sie benötigte keinen Tricorder, um den Unterkieferbruch zu erkennen.

"Kincaid an Venture. Medizinischer Notfalltransport, eine Person", kontaktierte sie das Schiff und hätte beinahe geflucht, als eine weibliche Stimme durch den Lärm kaum verständlich antwortete.

"Hier Transporterraum 2. Wir können Sie nicht erfassen, der Raum ist durch ein Kraftfeld abgeschirmt. Aber wir versuchen es weiter."

Jordan vergaß das Geschehen um sie herum und begann, den Mann zu stabilisieren. Sollten sich hier noch weitere Verletzte befinden, würde sie ihnen jetzt ohnehin nicht helfen können. Sie hoffte nur, Anjol gab ihr im Zweifelsfall Feuerschutz.

Missmutig hatte der Bajoraner das Gespräch der Ärztin verfolgt, nachdem er während ihrer Untersuchung hinter seiner Deckung hervorgekommen war und mit Chedu zusammen einen Überblick zu bekommen versuchte.

Offensichtlich wurde von unten geschossen, aber der Schütze war entweder besoffen oder total verzweifelt. Jedenfalls war das Feuer alles andere als gezielt und so näherten sich Klingonin und Bajoraner durch Handzeichen koordiniert zwei verschiedenen Treppenaufgängen und versuchten einen Überblick über die untere Ebene zu erhalten, während Alnak als perfekte Ablenkung über ihnen baumelte.

--- Computerraum, Treppenaufgang nach unten

Nachher würden die Technikerin und Anjol versuchen, den Romulaner zu retten, aber zunächst musste sie den Hintern des Chinesen aus dem metertiefen Mist ziehen, in den er, wahrscheinlich selber Schuld, geraten war:

Ziemlich mitgenommen lag er auf einer Ansammlung von Gasbehältern und eine Frau näherte sich mit ruhigen Schritten. Der Phaser in ihrer Hand sprach Bände, aber auch eine grün blutende Wunde war sehr interessant.

Doch bevor er mit seinem Phaser das Problem ein für alle mal beseitigen konnte, traf ein Fuß die Hand der Vulkanierin und ihre Waffe schlitterte in eine Ecke des Raumes, die er von der Treppe aus nicht einsehen konnte.

Scheinbar hatte den Romulaner genau im richtigen Moment die Kräfte verlassen, was der Frau gar nicht zu passen schien. Immerhin war sie Yheas Aufprallzone gewesen, ohne die er sich zweifellos alle Knochen gebrochen hätte.

So rieb er sich nur schreiend den linken Unterarm, während ihre Gegnerin alle Kraft zusammennahm und trotz multipler Frakturen versuchte, zu ihrem Phaser zu kriechen...

--- Computerraum, untere Ebene

Langsam richtete sich Yhea auf und tastete mit seiner rechten Hand seinen Körper ab. Gut, es schien alles in Ordnung zu sein; wenn man mal von seinem linken Arm absah. Denn der schmerzte fürchterlich und Yhea konnte nur mit Mühe die Tränen unterdrücken. Doch wenn er es genau betrachtete, dann hatte er beträchtliches Glück gehabt, dass ihm nicht mehr passiert war.

Nachdem er etliche Male versucht hatte, sich an dem Gitterrost wieder hochzuziehen, an dem er hing und er es partout nicht geschafft hatte, da hatte er sich nach einer anderen Möglichkeit umgeschaut, heil aus dieser Situation heraus zu kommen. Doch immer schneller hatten seine Kräfte nachgelassen und er hatte keine Chance mehr gesehen, dass jemand anderes ihn hätte retten können.

Doch da hatte er plötzlich unter sich eine ihm unbekannte Frau mit einem Phaser entdeckt, welche eine grün blutende Wunde hatte und Yhea hatte sofort gewusst, dass das die Gegnerin war, nach der sie Ausschau gehalten hatten. Schnell hatte er die Risiken abgewägt, sämtlichen Mut zusammengeholt und dann losgelassen. Mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit rauschte er in die Tiefe auf die Frau herab, welche anscheinend kurz vorher gemerkt hatte, das irgendwas nicht stimmte. Denn sie hatte noch nach oben geschaut, bevor Yhea mit voller Wucht auf ihr gelandet war. Das unangenehme Geräusch von brechenden Knochen war dann durch den Raum gehallt und mit einem Knall war der Phaser der Frau auf den Boden gefallen.

Mit schmerzverzerrtem Gesicht schaute nun Yhea die Frau an, welche auf allen Vieren auf ihren etwas entfernt liegenden Phaser zukroch. So wie es aussah, hatte es sie eindeutig schlimmer erwischt als ihn. Doch das war dem Romulaner nur Recht. Schnell schritt er zu dem auf dem Boden liegenden Phaser, hob ihn auf und zielte damit auf die Frau. Ihrem Gesichtsausdruck nach, war sie mit der Situation, die sich ihr bot, gar nicht zufrieden.

Yhea hingegen schaffte es trotz der Schmerzen seines mit ziemlicher Sicherheit gebrochenen Armes zu lächeln. Es juckte ihn beinahe in den Fingern; zumindest in den Fingern der rechten Hand; diese Frau, die anscheinend Romulanerin oder Vulkanierin war, zu erschießen. Doch stattdessen rief er laut: "Anjol, ich hab Sie!"

Ajdan überlegte fieberhaft. Sie musste schnell über ihre emotionelle Kontrolle ihre Schmerzen in den Hintergrund drängen. Dieser Romulaner, der sie von oben attackiert hatte, hatte wohl musste vor Aufregung nicht bemerkt, dass der Phaser beschädigt und defekt war. Das war wohl passiert, er in die Tiefe stürzte, nachdem dieser verdammte Chi-Lo ihr die Waffe aus der Hand getreten hatte.

Wäre die Waffe nicht defekt gewesen, wäre dieser Quälgeist, der da zwischen diesen Flaschen eingeklemmt war, schon längst tot gewesen. Die Agentin hätte ihn ohne weiteres erschossen.

Die jahrelange Erfahrung in vulkanischer Meditation zahlte sich aus. Quasi im Hintergrund liefen all die Prozesse ab, die es ihr erlaubten, den Schmerz auszuschalten, während sie mit ihrem Bewusstsein Pläneschmieden konnte.

Noch mindestens vier weitere Gegner waren hier, zusätzlich zu dem Kerl, der auf sie gefallen war und zu diesem verdammten Nahkämpfer: Gorm, Clint, der Sicherheitler, von dem sie nicht wusste, wie stark sie ihn getroffen hatte, und dieser Anjol. Wie sie wusste, war das der erste Offizier der Venture. Sie kannte die Mannschaftsakten auswendig. Wenn der erste Offizier zugegen war, dann würde er die Brücke verständigen. Und dann wurde es enger als ohnehin schon. Sie musste hier herauskommen - und das ging wohl nur mit Geiseln. Mindestens einer der beiden Terraner hier unten musste am Leben bleiben, am besten beide.

Sie konzentrierte sich. Dann stieß sie sich mit ihrem gesunden Arm ab und trat ihrem "bewaffneten" Gegner mit beiden Beinen vor die Brust.

Es war ein armseliges Manöver. Viel zu langsam und unbeholfen. Normalerweise wäre sie von ihrem Gegner jetzt erschossen worden. Da defekte Phaser aber nun mal nicht schießen und ihr Gegner auf Phaserfeuer und nicht auf Nahkampf eingestellt war, traf sie ihren vollkommen unvorbereiteten und vor allem ob des nicht funktionierenden Phasers ziemlich verdutzten Gegner voll vor die Brust.

Dieser flog nach hinten, genau auf den Wagen mit den Gasflaschen und diesem verdammten Nahkämpfer zu.

Genau darauf hatte die Vulkanierin gehofft. Dieser verdammte Chi-Lo konnte jetzt nicht schießen. Und wenn, würde er nur seinen Kameraden treffen. So schnell sie konnte, setzte sie nach, sprang mit einem Hechtsprung zu den beiden Terranern. Und entriss dem Eingeklemmten die Waffe. Dass diese noch funktionierte, hatte sie ja selbst miterleben dürfen.

Bei der Verletzung der Vulkanierin war selbst vulkanische Disziplin nicht in der Lage, bei einer dermaßen akrobatischen Aktion die Schmerzen zu unterdrücken. Die emotionale Kontrolle versagte. Schmerzwellen durchzogen ihren Körper und Blitze explodierten vor ihren Augen. Die Blitze würden abgelöst durch tiefdunkle Schwärze. Irgendwer schrie laut auf. Der Schrei drang wie aus großer Ferne in ihr Bewusstsein. Irgendwann bemerkte sie, dass sie es war, die da schrie. Ein Teil von ihr registrierte, dass sie sich hilflos zuckend auf dem Boden wand.

Mit eisernem Willen zwang sie ihren Körper wieder unter ihre mentale Kontrolle. Sie stieß den Gegner, der sie von oben angegriffen hatte, auf Chi-Lo und Hockte sich zwischen den Gasflaschen auf die beiden.

Dann hielt sie dem oberen Gefangenen den Phaser an die Schläfe.

"Anjol!", rief sie. "Wenn sie feuern, werden die beiden hier sterben. Versuchen sie es gar nicht mit einem Glücksschuss! Wenn sie daneben treffen, dann werden die beiden hier mit mir in einem Feuerball aufgehen! Ich gebe ihnen 15 Sekunden Zeit, ihre Phaser und ihre Communicatoren herunterzuwerfen. Auch von diesem Sicherheitler. Wenn nicht, wird die erste meiner Geiseln sterben."

Sie selbst hätte in einem solchen Falle ohne mit der Wimper zu zucken
auf die Gasflaschen gezielt, um die Gegnerin loszuwerden. Die beiden eigenen Mannschaftsmitglieder wären zwar bedauerliche, aber akzeptable Verluste gewesen.

Sie vertraute aber darauf, dass einer dieser schwärmerischen Maquis anders dachte.

Außerdem war sie bereit zu sterben. Priorität hatte zwar nach wie vor die Eroberung der Computerdaten, aber sie würde ihren Gegnern nicht lebend in die Hände fallen.

--- Computerraum, mittlere Ebene

Als die Stimme der Vulkanierin erklungen war, hatte Jordan Kai einen Augenblick vergessen und fragend Anjol angesehen. Der Bajoraner blickte jedoch nicht in ihre Richtung und wirkte für einen Augenblick wie erstarrt, als er wahrscheinlich fieberhaft nachdachte.

Hatte die Frau den 1. Offizier gesehen? Nein, sie hatte gehört, wie Alnak mit ihm sprach... Von Chedu und ihr wusste sie also möglicherweise nichts.

Geistesgegenwärtig winkte die Ärztin der Klingonin, die sofort verstand und mit geschmeidigen Bewegungen hinter einem Kistenstapel verschwand, hinter dem man sie von der unteren Ebene aus sicher nicht sah. Sie selbst, ohnehin in einer unbeobachteten Position, griff unsicher ihren Phaser fester und wartete darauf, wie Anjol reagierte.

Allerdings hoffte sie, Kai Victor würde nicht auf ihre Anwesenheit verzichten müssen. Und das nicht nur wegen dem Wohl des Sicherheitlers.

--- Computerraum, Treppenaufgang nach unten

Also langsam reichte es dem Bajoraner! Diese spitzohrige Zicke würde sie nicht noch länger von der Arbeit abhalten, auch wenn Anjol zu gerne gewusst hätte, wieso sie sich überhaupt verhielt wie die Axt im Wald.

Immerhin war das halbe Außenteam schon so gut wie tot und wenn sie nicht bald einen Kopf kürzer gemacht wurde, würde der andere Teil folgen.

Grimmig hob er den Phaser, stellte auf die höchste Betäubungsstufe, die selbst einem Vulkanier dröhnende Kopfschmerzen nach dem Aufwachen verpasste und zielte just in dem Moment, wo sie sich zu ihm umdrehte.

--- Maquisbasis, Müllsammelstelle

Endlich konnte Gorm das Schwindelgefühl abschütteln, das Clints Landung auf ihm und die anschließende Ohrenvergewaltigung bei ihm hinterlassen hatte.

Erleichtert stellte er fest, dass der Halbbreen es in der Zwischenzeit geschafft hatte, ihre Notlage zu entschärfen und sogar die Tür zu öffnen.

Eigentlich war das Aktivieren des Notfallprogramms nahe liegend gewesen, dass den Strahlungsbeschuss aufgehalten und sämtliche Türsperren entriegelt hatte. Warum war er bloß nicht selbst auf diese Idee gekommen?

"Ich brauche ein Terminal", keuchte der Ferengi außer Atem und stürzte durch die Tür.

--- Verbindungskorridor V23

Suchend sah sich der Mathematiker in dem schwach erleuchtetem Gang nach einen Terminal um. Da, 50 m den Gang hinunter sah er das schwache Glühen eines Displays. Schnell stürzte er darauf zu.

Hastig verband Gorm sein PADD, das er nicht einmal durch den Sturz verloren hatte mit dem Terminal und verschaffte sich Zugang zum System des Stützpunkts.

Zu seinem Glück waren die Sicherheitssysteme durch die Evakuierung nur noch rudimentär vorhanden und so begann der Ferengi fieberhaft um die Kontrolle über die Systeme zu kämpfen.

Aus Zeitmangel ging der Mathematiker, der seine Umgebung jetzt vollkommen vergaß, nicht gerade zimperlich vor. Wenn er auf ein Hindernis stieß, fegte er es mit einem seiner kleinen Programmchen einfach zur Seite. Das war zwar, als würde man einen Kriechwurm mit einem Photonentorpedo beschießen, aber Eleganz und Heimlichkeiten musste er auf einen anderen Zeitpunkt verschieben.

Nach einigen Minuten stellte Gorm enttäuscht fest, dass er das Dämpfungsfeld nicht über die allgemeinen Systeme ausschalten konnte, da dieses davon getrennt war und über ein unabhängiges System funktionierten.

Schnell hatte er aber einen Ersatzplan parat: über die internen Sensoren stellte er die Frequenz des Feldes fest und begann die Schildemitter der internen Sicherheit auf einen Interferenzfrequenz umzuprogrammieren.

--- Computerraum, mittlere Ebene

Nachdem der Bajoraner auf der Treppe erschienen war und so die Aufmerksamkeit der spitzohrigen Agentin auf sich gezogen hatte, huschte Chedu zu einer fast auf der anderen Seite des Komplexes gelegenen Leiter. Die Sprossen waren zwar in einer halbrunden Vertiefung angebracht, aber das schütze die Klingonin höchstens vor Blicken von der Seite. Flink und behände kletterte sie nach unten. Jeden Augenblick konnte sie entdeckt werden. Die Vulkanierin war aber viel zu beschäftigt ihre Geiseln und Anjol im Auge zu behalten.

--- Computerraum, Treppenaufgang nach unten

Einen Moment wog Anjol ihre Forderungen ab, doch mit ihren vulkanischen Reflexen hätten die Geiseln keine Chance, selbst wenn der Bajoraner ihr direkt ins Gesicht schoss.

So stand er langsam auf, warf seinen deaktivierten Phaser herunter und für einen Augenblick fand er es geradezu lächerlich, dass er schon wieder seinen Communicator verlieren sollte. Dennoch folgte das Gerät dem Phaser und schlug ebenso scheppernd auf.

"Um die Ausrüstung von Lieutenant Victor zu holen, werde ich wieder auf die mittlere Ebene gehen, da er schwer verletzt ist und nicht selbst folge leisten kann", kündigte der erste Offizier möglichst ruhig an, um eventuellen Missverständnissen zuvorzukommen, wartete dann aber doch keine Reaktion ab .

--- Computerraum, mittlere Ebene

Ohne die Ärztin zu beachten schritt der Bajoraner zu der Stelle, an der Kai lag und keinen guten Eindruck machte. Sie mussten auf die Venture und zwar bald!

Kais Phaser war leicht unter seinem Körper begraben und so musste er den stöhnenden Sicherheitler leicht drehen, während er sich murmelnd entschuldigte.

Schließlich kam er ins Sichtfeld der Vulkanierin zurück, welche schon ungeduldig zu werden schien und ihn in ruhigem Befehlston aufforderte, wieder auf seine vorherige Position auf der Treppe zurückzukehren und die Gegenstände zu den anderen zu werfen.

--- Computerraum, untere Ebene

Chi-Lo war Anjol dankbar, dass dieser einen kühlen Kopf behielt und auf die Forderung der Agentin einging. Er hätte ja auch einfach auf die Gasflaschen schießen können, somit wäre er sowohl die Agentin als auch Chi-lo losgeworden...

Offensichtlich hatte er aber eine andere Haltung, was taktische Verluste anging.

--- Maquis-Basis, Shuttle

Kaum war das Shuttle bereit, da hob Alex auch schon ab, zog den Shuttle hart nach Steuerbord und flog eine schnelle Runde um das Gebäude, in dem sich das Außenteam befand. "Wenn die es schon nicht schaffen, dass Kraftfeld von innen zu deaktivieren, dann mache ich es eben von außen", sagte er zu sich.

Er visierte die Energiezuleitungen an und feuerte die Phaser ab. In einer hellen Explosion zerbarsten die Leitungen und schleuderten Teile der Außenverkleidungen des Gebäudes durch die Luft. Alex brachte den Shuttle in eine etwas größere Höhe und scannte erneut das Gebäude. Immer noch registrierten die Scanner das Kraftfeld, auch wenn es etwas an Stärke etwas verloren hatte. Anscheinend wurde das Kraftfeld von einer internen Energiequelle versorgt. Doch darauf konnte Alex nicht schießen. Er würde Gefahr laufen, jemanden des Außenteams zu treffen und dass wollte er beim besten Willen nicht.

Deswegen drehte er ab und setzte Kurs auf die Venture. Dann mussten die Anderen es eben doch von alleine schaffen.

--- Computerraum, Treppenaufgang nach unten

Ein krachendes Geräusch und die dazugehörige Schockwelle rissen die beiden Kontrahenten von den Beinen, was im Falle des Ersten Offiziers mit einem Sturz die Treppe hinunter verbunden war.

Der Bajoraner wollte gerade losgehen, als eine riesige Schockwelle durch das Gebäude glitt und ihn von den Beinen riss. Mit einem Griff ins Blaue versuchte er sich noch festzuhalten, doch schlugen seine Hände in die Leere und so fiel er über das Geländer und machte sich innerlich auf den unsanften Aufprall gefasst, während er aus den Augenwinkeln die Agentin suchte:

Was immer es gewesen war, es hatte auch die Vulkanierin ins Straucheln gebracht und sie hatte nun größere Probleme nicht komplett hinzufallen.

'Ist die Föderation schon da?', fragte er sich knurrend, 'und seit wann bombardieren die gleich Siedlungen? Scheinbar ist die Zusammenarbeit mit den Romulanern wirklich fruchtbar...'

Der Aufprall war noch schlimmer, als Anjol vermutet hatte, auch wenn er wenigstens nicht auf ein Gitterrost fiel, welches ihn zerschnitten hätte. Alle Luft wurde aus seinen Lungen gepresst und Sterne rotierten vor seinen Augen.

Er war kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren.

Sollten sie also diesmal tatsächlich verlieren, dachte er verblüfft und dann gegen so eine verdammte Vulkanierin, die sie überrumpelte wie ein paar Schulkinder!

Ein dumpfer Schmerz weitete sich von seinem Fuß aus, der in einem unnatürlichen Winkel vom Rest des Beines abstand. Soviel zur Wirksamkeit von Hoffnungen aller Art.

Mühsam drehte er sich mit dem Oberkörper, um den Phaser wiederzufinden, aber er konnte ihn nicht ausmachen.

Und gleichzeitig erhob sich die Vulkanierin stoisch wieder und schritt ebenso unbewaffnet auf ihn zu. Das Schicksal war noch nicht mal so freundlich, ihm einen schnellen Tod zu bescheren!

Sollte er im Leben nach dem Tod einem dieser Propheten begegnen, würde er ihn langsam erwürgen, was in dem angeblichen zeitlosen Zustand der Wurmlochgötter ziemlich lange dauern konnte...

"Computer, senke die Innentemperatur auf -60°C", flüsterte er noch und hoffte, dass der Rechner schnell handelte. Eine solch extreme Kälte herbeizuführen konnte mehrere Minuten dauern, aber die Vulkanierin würde daran am meisten zu knabbern haben...

--- Computerraum, mittlere Ebene, Leiter

Ein plötzlicher Ruck riss die Klingonin fast regelrecht von der Leiter. Sie schaffte es gerade noch sich mit einer Hand so stark festzuklammern, um nicht auf den Boden des Raumes geschmettert zu werden.

Schnell griff Chedu mit der freien Hand noch einer Sprosse um ihre schmerzende Schulter zu entlasten.

Die Sternenflotte war wohl anscheinend früher eingetroffen als alle vermutet hatten. Bevor sie das Gebäude ganz einäscherten, wollte sie es lieber verlassen haben. Dazu musste aber erst einmal diese lästige Vulkanierin neutralisiert werden.

Chedu blickte nach unten und stellte fest, dass durch den Beschuss des Gebäudes auch die Agentin Probleme gehabt hatte sich auf den Beinen zu halten.

Die Klingonin wollte nicht warten, bis die nächste Salve den Raum erschütterte. Schnell überwand sie kletternd mehrere Meter der Leiter und sprang das letzte Stück.

--- Computerraum, untere Ebene

Auf einmal erschütterte der gesamte Gebäudekomplex wie unter einem gigantischem Faustschlag.

Der Asiate war froh, dass er unten lag. Alnak, der auf ihm lag, musste ziemliche Rippenschmerzen haben, weil die vulkanische Agentin krampfhaft versuchte, die Balance auf ihm zu halten, als die explosiven Erschütterungen durch das Gebäude jagten. Chi-Lo aber war durch Alnak gut gepolstert. Die Agentin hatte sich offensichtlich wieder in Balance und griff erneut nach ihrer Waffe.

--- Venture, Brücke

"Wenn wir jetzt nicht fliegen, wird es einen Kampf geben, den wir nicht gewinnen können", mahnte Kuzhumo mit ruhiger Stimme an, doch auch dem Japaner fiel es schwer, solch gute Offiziere zu opfern, wie das Außenteam es war.

Bis zuletzt hatte McCarthy gehofft, dass das Kraftfeld deaktiviert wurde doch bis jetzt war noch nichts passiert. Innerlich zerrissen, doch nach außen gefasst gab Charles den Befehl, den er zu vermeiden versucht hatte. Doch an Bord der Venture waren hunderte Flüchtlinge, die es in Sicherheit zu bringen galt:

"Hisaki, schicke dem Shuttle mit dem Notfallüberlebenspaket per Autopilot zurück neben das Rechenzentrum. Miss Aillard, transferieren sie die vorbereiteten Instruktionen direkt in die Speicher des Shuttles!"

Resignierend bestätigten die beiden Offiziere die Ausführung der Befehle, die schon vor Minuten vorbereitet worden waren und der Captain schaute zu K'bal, der im Sessel des Steuermannes saß:

"Bringen Sie uns zu den vom Maquis übermittelten Koordinaten, aber achten Sie darauf, dass die Föderationsschiffe uns nicht folgen können!"

Die Triebwerke summten leise auf, als die Venture sich in Bewegung setzte und die erst vor Tagen gefundene sichere Anlaufstelle zurücklassen musste. Und im Maschinenraum stand kein Romulaner, der auf den Impulsantrieb achten würde...

Hoffentlich schaffte Anjol es den Chaotenhaufen in Sicherheit zu bringen. Wenn man so wenig Leuten vertrauen konnte, wie es auf der Venture der Fall war, wuchsen alle über kurz oder lang zu einer Art Familie zusammen.

Und so blickte McCarthy nur starr auf den Bildschirm, als sein Schiff den Maquisplaneten schutzlos zurückließ...

--- Verbindungskorridor V23

'Wenn das funktioniert, wird es jetzt gleich ganzschön laut', dachte der Wissenschaftler nach Beendigung seiner Arbeit hoffnungsvoll und aktivierte sein Programm.

Ein lautes Heulen brauste durch die gesamte Station und Gorm hielt sich schmerzend seine Ohren zu.

Nachdem sich seine empfindlichen Ohren etwas an das durchdringende Geräusch gewöhnt hatte, tippte der Ferengi zaghaft an seinen neuen Communicator: "Gorm hier, hört mich noch irgend jemand? Das Dämmungsfeld dürfte eigentlich nicht mehr funktionieren."

Der Wissenschaftler sah sich nach seinem Vorgesetzten um, auf den er ganz vergessen hatte. Wo war der Halbbreen bloß? Langsam sollten sie sich einen Weg zurück an die Oberfläche suchen, die Föderationsschiffe konnten jeden Augenblick hier sein.

Da erblickte er Clint auch schon, der gerade aus einem Seitenkorridor trat und sich ebenfalls suchend nach Gorm umsah.

Kaum hatte er ihn gefunden, rief er ihm etwas zu, das der Ferengi aber wegen des Lärms nicht verstand. Er hoffte aber, dass der andere Wissenschaftler einen Weg an die Oberfläche gefunden hatte und machte sich zügig auf den Weg zu ihm.

--- Computerraum, untere Ebene

Plötzlich ertönte ein infernalisches Jaulen. Alle Anwesenden pressten sich die Hände auf die Ohren. Alle Anwesenden? Nein! Ein kleiner Chinese hörte nicht auf, den Tönen standhaft zu lauschen... Dies geschah aber nicht freiwillig, denn nach wie vor waren seine Arme eingeklemmt.

Die vulkanische Agentin aber gehorchte dem Instinkt und presste ihre Hände auf die Ohren. Oder zumindest eine Hand, da die andere Hand durch den gebrochenen Arm nutzlos herunterbaumelte. Ohne sich festhalten zu können, verlor sie durch die Erschütterungen das Gleichgewicht und viel von Alnak und dem Wagen mit den Gasflaschen hinunter.

Der Aufschrei der Vulkanierin, als sie auf ihren gebrochenen Arm stürzte, übertönte sogar noch das infernalische Jaulen.

Chi-Los Trommelfelle drohten nun, endgültig zu platzen. Zudem musste jetzt endlich jemand die Vulkanierin unschädlich machen!

Alnak war voll und ganz damit beschäftigt, sich die Ohren zuzuhalten und ansonsten handlungsunfähig.

Der Chinese hatte keine Wahl. Er musste Alnak aus seiner Agonie wecken, damit dieser von ihm aufstand und ihn endlich befreite. Ansonsten wäre er in Kürze taub oder aber wahnsinnig.

Aber er konnte gerade im wesentlichen nur seinen Kopf bewegen.

Mit großem Bedauern biss er Alnak herzhaft in dessen Schulter.

Das einzige, was Yhea zur Zeit wahr nahm, waren die ganzen Sterne, die vor seinen Augen herumtanzten und dieses fürchterliche Geräusch, welches seine Trommelfelle bis zum Zerreißen spannte. Mit aller Kraft hielt er sich seine empfindlichen Ohren zu und betete zu allen Göttern, die ihm in den Sinn kamen, dass es endlich aufhörte. Doch anscheinend hatte keiner Erbarmen mit ihm. Zudem kam es sogar noch schlimmer.

Es reichte nicht, dass ihm die geprellten Rippen weh taten, der gebrochene Arm schmerzte und die Ohren brannten. Nein. Jetzt kam auch noch die Schulter dazu. Zuerst verstand er nicht, wo der Schmerz jetzt plötzlich her kam, doch als er den Kopf drehte, erkannte er Chi-Lo, welcher sich in seiner Schulter verbissen hatte.

Wütend versuchte er den Chinesen abzuschütteln und gleichzeitig von ihm herunter zu kommen, da ja nun die Vulkanierin nicht mehr auf ihm saß, doch er konnte sich nur langsam bewegen. Mühsam drehte er sich auf die Seite, stützte sich mit seinem unverletzten Arm ab und rutschte von Chi-Lo und den Gasflaschen herunter.

Nach Luft schnappend sank er neben den Flaschen zu Boden und versuchte einige Sekunden lang, seine total verwirrten Gedanken zu sammeln. Immer noch war das grausame Heulen in der Luft und plötzlich fiel dem Romulaner auf, dass er anfing zu zittern. Lag es an seinem erbärmlichen Zustand oder an der Angst die er verspürte? Nein, denn als er keuchend Luft holen wollte, merkte er, wie sein Atem vor seinem Gesicht kondensierte.

'Was hat das denn wieder zu bedeuten', dachte er noch, bevor ihm ganz kurz schwarz vor Augen wurde. Schnell klammerte er sich an eine Flasche, um ja nicht ganz in diese unendliche Schwärze zu fallen.

Er musste etwas tun. Jetzt. Sofort. Auf der Stelle.

Er würde das ganze Chaos nicht mehr lange ertragen können. Doch sein Körper gehorchte ihm nicht. Wie er es auch anstellte, er schaffte es nicht, sich zumindest in eine kniende Position zu bringen. Dabei lag die Vulkanierin nur 2 Meter neben ihm und ihr Phaser sogar nur auf dem halben Weg. Doch für Yhea kam es so vor, als wäre er unerreichbar. Genauso gut hätte der Phaser auf einem anderen Planeten liegen können.

Verzweiflung machte sich in ihm breit. Er hatte das Ziel direkt vor Augen und konnte nicht handeln. 'So nah und doch so fern', schoss es ihm durch den Kopf. Doch er wollte jetzt nicht aufgeben. Nicht hier, nicht jetzt und nicht heute. An diesen Gedanken klammerte er sich mit aller Kraft. Mit allem, was sein Körper jetzt noch hergab.

Und dann, ganz plötzlich, konnte er sich wieder bewegen. Es war, als hätte jemand einen Schalter umgelegt und ihm wieder die Kontrolle gegeben. Vorsichtig ließ er sich auf seine rechte Seite fallen, stützte sich mit der rechten Hand ab und zog sich Millimeter für Millimeter vorwärts. Ganz langsam kroch er so auf den Phaser zu. Sein geschundener Körper brüllte innerlich und übertönte beinahe das laute Heulen im Raum.

Der dampfende Atem nahm ihm zeitweise die Sicht, doch der Romulaner kroch unbeirrt weiter. Es fehlte nicht mehr viel. Nur noch ein paar Zentimeter und er hatte sein Ziel erreicht. Sein Blick war starr auf den Phaser gerichtet, welchen er jetzt schon mit den Fingerspitzen berühren konnte. Noch einen Augenblick und er hatte ihn.

Triumphierend schlossen sich seine zitternden Finger um die Waffe. Trotz der immensen Schmerzen huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Ja, er hatte es geschafft. Er hatte seinen inneren Schweinehund besiegt. Er, Yhea Alnak.

Mit letzter Kraft hob er den Phaser ein wenig an und zielte auf die Vulkanierin, die ebenfalls auf ihn zugekrochen kam. Und wie Yhea total entsetzt feststellen musste, war sie ebenfalls bis auf wenige Zentimeter an ihn heran gekommen.

Plötzlich ergriff Panik den Techniker und wahrscheinlich aus Reflex drückte er auf den Auslöser des Phasers. Das grelle Licht des Energiestrahls zwang ihn, die Augen zu schließen. Und sofort war da wieder diese Schwärze, die von ihm besitzt ergreifen wollte. Doch diesmal stemmte er sich nicht dagegen. Nein, diesmal ließ er sie gewähren.

--- Maquis-Basis, Venture-Shuttle

Niemand nahm den Shuttle wahr, als es vollautomatisch neben dem Gebäudekomplex, der den Computerraum beherbergte, landete. Die Türen des Shuttles öffneten sich wie von Geisterhand.

Sollte es jemand schaffen, aus dem Gebäudekomplex zu gelangen und den Shuttle zu betreten, dann würden die Shuttlesensoren dieses registrieren und es würden genaue Anweisungen zur Rettung des Computerkernes erteilt werden. Sollte der kommandierende Offizier aber zu der Überzeugung gelangen, dass eine Rettung des Kernes aufgrund der sich nähernden Föderation unmöglich war, so gab es auch Anweisungen zur Zerstörung des Computerraumes. Sollte auch dazu die Zeit nicht reichen, gab es wenigstens Anweisungen, wie die Daten gelöscht werden könnten. Die Daten des Computerkernes durften unter keinen Umständen der Föderation in die Hände fallen. Dann wäre der Maquis geliefert. Endgültig.

Die geschätzte Zeit bis zum Eintreffen der Föderation betrug 3 Minuten,
30 Sekunden.

Ein LCAR erwachte zum Leben. "3:00", stand auf dessen Display zu lesen.

Die monotone Frauenstimme des Shuttlecomputers meldete sich. "Warnung. Warpkernüberlastung in drei Minuten."

"2:59"

"2:58"

"2:57"

Das Display zählte erbarmungslos.

Die geheimen Anweisungen des McCarthy waren aktiviert.

Wenn in den nächsten knapp 3 Minuten niemand das Shuttle betrat, um den Computerraum auf eine weniger rabiate Weise zu zerstören, würde die Warpkernexplosion alles in einem Umkreis von 15 Kilometern in eine pilzförmige Wolke verwandeln.

--- Verbindungskorridor V23

Während der Ferengi mit den Schiffssystemen beschäftigt war, hatte Clint nach einem Ausgang zur Oberfläche gesucht. Ein etwas altertümlicher Lift schien dazu der beste Weg zu sein. Er hoffte nur, dass er Ajdan, die vulkanische Agentin aufhalten konnte, bevor sie allzu viel Schaden anrichtete.

Sie würde sicherlich nicht zögern, alle auf diesem Planeten zu gefährden um ihre Mission, bzw. dass was sie sich in den Kopf gesetzt hatte, durchzuführen. Dieser minderbemittelte Terraner, der ihn im Computerraum mit einem Terroristen verwechselt hatte war wahrscheinlich längst tot.

"Ich habe einen Ausgang gefunden, einen Lift der mit Muskelkraft betrieben wird. Wir müssen nach Oben!", rief er dem Ferengi zu.

--- Maquis-Basis, Computerraum, untere Ebene

Schwarz.

Alles war schwarz.

Und kalt.

Yhea klapperten die Zähne vor Kälte und er merkte, wie seine äußeren Gliedmaßen anfingen zu kribbeln. Doch er war außerstande, irgendetwas an diesem Zustand zu ändern. Mit vorgestreckten Händen ging er umher, immer darauf gefasst, gleich etwas zu berühren. Irgendwas, woraus er Schlüsse ziehen konnte, wo er sich befand.

Doch nichts. Gar nichts. Nur diese Leere die ihn umgab.

Frustriert gab er auf. Er ließ sich in die Hocke fallen und schlang die Arme um sich, um sich etwas zu wärmen. Da viel ihm plötzlich etwas auf. Die Schmerzen. Sie waren weg. Prüfend bewegte er seinen verletzten Arm, der vorhin noch gebrochen zu sein schien. Doch er konnte ihn ohne Probleme bewegen. Genauso taten auch die Rippen nicht mehr weh, von den rasenden Kopfschmerzen, die er vorhin gehabt hatte, war ebenfalls nichts mehr zu spüren.

Und dann stellte er fest, wie still es hier war. Es war eine absolute Lautlosigkeit. Eine, wie sie Yhea noch nie in seinem Leben vorher erlebt hatte. Er hörte nur sein atmen und seinen eigenen Herzschlag, der sich anhörte, als würde jemand auf einer großen Trommel neben ihm spielen.

Angst stieg in ihm hoch. Er sprang auf und rannte los. Er rannte und rannte und rannte.

Er rannte so lange, bis er nicht mehr konnte. Durch die kalte Luft fühlte sich seine Lunge an wie ein Eisklotz und er hatte Mühe, Luft zu holen. Keuchend brach er zusammen, lechzte nach Luft und merkte, wie ihm schwindlig wurde.

Es dauerte mehrere Minuten; oder zumindest kam es Yhea so vor, bis er sich einigermaßen beruhigt hatte und er wieder Luft bekam.

Geschwächt kauerte auf dem Boden. Die Angst, die er eben noch so stark verspürt hatte, war wie weggeblasen. Das einzige Gefühl, was noch da war, war Resignation. Richtig tiefgreifende Resignation. Er wusste nicht mehr, was er machen sollte.

So langsam ging das Kribbeln in seinen Körperteilen in ein Ziehen über und verwandelte sich dann in stechende Schmerzen. Tränen liefen ihm die Wangen herunter. Doch sie kamen nicht weit, wenn sie gefroren direkt in seinem Gesicht, so kalt war es inzwischen geworden.

Mühsam versuchte er sich zu bewegen, doch seine Gelenke wurden steif. Langsam aber sicher begann sei Körper einzufrieren. Und sein Geist wurde immer schwächer. Langsam aber sicher viel er wieder in die Bewusstlosigkeit zurück. Langsam, aber unaufhaltbar.

In einem entfernten Winkel seines Geistes hörte Anjol den Schuss und das darauf folgende Zischen einer sich auflösenden Person. Die Kälte drang schon in seine Knochen ein und die Orientierung fiel ihm schwer, aber irgendwie wusste er nur, dass sie hier nicht bleiben konnten.

"Wir müssen hier weg", murmelte er unwirklich und richtete sich langsam auf, während die Temperatur ihrem Tiefpunkt entgegenlief. Sein Team sah nicht gerade rosig aus und einige würden nicht mehr selbst laufen können.

"Chedu, schnappen Sie sich Chi-Lo, ich nehme den Romulaner!", wies er sie fröstelnd an und bemerkte, dass seine Zehen zu kribbeln begannen, "Und wo verdammt sind die Wissenschaftler?"

Alnak wog schwer auf seiner Schulter und versuchte sich beim Anheben murmelnd zu wehren, aber sein Bewusstsein war zu weit entfernt, als dass er eine Chance hatte.

Die Zähne zusammen beißend schlurfte er eisig der Treppe entgegen...

--- Maquisbasis, Untergrund, vor einem primitiven Lift

Der Lift bot für nur jeweils eine Person Platz. Er wurde mit der Muskelkraft des Benutzers angetrieben, indem dieser an einem Seil zog. "Ich gehe als Erster und überprüfe die Lage oben", schrie er dem Ferengi durch das Dröhnen zu. Der kleine Wissenschaftler schien mit dieser Vorgehensweise voll und ganz einverstanden zu sein.

--- Maquisbasis, vor dem Rechenzentrum

Das Dröhnen war vor dem Rechenzentrum kaum noch wahrnehmbar Mit einiger Anstrengung hatte sich der Wissenschaftler mit dem primitiven Lift an die Oberfläche gekämpft und stand nun im Freien. Der Lift endete in einem unscheinbaren Holzschuppen. Etwas weiter abseits des Gebäudes stand ein Shuttle der Venture auf dem Rasen.

In einem hurtigen Trab bewegte er sich auf das Shuttle zu. Er beneidete den Ferengi um sein hochentwickeltes Gehör, das sich den Gegebenheiten wahrscheinlich problemlos angepasst hatte. Sein eigener Gehörsinn war fastvollständig ausgefallen, er würde noch stundenlang kaum etwas hören können.

--- Vor dem Shuttle

Erst dicht vor dem Shuttle bemerkte Clint die weibliche Stimme, die aus dessen Innerem drang. Er hielt inne und lauschte, konnte aber kein Wort verstehen. War Ajdan in den Shuttle eingedrungen und wollte es zur Flucht benutzen? Angestrengt versuchte der Halbbreen weiter zu lauschen.

Die Stimme klang monoton und sehr regelmäßig, als würde sie etwas aufzählen. Ajdan programmierte wahrscheinlich grade den Computer oder gab einen Bericht an die Sternenflottenschiffe ab. Jedenfalls beschloss Clint vorerst draußen zu bleiben, bis ihm eine Lösung einfiel und sich sein Gehör etwas erholt hatte.

Nach einer kurzen Weile sah er wie Gorm aus dem Schuppen kam, in dem der Lift endete. Er sah zu Clint, schien kurz zu lauschen und begann ihm dann in heller Panik etwas zuzurufen. 'Dieser Narr!', dachte Clint erbost, 'Er wird Ajdan auf uns Aufmerksam machen'

Wild über die Entfernung hinweg gestikulierend versuchte er dem Ferengi klar zu machen, dass er gefälligst still sein sollte. Dieser gestikulierte entsetzt zurück, aber der Halbbreen wurde nicht schlau aus seinen Gesten. Die Stimme Ajdans fuhr inzwischen ungerührt fort ihre Aufzählung zu machen, anscheinend hatte sie Gorm nicht gehört.

Der Ferengiwissenschaftler begann jetzt auf das Shuttle und Clint zuzurennen als ginge es um sein Leben. Keuchend und schnaufend schrie er dem Grünhäutigen aus allen Leibeskräften etwas zu. Entweder sein Gehörsinn erholte sich langsam oder es war die erstaunliche Lautstärke mit der Gorm jetzt brüllte, aber es gelang ihm einige Satzteile rauszuhören.

"EIN C..NTD.WN! DA LÄUFT ..N COUN...WN ! SCHALT.. ... ... AB! SONST WERDEN WIR ALLE STER..N !" Clint konnte sich beim besten Willen nicht klarmachen, was dies zu bedeuten hatte. War Gorm wahnsinnig geworden? Ajdan schien sie immer noch nicht bemerkt zu haben, vielleicht hatte sie wieder ihr Schallisolierungsfeld eingeschaltet.

Wenn sie Gorm nicht hörte würde sie ihn auch nicht hören, also rief der Wahlvulkanier zurück: "Wie bitte?" Der Ferengi war immer noch weit entfernt, er würde selbst in diesem Tempo noch eine Weile brauchen bis er zum Shuttle kam. "S.ND S.. TAUB!? T.N SIE DOCH ETW.S!"

Der kleinwüchsige Wissenschaftler keuchte nun so schwer das Clint befürchtete er würde jeden Augenblick zusammenbrechen. Jedenfalls brachte er kein verständliches Wort mehr hervor. Statt dessen konzentrierte er sich darauf so schnell zu laufen wie ihn seine Beine trugen, aber Verzweiflung zeichnete sich deutlich auf seinem Gesicht ab, als würde er wissen das er etwas unmöglich schaffen konnte.

Die Stimme aus dem Shuttle wurde plötzlich lauter und Clint erkannte, dass es nicht Ajdans Stimme war, sondern die des Computers. Trotzdem konnte er nur Teile des Inhalts verstehen.

"Acht.ng! Dies ist d.. l..te Wa.n..g! Warpk......ch in 5 Sekunden. Fü.f ! ..."

'Was hat das zu bedeuten?', dachte Clint verwundert.

"V..r !"

'Es hört sich wie eine Art Countdown an', dachte Clint etwas besorgt.

"D.ei!"

'Warum läuft in einem leer stehendem Shuttle ein Countdown ab?', fragte sich der Halbbreen.

"Zwei!"

'Es gibt nur eine Möglichkeit dies herauszufinden', meinte Clint entschlossen und Schritt auf den Shuttleeingang zu.

Dann hielt er aber inne. War es das wovor ihn Gorm warnen wollte? Sollte er den Shuttle auf keinen Fall betreten?

"Eins!"

...

"Countdown abg.brochen", meldete die Computerstimme als Clint, absolut untypisch für ihn, einem drängendem Instinkt folgte und das Shuttle betrat. Er schaute sich um, sah 10 Meter vom Shuttle entfernt, Gorm, der in embryonaler Haltung am Boden kauerte und beide Hände fest gegen die Ohren presste. Was hatte er den nur?

--- Vor dem Shuttle

Vorsichtig wartete Gorm noch ein paar Sekunden ab .... NICHTS!

'Hm, mir tun meine Ohren noch weh, also kann ich nicht in der himmlischen Schatzkammer sein. Der Lärm ist auch noch da. Aus irgend einem Grund bin ich noch nicht tot.... scheinbar hat Clint es doch noch verstanden, was ich ihm zu sagen versucht hab...', zaghaft öffnete er eines seiner Augen, ' da ist auch kein Krater ....'

Nun rollte sich der Ferengi endgültig herum und bemerkte Clint, der in fragend ansah.

Erleichtert lächelte er den Halbbreen an: "Danke, das Sie die Selbstzerstörung deaktiviert haben."

...

Verständnisloses Schweigen, dann deutete der andere Wissenschaftler auf seine Ohren.

Gorm stutzte einen Moment und überlegte dann: 'Er kann mich nicht hören. Warum sind wir dann nicht tot?'

Entnervt trat der Wissenschaftler zu seinem Kollegen in den Shuttle.

--- Shuttle

Schnell schloss Gorm die Luke und sofort breitete sich wohltuende Stille aus. Er sah zu Clint: "Wenn Sie mich nicht gehört haben, wie haben sie dann die Selbstzerstörungssequenz bemerkt und deaktiviert?"

--- Computerraum, mittlere Ebene

Mühsam versuchte sich der Bajoraner auf den Beinen zu halten, während Alnak von Schmerz und Kälte verwirrt strampelte, wie ein gefangenes Tier.

"Beruhige Dich, Yhea, wir erreichen gleich den Ausgang", krächzte Anjol dem Romulaner mit rissigen Lippen zu, die bei der extremen Kälte aufzuplatzen drohten, "Dann bekommst Du einen heißen Kaffee!"

Seine Zehen brannten bei jedem Schritt wie Feuer, wenn die dünnen Sohlen den klirrend kalten Gitterboden berührten und ein Gefühl der Taubheit schlich sich in seine Ohrläppchen, die von einem tiefem Rotton ins Blau zu wechseln begannen.

Vorsichtig die gefrorene Luft einatmend, drehte er leicht seinen Kopf und erkannte die Gestalt der Klingonin zwei Meter hinter sich. Der Chinese hing schlaff von ihrer Schulter und für einen Moment beneidete er sie angesichts seines zappelnden Passagiers, der sich alle Mühe zu geben schien, sie beide zu Fall zu bringen.

Ysara konnte er nirgends erkennen und hoffte, dass sie Victor schon aus dem Raum geschleift hatte und etwas gegen die Erfrierungen vorbereitete.

Zitternd krallte er seine Finger fester in Alnaks Körper und merkte innerlich fluchend, wie die Haut über seinen Fingerknöcheln der Spannung nachgab, Blut heraussickerte und sogleich als zähe Masse den Handrücken hinabfloss.

---Computerraum, mittlere Ebene vor der Ausgangstür

"Da wären wir", flüsterte der Bajoraner seinem Gepäck matt zu und hoffte, dass die Tür sich ohne Gegenwehr ergeben würde, doch wenige Zentimeter vor ihr angekommen, bemerkte er, dass die wärmeempfindlichen Sensoren angesichts der Kälte nicht mehr reagierten. Und seine Stimmbänder weigerten sich, auch nur den leisesten Befehl zu formulieren.

Es war aus, sie würden alle vor der Tür erfrieren, während auf der anderen Seite des Schotts ein lauer Sommertag auf sie wartete...

Außer.

Mit einer gequälten Grimasse hob er den Romulaner so nah an den Sensor, wie seine geschundenen Arme ihm nach folgten. Durch sein vulkanoides Erbe sollte dessen Körper viel wärmer sein und den Öffne-Mechanismus vielleicht doch aktivieren.

Ein Beben durchfuhr Anjols Leib, jede Muskelfaser und jedes Haar, das sich einem alten Reflex folgend aufgestellt hatte und in einem verwirrenden Augenblick der Klarheit spürte er nur, wie seine Beine wehrlos nachgaben und sein Körper nach vorne zu kippen begann.

Doch er schlug nicht gegen eine Duraniumtür.

--- Computerraum, hinter der Ausgangstür

Ziemlich hart schlug der Romulaner auf. Die Tür, die ihn sonst etwas weniger schlimm abgefangen hätte, hatte sich in letzter Sekunde doch noch geöffnet und so war Yhea ungebremst aufgeschlagen. Durch die zusätzlichen Schmerzen, die durch den Kontakt mit dem Boden entstanden waren, war Yhea komplett aus seiner Bewusstlosigkeit herausgerissen worden.

Mühsam öffnete er die Augen und versuchte sich umzusehen. Doch er bekam seinen Kopf nicht genug angehoben, um mehr als ein bisschen Flur zu erblicken. Stattdessen schmeckte er Blut auf seinen Lippen. Er leckte sich mit der Zunge darüber und versuchte seine trockenen und gefrorenen Lippen zu befeuchten. Doch sein Mund war so was von ausgetrocknet, dass er es direkt wieder aufgab.

Langsam kämpfte er sich aus seiner ziemlich ungemütlichen Liegeposition in eine etwas bequemere Haltung. Dann endlich konnte er sich einen kurzen Überblick über die aktuelle Situation machen. Wie er feststellen musste, lag er knapp einen halben Meter außerhalb des Computerraums in dem Gang, den sie vorhin schon durchgekommen waren. Anjol lag neben ihm, genau in der Tür, sodass sie sich nicht schließen konnte. Aus dem Grund drang immer noch die eisige Luft aus dem Raum heraus und ließ Yhea weiterhin frösteln.

'Verdammt, wir werden auch noch hier draußen erfrieren', schoss es Yhea durch den Kopf. Mühsam streckte er seinen gesunden Arm raus, ergriff Anjol an dessen Jacke und zerrte mit aller Kraft daran herum. "Anjol. Hey Anjol, wach auf. Wir müssen hier weg. Hallo??" Keine Reaktion. Dann begann er, den Bajoraner Zentimeter für Zentimeter an sich heran zu ziehen. Außer Atem keuchte er wie eine alte Dampfmaschine. Doch nach kurzer Zeit hatte er Anjol aus der Tür befreit, welche sich dann auch zischend schloss.

Sofort stieg die gefühlte Temperatur um mindestens 20 Grad und auf Yhea's Stirn bildeten sich große Schweißperlen. Er betrachtete den Bajoraner, welcher inzwischen einen ziemlich ungesunde Hautfarbe angenommen hatte. Er war so blau, dass er einem Andorianer Konkurrenz machen könnte.

Wieder schaute sich Alnak um. Denn ohne Hilfe würde er es nicht schaffen, von hier weg zu kommen. Er alleine vielleicht, doch mit dem schweren Bajoraner war das unmöglich. Langsam öffnete Yhea den Mund und wollte schreien, doch das einzige, was seinen Mund verließ, war ein hilfloses leises Krächzen. Auch beim zweiten Versuch wurde es nicht besser.

Er gab es auf und tippte stattdessen auf seinen Communicator. "Hier ist..", er musste schlucken. "Hier ist Alnak. Ist irgendjemand in der Nähe, der uns hier helfen kann?"

Ein dichter Schleier hatte sich scheinbar um Anjols Augen gehüllt und das einzige Geräusch welches er hörte, waren seine klappernden Zähne, die wie ein starkes Gewitter klangen, welches sich direkt über ihm entlud.

Die Stimme des Romulaners dagegen nahm er nur wie durch eine zähe Flüssigkeit wahr, während sein Körper die steigende Temperatur willkommen hieß. Unendlich langsam entspannten sich seine Muskeln wieder und er zwang seine Augen schwerfällig, wieder klar zu sehen.

Der Romulaner lag dicht neben ihm und versuchte immer noch einen Hilferuf abzusetzen, als Anjol ein leichtes Pochen bemerkte. Zuerst dachte er, es entstamme seiner Phantasie, doch dann lokalisierte er die Quelle.

"Tür öffnen!", befahl er quäkend und spürte Alnaks entsetzten Blick in seinem Nacken, während die Tür aufglitt und eine sichtlich durchgefrorene Chedu mit einem Häufchen Asiat auf der Schulter den Gang betrat.

--- Shuttle

Der Anruf über den Communicator unterbrach jegliche weitere Unterhaltung zwischen den Wissenschaftlern.

Sofort tippte Gorm seinerseits auf seinen Communicator: "Gorm hier, ich befinde mich in einem der Shuttles. Wie ich gesehen habe gibt es hier einen Transporter. Ich beame Sie einfach an Bord. Sie könnten sich schon einmal überlegen, ob ich die anderen auch zurückholen soll und in welcher Reihenfolge. Gorm Ende"

Schnell trat er zu den Transporterkontrollen und suchte mit den Sensoren nach Alnaks Communicatorsignal. Wahrscheinlich hätte ein Spezialist auch mehrere Personen auf einmal transportieren können, aber obwohl der Ferengi auf seinem Gebiet genial war, so hatte er in Transportertechnologie nur Basiswissen. Yhea oder Chedu waren da sicher besser.

Endlich ortete der Wissenschaftler Alnaks Signal. Clint war nach kurzer Zeit hinzu getreten und hatte ihn an den Sensoren unterstützt und auch die notwendigen Berechtigungen erteilt, so dass der Transfer erfolgen konnte.

Gorm aktivierte den Transporter und schnell erschien die Gestalt Anjols auf der Plattform. Aber sein Aussehen schockierte den Ferengi, was war da draußen los? Nach dem sich die leichte Desorientierung bei dem Romulaner gelegt zu haben schien, richtete der Wissenschaftler erneut das Wort an ihn: "Willkommen an Bord, Sir! Wem soll ich als nächstes herein holen?"

--- Rechenzentrum, bei der Tür zum Computerraum

Jordan hatte Kai liegen lassen, den sie mit Mühe um eine Gangbiegung gezerrt hatte, möglichst weit weg vom Computerraum, in dem sonst was vorging. Nachdem sie festgestellt hatte, dass auch hier die Venture nicht antwortete und auch keines der Shuttles auf ihre Rufe reagierte, hatte sie den Ruf Alnaks mit unendlicher Erleichterung zur Kenntnis genommen, den halb bewusstlosen Victor zurückgelassen und bog nun gerade um die Biegung zum Computerraum, als Alnak schimmert dematerialisierte.

Gerade wollte sie sich fragend an Anjol wenden, als auch er verschwand. Kurz darauf spürte sie das Prickeln des Transporterstrahls, als sie erfasst wurde und Gorm die restlichen Mitglieder des Außenteams aufs Shuttle beamte.

--- Shuttle

Kaum angekommen, ließ Jordan ihren Blick verhältnismäßig entsetzt über ihre Kameraden schweifen, die langsam eintrafen: Anjol, Alnak, Chedu und Chi-Lo wirkten, als seien sie Stunden und Tage durch einen Schneesturm gelaufen. Chi-Lo, der über Chedus Schulter hing und fahrig zappelte, schien noch dazu verletzt; über Victors Zustand war sie sich ja bereits im Klaren.

Ein kurzer Blick sagte ihr, dass Mr. Gorm und Mr. Clint, die an den Kontrollen des Shuttles standen, unversehrt waren. Kurzerhand beschloss sie, sie zu rekrutieren.

"Suchen Sie sich alle einen bequemen Stuhl und bleiben Sie sitzen", wandte sie sich streng an ihre frierenden Patienten. "Mr. Gorm, replizieren Sie Decken und teilen Sie sie allen aus; heiße Getränke wären auch nicht schlecht. Mr. Clint, erhöhen Sie die Temperatur des Shuttles stufenweise alle paar Minuten um zwei Grad, damit alle sich aufwärmen. Wenn es Ihnen selbst zu heiß wird, ziehen Sie sich aus, wir haben keine Zeit, zimperlich zu sein. Und wir sollten so schnell wie möglich starten. Mindestens Mr. Victor benötigt dringend eine bessere Versorgung, als ich sie ihm bieten kann."

Während die kleine Frau sprach, hatte sie nach dem größeren medizinischen Notfallkoffer gegriffen, der an der Wand des Shuttles befestigt war, und ihn neben Chi-Lo aufgeklappt, den Chedu mittlerweile abgesetzt hatte, während sie mit einer knappen Untersuchung begann. Sie hatte so eine Ahnung, dass der Chinese noch zum Dauerpatienten auf ihrer Krankenstation werden würde.

Allerdings schien er diesmal auf wundersame Weise von inneren Verletzungen verschont, auch wenn er sich eine beachtliche Zahl von Prellungen, Verstauchungen und ausgerenkten Wirbeln zugezogen hatte. Ihrer Meinung nach konnte er froh sein, dass er noch einmal davon gekommen war.

Nachdem die Ärztin so kurzerhand das Kommando an sich gerissen hatte, versenkte sie sich nun in die Behandlung des Chinesen. Dennoch blieb kein Zweifel daran, dass die unscheinbare Frau sich hier so lange als kommandierenden Offizier betrachtete, wie auch nur einer ihrer Patienten noch fror.

Und das taten sie momentan. Zitternd hatten sich die Mitglieder des Außenteams in ihre Decken gehüllt, dampfende Teetassen in ihren Händen, während der Ferengi herumwuselte und gemeinsam mit dem Breen das Shuttle startklar machte. Einen Augenblick lang vergaß Jordan fast, dass sie nicht mehr bei der Sternenflotte war, sondern mit einem Haufen schiffsloser Abtrünniger auf einem Maquisstützpunkt feststeckte...

Zitternd nippte Anjol kurz an seinem Tee, eine typisch grässliche vulkanische Mischung, die seine Fußnägel hochrollen ließ, aber wenigstens wärmte der heiße Becher seine Hände und er konnte anfangen zu überlegen.

"Clint, haben Sie bereits den Computer nach Instruktionen durchsucht?", wandte er sich an den im Pilotensitz wartenden Halbbreen, welcher solch eine Möglichkeit noch nicht in Betracht gezogen zu haben schien. Jedenfalls machte er sich unverzüglich ans Werk, mit einer analytischen Perfektion, die den Bajoraner wieder frösteln ließ.

In einem dozierenden Ton las der Wissenschaftler schließlich die Anweisungen vor, die Charles ihnen aufgetragen hatte, bevor sich die Venture in Sicherheit bringen musste: "Primäre Aufgabe: Vernichtung des Datenspeichers mit allen erdenklichen Mitteln vor Eintreffen der Föderationseinheiten. Sekundärziel: Verlegung des Außenteams zu Treffpunkt "Norad" bei Sternzeit 48017.5 unter Einhaltung der Sicherheitsprotokolle"

Schlürfend nahm der erste Offizier noch einen Schluck des Tees zu sich, bevor er die Tasse angewidert auf eine Konsole stellte und begann, Anweisungen zu geben: "Mister Clint, bringen Sie uns in einen Orbit und vernichten sie das Areal. Dann löschen sie sämtliche Computerlogbücher inklusive der aktuellen Instruktionen und setzen Kurs Richtung 179 zu 025. Wahren Sie absolute Funkstille, selbst wenn ein Föderationsschiff direkt vor unserer Nase auftaucht. Ausführen!"

Ein heikler Flug lag vor ihnen...

Yhea hatte es sich direkt im Co-Pilotensitz gemütlich gemacht, nachdem Gorm ihn hergebeamt hatte. Dann hatte er den Ferengi dabei unterstützt, die restlichen Teammitglieder an Bord des Shuttles zu beamen. Jetzt, da alle an Bord waren, hatte Yhea schon mal die Systeme des Shuttles aktiviert, den Antrieb vorgewärmt und die Waffen aktiviert. Ihm waren nämlich sofort die Instruktionen des Captains aufgefallen und hatte schon mal alles für die Ausführung vorbereitet.

Er warf einen Blick über die Schulter und schaute kurz Jordan zu, wie sie den Chinesen behandelte. Dann konzentrierte er sich wieder auf die Shuttlesysteme. Obwohl im immer noch kalt war; auch wenn er noch zusätzlich in eine Decke gehüllt war, versuchte er konzentriert das Shuttle zu steuern. Und das auch noch zusätzlich mit einer Hand. Denn der Arm schmerzte immer noch höllisch. Doch ihm blieb keine Wahl. Er konnte sich jetzt nicht schön von Jordan behandeln lassen. Er musste warten, bis sie in Sicherheit waren. Denn zurzeit war außer ihm keiner im Stande den Shuttle zu steuern. Zwar half ihm Clint soweit er konnte und auch Gorm war sehr hilfreich, doch die Beiden konnten kein Shuttle fliegen. Deswegen musste Yhea in den sauren Apfel beißen.

"Alle Systeme einsatzbereit", kam es kurz von Clint, der gebannt auf die Konsole schaute. "Wir können starten."

"Ok", sagte Yhea und rief den Anderen im Shuttle zu: "Alle gut festhalten. Es kann sein, dass es etwas holprig wird."

"Die Sternenflotte wird jeden Moment hier sein", sagte Clint und befasste sich wieder mit den Sensoren.

Still nickte Yhea und fuhr die Triebwerke hoch. Mit einem Brummen nahmen sie ihren Dienst auf und schon hob das Shuttle langsam ab. Ohne viel Zeit zu verlieren drehte er den Shuttle herum, zog es auf eine sichere Höhe und visierte mit den Waffen das Gebäude an.

"Gebäude ist anvisiert", sagte Clint schnell und drehte sich zu Yhea um. "Sie können feuern."

Gesagt getan. Schon schossen Phaserstrahlen vom Bug des Shuttles weg auf das Gebäude zu, fraßen sich durch die Außenmauern und hinterließen brennende Spuren im Mauerwerk. Zwei Salven später schoss eine Stichflamme aus dem Gebäude empor und wenige Sekunden später explodierte das komplette Haus in einer riesigen Feuerwolke.

Clint, der die ganze Zeit die Sensoren im Auge behalten hatte, nickte kurz und rief: "Der Computerkern ist zerstört. Sämtliche Daten sind unwiderruflich vernichtet."

"Prima", fügte Yhea hinzu und beschleunigte den Shuttle. "Dann nichts wie weg hier, bevor uns ein Sternenflottenschiff entdeckt.

Einstimmiges Gemurmel ertönte im Shuttle und Yhea setzte den befohlenen Kurs. Immer höher flog der Shuttle, durchstieß nach wenigen Sekunden schon die Wolkendecke und kurz darauf die Atmosphäre. Sofort ertönte ein Alarm von Clints Station und Yhea wusste sofort, was der Grund dafür war. Denn als er aus dem Fenster nach draußen sah, erkannte er 3 große weiße Schiffe, die auf den Planeten zugeflogen kamen. Und wahrscheinlich hatten sie sie auch schon entdeckt. Doch das war egal. Der Shuttle hatte einen geringen Vorsprung und hier in den Badlands war ein kleines wendiges Schiff viel besser, als ein riesiges Sternenflottenschiff.

"Mister Clint, aktivieren Sie die Schilde. Leiten Sie alle Energie in die hinteren Schilde um. Kann sein, dass sie versuchen, uns abzuschießen."

Kaum hatte Yhea den Satz ausgesprochen, da wurde der Shuttle auch schon durchgeschüttelt.

"Computer, Ausweichmanöver Gamma 2", rief Yhea, während er fieberhaft versuchte, mit einer Hand das Shuttle einigermaßen auf Kurs zu halten. Wieder wurde das Schiff getroffen, doch noch hielten die Schilde.

'Verdammt', dachte Yhea. 'Warum hat uns die Venture nicht die "Silver Sun" hier gelassen. Dann hätten wir uns tarnen können.' Doch jetzt war nicht die Zeit, sich in Wunschdenken zu verlieren. Sie mussten sich was einfallen lassen, wie sie vor den Schiffen entkommen konnten.

"Sir", kam es vom Pilotensitz. "Wir werden verfolgt. Ein Schiff ist in die Umlaufbahn des Planeten gegangen und die anderen zwei Schiffe folgen uns." Erneut musste der Shuttle einen Treffer einstecken. Ein kurzer Blick auf die Schildanzeige und Yhea sah, dass die Schilde auf 75 Prozent gefallen waren.

Wieder versuchte Yhea ein Ausweichmanöver, doch trotzdem wurde der Shuttle getroffen. "Schilde runter auf 58 Prozent", sagte der Romulaner und rief ohne sich umzudrehen: "Hat irgendjemand eine Idee, wie wir hier wegkommen sollen?"

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